Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der jugendliche Angeklagte Mario R***** und der Angeklagte Walter W***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB (1.) und des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB (2.) schuldig erkannt. Darnach haben sie am 21.Jänner 1993 in St.Veit an der Glan in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken als unmittelbare Täter
1. die am 1.April 1984 geborene Marina K***** mit schwerer gegen sie gerichteter Gewalt und durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib und Leben, indem beide sie erfaßten, ihr den Mund zuhielten, sie in eine öffentliche Toilettenanlage zerrten, zu Boden drückten, festhielten, gewaltsam ihren Unterkörper entkleideten und versuchten, ihre Beine auseinanderzuzwängen, ein aufgeklapptes Taschenmesser gegen ihren Oberkörper richteten und sie zum Stillsein aufforderten, sonst würden sie sie umbringen, zur Duldung des Beischlafes mit Walter W***** und des Betastens im Vaginalbereich durch Mario R***** genötigt;
2. durch die zu 1. angeführten Tathandlungen mit der Unmündigen Marina K***** den außerehelichen Beischlaf unternommen.
Rechtliche Beurteilung
Diese Schuldsprüche, die der Angeklagte W***** in Rechtskraft erwachsen ließ, bekämpft Mario R***** mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit b und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Er bekämpft überdies den Strafausspruch, wie auch Walter W***** - ebenso wie die Staatsanwaltschaft zu dessen Nachteil - mit Berufung.
Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Wenn die (sachlich auch im Rahmen der Rechtsrüge - Z 9 lit b - ausgeführte) Mängelrüge (Z 5) eine mangelhafte Begründung für die Annahme der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers releviert, ohne die dazu angestellten - dem Beschwerdestandpunkt zuwider - auch den vom Angeklagten in der Hauptverhandlung vermittelten persönlichen Eindruck mitberücksichtigenden detaillierten tatrichterlichen Erwägungen (US 6, 10) auch nur zu erwähnen, die sowohl seine Diskretions- als auch Dispositionsfähigkeit ohne Verstoß gegen die Denkgesetze untermauern, entzieht sie sich mangels Substantiierung einer sachbezogenen Erörterung. Im übrigen Umfang versagt sie schon deshalb, weil sie sich ausschließlich gegen nicht entscheidungswesentliche Urteilsfeststellungen wendet. Denn für den Schuldspruch nach § 201 Abs. 1 StGB ist nicht nur unerheblich, ob der Beschwerdeführer - während Maria K***** die Toilettenanlage verließ - versuchte, sich selbst zu befriedigen (US 8), sondern (hier) auch, ob der Angeklagte die unmündige Marina K***** nach Vollendung des Beischlafes am Geschlechsteil betastete, weil das Erstgericht einen fallbezogen indizierten Schuldspruch des Beschwerdeführers auch wegen Vergehens nach § 202 Abs. 1 StGB (in eintätigem Zusammentreffen mit § 207 Abs. 1 StGB - vgl S 57, 63, 65, 124, 133, 183, 184; Leukauf-Steininger Komm3 RN 34 zu § 201) gar nicht fällte.
Der nicht näher konkretisierten Behauptung, selbst bei Annahme der Diskretionsfähigkeit des Beschwerdeführers zur Tatzeit habe es ihm "jedenfalls an der Dispositionsfähigkeit" gemangelt (Z 9 lit b), kann die einzelne, deutliche und bestimmte Bezeichnung (§§ 285 Abs. 1, 285 a Z 2 StPO) der tatsächlichen oder gesetzlichen Gegebenheiten, aus denen der Nichtigkeitsgrund resultieren soll, nicht entnommen werden, sodaß die Beschwerde - wie schon zur Mängelrüge dargelegt - auch insoweit nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt ist.
Auch soweit der Angeklagte in der Berufung (sachlich aus § 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO in Verbindung mit § 32 Abs. 1 JGG) ferner das Vorliegen der Voraussetzungen für eine vorläufige Einstellung des Verfahrens nach § 9 JGG reklamiert, ist er nicht im Recht:
Der genannten Gesetzesbestimmung gemäß hat das Gericht das Strafverfahren wegen einer Jugendstraftat (für eine Probezeit oder unter gewissen anderen Auflagen) vorläufig einzustellen, wenn der Sachverhalt hinreichend geklärt ist, die Schuld nicht als schwer anzusehen und eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von strafbaren Handlungen abzuhalten. Das Erstgericht hat die vorläufige Einstellung wegen der Schwere der Schuld des Beschwerdeführers und aus spezialpräventiven Erwägungen abgelehnt (US 12). Von den kumulativen Erfordernissen des § 9 JGG fehlt aber schon jenes einer nicht als schwer anzusehenden Schuld. Die Entscheidung dieser Frage orientiert sich primär an der gesetzlichen Strafdrohung, in welcher der Gesetzgeber die generelle Vorbewertung des Unrechts- und Schuldgehaltes des betreffenden Deliktstyps zum Ausdruck bringt (Leukauf-Steininger Komm3 § 32 RN 12). Zum massiven Unwert der inkriminierten Taten schon nach der Strafdrohung kommt fallbezogen in Anbetracht des kindlichen Alters des Vergewaltigungsopfers auch der hoch zu veranschlagende Gesinnungsunwert (15 Os 106/92), sodaß die Schuld des Täters als schwer zu bewerten ist. Der zum Ausdruck gebrachte Gesinnungsunwert läßt eine vorläufige Verfahrenseinstellung auch aus spezialpräventiver Sicht nicht zu, was das Erstgericht richtig erkannte.
Für eine vorläufige Verfahrenseinstellung nach § 9 JGG blieb somit kein Raum.
Auch der Einwand des Beschwerdeführers (Z 10), die "Qualifikation der ihm angelasteten Tat als Vergewaltigung in unmittelbarer Täterschaft" sei rechtsirrig, weil "eine Nötigung des Opfers zur Duldung des Beischlafes (durch ihn) nicht erfolgte" und die Tatsache, daß er während der Tat des Mitangeklagten W***** die Türe zur WC-Anlage zugehalten habe, keinen "ursächlichen Beitrag zur Deliktsverwirklichung" darstelle, geht ins Leere:
Nach den insoweit maßgebenden Urteilsfeststellungen verstellte der Beschwerdeführer tatplangemäß in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten Walter W*****, der den Beischlaf unternahm, dem zum Opfer bestimmten Kind zunächst schon vor der Toilettenanlage den Weg, sodaß es nicht mehr fliehen konnte und hielt in der Folge, nachdem Marina K***** in die Toilettenanlage gezerrt worden war - den Einsatz brutaler Gewalt durch W***** billigend - die ins Freie führende Türe zu (US 11, 12). Er setzte somit das zur Willensbeugung in § 201 StGB ausdrücklich erwähnte Mittel der Entziehung der persönlichen Freiheit unmittelbar selbst ein (vgl hiezu Leukauf-Steininger Komm3 RN 4 zu § 99). Die Gestaltung des Verbrechens der Vergewaltigung als Nötigungsdelikt spezieller Art hat zur Folge, daß es anders als § 201 StGB aF kein "eigenhändiges" Delikt ist, das somit jeder an der Erzwingung des Verhaltens des Opfers Beteiligte als unmittelbarer Täter zu verantworten hat, gleichgültig in welcher (Ausführungs-)Phase des Geschehens er tätig war (Pallin WK § 201 Rz 3 a bis 6 a). Unmittelbarer Täter ist daher auch, wer (wie hier der Beschwerdeführer) eine Person zu einem Beischlaf oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung mit einem anderen nötigt (Leukauf-Steininger Komm3 RN 26 zu § 201 mwN).
Die mit der Hypothese, daß die Tatausführung dem Mitangeklagten W***** auch ohne Mithilfe des Beschwerdeführers möglich gewesen wäre, aufgeworfene Frage der Kausalität des Verhaltens des Beschwerdeführers für den Tatablauf stellt sich - anders als bei der Beurteilung des Verhaltens eines Beitragstäters - im gegebenen Sachzusammenhang gar nicht, weil der Mittäter bloß einen Teilakt der Ausführungshandlung setzen muß, um den gesamten - wie hier von seinem Vorsatz umfaßten - Erfolg mitzuverantworten.
Dem Erstgericht ist sohin bei der Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers als Verbrechen nach § 201 Abs.1 StGB kein Rechtsirrtum unterlaufen.
Der Beschwerde ist zwar einzuräumen, daß die - wie bereits dargelegt mit mängelfreier Begründung festgestellte - Betastung der Marina K***** am Geschlechtsteil im Anschluß an die Vergewaltigung keine Tathandlung nach § 201 Abs. 1 StGB darstellt, sondern eine solche nach § 202 Abs. 1 StGB, die nur dann durch die Bestrafung wegen § 201 StGB mitabgegolten wird, wenn sie auf einem einheitlichen Willensentschluß des Täters beruhte (Leukauf-Steininger Komm3 RN 34 zu § 201); eine derartige Feststellung trifft das angefochtene Urteil allerdings nicht. Dadurch wurde der Beschwerdeführer aber insofern nicht benachteiligt, als für die Annahme seiner Mittäterschaft bei der Vergewaltigung allein schon die festgestellten Nötigungshandlungen ausreichen und es zu keinem Schuldspruch wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs. 1 StGB in Tateinheit mit dem Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB kam.
Der Beschwerdeführer ist zwar im Recht, wenn er mit Bezugnahme auf den Schuldspruch wegen Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB die Annahme unmittelbarer Täterschaft (§ 12 erster Fall StGB) als rechtsirrig bezeichnet. Denn es trifft zu, daß er mit der unmündigen Marina K***** den außerehelichen Beischlaf nicht unternahm, sein Verhalten in bezug auf dieses Delikt vielmehr (anders als bei Beurteilung des Tatbildes nach § 201 Abs. 1 StGB, bei dessen Verwirklichung er - wie bereits ausgeführt - Ausführungshandlungen setzte) als sonstiger Tatbeitrag im Sinn des § 12 dritter Fall StGB zu beurteilen gewesen wäre. Angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit der einzelnen Täterschaftsformen des § 12 StGB gereicht aber die irrige Annahme einer dieser Täterschaftsformen anstatt einer anderen dem Verurteilten materiellrechtlich nicht zum Nachteil, sodaß der unterlaufene Subsumtionsfehler (ebenfalls) nicht aus der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gerügt werden kann, zumal der Tatanteil des Beschwerdeführers in sachverhaltsmäßiger Hinsicht mit hinreichender Deutlichkeit festgestellt wurde (Leukauf-Steininger Komm3 RN 14, 15 zu § 12 mwN).
Verfehlt und durch die Rechtsprechung überholt hinwieder ist der Einwand, § 206 StGB stelle im Verhältnis zu § 201 StGB eine lex specialis dar. Im Hinblick auf die Verschiedenheit der geschützten Rechtsgüter ist vielmehr echte Idealkonkurrenz anzunehmen, weil nur dadurch der gesamte Unrechtsgehalt der Tat erfaßt und abgegolten wird (Leukauf-Steininger Komm3 RN 36 zu § 201 mwN).
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mario R***** war somit zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte gemäß § 201 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB, bei Mario R***** überdies unter Anwendung des § 5 (Z 4) JGG, über Walter W***** drei Jahre Freiheitsstrafe, über Mario R***** eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, die es gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah.
Dabei wertete es bei Walter W***** die brutale Vorgangsweise als erschwerend, als mildernd hingegen das Geständnis und den bisher ordentlichen Lebenswandel. Bei Mario R***** war kein Umstand erschwerend, mildernd dagegen das Teilgeständnis, der bisher ordentliche Lebenswandel und daß er von W***** zur Teilnahme verleitet wurde.
Die Angeklagten streben mit ihren Berufungen jeweils eine Herabsetzung der über sie verhängten Freiheitsstrafen, Walter W***** überdies die Gewährung einer teilbedingten Strafnachsicht und Mario R***** "eine Erledigung nach §§ 8, ... 12 und 13 JGG" an.
Während der Angeklagte W***** seinen Antrag auf Strafreduktion im wesentlichen darauf stützt, daß der Milderungsgrund des § 34 Z 2 StGB "in einem besonders ausgeprägten Maß gegeben" sei und das Erstgericht weder die Verstandesschwäche noch den Umstand als mildernd berücksichtigt habe, daß er rohe körperliche Gewalt nicht angewendet und von einer an sich möglichen, durch weitere Gewaltanwendung erzwingbaren vaginalen Penetration Abstand genommen habe, begründet Mario R***** seinen Berufungsantrag mit seiner eingeschränkten Zurechnungsfähigkeit, auch unter dem Aspekt seiner vom Erstgericht lediglich als teilweises Geständnis bewerteten Verantwortung, seinem vermeintlich nicht berücksichtigten jugendlichen Alter und der Relativierung seiner Täterschuld.
Demgegenüber strebt die Staatsanwaltschaft unter Hervorhebung des Zusammentreffens zweier Verbrechen, der führenden Rolle des Angeklagten W*****, der Verleitung seines jugendlichen Mittäters Mario R***** zur Tat und des Alters des Opfers eine Erhöhung der über Walter W***** verhängten Freiheitsstrafe an.
Im Ergebnis kommt keiner der Berufungen Berechtigung zu: Es trifft zwar zu, daß neben den vom Erstgericht angeführten Milderungsgründen bei beiden Angeklagten auch die Verstandesschwäche (§ 34 Z 1 StGB), bei Mario R***** überdies auch das (zum Schuldspruch abgelegte) reumütige Geständnis und die Begehung der Tat unter Einwirkung eines Dritten als mildernd zu berücksichtigen ist, doch werden weder damit noch mit der darüber hinausgehenden Berufungsargumentation der Angeklagten für die angestrebte Strafreduktion hinreichende Grundlagen aufgezeigt. Abgesehen davon, daß eine Benachteiligung der Angeklagten durch die im angefochtenen Urteil angeführten Strafzumessungsgründe im Ergebnis schon deshalb ausscheidet, weil dabei - wie die Staatsanwaltschaft zutreffend ausführt - bei beiden Angeklagten das Zusammentreffen zweier Verbrechen (§ 33 Z 1 StGB), bei Walter W***** die Verführung des Mario R***** zu den gegen ein erst achtjähriges Opfer gerichteten strafbaren Handlungen (§ 33 Z 3 StGB) als Erschwerungsgründe vernachlässigt wurden, tragen die jeweils im unteren Bereich der aktuellen gesetzlichen Strafdrohungen (bei Walter W***** von ein bis zehn Jahre, bei Mario R***** bis fünf Jahre) ausgemessenen Freiheitsstrafen den konkreten Straferfordernissen in angemessener Weise Rechnung. Den (unsubstantiiert) eine "Erledigung nach §§ 8, ... 12, 13 JGG" anstrebenden Berufungsausführungen des Mario R***** genügt es zu erwidern, daß der Umstand, daß das Gericht das Verfahren nach Durchführung eines (hier nicht aktuellen) außergerichtlichen Tatausgleichs nicht gemäß § 8 JGG endgültig eingestellt hat, nur bis zum Beginn der Hauptverhandlung mit Beschwerde bekämpfbar ist (§§ 8, 32 Abs. 5 JGG), wogegen es für einen Schuldspruch ohne Strafe und für einen Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe (§§ 12, 13 JGG) bei der gegebenen Sachkonstellation schon an den gesetzlich geforderten spezialpräventiven Voraussetzungen mangelt. Die verhängten Freiheitsstrafen sind nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes tat- und täterbezogen angemessen, auch im Verhältnis zueinander ausgewogen und erweisen sich in keiner Richtung hin als korrekturbedürftig.
Eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein künftig straffreies Verhalten des Angeklagten Walter W***** als Voraussetzung für die ferner angestrebte (erweiterte) teilbedingte Freiheitsstrafe im Sinn des § 43 a Abs. 4 StGB liegt hingegen bei der gegebenen Sachkonstellation nicht vor.
Den Berufungen war demgemäß nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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