OGH 7Ob604/93

OGH7Ob604/936.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Arthur Manuel M*****, und des mj. Erik M*****, vertreten durch ihren Vater Berthold M*****, infolge Revisionsrekurses der Mutter Christine M*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Dartmann und Dr.Haymo Modelhart, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 27.Mai 1993, GZ 18 R 284/93-94, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Unterweißenbach vom 24.März 1993, GZ P 7/92-84, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz und der Beschluß des Erstgerichtes, soweit sie den Zeitraum vom 1.10.1990 bis 31.3.1993 betreffen, werden als nichtig aufgehoben.

Der Antrag des Vaters Berthold M*****, die Mutter Christine M***** für den Zeitraum vom 1.10.1990 bis 31.3.1993 zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von S 3.570 für Arthur Manuel und von S 3.020 für Erik zu verpflichten, wird zurückgewiesen.

Hinsichtlich des Zeitraumes ab 1.4.1993 bleibt die Entscheidung zweiter Instanz als unangefochten unberührt.

Text

Begründung

Nach der Scheidung der Ehe der Christine und des Berthold M***** blieben die beiden aus der Ehe stammenden Kinder Arthur und Erik entsprechend dem anläßlich der Ehescheidung geschlossenen Vergleich zunächst bei ihrer Mutter. Mit Beschluß des damals zuständigen Bezirksgerichtes Linz-Land vom 11.9.1990, der vom Rekursgericht bestätigt wurde, wurde jedoch die Obsorge auf den Vater übertragen.

Am 22.2.1991 beantragte der Vater, die Mutter ab 1.1.1991 zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von S 3.570 für Arthur und S 3.020 für Erik zu verpflichten. Am 4.8.1992 dehnte er seinen Antrag dahin aus, daß die Unterhaltsbeiträge bereits ab 1.10.1990 begehrt würden. Die Mutter beantragte, ihr den Unterhalt bis zur Entscheidung über ihren Antrag auf Rückübertragung der Obsorge sowie bis zur Auszahlung ihres Pflichtteiles nach ihrer verstorbenen Mutter zu stunden.

Mit Beschluß vom 15.10.1992 verpflichtete das Erstgericht die Mutter für die Zeit vom 1.10.1990 bis 30.9.1993, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit der Kinder, zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von S 3.570 für Arthur und S 3.020 für Erik (Punkt 1. des Beschlusses) und wies das über den 30.9.1993 hinausgehende Unterhaltsbegehren ab (Punkt 2. des Beschlusses).

In ihrem dagegen erhobenen Rekurs führte die Mutter aus, daß sie sich zwar weder gegen die Höhe noch den Zeitraum der zuerkannten Unterhaltsbeiträge wende. Sie bekämpfe aber, daß sie schon jetzt Unterhalt zahlen müsse, weil ihr der Pflichtteil von S 1,238.877,11 noch nicht ausbezahlt worden sei, wenn auch das in die Verlassenschaft fallende Haus bereits verkauft worden sei.

Mit Beschluß vom 18.2.1993 gab das Gericht zweiter Instanz dem Rekurs der Mutter Folge und änderte den Beschluß dahin ab, daß es den Antrag, die Mutter ab 1.10.1990 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 3.570 für Arthur und S 3.020 für Erik zu verpflichten, abwies. Das Erstgericht habe übersehen, daß die Mutter den ihr nach dem Erbenübereinkommen mit ihren Kindern zustehenden Teil des Erlöses aus dem Verkauf der Liegenschaft in Anrechnung auf ihren Pflichtteil erst dann erhalte, wenn der Verkauf der Liegenschaft auch im Grundbuch rechtskräftig abgewickelt sei. Da dies noch nicht der Fall sei, könne die Mutter über diesen Betrag noch nicht verfügen. Es sei daher davon auszugehen, daß sie jetzt noch einkommens- und vermögenslos sei, so daß sie finanziell nicht in der Lage sei, die geforderten Unterhaltsbeiträge zu leisten. Bis zum Zeitpunkt der Auszahlung des Pflichtteilanspruches sei daher der Vater Berthold M***** verpflichtet, subsidiär auch die Unterhaltspflicht der einkommenslosen Mutter zu übernehmen. Erst dann, wenn die Mutter über die ihr zustehenden Geldmittel tatsächlich verfügen könne, werde der Unterhaltsfestsetzungsantrag gegen sie erfolgreich sein können.

Dieser Beschluß wurde der Mutter am 8.3.1993 und dem Vater am 5.3.1993 zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen.

Am 5.3.1993 gab der Vater Berthold M***** zu Protokoll, daß ihm bekannt geworden sei, daß nunmehr der Verkauf der Liegenschaft bücherlich durchgeführt worden sei. Das Geld werde der Mutter in den nächsten Tagen zur Verfügung stehen. Da sie sich im bereits abgeführten Verfahren weder gegen die Höhe noch den Zeitraum des Unterhaltsbegehrens ausgesprochen habe, stelle er namens der beiden Kinder neuerlich den Antrag, die Mutter zu einer Geldalimentation im Sinne und im Umfang des Punktes 1. des Beschlusses vom 15.10.1992 zu verpflichten.

Das Erstgericht stellte der Mutter daraufhin eine Kopie dieses Protokolles mit der Aufforderung zu, sich binnen 14 Tagen zum Antrag zu äußern; andernfalls werde angenommen, daß sie dem Antrag keine Einwendungen entgegensetze (§ 185 Abs 3 AußStrG). In dem innerhalb der 14-tägigen Frist eingelangten Schriftsatz gab die Mutter bekannt, daß sie ein Schreiben des Notars erhalten habe, daß der Pflichtteilsanspruch nunmehr ausbezahlt werde. Der Pflichtteilsbetrag müsse daher in den nächsten Tagen auf dem Konto der Mutter einlangen.

Mit Beschluß vom 24.3.1993 verpflichtete das Erstgericht die Mutter (abermals), monatliche Unterhaltsbeiträge von S 3.570 für Arthur und von S 3.020 für Erik in der Zeit vom 1.10.1990 bis 30.9.1993, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit der Kinder, zu leisten.

Da die Mutter nun tatsächlich über die ihr zustehenden Geldmittel verfügen könne, wie sie aufgrund der Aufforderung gemäß § 185 Abs 3 AußStrG bestätigt habe, sei dem neuerlichen Antrag des Vaters stattzugeben gewesen.

Diesen Beschluß bekämpfte die Mutter insoweit, als sie für den vor dem 1.4.1993 liegenden Zeitraum zu Unterhaltsleistungen verpflichtet wurde.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs nicht Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Mutter erhobene (nur den Zeitraum vom 1.10.1990 bis 31.3.1993 betreffende) Revisionsrekurs ist jedoch gemäß § 14 Abs 1 AußStrG zulässig, weil weder der Inhalt des Unterhaltsfestsetzungsantrages, soweit er für den Zeitraum vom 1.10.1990 bis 31.3.1993 gestellt wurde, noch die Äußerung der Mutter eine Rechtsgrundlage dafür bieten, sie für diesen Zeitraum zu Unterhaltsleistungen zu verpflichten. Der Beschluß weicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ab, daß das Gericht nach § 185 Abs 3 AußStrG nicht seiner Verpflichtung entbunden ist, die rechtlichen Voraussetzungen für eine Stattgebung des Begehrens des Antragstellers zu prüfen (EFSlg 35.130/2; EvBl 1980/87) und widerspricht der Rechtsprechung des OGH zur Frage, unter welchen Voraussetzungen von einer einmal getroffenen Unterhaltsregelung abgegangen werden kann.

Es ist daher hier unabhängig von der vom Obersten Gerichtshof nicht einheitlich gelösten Frage, ob nicht geltend gemachte Nichtigkeitsgründe aus Anlaß eines außerordentlichen Rechtsmittels unabhängig von dessen Zulässigkeit wahrzunehmen sind (vgl etwa 4 Ob 539/90, 1 Ob 676/90, 8 Ob 21,22/91), darauf Bedacht zu nehmen, daß die Unterinstanzen die Rechtskraft der Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz vom 18.2.1993 nicht beachtet und damit einen Nichtigkeitsgrund gesetzt haben.

Nach Spruch und Gründen dieser Entscheidung, die als Einheit zu sehen sind, kann kein Zweifel daran bestehen, daß damit die Leistungsfähigkeit der Mutter für den Zeitraum vom 1.10.1990 bis 31.9.1993 verneint wurde, weil die Mutter, solange sie über den ihr zustehenden Pflichtteilsbetrag noch nicht verfügen könne, einkommens- und vermögenslos und finanziell nicht in der Lage sei, den geforderten Unterhaltsbeitrag zu leisten.

Aus § 18 AußStrG folgt, daß auch Entscheidungen im außerstreitigen Verfahren der materiellen und formellen Rechtskraft fähig sind. Einem im außerstreitigen Verfahren gefaßten, durch ein Rechtsmittel nicht mehr anfechtbaren Unterhaltsbemessungsbeschluß kommt sohin die gleiche Rechtskraftwirkung zu wie einem nach den Vorschriften der ZPO ergangenen Urteil oder Beschluß (§ 411 ZPO). Nachträglichen Änderungen des rechtserzeugenden Sachverhaltes hält die materielle Rechtskraft allerdings nicht stand. Solche Änderungen ermöglichen vielmehr einen neuen Antrag (eine neue Klage). Dies ist gerade bei Unterhaltsentscheidungen von großer Bedeutung, gilt doch für jede Unterhaltsverpflichtung grundsätzlich - soweit nicht eine davon abweichende Vereinbarung vorliegt - die Umstandsklausel. Dem Begehren, die Unterhaltsverpflichtung im Hinblick auf eine (wesentliche) Änderung der Verhältnisse neu oder in anderer Weise festzusetzen, steht demnach nicht die Rechtskraft der vorangegangenen Unterhaltsbemessung entgegen. Wurde über den gesamten Unterhaltsanspruch rechtskräftig erkannt, dann ist hingegen ein Antrag, die Unterhaltsbemessung trotz unverändert gebliebener Verhältnisse zu ändern, wegen Rechtskraft zurückzuweisen (EFSlg

67.472 = 4 Ob 565/91 mwN; SZ 63/153).

Im vorliegenden Fall erstreckte sich - mangels nachträglicher Änderung des rechtserzeugenden Sachverhalts - die Rechtskraft des das Unterhaltsbegehren des Vaters abweisenden Beschlusses vom 18.2.1993 bis zu jenem Zeitpunkt, als der Mutter die Geldsumme aus ihrem Pflichtteilsanspruch zur Verfügung stand. Da dies nach den Antragsbehauptungen und der insofern damit übereinstimmenden Äußerung der Mutter im (bzw Ende) März 1993 der Fall war, ist der Unterhaltsfestsetzungsantrag erst ab 1.4.1993 zulässig und berechtigt.

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