OGH 8Ob567/93

OGH8Ob567/939.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.E.Huber, Dr.Jelinek, Dr.Rohrer und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Johann S*****, und 2.) Verlassenschaft nach dem ***** Julius Z*****, vertreten durch den Substitutionskurator Dr.Michael Lunzer, Notarsubstitut, 1180 Wien, Martinstraße 81, beide vertreten durch Dr.Rainer Maria Kraft, Dr.Christian P.Winternitz und Dr.Werner J.Loibl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Gertraud V*****, vertreten durch Dr.Christiane Bobek, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufhebung von Mietverträgen und Räumung infolge Revisionsrekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 27.November 1992, GZ 48 R 730/92-43, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 29.Juli 1992, GZ 6 C 1111/89-38, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Begründung

Die Beklagte schloß am 30.6.1986 mit dem Erstkläger und dessen zwischenzeitig verstorbener Gattin Mathilde S***** Mietverträge (Beilage./A und ./B) über die Geschäftsräumlichkeiten top Nr.1 im Haus M*****straße *****, und top Nr.2, 8 und 9 im Haus Z*****gasse *****, beide im 15.Wiener Gemeindebezirk gelegen. In den durch einen gemeinsamen Hof verbundenen Bestandobjekten wurde zuvor eine Drogerie (Verkaufsraum zuzüglich Lager und Magazin) betrieben; diese Nutzung sollte die Beklagte beibehalten. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses waren die Geschäftsräume in höchstens mäßigem, teilweise sogar desolatem Zustand. Im Gassenlokal in der M*****straße ***** (top Nr.1) entfielen 23 m2 auf den Verkaufsraum und dahinter lag ein durch einen Durchgang erreichbarer Lagerraum. Der Holzfußboden im Verkaufsraum war stark geworfen. Im Lagerraum gab es in der Mauer Löcher, durch die Mäuse ins Geschäft kamen. Es gab Probleme mit Feuchtigkeit; zur Beheizung stand ein Gasofen mit offener Flamme zur Verfügung. Die Geschäftsräumlichkeiten im Haus Z*****gasse *****, (top Nr.2) bestanden aus einem Gassenlokal, einem damit verbundenen Raum mit auslagenartigen Fenster und einem zum Hof hin gelegenen Raum. Die Mauern waren übermannshoch durchnäßt, so daß Lagerbestände schimmelig wurden und Farbdosen rosteten, und die Fußböden waren morsch. Für alle drei Räume gab es nur einen einzigen funktionierenden Kamin; ein Gasanschluß bestand nicht. Das Objekt top Nr.8 stellte sich als alleinstehendes kleines Häuschen dar, das als Magazin genutzt wurde. Der Dachstuhl war morsch und notdürftig abgestützt. Die schadhaften Dachrinnen leiteten das Regenwasser direkt ins Erdreich und dies führte zur Durchnässung des Objekts. Die inneren Wände waren schimmelig, der Kamin defekt und die Fenster desolat. Das Objekt top Nr.9 lag in einem weiteren an der rückwärtigen Grundgrenze errichteten Gebäude und bestand aus zwei Räumen. Der Stock der Eingangstür war vollkommen vermorscht und der Dielenboden war durch die Feuchtigkeit stark aufgeworfen. Die Fenster verfügten über keine Innenflügel; die Räumlichkeiten waren nicht beheizbar.

Die Vertragspartner vereinbarten für das Geschäftslokal in der M*****straße ***** (top Nr.1) einen monatlichen Mietzins von S 975,-

zuzüglich S 250,- für die Benützung einer neben dem Geschäft befindlichen Passage. Im Hause Z*****gasse ***** betrug der monatliche Mietzins für die Objekte top Nr.2 S 550,-, top Nr.8 S 256,- und top Nr.9 S 336,-.

Die Beklagte nahm den schlechten baulichen Zustand der Objekte wegen des geringen Hauptmietzinses in Kauf. Der Erstkläger, der mit dem Haus möglichst nichts zu tun haben wollte, meinte, daß der Ehemann der Beklagten geschickt sei und sicherlich etliches selber reparieren könne. Auf den Wunsch des Erstklägers, die Erhaltung des Objektes top Nr.9 zu übernehmen, ging die Beklagte nicht ein; sie war aber bereit, Reparatur- bzw. Instandhaltungsarbeiten selbst zu übernehmen, sofern diese sich in einen gewissen Rahmen hielten. Die Parteien vereinbarten, daß große Schäden (etwa an Dächern) nicht von der Beklagten behoben werden müßten. Der Umfang der Arbeiten, die die Beklagte übernehmen würde, wurde nicht präzise festgelegt. Es war von der Reparatur von Fenstern, dem Abklopfen des schadhaften Verputzes und eventuell auch Reparaturen an Kanalisationssträngen die Rede. Der Erstkläger argumentierte bei diesen Gesprächen dahingehend, daß schließlich der Mietzins niedrig sei.

In der am 15.6.1989 beim Erstgericht eingelangten Klage brachten die Kläger vor, daß die vereinbarten Hauptmietzinse von insgesamt S 2.367,- nicht einmal der Hälfte der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses angemessenen Entgelte entsprechen. Angemessen seien nach dem Amtsgutachten der Magistratsabteilung 40 für das Objekt top Nr.1 S 3.800,-, für top Nr.2 S 1.300,-, für top Nr.8 S 400,- und für top Nr.9 S 600,-. Die eine tatsächliche und rechtliche Einheit bildenden Mietverträge seien von den Vermietern ohne Kenntnis des angemessenen Hauptmietzinses vereinbart worden. Es werde daher die Aufhebung der beiden Mietverträge rückwirkend mit 1.Juli 1989 (richtig wohl: 1.Juli 1986) sowie die Räumung der Bestandobjekte durch die Beklagte begehrt.

Die Beklagte beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor: Der die Verhandlungen führende Erstkläger habe sich in mietrechtlichen Fragen versiert gezeigt und sei sich offensichtlich über den wahren Wert der Mietobjekte und die Höhe des angemessenen Hauptmietzinses im klaren gewesen. Es sei auch objektiv kein Mißverhältnis der Werte vorgelegen, da die Mietobjekte zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses völlig desolat und teilweise gar nicht benutzbar gewesen seien. Die Anwendung des § 934 ABGB sei deshalb ausgeschlossen, weil der Mietzins aus besonderen Gründen, nämlich dem schlechten Erhaltungszustand des Mietobjektes, festgesetzt worden sei, wodurch sich die Vermieter von der Erhaltungspflicht nach dem MRG befreit hätten. Bei Festsetzung des Mietzinses habe die Vereinbarung bestanden, daß die Beklagte als Mieterin auf die Geltendmachung dieser ihr nach dem MRG zustehenden Ansprüche, zumindest hinsichtlich des Gassenlokals in der M*****straße und des Objektes in der Z*****gasse (top Nr.2) verzichte. Die Übernahme dieser Erhaltungspflichten durch die Beklagte sei daher Teil der Gegenleistung gewesen. Darin sei ein ausdrücklicher Verzicht auf die Geltendmachung der Verkürzung über die Hälfte zu erblicken. Die Beklagte brachte in eventu vor, "daß das Urteilsbegehren keine Lösungsbefugnis für die beklagten Partei durch Ausgleich bis zum gemeinen Wert enthalte", und stellte den Antrag, "der Beklagten in einem etwa klagestattgebenden Urteil diese Lösungsbefugnis einzuräumen" (AS 177 = S 2 des Protokolls vom 9.1.1992). In weitere Folge erklärte sie sich für den Fall der Klagestattgebung bereit, hinsichtlich der Objekte in der M*****straße *****, (top Nr.1) und Z*****gasse *****, (top Nr.2) das zum gemeinen Wert fehlende nachzutragen. Hinsichtlich der Objekte top Nr.8 und top Nr.9 liege eine Verkürzung über die Hälfte jedenfalls nicht vor (AS 179 f = S 3 f des Protokolls vom 9.1.1992).

Mit dem angefochtenen Urteil hob das Erstgericht die Mietverträge vom 30.6.1986 über das im Hause M*****straße ***** gelegenen Geschäftslokal top Nr.1 und über die im Hause Z*****gasse ***** gelegenen Geschäftslokale top Nr.2, 8 und 9 rückwirkend mit 1.7.1986 auf und erkannte die Beklagte schuldig, die genannten Geschäftsräume binnen 14 Tagen geräumt von ihren Sachen zu übergeben. Im Zeitpunkt des Abschlusses der Mietverträge seien auch unter Berücksichtigung des schlechten bzw desolaten Erhaltungszustandes an monatlichen Mietzinsen für M*****straße *****, top Nr.1 S 9.140,-, für Z*****gasse *****, top Nr.2 S 2.429,-, für top Nr.8 S 305,- und für top Nr.9 S 425,-, insgesamt daher S 12.299,- angemessen gewesen. In Anbetracht des vereinbarten Hauptmietzinses von insgesamt S 2.367,-

liege ein Mißverhältnis des Wertes im Sinne des auch beim Mietverträgen anzuwendenden § 934 ABGB vor. Ausnahmetatbestände nach § 935 ABGB seien nicht gegeben. Mangels bestimmter Vereinbarungen könne nicht gesagt werden, daß die Vermieter sich deshalb zu dem niederen Mietzins bereit erklärt haben, da sie Instandhaltungspflichten auf die Beklagte überwälzten. Auch hätte in Anbetracht der zwingenden Bestimmungen des MRG eine derartige Vereinbarung nicht getroffen werden können. Da ein einheitlicher Mietvertrag vorliege, die Beklagte sich jedoch lediglich hinsichtlich zweier Objekte zur Nachzahlung auf den gemeinen Wert bereit erklärt habe, sei dieses Vorbringen nicht geeignet, im Sinne des § 934 Satz 2 ABGB das Geschäft aufrechtzuerhalten.

Das Gericht zweiter Instanz hob infolge Berufung der Beklagten das Ersturteil auf und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Es führte aus: Die Mängelrüge der Beklagten sei berechtigt, da der Sachverständige - dies sei evident nicht vom Gesetzesauftrag ausgegangen sei. Er habe sich entgegen der Bestimmung des § 16 Abs 1 MRG darauf beschränkt, den ortsüblichen Mietzins für die Objekte im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu ermitteln, ohne auf die Beschaffenheit, den Ausstattungszustand und den Erhaltungszustand der Objekte gebührend Bedacht zu nehmen. Auch wenn bei Ermittlung des ortsüblichen Mietzinses für Geschäftslokale der Ausstattungs- und Erhaltungszustand von untergeorndeter Bedeutung sei, müßten im Sinne der genannten Gesetzesstelle vom ermittelten ortsüblichen Hauptmietzins Abschläge wegen schlechten Erhaltungszustandes gemacht werden. Das Berufungsgericht könne auch die Rechtsauffassung des Erstgerichtes nicht teilen, wonach die Beklagten neben dem vereinbarten Hauptmietzins keine anderen Leistungen zu erbringen gehabt hätte. § 3 MRG stelle nur relativ zwingendes Recht dar. Erfülle der Mieter eine gegen ihn zwar nicht durchsetzbare Verpflichtung, wende dafür aber Eigenmittel auf, um die Bestandsache in einen gebrauchsfähigen Zustand zu versetzen, könne sich das Verbot der Überwälzung der Erhaltungspflicht nicht zu seinen Ungunsten auswirken. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren nach entsprechenden Vorbringen durch die Beklagte seine Entscheidungsgrundlagen auch durch die Feststellung zu erweitern haben, welche Instandsetzungsarbeiten zur Herstellung der Brauchbarkeit der Bestandobjekte von der Beklagten vereinbarungsgemäß durchgeführt wurden und welcher angemessene Geldwert darin zu erblicken sei. Ausgehend von der festzustellenden voraussichtlichen Bestanddauer der Arbeiten lasse sich dann ermitteln, ob unter Zugrundelegung des dafür errechnete monatlichen Mehrbetrags der angemessene Hauptmietzins tatsächlich um die Hälfte unterschritten worden sei.

Dem dagegen zulässig erhobenen Rekurs der Kläger kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

§ 934 erster Satz ABGB räumt demjenigen, der bei einem zweiseitig verbindlichen Geschäft nicht einmal die Hälfte dessen, was er dem anderen gegeben hat, von diesem an gemeinem Wert erhalten hat, das Recht ein, die Aufhebung des Geschäftes und die Herstellung in den vorigen Stand zu fordern. Diese Vorschrift ist auch auf Dauerschuldverhältnisse und somit auch auf Bestandverträge anzuwenden (SZ 59/155; SZ 64/183; EvBl 1970/192; Reischauer in Rummel ABGB2 § 934 Rdz 1; Gschnitzer in Klang2 IV 1, 558). Gemeiner Wert der Gegenleistung ist bei Dauerschuldverhältnissen das marktübliche Entgelt bzw. der angemessen Hauptmietzins nach § 16 Abs 1 MRG (SZ 64/183). Die letztgenannte Bestimmung definiert zwar die Höhe des angemessenen Hauptmietzinses nicht, nennt aber die zur Ermittlung der Angemessenheit heranzuziehenden wertbestimmenden Faktoren. Die Angemessenheit kann daher stets nur im Einzelfall anhand der im Gesetz bezeichnenden Komponenten beurteilt werden. Der Mietzins ist nach kritischer Ermittlung des für vergleichbare Mietgegenstände nach Art, Größe und Lage üblichen Mietzinses durch entsprechende Auf- oder Abschläge zu ermitteln, die der Beschaffenheit dem Ausstattungszustand und dem Erhaltungszustand des Objektes gebührend Rechnung tragen. Hiebei ist auf den Zustand des Mietgegenstandes im maßgebenden Zeitpunkt des Mietrechtsüberganges abzustellen (SZ 58/137; EvBl 1992/64). Da eine völlige Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit der Beschaffenheit der zu vergleichenden Vermietungsfälle in der Regel nicht vorliegt, kann der Sachverständige ohne zusätzliche abstrakte Bewertungskriterien, die auf die Besonderheit des zur Beurteilung stehenden Falles Bedacht nehmen, nicht auskommen. Bei Geschäftslokalen ist zwar vor allem die Lage des Mietobjektes für die Höhe des angemessenen Hauptmietzinses entscheidend. Was für ein Geschäftslokal in bestimmter Lage erzielbar ist, hängt aber ausschließlich davon ab, welchen Hauptmietzins ein Unternehmer, dessen geschäftliche Tätigkeit auf Gewinn gerichtet ist und dessen Bereitschaft zur Zahlung eines Hauptmietzinses in bestimmter Höhe wesentlichen von dem von ihm prognostizierten Geschäftserfolg abhängt, unter Berücksichtigung des gesamten für ihn attraktiven Angebotes auf dem Markt zu zahlen bereit ist. Diese Komponente wird unter anderem auch durch das Alter des Gebäudes und den dadurch im Vergleich zu Neubauten unterschiedlichen Ausstattungs- und Erhaltungszustand bestimmt. Es ist deshalb auch die Heranziehung fiktiver Mietzinse, die ein Mieter unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Falles zahlen würde, durchaus zulässig (SZ 60/10; WoBl 1991, 253; MietSlg 39/5).

Das Gericht zweiter Instanz hat daher rechtlich richtig erkannt, daß der auf Grund vergleichbarer Mietverträge ermittelte ortsübliche Mietzins Zu- bzw. Abschlägen für den im konkreten Fall gegebenen Erhaltungszustand unterliegt. Es ist zwar grundsätzlich richtig, daß die Höhe des angemessenen Mietzinses nicht davon abhängt, welches Unternehmen im Geschäftslokal betrieben wird (WoBl 1991, 253; WoBl 1992, 81), und daß der Mieter eines Geschäftslokales im allgemeinen damit kalkuliert, Adaptierungen für seine besonderen Zwecke vorzunehmen, es kann jedoch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß der Unternehmer den notwendigen Umfang der Adaptierungsarbeiten in keinem Fall in seine Berechnungen einbezieht. Der Ansicht des Gerichts zweiter Instanz, daß der Sachverständige in seinem Gutachten die dargestellten Bewertungskriterien zu wenig klar herausgearbeitet habe und diesbezüglich eine Verbreiterung der Feststellungsgrundlagen erforderlich sei, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten; auffällig ist immerhin, daß sich der Sachverständige mit den wesentlich geringeren, von der Magistratsabteilung 40 ermittelten Mietwerten nicht auseinandergesetzt hat.

Obgleich § 16 MRG vom Bestandzins als einem "Betrag" spricht, könnte der Bestandzins als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung auch in anderen geldwerten Leistungen, insbesondere auch in der Übernahme der laufenden Erhaltung der Bestandsache bestehen (Würth in Rummel ABGB2 § 1092 bis 1094 Rdz 17). Eine derartige Entgeltvereinbarung müßte aber der Höhe nach zumindest bestimmbar sein und dazu gehört, daß der Zeitraum über welchen die Leistungen auf dem Bestandzins anzurechnen sind, feststeht (Würth aaO §§ 1092, 1094 Rdz 18; MietSlg 39.086). Im gegenständlichen Fall wurde jedoch nach den Feststellungen des Erstgerichtes (AS 217 = S 9 der Urteilsausfertigung) weder der von der Beklagten zu übernehmende Umfang der Arbeiten festgelegt, noch ergibt sich aus dem gesamten Akt, daß auch nur konkludent eine Aufteilung dieser Kosten auf bestimmte Bestandzeiträume vereinbart worden wäre. Mangels Vorliegens einer Vereinbarung über die Anrechnung der Kosten von Erhaltungs- und Adaptierungsarbeiten auf den Bestandzins ist daher nicht zu erörtern, ob einer derartigen Übereinkunft hinsichtlich der dem Vermieter obliegenden Erhaltungsarbeiten die zugunsten des Mieters zwingende Bestimmung des § 3 MRG entgegenstünde (vgl JBl 1988, 522; 3 Ob 569/90; 5 Ob 19/93).

Es ergibt sich somit, daß zwar, wie den eingangs wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichtes unzweifelhaft zu entnehmen ist, der Erhaltungszustand des Objektes die vereinbarte Höhe des Mietzinses wesentlich beeinflußte, daß jedoch eine Übereinkunft der Parteien, die Kosten bestimmter von der Beklagten durchzuführender Arbeiten könnten einen fiktiv höher angenommen Bestandzins für einen bestimmten Zeitraum auf die im Mietvertrag festgelegte Entgeltshöhe mindern, nicht zustande gekommen ist. Im fortgesetzten Verfahren ist deshalb lediglich die Angemessenheit des vereinbarten Bestandzinses in der Richtung zu prüfen, welche Abschläge Parteien, die über die Marktverhältnisse voll informiert waren, in Anbetracht des konkreten (schlechten) Erhaltungszustandes des Mietobjektes vom ortsüblichen Mietzins gemacht hätten.

§ 934 Satz 2 ABGB räumt dem verkürzenden Teil das Recht ein, das Geschäft dadurch aufrecht zu erhalten, daß er den Abgang bis zum gemeinen Werte zu ersetzen bereit ist. Diese Erklärung ist bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz zulässig (6 Ob 753/81; SZ 61/162; 6 Ob 618/92). Die Frage, welche Wirkung ihr beizumessen ist, wurde in Lehre und Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. SZ 6/341 und Binder in Schwimann ABGB § 934 Rdz 19 meinen, daß das Gericht die Höhe des Differenzbetrages zu ermitteln und, sofern dieser bis zur Urteilsfällung nicht entrichtet wurde, den Verkürzenden auf Sachherausgabe unter Einräumung dieser Befreiungsmöglichkeit zu verurteilen habe. Reischauer in Rummel ABGB2

§ 934 Rdz 11 differenziert dahingehend, daß die Ersetzungsbefugnis dann ins Urteil aufzunehmen ist, wenn dies vom Kläger oder Beklagten verlangt wird, oder wenn der Kläger nach der Erklärung des Beklagten nicht die Verurteilung auf Leistung des Differenzbetrages begehrt. Gschnitzer in Klang2 IV 1, 565 lehrt demgegenüber, daß die Erklärung des Beklagten die Aufrechterhaltung des Geschäftes bewirke, weshalb der Verkürzte sein Klagebegehren ziffernmäßig auf Bezahlung des Abganges zu stellen habe. Dieser Lehrmeinung schloß sich der Oberste Gerichtshof jüngst in 6 Ob 618/92 an. Mit der Ausübung der dem Beklagten eingeräumten wahlweisen Ermächtigung, der Erklärung zum Ausgleich bis zum gemeinen Wert bereit zu sein, erlösche das Aufhebungsbegehren und der Verkürzende sei zur Ausgleichsleistung verpflichtet; sein Wahlrecht sei mit der Abgabe der Erklärung erloschen. Sei aber das Aufhebungsbegehren erloschen, so könne nicht mehr mit Rechtsgestaltungsurteil die Vertragsaufhebung unter Einräumung eines schon konsumierten Wahlrechtes ausgesprochen werden.

Dieser Ansicht schließt sich der erkennende Senat an. Der Beklagte hat - will er von der gesetzlichen Ermächtigung Gebrauch machen - bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz seine Bereitschaft, den Abgang bis zum gemeinen Wert zu ersetzen, zu erklären. Ist Verfahrensgegenstand nicht eine Leistungsklage (wie sie der Entscheidung 6 Ob 618/92 zugrundelag, in der eine weitere Erklärung des Klägers nicht für notwendig erachtet wurde), hat sich der Kläger darüber zu erklären, ob er das Klagebegehren aufrecht hält oder es in eine Leistungsklage ändert. Diese Klagsänderung ist sodann, da sie materiellrechtlich begründet ist, ohne Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 235 ZPO zuzulassen.

Dem Gericht zweiter Instanz ist darin beizupflichten, daß die Erklärungen des Beklagten über das Einräumen einer "Lösungsbefugnis" keinesfalls in dem Sinne klar sind, daß sie ohne die in § 182 ZPO vorgeschriebene Erörterung vom Erstgericht hätten unbeachtet gelassen werden dürfen. Diese Erörterung wird auch die nunmehr vom Obersten Gerichtshof überbundene Rechtsansicht über die gesetzkonforme Ausübung der Ermächtigung zu umfassen haben. Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, daß nach den klaren Parteiwillen die beiden Bestandverträge als Einheit zu betrachten sind (vgl Würth in Rummel ABGB2 §§ 1092 bis 1094 Rdz 15).

Da sich somit aus den dargestellten rechtlichen Erwägungen die Aufhebung des Ersturteiles nicht nur wegen der Ergänzung des Sachverständigengutachtens, sondern darüber hinaus auch wegen der - für den Fall des Vorliegens der Verkürzung über die Hälfte - erforderlichen Erörterung mit den Parteien und allfälliger weiterer Antragstellung, die zweckmäßigerweise vor dem Erstgericht zu erfolgen hat, erforderlich ist, braucht auf die Mängelrüge, das Berufungsgericht habe gegen die Vorschrift des § 496 Abs 3 ZPO verstoßen, nicht mehr eingegangen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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