OGH 4Ob112/93

OGH4Ob112/932.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei "f***** Gesellschaft mbH & Co, ***** vertreten durch Dr.Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei I***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Peter Raits und andere Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert: 400.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 17.Mai 1993, GZ 2 R 40/93-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 4.Dezember 1992, GZ 10 Cg 293/92s-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das abweisende Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 40.710 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahreens (darin enthalten 12.000 S Barauslagen und 4.785 S Umsatzsteuer) binnenh 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien betreiben in Vorarlberg je mehrere Supermärkte, in welchen sie Lebensmittel und andere Waren verkaufen.

Der Ausgabe der "V***** N*****" vom 11.3.1992 war ein bunter, 16-seitiger Werbeprospekt der Beklagten beigelegt, in welchem sie die von ihr vertriebenen Fahrräder samt Fahrradzubehör, Radfahrbekleidung sowie einschlägige Nahrungsmittel und Getränke (Müsli, "Durstlöscher" usw.) anbot. Die erste Seite dieses Prospektes war wie folgt aufgemacht:

Bei den einzelnen in dem Prospekt abgebildeten Fahrrädern fand sich jeweils eine kurze technische Beschreibung. In den meisten Fällen war den Preisen das Wort "nur" vorangestellt. Auf den Mittelseiten 8 und 9 des Prospektes waren je ein Damen- und ein Herren-Mountainbike abgebildet. Beim Damenrad stand: "Statt bisher bei uns 7.490.- jetzt nur 3.990.-" und "3.500.-" billiger"; beim Herrenrad stand: "Statt bisher bei uns 8.850.- jetzt nur 5.490.-" und "3.360.- billiger".

Mit der Behauptung, die Beklagte täusche mit dem Slogan "Die Rad-Welt ums halbe Geld!" das angesprochene Käuferpublikum über ihre Preisgestaltung, erwecke doch die Ankündigung bei den flüchtigen Lesern den - unzutreffenden - Eindruck, daß die im Prospekt angepriesenen Waren um die Hälfte verbilligt seien, wofür auch spreche, daß den einzelnen Preisangaben im Prospekt oft das Wort "nur" vorangestellt ist, begehrt die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den Verkauf von Waren, insbesondere von Fahrrädern und Fahrradzubehör, "ums halbe Geld" oder mit sinnähnlichen Ausdrücken anzukündigen, wenn sie weder selbst die Verkaufspreise für die angepriesenen Waren auf die Hälfte herabgesetzt hat noch Mitbewerber diese Waren um das Doppelte des bei I***** verlangten Preises verkaufen. Damit verbindet die Klägerin den Antrag auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung im Anzeigenteil der "V***** N*****".

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie stellt zwar nicht in Abrede, daß die Preise für die in ihrem Prospekt angebotenen Waren weder gegenüber den eigenen früheren Preisen auf die Hälfte herabgesetzt waren noch, daß sie um die Hälfte unter den von den Mitbewerbern für diese Waren verlangten Preisen lagen, meint aber, daß der beanstandete Slogan von den beteiligten Verkehrskreisen gar niacht in diesem Sinn verstanden werde. Das angesprochene Publikum erkenne die Ankündigung vielmehr als "marktschreierische Werbung", sei ihm doch klar, daß damit weder "Die Rad-Welt" im wörtlichem Sinn angeboten wird noch, daß dies zu um die Hälfte verbilligten Preisen geschehen soll, letzteres umso weniger, als ja den beteiligten Verkehrskreisen bekannt sei, daß eine Preisreduktion um 50 % üblicherweise ganz anders, nämlich ausdrücklich angekündigt wird. Der beanstandeten Ankündigung könne allenfalls ein Tatsachenkern im Sinne eines besonders günstigen Preisangebotes entnommen werden; damit werde aber das Publikum nicht irregeführt, würden doch sämtliche im Prospekt angebotenen Waren tatsächlich besonders preisgünstig angeboten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der beanstandete Slogan werde im Gesamtzusammenhang sofort als übertriebene reklamehafte Anpreisung erkannt; ihm könne nicht die Aussage entnommen werden, daß die im Prospekt enthaltenen Waren mit einer 50 %igen Preisreduktion angeboten werden. Der Reim von "Geld" auf "Welt" werde nicht dahin verstanden, daß er stellvertretend für die Ankündigung eines um 50 % ermäßigten Preises stehe. Die Ankündigung enthalte nach Abzug des Übermaßes die Behauptung einer besonders preisgünstigen Einkaufsgelegenheit; schon auf Grund der eingeschränkten Fassung des Klagebegehrens sei aber die Richtigkeit eines solchen "Tatsachenkerns" des beanstandeten Slogans nicht mehr zu prüfen.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Die beanstandete Ankündigung sei in ihrer Gesamtheit (offenbar gemeint: im Rahmen der Gestaltung der ersten Seite des Prospektes) zu betrachten. Wenn dort ein Fahrrad mit genauer Typen- und Ausstattungsbezeichnung zu einem Kaufpreis von "nur 3.990.-" angeboten wird, könne dies bei einem Teil des Publikums den Eindruck erwecken, daß das Fahrrad, aber auch die anderen Warenangebote des Prospektes nunmehr zum "halben Preis" (entweder im Verhältnis zu den Preisen der Konkurrenz oder gegenüber den früheren eigenen Preisen der Beklagten) erhältlich seien. Die Ankündigung sei daher bei flüchtiger Betrachtung für einen durchschnittlich aufmerksamen Interessen zumindest mehrdeutig, so daß die Beklagte nach der sogenannten "Unklarheitenregel" auch die für sie ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen müsse. Da der Slogan im Hinblick auf seine Mehrdeutigkeit auch den von der Klägerin beanstandeten irrigen Eindruck erwecken könne, habe die Beklagte gegen § 2 UWG verstoßen.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin meint in ihrer Revisionsbeantwortung, daß das Rechtsmittel unzulässig sei; sie stellt aber nur den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen der Meinung der Klägerin schon deshalb zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur sogenannten "marktschreierische Anpreisung" in Form von Werbesprüchen (Slogans) oder -versen abgewichen ist; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Eine marktschreierische Anpreisung liegt dann vor, wenn sie von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht wörtlich genommen, sondern sogleich als nicht ernst gemeinte Übertreibung aufgefaßt und damit von jedermann unschwer auf ihren tatsächlichen Gehalt zurückgeführt wird, welcher deutlich erkennbar nicht in einer ernstzunehmenden Tatsachenbehauptung, sondern in einer ohne Anspruch auf Glaubwürdigkeit auftretenden reklamehaften Übertreibung liegt (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht, 25; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2, 43; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17, 811 Rz 60 zu § 3 dUWG; Lindacher in UWG-Großkommentar Rz 79 zu § 3 dUWG; ÖBl 1988, 46; SZ 60/211; ÖBl 1991, 157 uva). Eine solche Qualifikation schließt allerdings nicht aus, daß die betreffende Ankündigung in einem bestimmten eingeschränkten Umfang als sachbezogene Aussage ernst genommen werden kann; auch Ankündigungen, die erkennbar als reklamehafte Übertreibung verstanden werden, lassen sich nach Abzug dieses Übermaßes häufig noch auf einen sachlich nachprüfbaren "Tatsachenkern" - etwa auf die Behauptung erstklassiger Qualität oder besonders günstiger Preise - zurückführen, welcher durchaus ernst genommen wird und daher im Fall seiner Unrichtigkeit zur Irreführung (§ 2 UWG) geeeignet ist (Koppensteiner aaO; Baumbach-Hefermehl aaO 812 Rz 65 zu § 3 dUWG; Lindacher aaO Rz 83 zu § 3 dUWG; ÖBl 1988, 46; SZ 60/211; ÖBl 1991, 80 uva). Auch bei der Prüfung, ob eine marktschreierische Anpreisung vorliegt, gilt die Unklarheitenregel, wonach im Zweifel stets eine ernstgemeinte Tatsachenbehauptung anzunehmen und vom Werbenden zu vertreten ist (Hohenecker-Friedl aaO 26; Jud in Aicher, Das Recht der Werbung, 300; ÖBl 1990, 113; ÖBl 1991, 157 uva). Auch hier ist aber für die Anwendung dieser Regel dann kein Raum mehr, wenn die Ankündigung von jedermann sogleich als nicht ernst gemeinte reklamehafte Übertreibung erkannt wird, so daß eine Auslegung als ernst gemeinte Tatsachenbehauptung wegen ihrer offenkundigen Unrichtigkeit oder Unwahrscheinlichkeit vom Publikum nicht ernstlich in Betracht gezogen, also nur von einem ganz unbeachtlichen Teil der angesprochenen Interessenten allenfalls wörtlich verstanden wird (Koppensteiner aaO 45 f; Aicher in Aicher,

Das Recht der Werbung 247 f; Rummel in Koziol, Haftpflichtrecht2 II 283 f; ÖBl 1982, 66; 4 Ob 112/93).

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht nicht entsprechend berücksichtigt, daß Werbeankündigungen in Form von Versen, Reimen odgl. im allgemeinen milder zu beurteilen sind, werden sie doch vom Verkehr nur selten im strengen Sinn des Wortes ausgelegt, sondern als Wortspiel erkannt und auf ein angemessenes Maß zurückgeführt (Hohenecker-Friedl aaO 25; Jud aaO; Baumbach-Hefermehl aaO 812 Rz 62 zu § 3 dUWG; Lindacher aaO Rz 82 zu § 3 dUWG; ÖBl 1978, 64; SZ 60/211). Das gilt auch für den Slogan "Die Rad-Welt ums halbe Geld!", weil er schon auf Grund seiner sprachlichen Fassung vom angesprochenen Publikum nicht wörtlich genommen, sondern als marktschreierisch aufgefaßt und im Kern auf die Behauptung einer im Vergleich zu den Mitbewerbern besonders günstigen Einkaufsgelegenheit zurückgeführt wird. Der sachliche Inhalt der marktschreierisch übertriebenen Anpreisung der Beklagten liegt somit darin, daß sie die im Prospekt enthaltenen Waren zu besonders günstigen Preisen anbiete. Der Slogan wird daher auch nicht dadurch mehrdeutig, daß die Beklagte den Preisangaben im Prospekt häufig das Wort "nur" vorangesetzt hat, kann doch daraus lediglich die Behauptung einer besonders günstigen Einkaufsgelegenheit entnommen werden, nicht aber die Behauptung einer 50 %igen Preisreduktion, auf deren werbewirksames Herausstreichen ganz offensichtlich kein Gewerbetreibender verzichten würde.

Da dem Slogan somit nicht die von der Klägerin unterstellte irreführende Tatsachenbehauptung einer im Verhältnis zu den eigenen Preisen der Beklagten oder zu den Preisen ihrer Mitbewerber erfolgten Preisreduktion um die Hälfte, sondern nur der Tatsachenkern besonders günstiger Preise entnommen werden kann, die Klägerin aber gar nicht behauptet hat, daß letzteres unrichtig wäre, und sie demnach ihr Urteilsbegehren auch auf die erstgenannte Irreführung eingeschränkt hat, erweist sich der Vorwurf eines Verstoßes der Beklagten gegen § 2 UWG als nicht berechtigt. In Stattgebung der Revision war daher das abweisende Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens in zweiter und dritter Instanz beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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