OGH 10ObS142/93

OGH10ObS142/937.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter aus dem Kreis der Arbeitgeber Dr.Richard Warnung und Dr.Peter Wolf in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Karl R*****, vertreten durch Dipl.-Ing.Dr.Peter Benda, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, wegen Ausgleichszulage infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29.April 1993, GZ 7 Rs 130/92-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 31.August 1992, GZ 31 Cgs 248/92-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat dem Kläger binnen 14 Tagen die einschließlich 301,92 S Umsatzsteuer mit 1.811,52 S bestimmten halben Kosten der Revision zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 5.6.1954 geschlossene Ehe zwischen dem Kläger und Katharina Josefa R***** wurde mit seit 15.6.1992 rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 16.4.1992, 34 C 44/91m-11, nach § 55 Abs 3 EheG geschieden. Das Urteil enthält den Ausspruch nach § 61 Abs 3 leg cit, daß der Kläger die Zerrüttung der Ehe überwiegend verschuldet hat. die Ehegatten lebten schon seit etwa zehn Jahren nicht mehr im gemeinsamen Haushalt. Mit vor dem genannten Bezirksgericht geschlossenem Vergleich vom 21.4.1992, 34 C 57/92z-1, verpflichtete sich der Kläger, seiner Ehegattin ab 16.4.1992 zusätzlich zu dem mit Urteil des genannten Gerichtes vom 5.4.1985, 31 c 197/83, festgesetzten monatlichen Unterhaltsbeitrag von 2.000 S einen weiteren von 965 S, insgesamt also 2.965 S monatlich zu leisten. Diesem Vergleich lagen ein monatliches Pensionseinkommen des Klägers von 6.353,60 S zuzüglich Sonderzahlungen und Einkommenslosigkeit der Ehegattin zugrunde. Der Kläger bezieht von der Beklagten eine Pension (aus eigener Pensionsversicherung), die im Jahre 1992 6.550,10 S monatlich betrug und damit die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes nach § 150 Abs 1 lit a sublit bb GSVG von 6.500 S überstieg.

Am 6.3.1992 beantragte der Kläger bei der Beklagten, die Ausgleichszulage unter Berücksichtigung des Richtsatzes für die mit der Ehegattin im gemeinsamen Haushalt lebenden Pensionsberechtigten festzustellen, weil er für die getrennt lebende Ehegattin nach § 94 Abs 2 ABGB ebenso unterhaltspflichtig sei wie ein im gemeinsamen Haushalt lebender Ehemann.

Mit Bescheid vom 19.5.1992 stellte die Beklagte fest, daß (dem Kläger) ab 1.2.1992 keine Ausgleichszulage gebührt.

Die auf eine Ausgleichszulage "im Ausmaß des Richtsatzes gemäß § 149 GSVG" gerichtete Klage stützt sich auf die Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber seiner nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegattin bzw geschiedenen Ehegattin. Daß der höhere Richtsatz des § 150 Abs 1 lit a sublit aa GSVG an das Zusammenleben der Ehegatten im gemeinsamen Haushalt geknüpft sei, sei unsachlich und gleichheitswidrig. Dadurch werde ein gegenüber dem getrennt lebenden Ehegatten unterhaltspflichtiger Pensionsberechtigter schlechter gestellt als ein alleinlebender ohne Unterhaltspflicht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß die Pension des Klägers den für ihn geltenden Richtsatz des § 150 Abs 1 lit a sublit bb GSVG übersteige.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers, in der nur geltend gemacht wurde, daß die sublit aa der letztgenannten Gesetzesstelle den erhöhten Richtsatz in verfassungswidriger Weise an das Zusammenleben von Ehegatten im gemeinsamen Haushalt knüpfe, nicht Folge, weil es gegen die Anwendung dieser Gesetzesstelle aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit keine Bedenken hatte und sich deshalb nicht veranlaßt sah, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung zu stellen. Die zweite Instanz berief sich auf die E SSV-NF 6/18, in der der erkennende Senat eingehend begründete, daß er gegen die mit § 150 Abs 1 lit a sublit aa GSVG wortidente Bestimmung des § 293 Abs 1 lit a sublit aa ASVG keine verfassungsrechtlichen Bedenken habe.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die nicht beantwortete Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil - nach einem vom Obersten Gerichtshof beim Verfassungsgerichtshof zu beantragenden Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich des § 150 Abs 1 lit a sublit aa GSVG - "aufzuheben und" im klagestattgebenden Sinn abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

Die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht, die mit der vom erkennenden Senat in der zit veröffentlichten E dargelegten Rechtsansicht übereinstimmt, ist richtig.

Die Revisionsausführungen konnten beim Obersten Gerichtshof keine Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit der Richtsatzregelung des § 150 Abs 1 lit a GSVG bewirken.

Daß der höhere sog Familienrichtsatz nach sublit aa dieser Gesetzesstelle nur für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung gilt, die mit ihrem Ehepartner im gemeinsamen Haushalt leben, nicht aber auch für Pensionsberechtigte, die von ihrem Ehepartner getrennt leben oder von ihm geschieden wurden, ist, wie schon in SSV-NF 6/18 dargelegt wurde, dadurch gerechtfertigt, daß zwischen Ehegatten, die im gemeinsamen Haushalt leben, einerseits und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, aber auch bei geschiedenen Ehegatten anderseits wesentliche tatsächliche Unterschiede bestehen, die eine unterschiedliche gesetzliche Regelung rechtfertigen. Nur bei im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten besteht idR eine so enge Wirtschaftsgemeinschaft, die bei der Feststellung des Anspruches auf Ausgleichszulage nicht nur den höheren - wenn auch keineswegs doppelt so hohen - sog Familienrichtsatz rechtfertigt, sondern auch die Berücksichtigung des gesamten Nettoeinkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners.

Wollte man - wie es der Revisionswerber für richtig hält - den sog Familienrichtsatz auch auf solche verheirateten Pensionsberechtigten anwenden, die mit ihrem Ehepartner nicht im gemeinsamen Haushalt leben, aber auch auf geschiedene Pensionsberechtigte, die dem früheren Ehepartner Unterhalt zu leisten haben, dann müßte bei der Feststellung des Anspruches auf Ausgleichszulage - wie das § 149 Abs 2 GSVG für im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegatten anordnet - auch das gesamte Nettoeinkommen des getrennt lebenden oder geschiedenen Ehepartners berücksichtigt werden. Das wäre mangels einer Wirtschaftsgemeinschaft zwischen diesen Personen kaum sachgerecht und würde überdies dazu führen, daß die Unterhaltsleistungen des Ausgleichszulagenwerbers an seinen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehepartner nach § 149 Abs 2 GSVG als dessen Nettoeinkommen bei der Feststellung des Anspruches auf Ausgleichszulage zu berücksichtigen wären. Neben der Pension des Revisionswerbers von 6.550,10 S (im Jahre 1992) wäre daher noch der monatliche Unterhaltsbeitrag an die geschiedene Ehegattin von 2.965 S, insgesamt also 9.515,10 S zu berücksichtigen. Dadurch würde auch der im Jahre 1992 geltende Richtsatz nach § 150 Abs 1 lit a sublit aa GSVG von 9.317 S überschritten.

Allfällige Unterhaltsverpflichtungen des Pensionsberechtigten sind für die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes nach § 150 GSVG ohne Bedeutung. Weder für die Anwendung des sog Familienrichtsatzes nach Abs 1 lit a sublit aa, noch für die Erhöhung des Richtsatzes für jedes Kind, dessen Nettoeinkommen den Richtsatz für einfach verwaiste Kinder bis zur Vollendung des 24.Lebensjahres nicht erreicht, nach Abs 1 letzter Satz der genannten Bestimmung kommt es - mit Ausnahme der Enkel - darauf an, ob der Pensionist für den im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten oder das Kind Unterhalt zu leisten hat. Der sog Familienrichtsatz gilt für ihn selbst dann, wenn er gegen seinen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten einen Unterhaltsanspruch hat.

§ 151 Abs 1 letzter Satz GSVG schützt entgegen der Meinung des Revisionswerbers nicht den unterhaltspflichtigen, sondern den unterhaltsberechtigten Pensionsberechtigten, dessen (gesetzliche) Unterhaltsansprüche gegen die in der genannten Gesetzesstelle abschließend aufgezählten Personen bei Anwendung des § 149 leg cit durch Zurechnung entsprechender Prozentsätze - idR - des Nettoeinkommens dieser Personen zu berücksichtigen sind.

Daß Pensionsberechtigten mit Unterhaltspflichten von ihrem Einkommen weniger verbleibt als Pensionisten ohne derartige Verpflichtungen, ist eine Folge der unterschiedlichen Unterhaltsbelastung. Die vom Revisionswerber postulierte Berücksichtigung dieses Unterschiedes im Ausgleichszulagenrecht würde eine Überwälzung der Unterhaltspflicht bestimmter Pensionisten auf den nach § 156 GSVG zur Tragung des Aufwandes für die Ausgleichszulage Verpflichteten bedeuten.

Der erkennende Senat des Obersten Gerichtshofes hat gegen die von ihm anzuwendende Bestimmung des § 150 Abs 1 lit a GSVG aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit keine Bedenken und deshalb beim Verfassungsgerichtshof den vom Revisionswerber gewünschten Antrag auf Aufhebung iS des Art 89 Abs 2 B-VG nicht zu stellen.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß der Kläger bei Anwendung des für ihn geltenden Richtsatzes nach § 150 Abs 1 lit a sublit bb GSVG im Jahre 1992 seit 1.2. keinen Anspruch auf die am 6.3.1992 begehrte Ausgleichszulage zur Pension hatte, ist richtig und blieb auch unbekämpft.

Deshalb war der Revision nicht Folge zu geben.

Wegen der Schwierigkeit des Verfahrens und weil der Kläger eine Ausgleichszulage bezieht, war ihm nach § 77 Abs 1 Z 2 lit b und Abs 2 (Kostenbemessungsgrundlage 50.000 S) ASGG trotz seines gänzlichen Unterliegens der Ersatz der halben Revisionskosten zuzubilligen.

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