OGH 7Ob26/93

OGH7Ob26/9313.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Floßmann und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gabriella W*****, vertreten durch Dr.Anton Gradischnig ua Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagte Partei Z***** AG, ***** vertreten durch Dr.Hugo Schally und Dr.Anton Knees, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen restl. S 176.663,20 s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen Punkt 2. des Beschlusses des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 17.August 1993, GZ 2 R 115, 145/93-51, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 28.Dezember 1992, GZ 28 Cg 282/90-38, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird eine neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Rekurskosten sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Das Urteil des Erstgerichtes wurde beiden Parteienvertretern am 17.2.1993 zugestellt. Mit Beschluß vom 28.2.1993 berichtigte das Erstgericht den Spruch seines Urteiles im Kostenausspruch dahin, daß die Prozeßkosten - mit Ausnahme der Barauslagen, über deren Ersatz bereits im Spruch des Urteils erkannt worden war - gegenseitig aufgehoben werden. Diese Kostenaufhebung war bereits aus den Entscheidungsgründen ersichtlich. Der Berichtigungsbeschluß wurde der anwaltlich vertretenen Beklagten direkt mit dem Ersuchen zugestellt, die Urteilsausfertigung zur Verbesserung dem Gericht vorzulegen. Am 15.3.1993 legte der Beklagtenvertreter die Urteilsausfertigung dem Erstgericht vor. Die verbesserte Urteilsausfertigung wurde ihm zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt persönlich ausgefolgt.

Am 21.4.1993 überreichte der Beklagtenvertreter beim Erstgericht eine gegen den der Klage stattgebenden Teil des Urteiles des Erstgerichtes gerichtete Berufung, die den Hinweis enthält, daß die berichtigte Urteilsausfertigung am 25.3.1993 zugestellt worden sei.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten als verspätet zurück. Die Berufungsfrist beginne zwar im Falle einer Urteilsberichtigung grundsätzlich mit der Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung zu laufen; durch die Berichtigung des Urteiles werde jedoch nur dann eine Rechtsmittelfrist in Lauf gesetzt, wenn der Rechtsmittelwerber auch ohne Berichtigungbeschluß keinen Zweifel über den wirklichen Inhalt des richterlichen Ausspruches haben konnte. Im vorliegenden Fall habe die Berichtigung keinen Einfluß auf den Lauf der Berufungsfrist gehabt, weil über die Kostenaufhebung schon nach dem Inhalt der Entscheidungsgründe kein Zweifel habe bestehen können. Nach der Aktenlage habe der Beklagtenvertreter den Berichtigungsbeschluß von seiner Partei erhalten und dadurch den Berichtigungsgrund erfahren. Es sei hier nicht so, daß die Urteilsausfertigung ohne Bekanntgabe von Gründen abverlangt worden sei. Dem Umstand, daß der Berichtigungsbeschluß mit der Aufforderung, die Urteilsausfertigung dem Gericht wieder vorzulegen, an die Beklagte selbst und nicht an ihren Vertreter zugestellt wurde, komme daher keine entscheidende Bedeutung zu.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Beklagten erhobene, nicht den Beschränkungen der §§ 502, 528 ZPO unterliegende Rekurs ist berechtigt.

Im Gesetz fehlt eine Regelung, welche Wirkung die Berichtigung eines Urteils (Beschlusses) auf den Lauf der Rechtsmittelfristen hat. Nach der Rechtsprechung (SZ 2/145 uva) beginnt im Fall einer Berichtigung die Rechtsmittelfrist mit der Zustellung der berichtigten Ausfertigung zu laufen, es sei denn, daß der Rechtsmittelwerber auch ohne Berichtigungsbeschluß keinen Zweifel über den wirklichen Inhalt des richterlichen Ausspruches haben konnte (SZ 27/219 uva). Wird aber die den Parteien zugestellte Urteilsausfertigung vom Gericht von Amts wegen zur Berichtigung wieder abverlangt, ohne daß gleichzeitig mitgeteilt wurde, welche Berichtigung im einzelnen vorgenommen werden soll, dann beginnt die Rechtsmittelfrist jedenfalls erst mit der Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung zu laufen, ohne daß es auf den Inhalt des Berichtigungsbeschlusses ankommt (JBl. 1978, 100; EvBl. 1981/131; MietSlg. 33.653). Diese Ansicht wird damit begründet, daß es für den Rechtsmittelwerber in solchen Fällen wegen der Praxis, Urteilsberichtigungen über den Wortlaut des Gesetzes hinaus nicht nur bei "offenbaren Unrichtigkeiten" zuzulassen, ungewiß ist, in welcher Richtung die Entscheidung berichtigt werden wird.

Mit Recht bekämpft der Rekurs die Annahme des Berufungsgerichtes, daß die Behauptung des Beklagtenvertreters, ihm sei der Berichtigungsgrund nicht bekannt gewesen, der Aktenlage widerspreche. Aus dem Akt läßt sich vielmehr nur entnehmen, daß der Berichtigungsbeschluß der Beklagten direkt mit dem Ersuchen zugestellt wurde, die Urteilsausfertigung wieder vorzulegen, und daß der Beklagtenvertreter danach das Urteil dem Erstgericht vorgelegt hat. Ob ihm dabei der Inhalt des Berichtigungsbeschlusses zur Gänze bereits bekannt war, er also selbst hätte erkennen können, daß lediglich eine solche Berichtigung vorgenommen wurde, die auf den Lauf der Berufungsfrist keinen Einfluß hat, läßt sich dem Akt nicht entnehmen. Schon deshalb kann auch noch nicht die Frage beurteilt werden, ob die Berufung rechtzeitig erhoben wurde. Das Berufungsgericht wird daher zu erheben haben, ob der Berichtigungsbeschluß dem Beklagtenvertreter noch vor der Rücksendung der Urteilsausfertigung an das Erstgericht zugekommen war. Es wird aber auch Feststellungen über die schon im Wiedereinsetzungsantrag erhobene Behauptung zu treffen haben, daß der Beklagtenvertreter gar nicht von seiner Partei von der Urteilsberichtigung verständigt, sondern - ohne Bekanntgabe von Gründen - vom Erstgericht telefonisch aufgefordert worden sei, die Urteilsausfertigung zur Vornahme einer Berichtigung wieder vorzulegen. Sollte das der Fall gewesen sein, dann könnte auch eine nachträgliche Mitteilung seiner Partei über den Inhalt des Berichtigungsbeschlusses nichts mehr daran ändern, daß er die Urteilsausfertigung bereits vorher ohne diese Kenntnis dem Erstgericht wieder vorgelegt hat.

Da somit die Rechtzeitigkeit der Berufung noch nicht beurteilt werden kann, war dem Berufungsgericht in Stattgebung des Rekurses eine nach Verfahrensergänzung zu fällende neuerliche Entscheidung über die Berufung aufzutragen.

Die Entscheidung über den Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs.1 ZPO.

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