OGH 13Os137/93

OGH13Os137/9329.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.September 1993 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Dr.Markel, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Mazzolini als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michael H***** wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 SGG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 29.Juni 1993, GZ 2 b Vr 1614/92-20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Presslauer, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr.Schrammel den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Nach Aufruf der Sache und dem Vortrage des Berichterstatters erklärte der Verteidiger in dem zur öffentlichen Verhandlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Michael H***** anberaumten Gerichtstag, die Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuziehen. Offen verblieb demnach nur mehr die Berufung, über die nun allerdings nicht mehr der Oberste Gerichtshof zu erkennen hatte, sondern das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht zu entscheiden haben wird. Dies aus folgenden Erwägungen:

Die Entscheidung über Berufungen gegen Urteile der Schöffen- oder Geschworenengerichte steht grundsätzlich dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 294 StPO). Der Oberste Gerichtshof befindet hierüber nur dann, wenn im selben Verfahren auch über eine Nichtigkeitsbeschwerde zu entscheiden ist (§ 296 Abs. 1 StPO). Die Notwendigkeit, diese Kompetenzvoraussetzung eng im Sinn einer Sachentscheidung im Gerichtstag zu interpretieren, ergibt sich zunächst aus der Überlegung, daß überhaupt nur eine meritorisch zu behandelnde Nichtigkeitsbeschwerde rite an den Obersten Gerichtshof gelangen dürfte, weil andernfalls dieses Rechtsmittel schon vom Gerichtshof erster Instanz zurückzuweisen ist (§ 285 a StPO), und das Unterbleiben solcher Beschlußfassung in erster Instanz - mithin ein gesetzwidriger Vorgang - nicht für eine Veränderung im Rechtszug bestimmend sein kann (so schon für die Rechtslage vor dem StRÄG 1987 11 Os 46/80 = EvBl. 1981/46, 11 Os 34/86 und 11 Os 91/86 = Mayerhofer-Rieder StPO3 E 6 a zu § 296). Vor allem folgt dies aber nunmehr aus der durch das StRÄG 1987 eingeführten Kompetenzbestimmung des § 285 i StPO, wonach selbst die sachliche Erledigung einer Nichtigkeitsbeschwerde durch den Obersten Gerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung (§§ 285 d Abs. 1 Z 2 oder 285 e StPO) nicht dessen Zuständigkeit zur Entscheidung über eine noch vorliegende Berufung nach sich zieht.

Hat daher eine Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde - wie hier - infolge Zurückziehung im Gerichtstag vor Schluß der Verhandlung überhaupt zu entfallen, dann fehlt es - ungeachtet des vereinzelt zur Unterstützung gegenteiliger Auffassung ins Treffen geführten Gedankens der Prozeßökonomie (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO3 E 6 erster Absatz zu § 296) - an einer gesetzlichen Anknüpfungsvoraussetzung für die Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofes zur Erledigung der Berufung.

Dagegen spricht auch keineswegs die Bestimmung des § 296 Abs. 3 StPO, wonach der Oberste Gerichtshof über die Berufung beim Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über die Nichtigkeitsbeschwerde entscheidet, wenn über die Berufung nicht schon in der nichtöffentlichen Sitzung entschieden worden ist. Denn wie aus dem Abs. 1 dieser Gesetzesstelle erhellt, hat das Gesetz insoweit nur den Fall im Auge, daß vom Obersten Gerichtshof über eine Nichtigkeitsbeschwerde tatsächlich noch zu entscheiden ist, welche Voraussetzung nach deren Zurückziehung - die bis zum Schluß der Verhandlung möglich ist - eben weggefallen ist.

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