Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 3.3.1973 geborene Kläger war seit 1.9.1988 zunächst als Werkzeugmaschineur-Lehrling und nach Beendigung der Lehrzeit als Werkzeugmaschineur bei der Firma B***** GmbH in G***** beschäftigt. Er arbeitete in der Versuchsabteilung. Die verschiedenen Entwicklungsgruppen des Unternehmens verfügen über Versuchsmotorräder. Die Motoren werden bis zur Serienreife gebracht und müssen daher häufig getestet werden. Hiezu werden eigene Testfahrer eingesetzt. Die Firma hat jedoch auch Interesse daran, daß die Maschinen von nicht berufsmäßigen Testern gefahren werden. Dienstnehmer können sich daher ein derartiges Testmotorrad ausleihen; zum Teil fragen sie selbst nach einem solchen Motorrad, manchmal tritt auch die Firma an Dienstnehmer heran, ob sie nicht einen Test durchführen wollen. Die Dienstnehmer fahren dann mit den Maschinen in ihrer Freizeit, bekommen hiefür kein Entgelt, jedoch den Ersatz aller Auslagen wie etwa für Treibstoff und allenfalls anfallende Mautgebühren. Die Fahrstrecke wird in der Regel nicht vorgegeben, fallweise wird jedoch einem Dienstnehmer aufgetragen, bestimmte Strecken, zB Steigungen, zu fahren. Der Dienstnehmer hat ein Fahrtenbuch zu führen, in welches auch allfällige Auffälligkeiten kurz einzutragen sind. Bei Zurückgabe des Motorrades hat er dem zuständigen Ingenieur einen mündlichen Bericht über seine Erfahrungen zu geben. Beim Auftreten gröberer Mängel oder sonstiger besonders erwähnenswerter Beobachtungen ist auch ein schriftlicher Bericht zu erstatten.
Einige Tage vor dem 27.Mai 1992 war geplant, daß der Kläger für das verlängerte Wochenende von Donnerstag, dem 28.Mai 1992 (Christi Himmelfahrt) bis Sonntag, dem 31.Mai 1992 ein Testmotorrad bekommen sollte. Er hatte selbst den Wunsch geäußert, mit dem Motorrad zu fahren. Bei der Maschine sollte besonders auf die Zündanlage und die Kupplung geachtet werden. Die entsprechenden Testfahrten wären jedoch nicht unbedingt am fraglichen Wochenende erforderlich gewesen. Nachdem der Kläger den Wunsch geäußert hatte, mit dem Motorrad zu fahren, entschloß sich der Versuchstechniker Franz G*****,selbst mit der Maschine zu fahren; er war dann jedoch verhindert und teilte dem Kläger mit, daß er das Motorrad haben könne. Am Freitag, dem 29.Mai 1992 hatte der Kläger dienstfrei. Es ist nicht bekannt, wohin er an den Tagen nach dem 27.Mai 1992 fahren wollte, bestimmte Strecken waren ihm nicht vorgegeben worden. Er verließ nach Dienstschluß im
15.50 Uhr das Betriebsgelände. Gegen 17.30 Uhr kam er mit dem Motorrad auf der G*****-Gemeindestraße in O***** zu Sturz, wobei er sich eine offene Oberkiefertrümmerfraktur und einen Schädelbruch mit Hinraustritt zuzog. Derzeit besteht ein Zustand nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma mit apallischem Syndrom.
Mit Bescheid vom 12.August 1992 lehnte die beklagte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt den Anspruch auf Entschädigung aus Anlaß des geschilderten Unfalls mit der Begründung ab, daß sich dieser Unfall bei einer Tätigkeit mit eigenwirtschaftlichem Charakter und somit nicht im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignet habe.
Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Gewährung der Vollrente samt Zusatzrente und Hilflosenzuschuß im gesetzlichen Ausmaß ab dem auf den Eintritt des Versicherungsfalles folgenden Tag gerichtete Klagebegehren ab. Der Unfall habe sich bei einer Verrichtung ereignet, die sowohl im privaten als auch im betrieblichen Interesse gelegen sei. Bei sogenannten gemischten Tätigkeiten bestehe Versicherungsschutz, wenn die Verrichtung im Einzelfall dazu bestimmt gewesen sei, auch betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen. Seien für die unfallbringende Verrichtung jedoch im wesentlichen allein die privaten Interessen des Versicherten maßgebend, sei der Unfall kein Arbeitsunfall. Die ebenfalls vorhandenen betrieblichen Interessen seien dann nur Nebenzweck des Handelns und für den Unfall nur Gelegenheitsursache. Da sich der Unfall während der Freizeit des Klägers am Beginn eines verlängerten Wochenendes ereignet habe, sei er grundsätzlich dem persönlichen Lebensbereich zuzuordnen. Daran ändere nichts, daß der Kläger auf allfällige Auffälligkeiten der Zündanlage und der Kupplung des Motorrades achten sollte und hierüber nach Wiederantritt der Beschäftigung Bericht zu erstatten hatte. Er habe nämlich selbst den Wunsch geäußert, ihm das Motorrad zur Verfügung zu stellen. Ein entsprechener Auftrag des Dienstgebers zu Motorradfahrten während der Freizeit wäre auch gar nicht möglich gewesen. Der Kläger habe die Fahrt in seinem privaten Interesse und aus Freude am Motorradfahren unternommen. Dafür spreche auch, daß er für die Fahrten kein Entgelt erhalten sollte. Das Registrieren von Auffälligkeiten am Motorrad und die kurze mündliche allenfalls auch schriftliche Berichterstattung hätten nur eine Nebenursache der Freizeitbeschäftigung Motorradfahren gebildet, zumal der Kläger die Strecken, die er fahren sollte, auch selbst wählen habe können. Für die zum Unfall führende Verrichtung seien somit im wesentlichen allein die privaten Interessen des Klägers maßgebend gewesen, so daß ein unter Versicherungsschutz stehender Arbeitsunfall nicht angenommen werden könne.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es teilte die erstgerichtliche Rechtsansicht und verwies auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs SSV-NF 6/50, die einen vergleichbaren Sachverhalt betreffe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.
Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache führt der Kläger aus, es habe ein überwiegendes Interesse seines Dienstgebers an den in der Freizeit durchzuführenden Testfahrten bestanden. Dabei hätte auch Berücksichtigung finden müssen, daß der Dienstgeber, falls die Mitarbeiter nicht in der Freizeit Testfahrten vornehmen würden, Testfahrer bezahlen oder die Mitarbeiter in der Arbeitszeit mit den Motorrädern losschicken müßte, was einen nicht unbeträchtlichen Ausfall an Arbeitszeit bedeuten würde. Wenn ein Arbeitnehmer sich zu einer betrieblich notwendigen Arbeit in der Arbeitszeit freiwillig melde, ohne dazu verpflichtet worden zu sein, weil ihm diese Arbeit Spaß mache, nehme dies der Tätigkeit nicht den Charakter einer Arbeit und damit des überwiegenden betrieblichen Interesses. Die Entscheidung SSV-NF 6/50 betreffe einen anderen Sachverhalt. Für den Kläger habe das Fahren mit dem Motorrad das Unfallrisiko doch wesentlich erhöht, da er ohne zu testendes Motorrad keinen derartigen Unfall erlitten hätte. Er besitze privat kein Motorrad und hätte auch keines ausgeliehen. Es liege damit ein nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG einem Arbeitsunfall gleichgestellter Unfall vor.
Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß das Motorradfahren in der Freizeit - ein geschützter Arbeitswegunfall liegt hier nicht vor - aus persönlichen Gründen erfolgt, den privaten unversicherten Interessen dient und zu den sogenannten eigenwirtschaftlichen Handlungen gehört, die grundsätzlich nicht von der Unfallversicherung geschützt werden. Das betriebliche Interesse des Dienstgebers im vorliegenden Fall bestand darin, nach Rückgabe der an die Dienstnehmer ausgeliehenen Motorräder mündliche oder schriftliche Testberichte über aufgetretene Mängel und Auffälligkeiten zu erlangen. Für Verrichtungen, die sowohl in privatem wie auch in betrieblichem Interesse liegen - sogenannte gemischte Tätigkeiten - besteht Versicherungsschutz, wenn die Verrichtung im Einzelfall dazu bestimmt war, auch betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen. Wenn für die unfallbringende Verrichtung im wesentlichen allein die privaten Interessen des Versicherten maßgebend sind, so ist der Unfall kein Arbeitsunfall; die ebenfalls vorhandenen betrieblichen Interessen sind hier nur Nebenzweck des Handelns und bilden für den Unfall nur eine Gelegenheitsursache (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung II
- 72. Nachtrag 480 q mit weiteren Nachweisen; Tomandl im SV-System
- 5. ErgLfg 313; SSV-NF 5/10, 6/24, 6/50 ua).
Der Unfall des Klägers ereignete sich in der Freizeit, die grundsätzlich dem persönlichen Lebensbereich zuzuordnen ist. Der Umstand, daß der Kläger die Gelegenheit, kostenlos ein Motorrad überlassen zu bekommen, wahrnahm, um im Sinne des Ersuchens seines Dienstgebers (für einen dienstlichen Auftrag bestand für die Freizeit keine gesetzliche Grundlage), dieses Motorrad zu testen, tritt daneben weit zurück. Die Zurverfügungstellung eines Motorrades zu beliebigen privaten Fahrten während eines verlängerten Wochenendes diente in erster Linie der im eigenwirtschaftlichen Interesse gelegenen Freizeitgestaltung. Daß der Kläger bei Rückgabe des Motorrades einen Bericht über seine Wahrnehmungen und Eindrücke erstatten mußte, bildete nur eine Nebenursache des Motorradfahrens in der Freizeit. Damit ist der vorliegende Sachverhalt durchaus jenem vergleichbar, welcher der schon von den Vorinstanzen zitierten Entscheidung des erkennenden Senates SSV-NF 6/50 zugrunde lag. In dieser Entscheidung wurde ausgesprochen, daß ein vorwiegend für den Verkauf von Schischuhen im Außendienst beschäftigter Vertreter, der während seines Schiurlaubs auf Ersuchen seines Dienstgebers auch einmal täglich einen Schischuh testet, wobei sich der Urlaub im wesentlichen gleichartig gestaltet, wie wenn er solche Tests nicht übernommen hätte, während der Testfahrten nicht unter Unfallversicherungsschutz steht.
Im vorliegenden Fall ändert nichts daran, daß der Kläger kein eigenes Motorrad besaß und daher ohne Zurverfügungstellung des Motorrades durch den Dienstgebers in der Freizeit keine Fahrten unternommen hätte. Er ersuchte um die Überlassung des Motorrades nicht zu dem Zweck, Testfahrten zu unternehmen, sondern in der Freizeit während eines verlängerten Wochenendes für private Fahrten ein Motorrad zur Verfügung zu haben. Daß junge Männer wie der Kläger in ihrer Freizeit gerne von der Möglichkeit Gebrauch machen, kostenlos mit einem Motorrad zu fahren, entspricht durchaus der Erfahrung des täglichen Lebens. Für den Kläger stand damit das Motorradfahren in der Freizeit klar im Vordergrund, während die Verpflichtung, bei Rückgabe des Motorrades einen kurzen Testbericht zu erstatten, weit in den Hintergrund rückte und nur eine unbedeutende Nebenursache für das Motorradfahren bildete. Der erforderliche örtliche, zeitliche und ursächliche Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ist daher nicht gegeben, so daß die Vorinstanzen die Voraussetzungen für die Annahme des Unfallversicherungsschutzes mit Recht verneint haben.
Ein anderes Ergebnis läßt sich auch nicht erzielen, wenn man nicht darauf abstellt, ob bei der zum Unfall führenden Verhaltensweise ein betriebliches Interesse besteht (diese Argumentation wird etwa von Tomandl in seinem SV-System 5.ErglLfg 280 f und im Grundriß des österreichischen Sozialrechts4 109, ihm folgend Wachter Entscheidungsbesprechung ZAS 1993, 71 ff abgelehnt). Entscheidend ist danach nämlich jedenfalls, daß die unfallverursachende Handlung mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung (§ 175 Abs 1 ASVG) in einem inneren Zusammenhang steht. Dies beurteilt sich nach subjektiven und objektiven Kriterien: Die betreffende Handlung muß vom Versicherten mit der Intention gesetzt werden, seiner versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachzukommen (subjektive Seite); die Handlung muß darüber hinaus aber auch objektiv, das heißt von der Warte eines Außenstehenden als Ausübung oder als Ausfluß dieser Erwerbstätigkeit angesehen werden können (SSV-NF 4/20 mwN; Schrammel Entscheidungsanmerkung DRdA 1992, 350 [352]). In diesem Sinn ist zu fragen, ob die unfallverursachende Handlung Ausfluß der Ausübung der Erwerbstätigkeit des Klägers als Dienstnehmer ist, ob also noch eine Ausübungshandlung der Berufstätigkeit vorliegt, wobei die Üblichkeit gewisser Verhaltensweisen sowie tatsächliche oder gutgläubig angenommene Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitgeber oder den Kollegen zu berücksichtigen sind (Tomandl, Grundriß4 109 in Rz 137; ihm folgend Wachter aaO 74; 10 Ob S 75/93 - bisher unveröffentlicht).
Selbst wenn man von diesem weitgezogenen Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung ausgeht und außer Betracht läßt, in welcher Intensität die unfallverursachende Handlung betrieblichen Zwecken diente, ist der Unfallversicherungsschutz im konkreten Fall zu verneinen, weil für den Kläger keine tatsächliche (objektive) oder auch nur gutgläubig angenommene (subjektive) Verpflichtung bestand, während der Freizeit Testfahrten mit einem Motorrad vorzunehmen. Das Motorradfahren zu privaten Zwecken in der Freizeit stellte keine Ausübungshandlung des Klägers in seiner Rolle als Erwerbstätiger dar. Deshalb versagt auch der Hinweis auf § 176 Abs 1 Z 6 ASVG, wonach den Arbeitsunfällen Unfälle gleichgestellt sind, die sich bei einer betrieblichen Tätigkeit ereignen, wie sie sonst ein nach § 4 Versicherter ausübt, auch wenn dies nur vorübergehend geschieht. Dieser Tatbestand findet nur Anwendung, wenn der Schutz nicht schon nach anderen Normen erfolgt, hat daher subsidiären Charakter (Tomandl SV-System aaO 291; zur ähnlichen Bestimmung des § 539 Abs 2 RVO Brackmann aaO 477; Gitter, Sozialrecht3 114). Hätte der Kläger bei der zum Unfall führenden Verrichtung eine betriebliche Tätigkeit ausgeübt, wäre diese nach § 175 Abs 1 ASVG geschützt gewesen. Auch der Tatbestand des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG setzt eine betriebliche Tätigkeit voraus, die aber eben hier nicht gegeben war.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenersatz an den unterlegenen Kläger nach Billigkeit wurden nicht dargetan und sind nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.
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