OGH 2Ob531/93

OGH2Ob531/9326.8.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Pörtschacher K*****, vertreten durch Dr.Rudolf Pototschnig und Dr.Hans Winkler, Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagte Partei Felix Wieser, Gastwirt, Stallhofen, Moosburg, vertreten durch Dr.Johann Quendler und Dr.Gerhard Kucher, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 12.März 1993, GZ 1 R 76/93-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 5.Dezember 1992, GZ 14 C 387/91-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 9.518,40 (darin enthalten S 1.586,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Bestandvertrag vom 11.4.1985 hat die klagende Partei an Otto R***** und den Beklagten eine Gaststätte vermietet. Die Mieter verpflichteten sich ausdrücklich, in dem Lokal Musik nur in solcher Lautstärke spielen zu lassen, daß Filmvorführungen im angrenzenden, von der klagenden Partei betriebenen, Kino nicht gestört werden.

Die klagende Partei kündigte am 31.5.1991 diesen Bestandvertrag gerichtlich auf, weil es - unter anderem - durch laute Musikausübung zu schwersten Lärmbelästigungen komme, die eine ordnungsgemäße Benützung des Kinos verhinderten und auch Mitbewohner unzumutbar beeinträchtigen und weil der Beklagte trotz wiederholter Mahnung zum 30.11.1990 noch einen Betrag von 103.298,12 S an Mietzins und Betriebskosten schulde.

Gegen diese Aufkündigung erhob der Beklagte Einwendungen, weil er keinen der geltend gemachten Kündigungstatbestände verwirklicht habe. Die klagende Partei habe auf die Geltendmachung des Kündigungstatbestandes des unleidlichen Verhaltens durch überlaute Musikdarbietungen stillschweigend verzichtet, weil sie sich über Lärmbelästigungen längere Zeit nicht beschwert habe.

In der letzten mündlichen Streitverhandlung vom 5.11.1992 bezahlte der Beklagte aus dem Titel Mietzinsrückstand (Hauptmietzins, Betriebskosten, öffentliche Abgabenverwaltung) einen Betrag von S 100.000, worauf die klagende Partei außer Streit stellte, daß im Rahmen des Kündigungsverfahrens ein Mietzinsrückstand nicht mehr gegeben sei. Wörtlich wurde dazu festgehalten, daß "soweit also ein Mietzinsrückstand als Aufkündigungsgrund geltend gemacht worden sei, seit heute kein Mietzinsrückstand mehr gegeben sei".

Das Erstgericht hob die gerichtliche Aufkündigung auf.

Es hielt neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt noch fest, daß der Beklagte seit Beginn des Mietverhältnisses das Lokal in Betriebsform einer Bar, die von 18.00 Uhr bis 04.00 Uhr geöffnet habe, führte. Im Rahmen dieses Barbetriebes sei auch Musik dargeboten worden, deren Geräusche im Kinozuschauerraum jedenfalls hörbar gewesen seien und als störend empfunden werden konnten. Beanstandungen über die Lautstärke der Musik seien erst im unmittelbar zeitlichen Zusammenhang mit dem Kündigungsverfahren erfolgt.

Rechtlich führte es aus, daß zwar der Tatbestand des unleidlichen Verhaltens durch überlaute Musikdarbietungen grundsätzlich verwirklicht worden sei. Die klagende Partei habe aber durch lange Jahre hindurch eine Lärmbelästigung nicht geltend gemacht, sich sohin mit der Lärmbelästigung einverstanden erklärt, sodaß die Geltendmachung dieses Kündigungsgrundes ausgeschlossen sei. Außer Streit stehe auch, daß keinerlei Zahlungsrückstände mehr vorlägen, sodaß auf diesen Kündigungsgrund nicht einzugehen sei.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der klagenden Partei Folge und erkannte die Aufhebung als zur Gänze rechtswirksam.

Wegen der im Verfahren erfolgten Zahlungen des Mietzinsrückstandes sei auf die Bestimmung des § 33 Abs 2 MRG Bedacht zu nehmen, wonach der Mieter den als Folge des qualifizierten Zinsrückstandes eingetretenen Räumungsanspruch nur durch den ihm obliegenden Beweis des Fehlens eines groben Verschuldens an dem Rückstand abwehren könne. Komme der Mieter der in seinem Interesse durch die Kündigungsschutzbestimmung des § 33 Abs 2 und 3 MRG statuierten Behauptungslast nicht nach, sei der Räumungsklage bei Vorliegen eines qualifizierten Mietzinsrückstandes stattzugeben. Zwar sei außer Streit gestellt worden, daß nach Zahlung eines Betrages von S 100.000 ein Mietzinsrückstand nicht mehr bestehe, doch habe die klagende Partei damit nicht auf die Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 1 MRG verzichtet. Ein stillschweigender Verzicht der klagenden Partei auf den Kündigungsgrund des unleidlichen Verhaltens durch überlaute Musikdarbietung liege ebenfalls nicht vor, weil das Zuwarten eines Vermieters mit diesem Kündigungsgrund trotz Kenntnis des den Kündigungsgrund bildenden Sachverhaltes nur unter dem Gesichtspunkt des § 863 ABGB als Verzicht angesehen werden könnte, wobei ein strenger Maßstab anzulegen sei. Irgendwelche Umstände, die auf einen Verzicht auf die Geltendmachung des Kündigungsgrundes aufgrund unleidlichen Verhaltens schließen ließen, seien nicht hervorgekommen. Jahrelange Duldung von Lärm könne nicht dazu führen, daß der Vermieter für die weitere gesamte Mietzeit den Lärm weiterhin dulden müsse.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob jahrelange Nichtgeltendmachung von Lärmbelästigung den Verzicht auf den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG darstelle, nicht vorliege.

Gegen diesen Urteil richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag es dahin abzuändern, daß die gerichtliche Aufkündigung aufgehoben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist ungeachtet des nicht bindenden Ausspruches des Berufungsgerichtes unzulässig (§ 508a ZPO), weil die Entscheidung dieser Rechtssache nicht von einer Rechtsfrage erheblicher Bedeutung abhängt.

Zutreffend hat die klagende Partei in ihrer Revisionsbeantwortung darauf hingewiesen, daß die beklagte Partei bereits den Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 1 MRG verwirklicht hat, weil entgegen der Meinung des Revisionswerbers der als Kündigungsgrund geltend gemachte Zinsrückstand nicht strittig war.

Die klagende Partei hat mit dem in der Verhandlung vom 6.2.1992 vorgetragenen Schriftsatz vom 11.12.1991 (ON 7) eine detaillierte Aufschlüsselung des geltend gemachten Mietzinsrückstandes vorgelegt und mit weiterem Schriftsatz vom 21.2.1992 (ON 9) auch die diesen Mietzinsrückstand erläuternden Urkunden (Kontoblatt und Rechnungen) dem Gericht überreicht. Eine konkrete Bestreitung des geltend gemachten Zinsrückstandes erfolgte aber nicht, vielmehr hat der Beklagte in der letzten mündlichen Streitverhandlung einen Betrag von S 100.000 aus dem Titel Mietzinsrückstand (Hauptmietzins, Betriebskosten, öffentliche Abgabenverwaltung) bezahlt, worauf die klagende Partei erklärte, daß mit dieser Zahlung ein Mietzinsrückstand im Rahmen des Kündigungsverfahrens nicht mehr bestehe. Durch die verspätete Zahlung des aushaftenden Mietzinsrückstandes wurde der Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 1 MRG verwirklicht. Um aber eine Aufhebung der erfolgten Kündigung im Sinne des § 33 Abs 2 und 3 MRG zu erreichen, hätte der Beklagte konkret behaupten und beweisen müssen, daß ihn an der verspäteten Zahlung kein grobes Verschulden trifft. Er hätte daher jene Tatsachen anführen und unter Beweis stellen müssen, die die Annahme eines groben Verschuldens an der verspäteten Zahlung auf seiner Seite ausschließen (Würth in Rummel2, ABGB Rz 6 zu § 33 MRG; WoBl 1991/65; 1992/29). Da die Höhe des aushaftenden Betrages nicht strittig war und durch den Beklagten im Verfahren erster Instanz überhaupt keine Behauptungen in dieser Richtung aufgestellt wurden, war eine Beschlußfassung nach § 33 Abs 2 und 3 MRG nicht erforderlich (MietSlg 30.466; WoBl 1990/85; WoBl 1991/65; WoBl 1992/29).

Ob die klagende Partei mit ihrer Prozeßerklärung, nach der erst im Prozeß erfolgten Zahlung bestehe im Rahmen des Kündigungsverfahrens kein Mietzinsrückstand mehr, auch auf die Geltendmachung des Kündigungsgrundes selbst oder nur auf den weiteren Mietzinsrückstand in der Höhe von S 3.298,12 verzichtete, ist der Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof entzogen, weil die Frage, wie eine Erklärung im Einzelfall aufzufassen ist, keine erhebliche Rechtsfrage darstellt (Petrasch, Die Zivilverfahrensnovelle 1983 in der Rechtsprechung des OGH, ÖJZ 1985, 257 [296 f], ZVR 1988/143, 3 Ob 583/91).

Hat aber der Beklagte bereits den Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 1 MRG verwirklicht, kommt es nicht mehr wesentlich darauf an, ob er auch den Kündigungstatbestand des unleidlichen Verhaltens im Sinn des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG gesetzt hat bzw ob die klagende Partei auf die Geltendmachung dieses Kündigungsgrundes verzichtet hat. Bei Annahme eines stillschweigenden Verzichtes auf die Geltendmachung eines Kündigungsgrundes durch Untätigwerden sind aber jedenfalls die konkreten Umstände des Einzelfalles zu beachten. Eine über diesen Einzelfall hinausgehende Aussage kann im allgemeinen daher nicht getroffen werden (vgl Rummel in Rummel, ABGB2 Rz 21 zu § 863), sodaß eine revisionswürdige Rechtfrage nicht vorliegt.

Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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