OGH 7Ob597/93

OGH7Ob597/9327.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.Peter H*****, vertreten durch Dr.Erwin Bajc und andere, Rechtsanwälte in Bruck/Mur, wider die beklagte Partei R***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,657.742,40 s.A., infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 12.August 1993, GZ 3 R 150/93-14, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 15.Juni 1993, GZ 18 Cg 35/93d-10, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben und der Beschluß des Rekursgerichtes dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 40.695,82 (darin S 6.782,82 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt von der Beklagten an Schadenersatz wegen vereinbarungs- und auftragswidrigen Verhaltens im Zusammenhang mit der Ausübung einer Option S 1,657.742,40. Die (örtliche) Zuständigkeit des von ihm angerufenen Gerichtes sei gegeben, weil sich in Raaba, Graz, eine Zweigniederlassung der Beklagten befinde.

Der Beklagten wurde gemäß § 243 Abs 4 ZPO ohne Anberaumung einer ersten Tagsatzung aufgetragen, die Klage binnen drei Wochen zu beantworten. Da die Beklagte eine Klagebeantwortung innerhalb dieser Frist nicht erstattete, erging über Antrag der Klägerin ein klagsstattgebendes Versäumungsurteil. Gegen dieses erhob die Beklagte Widerspruch, den sie als Klagebeantwortung ausführte und als erstes die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Landesgerichtes für ZS Graz mit der Begründung einwendete, in Graz keine Zweigniederlassung zu betreiben.

Das Erstgericht hob das Versäumungsurteil infolge rechtzeitig erhobenen Widerspruches auf (Tagsatzung vom 14.5.1993) und wies die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück. Die Klägerin habe nicht den Nachweis erbracht, daß die Beklagte in Graz eine Zweigniederlassung betreibe. Der Beklagten stehe bei einem nach § 398 ZPO ergangenen Versäumungsurteil, sei eine erste Tagsatzung nicht anberaumt worden, sondern der Auftrag zur Erstattung der Klagebeantwortung mit schriftlichem Beschluß ergangen, zu, im Widerspruch die örtliche Unzuständigkeit einzuwenden.

Das Rekursgericht änderte mit der angefochtenen Entscheidung diesen Beschluß in eine Zurückweisung der von der beklagten Partei erhobenen Unzuständigkeitseinrede ab. Es erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. Bei Nichtbefolgung des schriftlich erteilten Auftrages, eine Klagebeantwortung zu erstatten, könne in dem gegen das Versäumungsurteil erhobenen Widerspruch nicht mehr die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit erhoben werden.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der Beklagten ist berechtigt.

Nach § 397a Abs.1 ZPO steht dem bei der ersten Tagsatzung oder ersten Verhandlung Ausgebliebenen gegen ein nach § 396 ZPO gefälltes Versäumungsurteil der Widerspruch zu. Dieser hat soweit Vorbringen zu enthalten, als es nicht bei sonstigem Ausschluß der ersten Tagsatzung vorbehalten war. Nach § 398 ZPO kann gegen das wegen nicht rechtzeitig überreichter Klagebeantwortung gegen den Beklagten erlassene Versäumungsurteil von diesem ebenfalls mit Widerspruch bekämpft werden, sofern er bei der ersten Tagsatzung nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war. Der Fall, daß dem Beklagten gemäß § 243 Abs.4 ZPO die Erstattung der Klagebeantwortung ohne Anberaumung einer ersten Tagsatzung durch schriftlichen Beschluß aufgetragen wurde und zufolge ungenützten Verstreichens der Frist zur Erstattung der Klagebeantwortung gegen ihn ein Versäumungsurteil erging, wird im § 398 ZPO nicht ausdrücklich behandelt. Doch steht nach ständiger Rechtsprechung dem Beklagten auch in diesem Fall der Widerspruch gegen ein gegen ihn ergangenes Versäumungsurteil zu (vgl. zusammenfassend Reindl in JBl. 1985, 764). Eine ausdrückliche Regelung, daß die sonst ausschließlich der ersten Tagsatzung vorbehaltenen Einreden in einem solchen Fall im Widerspruch nicht mehr erhoben werden dürfen, ist dem Gesetz trotz des Hinweises im § 243 Abs.4 2.Satz ZPO, wonach diese Einreden bei sonstigem Ausschluß in der Klagebeantwortung vorzubringen sind und trotz des zuvor zitierten letzten Halbsatzes des § 397a Abs.1 ZPO nicht zu entnehmen; es ist deshalb davon auszugehen, daß der bei beschlußmäßigem Auftrag zur Erstattung einer Klagebeantwortung (iSd § 243 Abs 4 ZPO) anwaltlich noch nicht vertretene Beklagte nicht von Einreden ausgeschlossen werden darf, die er in einer gar nicht abgehaltenen und daher von ihm nicht versäumbaren ersten Tagsatzung hätte vorbringen können. § 398 ZPO regelt die Folgen einer weiteren (in bezug auf § 396 ZPO gesehenen) Säumnis des Beklagten. Mit der Bestimmung des § 243 Abs.4 ZPO erfolgte aus rein verfahrensökonomischen Gründen eine Zusammenfassung der zwei zuvor genannten Prozeßschritte; durch den letzten Satz dieser Bestimmung wurde trotz des Hinweises, daß bei nicht rechtzeitiger Überreichung der Klagebeantwortung § 398 ZPO zu gelten habe, eine neue Säumniskonstellation für den (zunächst unvertretenen, siehe oben) Beklagten geschaffen, auf die die bisherigen Regelungen der §§ 397a Abs.1 und 398 ZPO, die beide auf der Abhaltung einer ersten Tagsatzung basieren, nur so weit herangezogen werden dürfen, als sie nicht auf die Möglichkeit abstellen, daß der Beklagte tatsächlich Gelegenheit hatte, bei einer ersten Tagsatzung die im § 239 ZPO genannten Einwendungen vorzubringen. Diese Möglichkeit steht ihm bei der Fallkonstellation des § 243 Abs.4 ZPO erstmals in dem von ihm erhobenen Widerspruch offen. Es war daher in Stattgebung des Revisionsrekurses der beklagten Partei der erstgerichtliche Beschluß wiederherzustellen.

Der klagenden Partei waren die Kosten des Zwischenstreites gemäß §§ 41 und 50 ZPO aufzuerlegen.

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