OGH 8Ob611/93

OGH8Ob611/9316.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gunther Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Edgar Huber, Dr.Erich Kodek, Dr.Birgit Jelinek und Dr.Ronald Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** AG, ***** vertreten durch Dr.Hermann Geissler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Restaurant ***** K***** & P***** OHG, und 2. K***** & P***** Gesellschaft mbH, ***** beide vertreten Dr.Karl Bollmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Herausgabe von Rechnungen (Streitwert S 51.000) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 22. Jänner 1993, GZ 5 R 224/92-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 17.August 1992, GZ 24 Cg 59/92-7, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende Aktiengesellschaft, die ihren Sitz in der Schweiz hat und in Österreich keine Gewerbeberechtigung besitzt, bietet durch ua auch in Österreich tätige Außendienstmitarbeiter den Abschluß von Energiesparberatungsverträgen an.

Im Oktober 1990 schloß sie mit dem Geschäftsführer der zweitbeklagten GmbH, die persönlich haftende Gesellschafterin der erstbeklagten OHG ist, einen derartigen, vorerst auf fünf Jahre befristeten Vertrag ab, der gemäß seinem P. 5 österreichischem Recht unterliegt. Danach beauftragte die Erstbeklagte die Klägerin, ihr eventuelle Möglichkeiten zur Rückerstattung und Einsparung von leitungsgebundenen Energiekosten aufzuzeigen und ihre Energiekosten während der Vertragsdauer regelmäßig zu überwachen. Gemäß P. 2 des Vertrages gehört es zu den Hauptpflichten der Beklagten, der Klägerin Korrespondenz und Verträge mit ihren Energieversorungsunternehmen sowie die Energiekostenrechnungen der letzten zwölf Monate vor Vertragsschluß und während der Vertrags- und Beteiligungsdauer zuzusenden. Die Klägerin sollte durch eine einmalige, sofort fällige Bearbeitungsgebühr, die in voller Höhe auf die Einsparungen angerechnet wird, und dadurch entlohnt werden, daß sie an den Einsparungen und Rückerstattungen zu 50 % beteiligt wird. Sollte die Realisierung von Einsparungen mit Investitionen verbunden sein, sollte die Beteiligung der Klägerin erst nach Verrechnung der Investitionen mit den erzielten Einsparungen beginnen. Die Erstbeklagte war berechtigt, die Vorschläge der klagenden Partei durchzuführen oder innerhalb von zwei Monaten schriftlich abzulehnen.

Wegen Unstimmigkeiten über die in den Vertrag einbezogenen Objekte kündigte die Erstbeklagte Ende Oktober 1991 den Vertrag mit sofortiger Wirkung auf, womit die Klägerin nicht einverstanden war.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, ihr die Energiekostenrechnungen für detailliert angeführte Abnahmestellen, Energiearbeiten und Zeiträume herauszugeben.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ein, sie hätten den Vertrag mit sofortiger Wirkung im Oktober 1991 beendet, weil sich die Klägerin vereinbarungswidrig verhalten habe. Überdies erklärten sie, den Vertrag wegen Irrtums in der Person der Klägerin anzufechten; dieser fehle die verwaltungsrechtliche Befugnis zur Erbringung der Beratungs- und Vertretungsleistungen, da ein konzessionspflichtige Gewerbe vorliege und die Beratungsleistungen in Österreich zu erbringen seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Gemäß § 873 ABGB gelte als Irrtum in der Person jedenfalls der Irrtum über das Vorhandensein einer erforderlichen verwaltungsrechtlichen Befugnis zur Erbringung der Leistung. Da die Klägerin keine Konzession für die Ausübung ihrer Tätigkeit habe, eine solche jedoch nach österreichischem Recht erforderlich sei - die ausgeübte Energieberatungstätigkeit unterliege nämlich § 171 a GewO - und sie von der Klägerin über das Fehlen der Konzession nicht aufgeklärt worden sei, sei diese als adäquater Verursacher im Sinn des § 871 ABGB anzusehen.

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Klagebegehrens ohne weitere Prüfung, ob die ausgeübte Tätigkeit unter § 171 a GewO falle und ein Irrtum iSd § 873 ABGB vorliege, weil es die Klage als unschlüssig ansah. Das vorliegende Vertragsverhältnis weise die wesentlichen Merkmale einen Werksvertrages iSd § 1165 ABGB auf, da der Begriff "Werk" weit zu verstehen sei und nur einen bestimmten Arbeitserfolg bedeute. Die gesetzlichen Bestimmungen enthielten im Rahmen eines Werkvertrages keinen Anspruch des Unternehmers auf Herstellung und Abnahme des Werkes; die Pflicht des Bestellers erschöpfe sich darin, die Gegenleistung zu erbringen. Nehme er das Werk nicht ab oder verhindere er die Ausführung, indem er nicht mitwirke, so wie im vorliegenden Fall dadurch, daß er die für die Beratungstätigkeit erforderlichen Unterlagen nicht zur Verfügung stelle, so habe es bei den Folgen des § 1168 ABGB und des Annahmeverzuges zu verbleiben. Die nach der Natur des Werkes erforderliche oder im Werkvertrag vereinbarte Mitwirkung des Bestellers könne der Unternehmer nicht erzwingen. Hieraus folge, daß die Herausgabe der Energiekostenrechnungen nicht erzwungen werden könne, sodaß das vorliegende Klagebegehren als jedenfalls unschlüssig abzuweisen sei.

Die Revision an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht nicht zu.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im klagestattgebenden Sinn; hilfsweise stellt sie auch einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagten beantragen, in erster Linie die Revision zurückzuweisen und hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Zu Recht bringt die Klägerin vor, daß das angefochtene Urteil in mehreren wesentlichen Punkten der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes widerspreche. Das Berufungsgericht hat die Parteien unzulässigerweise (SZ 42/28; 57/31; 63/67 uva) mit der vorher nicht vorgetragenen und nicht erörterten Rechtsansicht überrascht, daß das Klagebegehren unschlüssig sei, weil die in P. 2 des Vertrages vereinbarte Pflicht zur Herausgabe der Energieunterlagen nicht habe rechtswirksam vereinbart werden können.

Beruht die Annahme der Unschlüssigkeit einer Klage auf einem erheblichen Rechtsirrtum, kann die Zulässigkeit der Revision nicht mit dem Argument verneint werden, daß die Schlüssigkeit einer Klage nur anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden könne (vgl 8 Ob 1625/92 ua).

Die Revisionswerberin hat zutreffend aufgezeigt, daß sich aus ihren Klagebehauptungen die Zulässigkeit dieser Vereinbarung ergibt und diese auch nicht sinnlos ist.

Auch wenn man den vorliegenden Vertrag als Werkvertrag oder zumindest als einen Vertrag mit vorwiegend werkvertraglichen Elementen ansieht - der Erfolg liegt in der Aufzeigung der Möglichkeit der Energieeinsparung - (SZ 47/145; 54/17; 57/140 uva) und für ihn mangels (zulässiger: 5 Ob 582/88) abweichender Vereinbarung (vgl P. 3 b zweiter Absatz des Vertrages, wonach der Besteller die Vorschläge der Klägerin durchführen oder ablehnen kann) § 1168 ABGB gilt, wonach der Unternehmer keinen Anspruch auf Herstellung und Abnahme des Werkes, sondern nur auf die vereinbarte Gegenleistung hat (SZ 45/11 ua), so können doch in diesem dispositiven Rechtsbereich (5 Ob 582/88) bestimmte Mitwirkungspflichten des Bestellers bindend vereinbart werden. Dazu gehört auch die hier vorgesehene und einleuchtend sinnvolle Pflicht des Bestellers zur Herausgabe der Energieunterlagen: sie dient nämlich nicht nur der Berechnung des Honoraranspruchs, sondern jedenfalls auch Kontrollzwecken; die Klägerin kann nur anhand dieser Unterlagen überprüfen, ob die Beklagten trotz anderweitiger Beteuerungen nicht doch ihre Ratschläge befolgen und Einsparungen erzielen. Sollte dies der Fall sein, bilden diese Unterlagen dann auch die Grundlage für die Berechnung des Honorars der Klägerin.

Das Klagebegehren ist daher durchaus schlüssig, denn das Sachbegehren der Klägerin kann aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden (RdW 1986, 272 ua). Das Berufungsgericht durfte daher den Klageanspruch nicht mangels Schlüssigkeit verneinen.

Da eine Sachentscheidung durch den Obersten Gerichtshof mangels Erledigung der Beweisrüge durch das Berufungsgericht ausscheidet, mußte das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Dieses wird im fortgesetzten Verfahren über die Berufung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Abweisungsgrund der mangelnden Schlüssigkeit des Klagebegehrens zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Stichworte