OGH 9ObA63/93

OGH9ObA63/9313.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Walter Zeiler und Mag.Kurt Retzer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei N***** I*****, Hilfsarbeiter, ***** vertreten durch Mag.Johannes Winkler, Kammer für Arbeiter und Angestellte für OÖ, Linz, Volksgartenstraße 40, dieser vertreten durch Dr.Aldo Frischenschlager und Dr.Dieter Gallistl, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei M***** Zeitungsvertriebsgesellschaft m.b.H. und Co KG, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wegen 97.648,07 S brutto, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1.Dezember 1992, GZ 12 Ra 101/92-28, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 15.Mai 1992, GZ 25 Cga 154/91-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig der beklagten Partei die mit 5.094 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 849 S USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Da die Begründung des Urteils des Berufungsgerichtes (zur Berufung des Klägers) zutreffend ist, genügt es auf diese Ausführungen zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist auszuführen:

Strittig ist im Revisionsverfahren nur mehr, ob die Tätigkeit des Klägers als Kolporteur im Unternehmen der Beklagten einem Kollektivvertrag unterlag. Dies wurde von den Vorinstanzen zu Recht verneint. Die Revision vermag dagegen nichts Stichhaltiges vorzubringen.

Gemäß § 2 Abs 1 Z 18 GewO 1973 idgF unterliegen ua die Herausgabe, das Herstellen und das Verbreiten periodischer Druckschriften durch das Medienunternehmen des Medieninhabers sowie der Kleinverkauf solcher Druckwerke nicht den Bestimmungen der Gewerbeordnung. Die bezeichneten Tätigkeiten können ausgeübt werden, ohne daß es einer gewerbebehördlichen Berechtigung hiezu bedarf. Dafür, daß der Fall des Kleinverkaufes auch auf den Medieninhaber zu beschränken wäre, wie dies der Revisionswerber vertritt, besteht kein Anhaltspunkt. Die Bestimmung umfaßt vielmehr zwei Fälle, von denen der erste die Tätigkeiten des Medienunternehmens des Medieninhabers betrifft, der zweite jedoch auch auf davon verschiedene Personen zu beziehen ist. Die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs 1 Z 18 GewO für den Kleinverkauf betrifft grundsätzlich auch Personen, die mit dem Herausgeber nicht ident sind, sondern selbständig periodische Druckschriften an Letztverbraucher absetzen - Zeitungskolporteure (Wallner-Fialka, Kommentar zur Gewerbeordnung 66). Es ist daher entbehrlich, zu prüfen, ob die Beklagte im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Verflechtung mit dem Medieninhaber dessen Medienunternehmen zuzurechenen ist. Selbst wenn dies nicht zuträfe, wären bezüglich der hier in Frage stehenden Tätigkeit die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Z 18 GewO zum Kleinverkauf erfüllt.

Mit § 2 Abs 1 Z 18 GewO 1973 wurde die bis zur GewO 1973 bestehende Rechtslage (Art V lit p des Kundmachungspatentes zur GewO 1859 in der bis 1973 in kraft gestandenen Fassung übernommen. Mit der Ersetzung des Wortes "Verschleiß" durch das Wort "Kleinverkauf" in dieser Bestimmung durch die GewO-Nov 1957 war nicht ein Bedeutungswandel in dem Sinne verbunden, daß unter dem Kleinverkauf periodischer Druckschriften etwas grundsätzlich anderes zu verstehen wäre, als unter dem Verschleiß periodischer Druckschriften. Mit der Änderung sollte nur klargestellt werden, daß zwar der Kleinverkauf von Druckschriften nicht aber der Großhandel mit periodischen Druckschriften von den Bestimmungen der GewO ausgenommen ist (Mache-Kinscher, Gewerbeordnung5, 38 unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien 251 BlgNR 8. GP 8). Unter diesen Ausnahmetatbestand fällt auch das Beschaffen der periodischen Druckschriften durch den Kleinverkäufer (Gerscha-Steuer, Kommentar zur Gewerbeordnung, Anm 14 zu § 2). Der Begriff des Kleinverkaufes stellt nicht auf den Umfang des Betriebes ab, sondern umfaßt unabhängig von der Größe des Unternehmens alle mit dem Verkauf periodischer Druckwerke an den Letztverbraucher verbundenen Tätigkeiten. Er grenzt damit nur diese Tätigkeiten gegen den Großhandel, sohin den Vertrieb an Wiederverkäufer ab.

Daß der Kläger als Zeitungsverkäufer Dienstnehmer der Beklagten war, ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig. Der selbständige Vertrieb der Zeitungen wurde daher nicht von den Kolporteuren besorgt, sondern von der Beklagten, die sich hiezu ihrer Dienstnehmer bediente. Damit unterlag die Beklagte aber bezüglich des Kleinverkaufes der periodischen Druckschriften aufgrund der Ausnahmebestimmung des § 2 Abs 1 Z 18 GewO nicht der Gewerbeordnung; durch diese Tätigkeit wurde daher auch die Mitgliedschaft zur Kammer der gewerblichen Wirtschaft nicht begründet.

Der Kollektivvertrag, dessen Anwendung der Kläger auf sein Dienstverhältnis in Anspruch nimmt, wurde (in seiner ursprünglichen Fassung) am 25.11.1988 zwischen der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Sektion Handel einerseits und der Gewerkschaft Handel, Transport und Verkehr, Sektion Handel andererseits abgeschlossen. Nach seinem Art I gilt er auf Arbeitgeberseite fachlich (mit im einzelnen bezeichneten, hier nicht relevanten Ausnahmen) für sämtliche der Sektion Handel der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft angehörenden Betriebe. Dies trifft aber auf Betriebe, die ausschließlich den Kleinverkauf von Zeitungen zum Gegenstand haben, nicht zu. Ein solcher Geltungsbereich wäre im übrigen mit § 8 ArbVG nicht vereinbar.

Gemäß § 9 ArbVG findet dann, wenn ein mehrfach kollektivvertragsangehöriger Arbeitgeber über zwei oder mehrere Betriebe verfügt, auf die Arbeitnehmer der jeweilige, dem Betrieb in fachlicher und örtlicher Beziehung entsprechende Kollektivertrag Anwendung. Diese Regelung gilt sinngemäß, wenn es sich um Haupt- und Nebenbetriebe oder um organisatorisch oder fachlich abgegrenzte Betriebsabteilungen handelt. Hier steht fest, daß die Beklagte wohl eine Gewerbeberechtigung für den Buch-, Kunst- und Musikalienhandel, beschränkt auf den Großhandel mit periodischen Druckschriften hat und damit Mitglied der Kammer der gewerblichen Wirtschaft ist. Der Kleinvertrieb von periodischen Druckschriften, dem wirtschaftlich das größere Gewicht zukommt, wird in einer vom Großhandel getrennten Betriebsabteilung geführt. Es besteht sohin eine organisatorische Trennung, die die Voraussetzungen des § 9 Abs 1 und 2 ArbVG erfüllt.

Die gleichen Grundsätze, die bei Kollision von zwei Kollektivverträgen Anwendung zu finden haben, haben auch dann zu gelten, wenn ein Unternehmer neben einem Gewerbebetrieb, der einem Kollektivvertrag unterworfen ist, einen Betrieb führt, für den ein Kollektivvertrag nicht besteht. Analog zu § 9 ArbVG ist in diesen Fällen die Frage zu lösen, ob ein Kollevtivvertrag Anwendung zu finden hat bzw ob bestimmte Arbeitsverhältnisse einem Kollektivvertrag unterworfen sind (9 Ob A 201-203/89; idS auch Arb 10.787). Im vorliegenden Fall wird - wie bereits ausgeführt - der Kleinvertrieb der Zeitungen, dem überdies die überwiegende wirtschaftliche Bedeutung zukommt, in einer organisatorisch getrennten Betriebsabteilung geführt. Der Kollektivvertrag, der für den Gewerbebetrieb der Beklagten gilt, ist daher auf die in dieser Betriebsabteilung tätigen Personen und daher auch auf das Arbeitsverhältnis des Klägers gemäß § 9 Abs 1 und 2 ArbVG nicht anzuwenden.

§ 9 Abs 3 ArbVG ist nicht anwendbar, weil zufolge der festgestellten organisatorischen Trennung der Betriebsabteilungen die in dieser Gesetzesstelle normierten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Es kann daher unerörtert bleiben, was zu gelten hätte, wenn diese Trennung nicht bestünde.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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