OGH 5Ob59/93

OGH5Ob59/9314.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin Renate Sabine H*****, geboren am 4.April 1967, Landwirtin, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Stranzinger, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wegen grundbücherlicher Eintragungen ob der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches ***** infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Rekursgerichtes vom 9.März 1993, GZ R 70/93, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Schärding vom 26. Jänner 1993, TZ 92/93, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragstellerin erwirkte im Verfahren 1 Cg 224/89 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis eine einstweilige Verfügung nach § 382 Z 6 EO gegen den damaligen Eigentümer der im Kopf dieser Entscheidung genannten Liegenschaft. Demgemäß wurde das Belastungs- und Veräußerungsverbot sowie das Verpfändungsverbot gemäß § 384 Abs 2 EO ob dieser Liegenschaft unter C-LNR 19 angemerkt.

Auf Grund des rechtskräftigen Urteiles des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 8.7.1991, AZ 1 Cg 134/91, wurde ob dieser Liegenschaft das Eigentumsrecht für die Antragstellerin einverleibt.

Nunmehr beantragte die Antragstellerin die Löschung sämtlicher nach dem oben genannten richterlichen Verbot unter C-LNR 20 bis 43 erfolgten Grundbuchseintragungen, weil ihr der Anspruch auf Übereignung der Liegenschaft endgültig zuerkannt worden sei und daher diesem Anspruch entgegenstehende Verfügungen hinfällig seien. Bei den Grundbuchseintragungen, deren Löschung die Antragstellerin begehrt, handelt es sich um exekutive Pfand- bzw. Befriedigungsrechte sowie um der Antragstellerin im Wege einstweiliger Verfügung bewilligte Belastungs- und Veräußerungsverbote.

Das Erstgericht wies den Antrag mit der Begründung ab, von dem Verbot nach § 382 Z 6 EO seien exekutiv begründete Zwangs- bzw. Befriedigungsrechte nicht betroffen. Nur freiwillige Verfügungen des mit dem Verbot Belasteten seien der gefährdeten Partei gegenüber unwirksam. Schließlich obliege dem Grundbuchsgericht nicht die Aufhebung einstweiliger Verfügungen.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht billigte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes.

Im Hinblick auf die Höhe der grundbücherlich sichergestellten Forderungen sei der Entscheidungsgegenstand mit über S 50.000 zu bewerten.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur entscheidungswesentlichen Frage fehle, wie weit exekutiv erwirkte Grundbuchseintragungen von einem zuvor angemerkten Belastungs- und Veräußerungsverbot nach § 382 Z 6 EO betroffen seien, bzw. wie weit die in § 384 Abs 3 EO gebrauchte Formulierung "freiwillige Verfügung" auszulegen sei.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, die Entscheidung der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß ihrem Löschungsbegehren Folge gegeben werde.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) Zur Zulässigkeit:

Voraussetzung für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses ist nicht nur das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der vom Rekursgericht als entscheidungswesentlich erkannten Frage, sondern auch, daß der Wert des Verfahrensgegenstandes, über den das Rekursgericht entschied, an Geld oder Geldeswert S 50.000 übersteigt.

Gemäß § 126 Abs 1 GBG iVm § 13 Abs 1 Z 1 und Abs 2 AußStrG hat das Rekursgericht bei seinem Bewertungsausspruch unter anderem auch die §§ 57 und 60 Abs 2 JN sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 57 JN ist für die Sicherstellung einer Forderung und für ein Pfandrecht der Betrag der Forderung, oder wenn der Pfandgegenstand geringeren Wert hat, dessen Wert für die Bewertung des Verfahrensgegenstandes maßgebend. Nach § 60 Abs 2 JN gilt als Wert einer grundsteuerpflichtigen unbeweglichen Sache - nach derzeitiger Terminologie - der Einheitswert. An einen von diesen zwingenden Bewertungsgrundsätzen abweichenden Bewertungsausspruch (hier: orientiert allein an der Höhe der pfandrechtlich gesicherten Forderungen) wäre der Oberste Gerichtshof nicht gebunden. Erhebungen beim zuständigen Finanzamt ergaben jedoch, daß der Einheitswert der Liegenschaft S 50.000 übersteigt, so daß der Bewertungsausspruch des Rekursgerichtes im Ergebnis den bereits genannten zwingenden Bewerungsvorschriften entspricht (zur Bewertung in Grundbuchssachen vgl 5 Ob 1068/91 = Jus-Extra 1991, 916; 5 Ob 49/92 und 5 Ob 163/92).

b) Zur Sachentscheidung:

Durch die von der Antragstellerin erwirkte einstweilige Verfügung nach § 382 Z 6 EO wurde dem früheren Eigentümer der Liegenschaft, und nur diesem, die Veräußerung, Belastung und Verpfändung der Liegenschaft verboten. In die Rechte dritter Personen, insbesondere in diejenigen von Gläubigern des damaligen Liegenschaftseigentümers, wird durch ein solche einstweilige Verfügung nicht eingegriffen. Folgerichtig sieht § 384 Abs 3 EO vor, daß lediglich auf Grund verbotswidriger freiwilliger Verfügungen des Gegners der gefährdeten Partei nach dem Vollzug der Anmerkung des Verbotes vorgenommene Eintragungen dem Verbotsberechtigten gegenüber nur dann wirksam sind, wenn sein Anspruch rechtskräftig abgewiesen wird. Daraus folgt eindeutig, daß exekutive Pfand- und Befriedigungsrechte eines Dritten durch die von der Antragstellerin erwirkte einstweilige Verfügung unberührt bleiben: Fällt ihr - wie hier wegen Obsiegens im Prozeß gegen den Voreigentümer - die Liegenschaft zu, so wirken die von Dritten in der Zwischenzeit erworbenen Pfand- und Befriedigungsrechte an der Liegenschaft auch gegen sie. Dieser aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut leicht ableitbaren Auslegung steht auch die herrschende Lehre und bisherige Rechtsprechung nicht entgegen:

Heller-Berger-Stix, III 2750 f, leiten aus dem Abstellen des § 384 Abs 3 EO auf freiwillige Verfügungen ab, daß durch eine solche einstweilige Verfügung die Exekutionsführung Dritter gegen den Gegner der gefährdeten Partei in keiner Weise berührt wird. Mit dieser Einschränkung ist daher der in diesem Kommentar an anderer Stelle (III 2752) enthaltene Satz zu lesen, daß alle der Anmerkung des Verbotes im Rang nachfolgenden Grundbuchseintragungen gegenüber der (letztlich im Rechtsstreit siegreichen) gefährdeten Partei ihre Wirksamkeit verlieren. Ausdrücklich verneinen auch andere Vertreter der Lehre, soweit sie sich mit diesem Problemkreis ausdrücklich beschäftigen, den Einfluß eines Verbotes nach § 382 Z 6 EO auf exekutiv begründete Pfandrechte (Petschek-Hämmerle-Ludwig, Das österreichische Zwangsvollstreckungsrecht 241; Rintelen, Die einstweilige Verfügung 237; Feil, Einstweilige Verfügung2 95; Feil, Kommentar zum Grundbuchsgesetz2 126; Klang2 II 183). Auch die Rechtsprechung, die einem Verbot nach § 382 Z 6 EO gerade nicht die gleichen Wirkungen wie der Anmerkung der Rangordnung zuerkennt (NZ 1989, 128), hat im Ergebnis in Übereinstimmung mit der eingangs vorgenommenen Auslegung des § 384 Abs 3 EO und den oben dargestellten Lehrmeinungen noch nie die Löschung exekutiv begründeter Pfand- bzw. Befriedigungsrechte im Sinne des § 384 Abs 3 EO im Grundbuchsverfahren zugelassen. Die allgemeinen Formulierungen in den von der Revisionsrekurswerberin zitierten Entscheidungen (zB EvBl 1958/205), wonach die nach der Anmerkung des Verbots eingetragenen Verfügungen nur insofern Wirkung haben, als sie dem Anspruch, bezüglich dessen das Verbot erlassen wurde, nicht entgegenstehen, widrigenfalls die nach dem Verbot eingetragenen Verfügungen zu löschen sind, hatten immer nur Eintragungen auf Grund freiwilliger Verfügungen des Gegners der gefährdeten Partei zum Gegenstand. Sie sind daher unter diesem Blickwinkel zu lesen und dürfen nicht auf den hier zu beurteilenden Fall der Begründung exekutiver Pfand- bzw. Befriedigungsrechte, womit sie sich gar nicht beschäftigten, ausgedehnt werden.

Richtig ist, daß in der Entscheidung SZ 25/186 ausgesprochen wurde, daß arglistiger Erwerb eines Pfandrechtes auch auf exekutivem Weg erfolgen kann. Dies wurde aber dort im Prozeßweg geklärt und nicht im Grundbuchsverfahren, das als reines Urkundenverfahren hiezu gar nicht geeignet wäre, selbst wenn ein frauduloses Zusammenspiel der betreibenden Gläubiger mit dem Gegner der gefährdeten Partei zu deren Nachteil - was bisher nicht einmal behauptet wurde - gegeben wäre.

Den Ausführungen der Antragstellerin über mißbräuchlich zustandegekommene Wechselzahlungsaufträge oder Versäumungsurteile, um das Verbot nach § 382 Z 6 EO durch den Gegner der gefährdeten Partei zu unterlaufen, ist entgegenzuhalten, daß die Antragstellerin als gefährdete Partei in einem solchen Fall darauf verwiesen ist, ihre Ansprüche im Rechtsweg geltend zu machen.

Auch die Löschung der von der Antragstellerin im Wege einstweiliger Verfügungen erwirkten Belastungs- und Veräußerungsverbote kann nicht im Wege des Grundbuchsverfahrens, sondern nur durch das zur Aufhebung einer einstweiligen Verfügung zuständige Gericht bewirkt werden (NZ 1965, 12). Der Antragstellerin ist es leicht möglich, beim zuständigen Gericht eine entsprechende Entscheidung nach § 399 EO im Zusammenhang mit den §§ 402 und 39 Abs 1 Z 6 EO zu erwirken (MGA EO12 § 399/E 2).

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

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