European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0150OS00123.9300000.0916.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die beiden Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der Landwirt und Bürgermeister (der Gemeinde L*) Georg K* und der Elektromeister (und vormalige Bürgermeister) Josef H* des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, H* als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB, schuldig erkannt.
Darnach haben
I. Georg K* als Bürgermeister und somit als Beamter mit dem Vorsatz, die Gemeinde L* an ihren konkreten Rechten auf pflegliche Verwaltung des Gemeindevermögens (§ 77 TGO) und Einhaltung des Haushaltsplanes (§ 66 f TGO) zu schädigen, seine Befugnisse, im Namen der Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er dem Gemeindekassier Josef L* auftrug, die über Josef H* (wegen eines von ihm als vormaligem Bürgermeister verübten Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB) mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck (gemeint: mit dem das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 7.August 1991, GZ 29 Vr 2078/89‑52, im Strafausspruch abändernden Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 18.März 1992, GZ 13 Os 104/91‑9) verhängte Geldstrafe in der Höhe von 144.000 S zuzüglich 50 S Einhebungsgebühr aus der Gemeindekasse zu überweisen;
II. Josef H* im Wissen über die zitierten Vorschriften der TGO den Georg K* zu der in Punkt I. angeführten strafbaren Handlung bestimmt.
Rechtliche Beurteilung
Die beiden Angeklagten bekämpfen diesen Schuldspruch mit einer gemeinsam ausgeführten, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.
Zutreffend weisen die Angeklagten in ihrer Rechtsrüge (Z 9 lit a) darauf hin, daß Gegenstand eines Mißbrauchs der Amtsgewalt im Sinn des § 302 Abs 1 StGB nur Amtsgeschäfte in Vollziehung der Gesetze, also im Rahmen der Hoheitsverwaltung, sein können. Hoheitsverwaltung ist jener Bereich der Verwaltung, in dem der Rechtsträger (Bund, Land, Gemeinde usw) den Normunterworfenen als Übergeordneter, ausgestattet mit Befehls- und Zwangsgewalt, gegenübertritt. Privatwirtschaftsverwaltung liegt dagegen vor, wenn zwischen dem Rechtsträger und den sonstigen Rechtssubjekten eine grundsätzliche rechtliche Gleichordnung besteht, der Rechtsträger mithin "wie ein Privater" handelt und sich zur Erreichung seines Verwaltungsziels der gleichen Mittel bedient, die die Rechtsordnung jedermann, also auch Privaten, zur Verfügung stellt. Diese nach materiell‑inhaltlichen Gesichtspunkten vorzunehmende Abgrenzung setzt daher bei jedem Verwaltungsakt die Prüfung voraus, ob er nach seiner Zweckbestimmung Ausfluß hoheitlicher Gewalt ist oder ob es sich bloß um eine (technische, wirtschaftliche oder privatrechtliche) Tätigkeit handelt, die nur mittelbar der Erreichung eines bestimmten gesetzlichen Zwecks dient. Normen des öffentlichen Rechts, insbesondere des Budgetrechts, welche die Gebarung regeln, kommt grundsätzlich noch keine Aussagekraft über die Qualifikation einer bestimmten Tätigkeit einer Gebietskörperschaft als Hoheits- oder als Privatwirtschaftsverwaltung zu (Leukauf‑Steininger Komm3 § 302 RN 24 f; SSt 50/6; 13 Os 114/92).
Die nach den Urteilsfeststellungen vom Erstangeklagten (wenngleich eigenmächtig) angeordnete Bezahlung der Geldstrafe für den Zweitangeklagten als Vorschuß bis zur erwarteten Zahlung einer Versicherungsgesellschaft auf Grund einer Amtshaftpflichtversicherung (US 7) stellt der Sache nach eine Darlehensgewährung dar, zu der die Gemeinde unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt ist (§ 92 TGO). Eine solche Gewährung eines Darlehens ist jedoch kein Akt der Hoheitsverwaltung, sondern fällt in den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung (Bertel im WK § 302 Rz 28).
Wenngleich somit eine Verurteilung wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt nicht in Frage kommt, ist die Sache indes noch nicht endgültig spruchreif. Das Verhalten der beiden Angeklagten ist nämlich auch noch unter dem Gesichtspunkt der möglichen Verwirklichung des Tatbestandes der Untreue nach § 153 Abs 1 StGB ‑ unter Ausnützung einer Amtsstellung nach § 313 StGB - zu untersuchen. Hiezu fehlt es an mängelfreien Feststellungen zur inneren Tatseite, die die Frage der Wissentlichkeit des Befugnismißbrauches und den zumindest bedingten Vorsatz auf Zufügung eines Vermögensnachteils als Folge des Mißbrauches umfassen müssen.
Das Schöffengericht hat zwar im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung ausgeführt, daß es den Angeklagten nicht die Absicht unterstellt, der Gemeinde einen finanziellen Schaden zufügen haben zu wollen (US 13), diese Feststellung aber nicht begründet. Die Anklagebehörde hatte im Hinblick auf die anklagekonforme Verurteilung der beiden Angeklagten keine Möglichkeit, dies mit einer Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) zu bekämpfen. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst setzt jedoch mängelfrei zustandegekommene Feststellungen des Erstgerichtes voraus (Mayerhofer‑Rieder StPO3 § 288 E 37 bis 39).
Es war daher das bekämpfte Urteil aufzuheben und - entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur, die für den sofortigen Freispruch der Angeklagten eintritt - die Verfahrenserneuerung anzuordnen; mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und die beiden Angeklagten auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
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