OGH 13Os104/91-9

OGH13Os104/91-918.3.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. März 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kohout als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef H***** wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 7. August 1991, GZ 29 Vr 2078/89-52, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Hauptmann, und des Verteidigers Dr. Weber, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil hinsichtlich der über den Angeklagten gemäß dem § 14 Abs 1 DSchG verhängten Wertersatzstrafe ersatzlos aufgehoben.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wie auch jene der Staatsanwaltschaft verworfen.

Beiden Berufungen, jener der Staatsanwaltschaft nur teilweise, wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Geldstrafe unter gleichzeitiger Ausschaltung des Ausspruches über die bedingte Strafnachsicht gemäß dem § 43 Abs 1 StGB auf 180 (einhundertachtzig) Tagessätze zu je 800 S (achthundert Schilling) herabgesetzt. Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wird die Ersatzfreiheitsstrafe mit 90 Tagen festgesetzt.

Mit ihrer gegen den Ausspruch der Wertersatzstrafe gerichteten Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen, im übrigen wird ihrer Berufung nicht Folge gegeben. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 1. September 1935 geborene Angeklagte Josef H***** des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er Ende 1988/Anfang 1989 in L***** mit dem Vorsatz, den Staat an seinem konkreten Recht, nur jenen Abbrüchen von denkmalgeschützten Gebäuden die Genehmigung zu erteilen, hinsichtlich welcher ein ordnungsgemäß durchgeführtes Verfahren stattgefunden hat und die Bewilligung des Bundesdenkmalamtes vorliegt, zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er als Bürgermeister, sohin als gemäß dem § 50 Abs 1 der Tiroler Bauordnung (TBO) zuständige Behörde, das im § 25 (lit) c TBO vorgeschriebene Verfahren über den Abbruch des sogenannten Pulverturmes sowie die Einholung einer schriftlichen Bewilligung des Bundesdenkmalamtes (§ 5 Abs 1 DSchG) unterließ. Vom in der Anklageschrift beantragten zusätzlichen Schuldspruch, Josef H***** habe überdies das Vergehen nach dem § 14 Abs 4 DSchG dadurch begangen, daß er den unvorsätzlich handelnden Karl S***** dazu anstiftete, entgegen der Bestimmung des § 4 Abs 1 und des § 5 Abs 1 DSchG ein Denkmal, nämlich den Pulverturm, zu zerstören, sah das Erstgericht ab, weil es diesen Tatbestand als durch den Mißbrauch der Amtsgewalt "konsumiert" betrachtete; es verhängte jedoch eine Wertersatzstrafe gemäß dem § 14 Abs 1 DSchG.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen befindet sich das im Gemeindegebiet L***** stehende - im Jahre 1820

errichtete - Friedenspulvermagazin (Haus M***** "Pulverturm") seit 1968 im Eigentum der Gemeinde L*****. Der Pulverturm steht, wie auch dem rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde L***** aus dem Jahre 1978 zu entnehmen ist, unter Denkmalschutz. Im Jahre 1988 zog die letzte Mietpartei aus (US 4 unten bis US 5 2. Absatz). Bereits vor der gegenständlichen Tat war der Dachstuhl des Haupthauses (mit einer überbauten Fläche von rund 318 m2, woran sich noch ein Vorbau mit einer überbauten Fläche von rund 80 m2 anschließt) auf Grund der fehlenden Horizontalisolierung in einem äußerst desolaten Zustand. Eine Sanierung wäre nicht sinnvoll gewesen; vielmehr hätte ein neuer Dachstuhl aufgesetzt werden müssen, wofür Kosten von S 731.520 zuzüglich der Abbruchkosten von S 34.560 und des Aufwandes für die Sanierung des Mauerwerks im oberen Bereich in der Höhe von weiteren S 365.920 entstanden wären (US 7 unten bis 8 1. Absatz).

Am 7. März 1989 wurde vom Bauausschuß der Gemeinde L***** ein Lokalaugenschein durchgeführt, bei welchem der Angeklagte, der seit vielen Jahren das Amt des Bürgermeisters ausübt, die Mitglieder dahin informierte, daß der Tischlermeister Karl S***** sich bereit erklärt habe, pro Quadratmeter Holz des abgetragenen Dachstuhles S 1.500 zu bezahlen und demnächst mit der Abtragung des Dachstuhles beginnen könne. Der Bauausschuß gelangte zur Ansicht, daß der Abbruch des Gebäudes die einzige wirtschaftlich vernünftige Lösung sei. Hierüber berichtete der Angeklagte am 10. März 1989 dem Gemeinderat, der gegen dieses Ergebnis der Bauausschußsitzung keinen Einwand erhob. Obwohl der Angeklagte wußte, daß der Pulverturm unter Denkmalschutz steht und "für die Abtragung eine Bauverhandlung notwendig und dazu die Durchführung eines Verfahrens nach dem § 25 c TBO sowie die Bewilligung des Bundesdenkmalamtes nach § 5 DSchG erforderlich sind" (US 5 ganz unten und verso), erteilte er im Laufe des März 1989 Karl S***** den Auftrag zur Abtragung des Dachstuhles. Der Angeklagte hatte die Absicht, in Entsprechung der Beschlüsse des Bauausschusses und des Gemeinderates den Pulverturm gänzlich abzutragen (US 5 3. Absatz bis US 6 2. Absatz).

In einem am 31. März 1989 im Gemeinderat L***** eingelangten Schreiben wurde der Angeklagte vom Bundesdenkmalamt, dem indessen die Abbruchpläne zur Kenntnis gelangt waren, auf den bestehenden Denkmalschutz sowie darauf hingewiesen, daß jede Veränderung eines Denkmals nach dem § 5 DSchG der Bewilligung des Bundesdenkmalamtes bedurfte. Er rechtfertigte sich mit Schreiben vom 14. April 1989 gegenüber dem Bundesdenkmalamt dahingehend, daß Bauausschuß und Gemeinderat die Abtragung des Pulverturms beschlossen hätten, weil dessen Instandsetzung und laufende Erhaltung unwirtschaftlich und im Hinblick auf die finanzielle Situation der Gemeinde nicht zu vertreten seien. Gleichzeitig suchte er gemäß dem § 5 DSchG um die Bewilligung zum Abbruch des Pulverturms an. Hierauf wurde ihm seitens des Bundesdenkmalamtes mit Schreiben vom 19. April 1989 mitgeteilt, daß auf Grund dieses Antrages ein Rechtsverfahren eingeleitet worden sei und bis zum Abschluß des Verfahrens am angeführten Objekt weder bauliche Veränderungen durchgeführt noch Abbruchmaßnahmen gesetzt werden dürften. Nach Erhalt dieses Schreibens wurden vom Angeklagten keine weiteren Abbruchaufträge mehr erteilt (US 6 letzt. Absatz bis US 7 1. Absatz).

In einem bei der Bezirkshauptmannschaft Kufstein eingeleiteten Verwaltungs(straf)verfahren rechtfertigte der Angeklagte sich (erstmals) damit, daß teilweise sogar konkrete Einsturzgefahr bestanden habe. Ein Auftrag zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes wurde seitens der Bezirkshauptmannschaft Kufstein nicht erteilt. Die Wiederherstellung oder Herstellung eines gleichwertigen Zustandes - worunter das Erstgericht in Übereinstimmung mit dem Bausachverständigengutachten (AS 254 unten, 255) die Errichtung eines Dachstuhles mit Hölzern von ähnlich niedrigem Restwert versteht - ist technisch nicht möglich (US 7 2. und 4. Absatz; US 8 Ende 1. Absatz iVm ON 47).

Ein baubehördlicher Akt des Gemeindeamtes L***** betreffend den Abbruch des Pulverturmes wurde vom Angeklagten, der ernstlich bedachte und sich innerlich auch damit abfand, daß durch die (wissentlich pflichtwidrige) Unterlassung eines Bauverfahrens und der "Zuziehung" des Bundesdenkmalamtes vor Erteilung des Abbruchauftrages "konkrete öffentliche Rechte, nämlich insbesondere Parteienansprüche", geschädigt wurden, nicht geführt; das Bundesdenkmalamt hätte (zur Tatzeit) eine Bewilligung zum Abbruch nicht erteilt (US 7 3. Absatz, US 8 2. Absatz).

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil haben der Angeklagte und der öffentliche Ankläger das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde erhoben, welches (formell) vom Angeklagten auf Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs 1 StPO, von der Staatsanwaltschaft lediglich auf letzteren Nichtigkeitsgrund gestützt wird.

1.) Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

Der Angeklagte war mangels einer Sonderregelung des Verfahrens bei Bauvorhaben der Gemeinde (VwSlg 10229 A) als Bürgermeister auch für die Entscheidung über das Abbruchvorhaben der eigenen Gemeinde zuständig. Er wäre damit als Baubehörde erster Instanz (§ 50 Abs 1 TBO) im Rahmen des nach dem § 25 c TBO bewilligungspflichtigen Bauvorhabens der Gemeinde - Abbruch des sogenannten Pulverturmes - verpflichtet gewesen, gemäß dem § 31 Abs 12 TBO den Abbruch des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes nur unter der Bedingung zu genehmigen, daß "die denkmalschutzrechtliche Bewilligung für den Abbruch erteilt wird". Eine solche Bedingung bildet mit dem Hauptinhalt des Bescheides ein einheitliches Ganzes; bis zu ihrer Erfüllung ist der Bescheid in Schwebe, erst wenn sie erfüllt ist, tritt die Rechtswirksamkeit des Bescheides ein (vgl. Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 512). Damit besteht der Vorwurf des Erstgerichtes zu Recht, der Angeklagte habe seine Befugnis durch Unterlassung der Durchführung eines Verfahrens über den Abbruch nach dem § 25 c TBO, worüber ein schriftlicher Bescheid zu ergehen hat (§ 31 Abs 1 TBO), mißbraucht (US 10). Da er in Vollziehung der TBO die Setzung eines solchen Hoheitsaktes unterlassen und damit ein Verfahren nach dem § 5 DSchG verhindert und dieser Behörde von vornherein die Möglichkeit genommen hat, über den beabsichtigten (vollständigen) Abbruch zu entscheiden, stellt sein Verhalten objektiv betrachtet, einen Amtsmißbrauch dar. Zur subjektiven Tatseite stellte das Erstgericht fest, daß der Angeklagte wußte, daß der Pulverturm unter Denkmalschutz steht und für die Abtragung die Bewilligung des Bundesdenkmalamtes nach § 5 DSchG erforderlich war. Damit wußte der Angeklagte, daß er sich über Verfahrensvorschriften hinwegsetzt. Befugnismißbrauch im Sinne des § 302 StGB ist aber gegeben, wenn der Beamte im vollen Wissen eines gesetzwidrigen Zustandes und der ihm zu dessen Anwendung treffenden amtlichen Obliegenheit jene behördlichen Maßnahmen nicht anordnet, zu deren Vornahme er gesetzlich verpflichtet ist (JBl. 1992, 56).

Eine Schädigung konkreter staatlicher Rechte, auf die der Vorsatz des Täters gerichtet sein muß, setzt keinen Parteianspruch voraus, sondern liegt immer dann vor, wenn durch die Unterlassung von Hoheitsakten - hier: Unterlassung der Entscheidung über das bewilligungspflichtige Bauvorhaben (§ 25 TBO) unter der Bedingung nach dem § 31 Abs 12 TBO - eine auf einer bestimmten Rechtsnorm beruhende staatliche Maßnahme vereitelt (im vorliegenden Falle die Einleitung eines Verfahrens nach dem § 5 DSchG) und der damit verbundene Zweck beeinträchtigt wird, den der Staat mit der Erlassung dieser Vorschrift erreichen will (JBl 1992, 56).

Damit war es aber - entgegen dem Beschwerdevorbringen - für die Frage des Befugnismißbrauches unerheblich, ob dem Angeklagten auch eine Garantenstellung für die "Bewilligung durch das Bundesdenkmalamt" zugekommen ist (Punkt 2 c aa der Rüge). Es mag dahingestellt bleiben, ob durch das Unterlassen einer Bauverhandlung ein Befugnismißbrauch vorliegt, weil im Hinblick auf den § 29 Abs 1 TBO von der Durchführung einer solchen dann abgesehen werden kann, wenn durch das Bauvorhaben Interessen der Nachbarn offensichtlich nicht beeinträchtigt werden können. Auch bei Vorliegen aller Voraussetzungen für den Abbruch und der Tatsache, daß nur der Gemeinde L***** Parteistellung zugekommen ist und die Gemeindevertretung dem vom Bauausschuß verfügten Abbruch zugestimmt hat, war aber - was die Beschwerde (Punkt 2 c bb und cc) gänzlich übersieht - nach dem § 31 Abs 1 TBO mit einem schriftlichen Bescheid zu entscheiden und die Bewilligung nur unter der im Abs 12 dieser Gesetzesstelle vorgesehenen aufschiebenden Bedingung zu erteilen, nämlich der Bewilligung des Abbruches durch das Bundesdenkmalamt. Damit hat es sich nicht um einen bloßen "Formalakt" gehandelt, der sich nur darauf beschränkt hätte, das zu bewilligen, was lediglich von der Gemeinde als Partei beantragt worden ist. Es war eben für eine rechtswirksame Bewilligung des Abbruches die Einleitung eines Verfahrens i.S. des § 5 DSchG notwendig.

Unbegründet ist auch der Beschwerdeeinwand, es fehle an Urteilsfeststellungen über die Voraussetzungen für einen Abbruchauftrag nach dem § 44 Abs 3 lit b TBO; nach dieser Bestimmung (i.d.Fassung der TBO Nov 1988) hat die Behörde den Abbruch einer baulichen Anlage u.a. dann aufzutragen, wenn diese wegen eines Baugebrechens das Leben und die Gesundheit von Menschen, insbes. wegen Feuer- oder Einsturzgefahr, bedroht oder das Orts-, Straßen- oder Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt und die Instandsetzung wirtschaftlich nicht vertretbar ist.

Dem Urteil ist dazu zu entnehmen, daß die letzte Mietpartei aus dem Pulverturm im Jahre 1988 ausgezogen ist (US 5) und daß nach der Verantwortung des Angeklagten im März 1988 ein unverzügliches Handeln aus Sicherheitsgründen nicht notwendig war (US 9), daß somit ein - den Abbruchauftrag rechtfertigendes - Baugebrechen nicht vorlag. Aber auch in einem solchen Falle hätte - dem Beschwerdevorbringen zuwider - ein ausreichendes Ermittlungsverfahren durchgeführt und im Rahmen einer Vollziehungsverfügung die Feststellung getroffen werden müssen, ob eine Gefährdung oder eine Beeinträchtigung im oben dargestellten Sinne vorliegt (vgl. Hauer, Tiroler Baurecht, TBO § 44 Anm 7, 11 und 19).

In diesem Umfange war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Berechtigt ist die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch, soweit der Angeklagte die Verhängung einer Wertersatzstrafe nach dem § 14 Abs 1 DSchG bekämpft, weil der objektive Tatbestand dieser Gesetzesstelle nicht erfüllt ist.

Das angefochtene Urteil enthält keine Tatsachenfeststellungen, aus denen sich die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmales der "Zerstörung" des Denkmals im Sinne dieser Gesetzesstelle ergibt. Als solche gilt gemäß dem § 4 Abs 1 lit a DSchG in der Fassung des am 1. Jänner 1991 in Kraft getretenen Bundesgesetzes vom 5. Juli 1990, BGBl 473, die tatsächliche vollständige Vernichtung des Denkmals; diese liegt auch dann vor, wenn noch einzelne wesentliche Teile erhalten geblieben sind. Die (neue) Legaldefinition ist auch der Prüfung des gegenständlichen - noch vor ihrem Inkrafttreten verwirklichten - Sachverhaltes auf die Erfüllung des denkmalschutzrechtlichen Straftatbestandes zugrundezulegen, zumal die Rechtslage zur Zeit der Tat angesichts der Interpretation des § 14 Abs 1 DSchG durch die damalige Rechtsprechung (vgl. insbesondere SSt 55/38 = EvBl 1985/62) für den Täter in ihrer Gesamtauswirkung jedenfalls nicht günstiger war (§ 61 StGB). Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der Novelle BGBl 1990/473 (NR 17. GP 1275, 15) wurde nämlich gerade im Hinblick auf diese Judikatur, nach der auch (nach Auffassung der Denkmalschutzbehörde) bloße Veränderungen des Denkmals bereits als Zerstörung qualifiziert worden waren, die Aufnahme einer - gegenüber der Regierungsvorlage allerdings nicht unverändert

gebliebenen - Begriffsbestimmung für notwendig erachtet. Es sollte klargestellt werden, daß unter Zerstörung (erst) die tatsächliche (objektivierbare) vollständige physische Vernichtung des Denkmals zu verstehen ist, die allerdings auch vorliegt, wenn einzelne - selbst wesentliche - Teile (gerade noch) erhalten geblieben sind (siehe insbesondere Beispiel 1 aaO der EBRV). Die Grenze von einer bloßen Veränderung zur Zerstörung des Denkmals wäre (laut AB NR. 17. GP 1444, 2) erst dann überschritten, wenn die für die Unterschutzstellung, das heißt für die Bedeutung als Denkmal, in erster Linie wesentlichen Teile (bis auf Reste) zerstört und die noch verbliebenen Reste - allenfalls auch noch mit einzelnen erhaltenen wesentlichen Teilen - in ihrer Bedeutung nicht mehr ausreichend wären, das Objekt - erstmals (zur Fortdauer des Schutzes zerstörter oder veränderter Denkmäler siehe § 5 Abs 6 DSchG nF) - unter Denkmalschutz zu stellen. Die Möglichkeit einer Wiedererrichtung (§ 14 Abs 6 DSchG) wäre hiebei vor allem dann mitzuberücksichtigen, wenn zerstörte Teile in der Originalsubstanz (zum Beispiel durch sogenannte Anastylose) wieder zusammengefügt werden könnten. Tatsachenfeststellungen, aus welchen sich ergäbe, daß der vom Angeklagten veranlaßte Abbruch eines Dachstuhlteiles des Pulverturms bereits der tatsächlichen vollständigen Vernichtung dieses Denkmals gleichkam, wurden vom Erstgericht nicht getroffen und könnten nach der Aktenlage auch in einem weiteren Rechtsgang nicht nachgeholt werden; ist doch davon auszugehen, daß von der aus einem Haupttrakt, einem Zubau sowie einer weitgehend erhaltenen Einfriedungsmauer bestehenden, nicht nur (auf Grund verschiedener Baudetails) architektonisch, sondern auch militärgeschichtlich bedeutsamen und in ihrer Gesamtheit geschützten Anlage (siehe AZ 10492/89 des Bundesdenkmalamtes) nur ein in äußerst desolatem Zustand befindlicher (US 7 ganz unten und verso iVm ON 47 und den Lichtbildern AS 25) Teil des Dachstuhles abgetragen wurde. Mag auch ein - insbesondere für das äußere Erscheinungsbild der Anlage - bedeutungsvoller Gebäudeteil entfernt worden sein, kann doch nicht davon ausgegangen werden, daß schon durch den Abbruch dieses Einzelteiles die für die Unterschutzstellung wesentliche Bausubstanz bis auf nicht mehr als Denkmal erhaltenswerte Reste zerstört wurde (vgl. erneut Beispiel 1 in EBRV NR. 17. GP 1275, 15).

Da der von der Anklagebehörde begehrte zusätzliche Schuldspruch wegen des § 14 Abs 4 (iVm Abs 1) DSchG sohin nicht wegen der Verdrängung dieses Deliktes durch eine mit strengerer Strafe bedrohte Tat, sondern schon mangels Tatbildverwirklichung zu unterbleiben hatte, waren die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verhängung einer Wertersatzstrafe nicht verwirklicht.

2. Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Aus dem Fehlen von Feststellungen, die einen Schuldspruch nach dem § 14 Abs 1 (und Abs 4) DSchG zu tragen vermöchten, ergibt sich aber auch die mangelnde Berechtigung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, welche - formell unter Z 9 lit a, inhaltlich jedoch unter Z 10 des § 281 Abs 1 StPO - die rechtliche Bewertung des dem Angeklagten angelasteten Sachverhaltes auch als gerichtliches Vergehen im Sinne der erwähnten denkmalschutzrechtlichen Strafbestimmung begehrt hat, ohne allerdings auf die ausdrückliche Subsidiarität dieses Vergehens gegenüber allen (vgl. Leukauf-Steininger, Nebengesetze § 14 DSchG Anm A; Pallin in WK § 28 StGB Rz 6) mit strengerer gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen einzugehen.

3. Zu den Berufungen:

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach dem § 302 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 37 StGB zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 120 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe; die Höhe des Tagessatzes wurde mit 1.200 S bestimmt. Bei der Strafbemessung war erschwerend die Zerstörung des Denkmales, mildernd hingegen die als reumütiges Geständnis aufzufassende Verantwortung, die Unbescholtenheit und der Umstand, daß die Tat in auffallendem Widerspruch zu dem sonst vorbildlichen Verhalten des Angeklagten als Bürgermeister steht.

Der Angeklagte strebt mit seiner Berufung eine Herabsetzung der Anzahl der Tagessätze und der Höhe des Tagessatzes an, die Staatsanwaltschaft begehrt hingegen in ihrer - hier noch aktuellen - Berufung die über den Angeklagten nach dem § 302 Abs 1 StGB verhängte Strafe dem Verschulden entsprechend "durch Ausscheidung der Anwendung des § 37 StGB anzuheben" und die Anwendung des § 43 Abs 1 StGB auszuschalten.

Den Berufungen kommt - jener des öffentlichen Anklägers teilweise - Berechtigung zu.

Der vom Erstgericht als erschwerend gewertete Umstand des Zerstörens eines Denkmals hat zu entfallen, sodaß den vom Erstgericht im wesentlichen richtig festgestellten Milderungsgründen kein Erschwerungsgrund gegenübersteht. Im Hinblick auf die zugunsten des Angeklagten korrigierten Strafzumessungsgründe war die Geldstrafe auf die im Spruch ersichtliche, der Schuld und dem Unrechtsgehalt der Tat angemessene Anzahl der Tagessätze herabzusetzen. Im Hinblick auf die gegebenen wirtschaftlichen Verhältnisse des Berufungswerbers und seiner Leistungsfähigkeit kann ihm nach dem sg. Einbuße-Prinzip (Leukauf-Steininger, Komm2 § 19 RN 10) nur ein Tagessatz in der Höhe von 800 S zugemutet werden, sodaß der Berufung auch in diesem Umfange Folge zu geben war. Die Ersatzfreiheitsstrafe war mit 90 Tagen festzusetzen.

Soweit die Staatsanwaltschaft die Anwendung des § 43 Abs 1 StGB bekämpft, kommt ihrer Berufung Berechtigung zu. Bei der Beurteilung der Voraussetzungen des § 43 StGB spielt das Vorleben des Rechtsbrechers zwar eine wichtige, nicht immer jedoch die ausschlaggebende Rolle; ebenso bedeutend ist auch die Art der strafbaren Handlung (vgl. 14 Os 88/89). Eine bedingte Nachsicht der Geldstrafe verbietet im vorliegenden Falle die doch eine beträchtliche Pflichtverletzung (vgl. § 32 Abs 3 StGB) offenbarende Tat und der Umstand, daß gegen eine bedingte Nachsicht der Geldstrafe die spezial- und generalpräventiv erforderliche Effektivität der Strafe spricht, die bei der verhängten Zahl der Tagessätze nur durch den sofortigen Vollzug erreicht werden kann (vgl. Leukauf-Steininger, Komm2 § 43 RN 10). Die gleichgültige Haltung des Angeklagten gegenüber den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen war dem Vorbringen in der Berufung zuwider im Rahmen der Strafbemessung (vgl. § 32 Abs 2 StGB) zu berücksichtigen, bildet aber keinen eigenen Erschwerungsgrund.

Entgegen der Meinung des öffentlichen Anklägers bedarf es im vorliegenden Falle jedoch nicht der Verhängung einer Freiheitsstrafe, um den Täter von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung gleichgelagerter strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken, weil auch die zu vollziehende Geldstrafe in ihrer Höhe durchaus eine ausreichende Motivationskraft zu entfalten vermag. In dieser Hinsicht war der Berufung der Staatsanwaltschaft ein Erfolg zu versagen.

Mit ihrer gegen die nach dem DSchG verhängten Strafe gerichteten Berufung war der öffentliche Ankläger auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

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