OGH 14Os148/93

OGH14Os148/939.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.November 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Schmidt als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mario T***** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18.Juni 1993, GZ 4 b Vr 14950/92-31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Jerabek, und der Verteidigerin Mag.Scheed, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, der Angeklagte habe "mit dem Tode" gedroht, und demgemäß in der Bezeichnung der Tat als "Verbrechen" und in der rechtlichen Unterstellung derselben (auch) unter die Bestimmung des "§ 106 Abs. 1 Z 1" StGB sowie infolgedessen auch im Strafausspruch, jedoch unter Aufrechterhaltung des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung, aufgehoben und in diesem Umfang gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Mario T***** hat durch die nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs umschriebenen Handlungen (Drohung mit einer Verletzung am Körper) das Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB begangen und wird hiefür nach § 105 Abs. 1 StGB sowie unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 14.April 1993, GZ 15 U 23/93-13, zu einer (zusätzlichen) Freiheitsstrafe von 11 (elf) Monaten und 3 (drei) Wochen verurteilt.

2. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

3. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

4. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 23.März 1961 geborene Mario T***** des Verbrechens der (zu ergänzen: versuchten) schweren Nötigung nach §§ (15,) 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 12.Dezember 1992 in Wien Tome S***** durch gefährliche Drohung mit dem Tode zu einer Unterlassung, nämlich seiner Anhaltung und Verständigung der Polizei, zu nötigen versuchte, indem er - im Stiegenhaus angehalten - mit seinem geöffneten Messer Stichbewegungen gegen Tome S***** ausführte und erklärte: "Laß mich in Ruhe".

Dagegen richtet sich die auf Z 5, 5 a, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der teilweise Berechtigung zukommt.

Fehl geht die Mängelrüge (Z 5), soweit sie zunächst eine Unvollständigkeit der Begründung behauptet, indem sie einzelne Sätze und Satzteile aus den Aussagen der Zeugen Tome und Bozidar S***** aus dem Zusammenhang löst (1. lit.c-k der Beschwerdeschrift) und daraus folgert, "das Erstgericht hätte zur Ansicht kommen müssen", daß einerseits diese Zeugen wegen der schlechten Lichtverhältnisse ein (geöffnetes) Messer gar nicht sehen konnten, andererseits der Beschwerdeführer den Tome S***** auch nicht wörtlich bedroht habe.

Demgegenüber hat das Schöffengericht auf Grund des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks und in einer Gesamtschau der wesentlichen Verfahrensergebnisse in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) mit aktengetreuer, denkmöglicher und zureichender Begründung (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) den beiden genannten Tatzeugen geglaubt, hingegen der wechselnden und widersprüchlichen Verantwortung des (spezifisch vorbelasteten) Angeklagten, der selbst zugegeben hat, bei der Begegnung mit Tome S***** im beleuchteten Stiegenhaus (S 99) ein (ungeöffnetes) Taschenmesser in die Hand genommen zu haben (S 31, 38 und 89), den Glauben versagt (US 6-8).

Der Beschwerde zuwider bedurfte es keiner näheren Begründung der (nur unwesentliche Umstände betreffenden) Feststellungen (US 5), denenzufolge sich der Angeklagte am Tatort nach einer Diebstahlsgelegenheit umgesehen hat und nicht unter Drogen- oder Medikamenteneinfluß gestanden ist.

Die behauptete Aktenwidrigkeit hinwieder beruht ersichtlich auf einem Irrtum des Beschwerdeführers; denn das Erstgericht hat ohnehin in Übereinstimmung mit der Aussage des Tome S***** (vgl. S 107) konstatiert (US 8, 1.Absatz), dieser Zeuge (und nicht Bozidar) habe die Messerspitze gesehen.

Die Mängelrüge vermag demnach insgesamt keinen formellen Begründungsmangel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen, vielmehr läuft das Vorbringen nach Inhalt und Zielrichtung lediglich auf eine unzulässige (und mithin unbeachtliche) Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung hinaus.

Die in der Tatsachenrüge (Z 5 a) geäußerten Bedenken gegen die Unterstellung des inkriminierten Urteilssachverhaltes auch unter die Bestimmung des § 106 Abs. 1 StGB sind durch die teilweise Urteilsaufhebung ausgeräumt. Soweit sich die Beweisrüge - erneut unter Vernachlässigung entscheidender Sachverhaltskomponenten (etwa Stichbewegungen mit dem geöffneten Messer) nach Art einer Schuldberufung - auch gegen den erstgerichtlichen Schuldspruch in Ansehung des Grundtatbestandes der versuchten Nötigung richtet, ist dieses Vorbringen angesichts der - wie dargelegt - auf der Basis des gesamten entscheidungswesentlichen Beweissubstrates mängelfrei begründeten Urteilskonstatierungen ungeeignet, Bedenken - geschweige denn solche erheblicher Art - gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

An sich zutreffend weist der Beschwerdeführer in Ausführung der Rechtsrüge (Z 9 lit. a, der Sache nach Z 3) darauf hin, daß im Urteilstenor das Zitat "§ 15 StGB" fehlt. Aus der Formulierung des Urteilssatzes in Verbindung mit den Entscheidungsgründen ergibt sich jedoch zweifelsfrei und in einer den Anforderungen der Z 1 und 2 des § 260 Abs. 1 StPO entsprechenden Weise, daß der Nichtigkeitswerber nur wegen des Versuchs der in Rede stehenden Tat für schuldig befunden wurde, wogegen die unvollständige Anführung der angewendeten (nach der Anordnung des § 260 Abs. 1 Z 4 StPO in das Urteil aufzunehmenden) angewendeten gesetzlichen Bestimmungen - anders als ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 260 Abs. 1 Z 1 bis 3 StPO - nicht unter Nichtigkeitssanktion steht (Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr. 115 b zu § 260 = 10 Os 12/79).

Mit dem weiteren Einwand, es "liegt keine gefährliche Drohung in subjektiver Hinsicht vor, da der Zeuge Tome S***** ausdrücklich festgestellt hat, daß er keine Angst vor mir und meinem Messer" und dies auch dadurch bewiesen habe, daß er einen Besen holte und damit auf den Beschwerdeführer losgehen wollte, zielt die Beschwerde ersichtlich auf die mangelnde "Eignung" der in Rede stehenden Drohung ab, "begründete Besorgnisse einzuflößen".

In diesem Zusammenhang ist indes nur entscheidend, ob die Drohung wie im § 74 Z 5 StPO vorausgesetzt, objektiv die Eignung besitzt, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen (EvBl. 1976/44); wenn der Bedrohte - sei es in außergewöhnlichem Mut, aus Gelassenheit oder übergroßer Ängstlichkeit - in seiner Einschätzung der Lage von jener Beurteilung abweicht, die ihr ein Durchschnittsmensch angedeihen ließe, ist dies nicht entscheidend (LSK 1977/124). Es kommt vielmehr darauf an, ob der Bedrohte bei unbefangener Betrachtung der Situation den Eindruck gewinnen konnte, der Täter sei in der Lage und auch willens, das angedrohte Übel zu verwirklichen (Leukauf-Steininger Komm.3 RN 21 zu § 74 und die dort zitierte Judikatur). Da § 105 Abs. 1 StGB in Verbindung mit § 74 Z 5 StGB mithin nicht einmal voraussetzt, daß eine Drohung überhaupt eine Besorgnis erweckt, ist es umsoweniger erforderlich, daß eine solche den Bedrohten tatsächlich zu dem vom Täter verlangten Verhalten veranlaßt hat. Vermag die Drohung (wie vorliegend) trotz ihrer objektiven Eignung, begründete Besorgnisse einzuflößen, nicht das vom Täter bezweckte Verhalten des Opfers zu bewirken, dann ist die Nötigung (als echtes Erfolgsdelikt) allerdings nicht vollendet, sondern bloß versucht. An der objektiven Eignung der im angefochtenen Urteil festgestellten Drohung (Stichbewegungen mit einem geöffneten Messer gegen den ca. 1 m entfernt stehenden Tome S*****), begründete Besorgnisse einzuflößen, kann aber bei Anlegung eines Durchschnittsmaßstabes nicht gezweifelt werden.

Mit der Behauptung schließlich, das Schöffengericht sei außerstande gewesen, aus den Verfahrensergebnissen Feststellungen zu treffen, daß der Zeuge Tome S***** zu einer bestimmten Unterlassung bewegt (veranlaßt) werden sollte, weshalb das Erstgericht zumindest im Zweifel annehmen hätte müssen, er (der Beschwerdeführer) habe sich nur gegen die Handlungen des Tome S***** "schützen oder wehren" wollen, entfernt sich der Nichtigkeitswerber von den anderslautenden (den bekämpften Schuldspruch wegen des Vergehens der versuchten Nötigung in subjektiver und objektiver Richtung tragenden) erstgerichtlichen Urteilskonstatierungen (US 2, 5, 6 und 8-9) und bringt solcherart den materiellen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.

Im bisher erörterten Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Mit Recht vermißt der Beschwerdeführer hingegen in der Subsumtionsrüge (Z 10) Feststellungen, "daß die angebliche Tatwaffe geeignet sei, die in Abs. 1 des § 106 StGB geforderten Ergebnisse herbeizuführen".

Eine Todesdrohung im Sinne der vorzitierten Norm liegt nämlich nur dann vor, wenn dem gesamten Geschehensablauf tatsächlich die ernste Absicht der Verwirklichung des angedrohten Übels, also eines Anschlages auf das Leben des Opfers, zu entnehmen ist und er objektiv geeignet ist, beim Bedrohten gerade in dieser Richtung begründete Besorgnisse zu erregen (ähnlich Leukauf-Steininger aaO RN 5 f zu § 106; 15 Os 62/92). Darüber hinaus muß der verbrechensqualifizierende Umstand der Todesdrohung in subjektiver Beziehung auch vom zumindest bedingten Vorsatz des Täters umfaßt sein (SSt. 48/61).

In diesem Sinn reichen demnach die bezüglichen erstgerichtlichen Urteilsannahmen (US 5, vorletzter Absatz; 6, erster Halbsatz, und 8, dritter Absatz iVm den rechtlichen Schlußfolgerungen - US 8, letzter Absatz -) in der Tat nicht aus, die inkriminierte Handlung (Stichbewegungen mit einem geöffneten Messer gegen den ca. 1 m entfernt stehenden Tome S*****) unter die (bekämpfte) Verbrechensqualifikation zu subsumieren, zumal weder der Aktenlage (vgl. etwa S 24, 51 und 143) noch dem Urteil eine nähere Beschreibung über Beschaffenheit und Gefährlichkeit des tatverfangenen Messers sowie ausreichende Angaben darüber zu entnehmen sind, ob es auch konkret in lebensgefährdender Weise angewendet wurde (vgl. Mayerhofer-Rieder StGB3 ENr. 22 zu § 84).

Mithin kann schon in objektiver Beziehung verläßlich nicht gesagt werden, daß die festgestellte Handlungsweise bereits zwingend als Drohung mit dem Tode aufzufassen wäre und nicht etwa bloß als solche mit einer Verletzung am Körper. Einer derartigen Drohung kommt damit schon objektiv nicht die Eignung zu, beim Bedrohten begründete Besorgnisse um sein Leben aufkommen zu lassen. Zudem hat das Schöffengericht eindeutige Konstatierungen zur subjektiven Tatseite dahingehend unterlassen, daß der Vorsatz des Angeklagten einen ernsthaften Anschlag auf das Leben des Tome S***** umfaßte (vgl. US 5, vorletzter Absatz iVm US 8, letzter Absatz, wo nur von der Wissenskomponente gesprochen wird).

Eine solcherart gebotene Feststellung wäre nach der Verfahrenslage auch in einem erneuerten Verfahren nicht mehr zu treffen, sodaß der Oberste Gerichtshof in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO insoweit in der Sache selbst entscheiden und die (von der teilweisen Urteilsaufhebung unberührt gebliebene) Tat (lediglich) als Drohung mit einer Körperverletzung werten konnte.

Bei der Strafneubemessung war von der aktuellen Strafdrohung des § 105 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, die wegen des Vorliegens der Rückfallsvoraussetzung nach § 39 Abs. 1 StGB auf achtzehn Monate erhöht werden könnte) auszugehen und zu berücksichtigen (§ 31 StGB), daß der Angeklagte mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 14.April 1993 zur GZ 15 U 23/93-13 wegen des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z 2 WaffenG (Besitz eines Schlagringes im Sommer 1992) zu einer Woche Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Als erschwerend fielen sechs Vorstrafen wegen verschiedener Gewalt- und Körperverletzungsdelikte sowie das Zusammentreffen zweier verschiedener Straftaten (infolge Bedachtnahme) ins Gewicht; mildernd war demgegenüber, daß es beim Versuch der Nötigung geblieben ist.

Von diesen Strafzumessungsgründen ausgehend sowie unter Bedachtnahme auf die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) erachtete der Oberste Gerichtshof eine Zusatzstrafe von elf Monaten und drei Wochen als tat- und tätergerecht, weil bei gemeinsamer Aburteilung der dem Angeklagten zur Last liegenden Delikte zwölf Monate Freiheitsentzug angemessen gewesen wären.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die reformatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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