OGH 6Ob627/93

OGH6Ob627/9327.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans F*****, vertreten durch Dr.Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei G***** (VaG), vormals G***** Versicherung (VaG), ***** vertreten durch Dr.Andreas Grassl, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 907.500 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27. Mai 1993, GZ 1 R 64, 65/93-10, womit das Versäumungsurteil des Handelsgerichtes Wien vom 3.März 1993, GZ 14 Cg 238/92-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und der Antrag der klagenden Partei auf Fällung eines Versäumungsurteiles abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 95.807,40 (darin S 8.967,90 Umsatzsteuer und S 42.000 PG) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit der am 12.November 1992 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger von der G***** Wechselseitigen Versicherung aus dem Rechtsgrund der Verletzung vertraglicher Verpflichtungen aus einem Kaufvertrag die Zahlung von S 907.500 sA. Die Klage und der Auftrag zur Erstattung einer Klagebeantwortung wurden zu Handen der in der Klage bezeichneten zwei Vorsitzenden des Vorstandes am 17. November 1992 zugestellt.

Im Firmenbuch des Landesgerichtes für ZRS Graz war zu HRB 111 die G***** Wechselseitige Versicherung als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit eingetragen. Am 1.Dezember 1992 wurde unter den Rechtsverhältnissen der Gesellschaft eingetragen, daß mit Beschluß der Mitgliedervertretung vom 8.September 1992 auf Grund des Sacheinlage- und Bestandsübertragungsvertrages vom 8.September 1992 der Übergang des gesamten Versicherungsbetriebes gemäß § 61 a VAG im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die G***** Wechselseitige Vermögensverwaltungs-Aktiengesellschaft, nunmehr G***** Wechselseitige Versicherung Aktiengesellschaft (27 HRB 4160 des Landesgerichtes für ZRS Graz) beschlossen und die Firma in G***** geändert worden sei.

Am 9.Dezember 1992 langte beim Erstgericht eine Klagebeantwortung der G***** Wechselseitigen Versicherung Aktiengesellschaft ein.

Mit vorbereitendem Schriftsatz vom 27.Jänner 1993 erstattete der Kläger weiteres Sachvorbringen, ohne auf eine mangelnde Parteieigenschaft der G***** Wechselseitigen Versicherung Aktiengesellschaft hinzuweisen.

Am 1.März 1993 beantragte der Kläger die Fällung eines Versäumungsurteiles gegen die G***** Wechselseitige Versicherung, weil nicht diese, sondern eine Aktiengesellschaft eine Klagebeantwortung erhoben habe. Beklagte Partei sei ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit.

Das Erstgericht erließ am 3.März 1993 ein klagestattgebendes Versäumungsurteil gegen die G***** Wechselseitige Versicherung und wies mit Beschluß vom selben Tag die Klagebeantwortung der G***** Wechselseitigen Versicherung Aktiengesellschaft mit der Begründung zurück, diese Aktiengesellschaft sei nicht Partei des Verfahrens.

Das Rechtsmittelgericht wies mit Beschluß die Berufung der G***** Wechselseitigen Versicherung Aktiengesellschaft zurück, verwarf die Berufung der beklagten Partei, soweit sie Nichtigkeit des Versäumungsurteiles vom 3.März 1992 geltend machte und gab im übrigen der Berufung der beklagten Partei keine Folge. Es führte aus, das Vorbringen der Rechtsmittelwerber, die G***** Wechselseitige Versicherung habe die Firma in G***** geändert, die Rechtsform als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit sei jedoch beibehalten worden, im Wege einer "partiellen Gesamtrechtsnachfolge" gemäß § 61 a VAG sei jedoch auf Grund eines Sacheinlage- und Bestandübertragungsvertrages der gesamte Versicherungsbetrieb in die seinerzeitige G***** Wechselseitige Vermögensverwaltungs-AG, seit 1. Dezember 1992 G***** Wechselseitige Versicherungs-AG, eingebracht worden, treffe zwar nach den beigebrachten Firmenbuchauszügen zu, ändere aber nichts an der Berechtigung des Versäumungsurteiles: Auch wenn die zitierte Einbringung auf Grund einer Firmenbucheintragung am 1. Dezember 1992 (also nach Klagseinbringung) wirksam geworden sei und die aus dem in Frage stehenden Kaufvertrag erwachsenen Forderungen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 61 b Abs 2 VAG auf die G***** Wechselseitige Versicherungs-Aktiengesellschaft übergegangen seien, habe der Kläger, wie sich aus seinem Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteiles ergebe, seine Ansprüche klageweise gegen den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit geltend gemacht. Die Universalsukzession betreffe als Frage des materiellen Rechtes die Sachlegitimation, also die Frage, ob der Klagsanspruch gegen die beklagte Partei zu Recht bestehe oder nicht. Davon zu unterscheiden seien die hier relevanten Fragen der Parteifähigkeit und der Zulässigkeit des Parteiwechsels. Da der beklagte Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit gemäß § 61 b Abs 3 VAG bestehen bleibe (sein Gegenstand sei auf die Vermögensverwaltung beschränkt), sei die Klage nach wie vor gegen eine parteifähige juristische Person erhoben. Eine Berichtigung der Parteibezeichnung auf G***** Wechselseitige Versicherung-Aktiengesellschaft gemäß § 235 Abs 5 ZPO komme nicht in Frage, weil dies einen unzulässigen Parteiwechsel bedeuten würde. Ein Parteiwechsel wegen Universalnachfolge komme nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen (Tod einer Partei, Untergang einer juristischen Person, etwa durch Umwandlung, Vollbeendung einer OHG) in Frage, nicht aber in Fällen einer Universalsukzession, wenn die beklagte Partei als Rechtssubjekt bestehen bleibe. Da das bekämpfte Versäumungsurteil daher nicht gegen eine Rechtsperson erlassen worden sei, die nicht Partei des Verfahrens sei, liege keine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO vor. Auch eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch unrichtige Lösung der materiellrechtlichen Frage der Universalsukzession als Frage der Sachlegitimation liege nicht vor, weil das Versäumungsurteil gegen eine parteifähige beklagte Partei auf Grund schlüssiger Klagsbehauptungen erlassen worden sei. Zur mangelnden Zustellung des Versäumungsurteiles an die beklagte Partei gestehe diese selbst die Heilung des Zustellungsmangels gemäß § 7 ZustG ein. Auch ein vor Zustellung der angefochtenen Entscheidung, aber nach Bindung des Gerichtes an diese eingebrachtes Rechtsmittel sei wirksam.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es von der oberstgerichtlichen Judikatur nicht abgewichen worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Auswirkungen einer "partiellen Gesamtrechtsnachfolge" im Sinne der §§ 61 a und 61 b VAG (und gleichgelagerter Bestimmungen anderer neuer Gesetze) auf die Parteifähigkeit im Zivilprozeß fehlt. Die Revision ist auch berechtigt.

Der dem § 8 a KWG nachgebildete § 61 a Abs 1 VAG idF der VAG-Novelle 1991, BGBl 1991/411 bestimmt: Ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit kann seinen gesamten Versicherungsbetrieb oder sämtliche Versicherungsteilbetriebe im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (entsprechend den im einzelnen festgelegten Bestimmungen) in eine oder mehrere Aktiengesellschaften einbringen. Nach § 61 b Abs 1 VAG tritt die mit der Einbringung gemäß § 61 a verbundene Gesamtrechtsnachfolge durch die Eintragung der Aktiengesellschaft oder der Kapitalerhöhung in das Firmenbuch ein. Der Übergang im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ist in das Firmenbuch einzutragen. Nach Abs 2 dieser Bestimmung umfaßt der Rechtsübergang im Wege der Gesamtrechtsnachfolge das gesamte zum eingebrachten Versicherungsbetrieb gehörende Vermögen und alle mit dem eingebrachten Versicherungsbetrieb verbundenen Rechte und Pflichten. Nach Abs 3 bleibt der einbringende Versicherungsverein bestehen. Sein Gegenstand ist auf die Vermögensverwaltung beschränkt.

Das Berufungsgericht hat das vorliegende Problem der vom Gesetzgeber ausdrücklich angeordneten Gesamtrechtsnachfolge, die im vorliegenden Fall nach Eintritt der Streitanhängigkeit im Prozeß eingetreten ist, dahin gelöst, daß zwar die Sachlegitimation auf den Rechtsnachfolger übergehe, der Rechtsvorgänger aber Partei des anhängigen Verfahrens bleibe. Dies würde bedeuten, daß die übertragende Partei, bliebe sie Partei des Prozesses, in Aktivprozessen der Einrede der mangelnden Aktivlegitimation ausgesetzt wäre, während sie in Passivprozessen nur die Einrede der mangelnden Passivlegitimation erheben müßte, um eine Klagsabweisung zu erreichen, bei einer neuerlich notwendigen Klage gegen die übertragende Partei die Forderung in vielen Fällen aber schon verjährt wäre.

Der Oberste Gerichtshof hat (unter Berufung auf Fasching Komm III, 102) in seiner Entscheidung vom 27. Mai 1992, 2 Ob 518, 519/92 = ÖBA 1993, 151, zu der Parallelproblematik bei § 8 a KWG (auch dort ist eine partielle Gesamtrechtsnachfolge vorgesehen; die hier anzuwendende Bestimmung ist jener nachgebildet) ausgeführt, daß auf Grund der Gesamtrechtsnachfolge der Sparkassen-AG (welche als Rechtsnachfolgerin der zunächst als Klägerin auftretenden Sparkasse die Revision erhoben hatte), diese nunmehr Klägerin sei. Die Ausführungen des Beklagten, daß die ursprünglich als Klägerin aufgetretene Sparkasse weiterhin existiere, sei nicht zielführend:

Daß die einbringende Sparkasse bestehen bleibe und ihr Gegenstand hinsichtlich des eingebrachten Betriebes auf die Vermögensverwaltung beschränkt sei, sei im § 8 a KWG angeordnet; dies ändere jedoch nichts an der auf Grund der Gesamtrechtsnachfolge eintretenden Parteiänderung.

Der erkennende Senat teilt die von Rechberger-Oberhammer, Gesamtrechtsnachfolge während des Zivilprozesses in Ecolex 1993, 513 vertretene Ansicht, daß zwar nach dem herrschenden formellen Parteibegriff im streitigen Verfahren Parteien eines Zivilprozesses jene Personen sein sollen, die entweder einen Rechtsschutzantrag bei Gericht stellen (Kläger) oder in diesem Antrag als Gegner bezeichnet werden (Beklagter) und nicht etwa die tatsächlichen Prätendenten des streitigen Rechtsverhältnisses, diese Frage aber vom Einfluß einer Gesamtrechtsnachfolge auf den anhängigen Zivilprozeß zu trennen ist. Die Rechtsprechung hat schon bisher über den in § 155 ZPO hinaus geregelten Fall des Todes einer Partei, unter welcher nach dem Wortlaut wohl nur eine natürliche Person zu verstehen ist, ausgesprochen, daß § 155 Abs 1 ZPO auch für den Fall des Unterganges einer juristischen Person gilt und eine Änderung der Parteibezeichnung nur dann ausgeschlossen ist, wenn im Berichtigungswege (§ 235 ZPO) ein bestehendes Rechtssubjekt gegen ein anderes bestehendes, nicht beklagtes Rechtssubjekt ausgetauscht werden soll, dies aber bei einer Gesamtrechtsnachfolge nicht zutrifft (1 Ob 750/79; GesRZ 1981, 178 u.a.). So wurde bei Gesamtrechtsnachfolge durch Verschmelzung - anders etwa als bei der Einbringung eines Betriebes einer Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, als Sacheinlage in eine inländische Kapitalgesellschaft nach dem Strukturverbesserungsgesetz, welche rechtlich als Einzelrechtsnachfolge anzusehen ist (WBl 1991, 367) - die zulässige Änderung der Parteibezeichnung darauf gestützt, daß die Verschmelzung ein Fall der Rechtsnachfolge durch Universalsukzession sei (GesRZ 1984, 108; SZ 63/109 u.a.). Daß der Gesamtrechtsnachfolger einer juristischen Person Partei aller jener Verfahren wird, deren Partei sein Rechtsvorgänger war und daß er von der Rechtskraft aller für oder gegen seinen Rechtsvorgänger ergangenen Entscheidungen erfaßt wird, folgt somit aus der Natur der Gesamtrechtsnachfolge und ist kein Problem der bloßen Sachlegitimation. Dies gilt gleichermaßen für Fälle der Gesamtrechtsnachfolge nach § 61 a VAG, schreibt das Gesetz doch selbst im § 61 b Abs 2 vor, daß der Rechtsübergang im Wege der Gesamtrechtsnachfolge das gesamte zum eingebrachten Versicherungsbetrieb gehörende Vermögen und alle mit dem eingebrachten Versicherungsbetrieb verbundenen Rechte und Pflichten erfaßt, unter welche auch die zum eingebrachten Vermögen gehörenden Prozeßrechtsverhältnisse zu subsumieren sind (Rechberger-Oberhammer aaO). Daß die einbringende Gesellschaft nur mehr beschränkt auf den - neuen - Gegenstand der Vermögensverwaltung bestehen bleibt, ändert nichts daran, daß sie hinsichtlich des gesamten in die Aktiengesellschaft eingebrachten Versicherungsbetriebes mit dem Tag der Eintragung in das Firmenbuch auch aus einem bisher bestehenden Prozeßrechtsverhältnis ausgeschieden ist und somit ein erst nach der Gesamtrechtsnachfolge gegen sie gefälltes Versäumungsurteil rechtlich nicht mehr zulässig ist. Das auf Grund unrichtiger rechtlicher Beurteilung erflossene Versäumungsurteil gegen die aus dem Verfahren ausgeschiedene beklagte Partei war daher zu beheben.

Der Ausspruch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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