OGH 1Ob560/93

OGH1Ob560/9325.8.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anton S*****, vertreten durch Dr. Arno Kempf, Rechtsanwalt in Spittal/Drau, wider die beklagte Partei Agrargemeinschaft *****, vertreten durch Dr. Paul Meyer, Rechtsanwalt in Villach, wegen Vertragserfüllung (Streitwert S 275.000,- -) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 23. März 1993, GZ 1 R 243/92-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 15. August 1992, GZ 28 Cg 174/91-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das berufungsgerichtliche Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die beklagte Partei - eine Agrargemeinschaft - ist Eigentümerin einer Liegenschaft im Ausmaß von 275 ha 39 a 81 m2 und demgemäß zur Ausübung der damit verbundenen Eigenjagd berechtigt. Sie umfaßt zwölf an bestimmte Stammsitzliegenschaften gebundene Anteilsrechte. Ihre Organe sind die Vollversammlung und der Obmann, der deren Beschlüsse vollzieht und daher - unter anderem - auch mit jenem Bewerber, dem von der Vollversammlung der Zuschlag erteilt wurde, den Jagdpachtvertrag abzuschließen hat.

Bei der Vollversammlung am 1.2.1970 beschlossen die anwesenden Anteilsberechtigten einstimmig, dem Kläger das Vorpachtrecht an der Eigenjagd einzuräumen. Über die Beschlußfassung wurde vom (gewählten) Schriftführer ein Protokoll angefertigt, das von den zehn damals anwesenden Anteilsberechtigten - darunter auch der Obmann - zum Zeichen der Zustimmung unterfertigt wurde. Ein schriftlicher Vertrag über das Vorpachtrecht wurde nicht ausgefertigt.

Bei der Vollversammlung am 16.1.1971, bei der über die Verpachtung der Eigenjagd für die Zeit vom 1.4.1971 bis 31.3.1981 abgestimmt wurde, war auch der Kläger, der keine Anteilsrechte besitzt, anwesend und hat dort einen jährlich zahlbaren Pachtschilling von S 8.300,-- geboten. Den Zuschlag erhielt aber (bei Stimmengleichheit zufolge Anteilsmehrheit) eine Jagdgesellschaft, die den gleichen Pachtschilling, jedoch im vorhinein zahlbar, angeboten hatte. Mit dieser Jagdgesellschaft schloß in der Folge der Obmann einen Jagdpachtvertrag.

Bei der Vollversammlung am 26.1.1980 faßten die elf anwesenden Mitglieder den einstimmigen Beschluß, die Eigenjagd für die Zeit vom 1.1.1981 bis 31.12.1990 dem Kläger um einen wertgesicherten Jahrespachtschilling von S 10.000,-- zu verpachten; am 29.1.1981 schloß der damalige Obmann mit ihm einen entsprechenden Jagdpachtvertrag.

Bei der Vollversammlung am 15.9.1990 wählten alle anwesenden zwölf Anteilsberechtigten einen neuen Obmann. Außerdem sollte auch über die Verpachtung der Eigenjagd für die Zeit ab 1.1.1991 abgestimmt werden; es lagen drei Anbote vor. Da der Kläger in seinem Anbot eines jährlichen Pachtschillings von S 10.000,-- auf das ihm am 1.2.1970 eingeräumte Vorpachtrecht verwiesen hatte, wurde der Obmann beauftragt, diese Behauptung rechtlich überprüfen zu lassen. Ein Rechtsanwalt erteilte ihm die Auskunft, die Einräumung des Vorpachtrechts sei mangels Schriftlichkeit nicht rechtswirksam geworden.

Der Obmann hat den Kläger „als bisherigen Jagdpächter und Inhaber des Vorpachtrechtes“ schriftlich zur außerordentlichen Vollversammlung am 21.10.1990 eingeladen. Schon zuvor hatte dieser bei mehrfachen Besuchen beim Obmann auf das ihm eingeräumte Vorpachtrecht hingewiesen. Der von ihm beauftragte Rechtsanwalt forderte von der beklagten Partei mit Schreiben vom 11.10.1990 die Offenlegung der Anbote im Hinblick auf das Vorpachtrecht des Klägers.

Der Kläger erschien zur außerordentlichen Vollversammlung, bei der alle Mitglieder zugegen waren, mußte aber vor dem Sitzungsraum warten. Die Vollversammlung faßte den einstimmigen Beschluß, da das Vorpachtrecht des Klägers keine Gültigkeit mehr habe, werde die Eigenjagd für die Zeit vom 1.1.1991 bis 31.12.2000 um einen wertgesicherten Jahrespachtzins von S 27.000,-- an einen Mitbewerber des Klägers verpachtet. Als der Obmann dem Kläger das Abstimmungsergebnis eröffnen wollte, war dieser nicht mehr anwesend.

Mit Schreiben vom 12.11.1990 teilte der Kläger der beklagten Partei zu Handen ihres Obmanns mit, er habe durch Überlassung einer Ablichtung des Protokolls Kenntnis von den Vollversammlungsbeschlüssen erlangt, die Aufhebung des Vorpachtrechts sei aber mangels seiner Zustimmung wirkungslos; er erkläre, die Eigenjagd zu den beschlossenen Bedingungen zu pachten, und erwarte bis Monatsende die Vorlage eines Jahrespachtvertrags zur Unterfertigung.

Der Kläger begehrte die Verurteilung der beklagten Partei zum Abschluß eines Pachtvertrags über deren Eigenjagd für die Jagdperiode vom 31.1.1991 bis 31.12.2000 mit dem sich aus § 1 der Verordnung vom 25.9.1978, Krnt LGBl 112, ergebenden Inhalt und einem wertgesicherten Jahrespachtschilling von S 27.000,- -; hilfsweise begehrte er die Feststellung, daß ein solcher Jahrespachtvertrag bereits zustandegekommen sei, und ferner hilfsweise die Verurteilung der beklagten Partei zum Ersatz des mit S 150.000,-- bezifferten Schadens für entgangene Abschüsse. Er brachte unter anderem vor, ihm sei durch den Vollversammlungsbeschluß vom 1.2.1970 das unbefristete bzw lebenslange Vorpachtrecht eingeräumt und von den Anteilsberechtigten auch schriftlich bestätigt worden. Er sei bei der Beschlußfassung zugegen gewesen und habe das Recht angenommen. In der Folge sei ihm von der beklagten Partei die Verpachtung der Eigenjagd für die Zeit von 1970 bis 1980 ausdrücklich angeboten und damit das Vorpachtrecht anerkannt worden. Bei der Vollversammlung am 26.1.1990 sei ihm die Jagd übergeben und die Übergabe durch seine Fertigung des Protokolls bestätigt worden. Er sei auch zur Vollversammlung am 21.10.1990 vom Obmann ausdrücklich als Vorpachtberechtigter eingeladen worden. Beim Abschluß des Pachtvertrags mit einem Mitbewerber sei diesem das Vorpachtrecht bekannt gewesen.

Die beklagte Partei wendete im wesentlichen ein, mit dem Kläger sei über die Einräumung des bei der Vollversammlung am 1.2.1970 beschlossenen Vorpachtrechts kein Vertrag geschlossen worden, der zudem auch mangels Schriftform unwirksam gewesen wäre. Dem Kläger sei auch nie ein die beklagte Partei bindender Beschluß der Vollversammlung in der Absicht zugegangen, mit ihm ein Vorpachtrecht zu vereinbaren. Bestätigungen durch ihre Mitglieder bänden die beklagte Partei nicht, weil ihnen keine Organstellung zukomme. Der Text zur Einladung des Klägers zur Vollversammlung am 21.10.1990 sei unrichtig gewesen und vom Kläger arglistig herbeigeführt worden. Ein allfälliges Vorpachtrecht habe nur die Pacht in den Siebzigerjahren betroffen und sei nicht verlängert worden. Die Verpachtung für die Achtzigerjahre sei an ihn als Bestbieter erfolgt.

Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt.

Es stellte fest, der Kläger sei bei der Vollversammlung am 1.2.1970 zugegen gewesen, er habe das ihm über seinen Wunsch einstimmig eingeräumte zeitlich unbegrenzte Vorpachtrecht ausdrücklich angenommen und es sei ihm eine Protokollabschrift zugekommen. Nicht sei feststellbar, ob der Obmann mit dem Mitbewerber des Klägers, dem der Zuschlag erteilt worden sei, für die Periode von 1991 bis 2000 einen Jagdpachtvertrag abgeschlossen habe.

Rechtlich meinte das Erstgericht, es sei nicht erwiesen, daß die Willenserklärung der beklagten Partei deren Satzung zufolge zu ihrer Wirksamkeit auch noch einer Willenserklärung des Obmanns bedürfe. Das Schriftformgebot des Kärntner Jagdgesetzes habe das Zustandekommen einer Vereinbarung nicht gehindert; das Vorpachtrecht habe auch nicht konsumiert werden können, bei Vorliegen eines bindenden Anbots bzw. bei Abschluß eines Vertrags mit einem Dritten sei der Vorpachtfall eingetreten, sodaß dem Vorpachtberechtigten der Vertragseintritt anzubieten sei.

Das Berufungsgericht wies das Haupt- und beide Hilfsbegehren ab, und sprach (trotz des in einem Geldbetrag bestehenden zweiten Hilfsbegehrens) aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung und führte in Erledigung der Rechtsrüge aus, nach § 861 ABGB komme der Vertrag durch Antrag und Annahme zustande. Beide seien - abgesehen vom hier nicht relevanten Fall des § 864 ABGB - einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärungen, die dem Gegner gegenüber, erkennbar an ihn gerichtet, abgegeben werden müßten. Die beklagte Partei sei eine juristische Person, die durch ihre Organe handle. Eine Satzung bestehe nicht. Aus dem festgestellten Sachverhalt erhelle aber, daß sie über die Vollversammlung der Mitglieder und den von dieser gewählten Obmann als ihre Organe verfüge, der auch alle bisherigen Jagdpachtverträge namens der beklagten Partei abgeschlossen habe. Die Vollversammlung könne nur intern willensbildende Funktion, aber keine nach außen wirksame Vertretungsmacht haben. Mangels anderer Satzungsbestimmungen könne diese Vertretungsmacht nur dem gewählten Obmann zukommen. Auf eine solche ausdrückliche, an den Kläger gerichtete Willenserklärung des Obmanns der beklagten Partei stütze sich der Kläger angesichts des von ihm behaupteten, von der Vollversammlung beschlossenen Vorpachtrechts nicht ausdrücklich. Ein Vorpachtvertrag bedürfe an sich dann der Schriftform, wenn auch der Hauptvertrag an diese Form gebunden sei. Ob nun die nach § 16 Abs. 2 des Kärntner Jagdgesetzes 1978 (in der Folge kurz JG) gebotene Schriftform auch für die Geltendmachung des Klagsanspruchs Voraussetzung sei, müsse hier nicht erörtert werden, weil nach Ansicht des Berufungsgerichts der sowohl dem Haupt- als auch dem Eventualbegehren vorauszusetzende Vorpachtfall noch nicht eingetreten sei. Trotz der ausdrücklichen gegenteiligen Aussage des Obmanns der beklagten Partei habe das Erstgericht die unbekämpft gebliebene negative Feststellung getroffen, ein Pachtvertrag sei bisher mit dem Mitbewerber des Klägers (noch nicht) errichtet worden. Insbesondere stehe demnach aber auch nicht fest, daß ein solcher Pachtvertrag von der Bezirksverwaltungsbehörde bereits im Sinne des § 16 Abs. 3 JG genehmigt worden sei. Das Vorpachtrecht verpflichte den Belasteten nur, das Pachtobjekt vor wirksamer Weiterverpachtung, wozu letztlich auch die Übergabe gehöre, dem Berechtigten anzubieten. Der Belastete sei aber jedenfalls berechtigt, allenfalls keine Verpachtung vorzunehmen und das Recht selbst auszuüben. Insbesondere dann, wenn die Rechtswirksamkeit des Pachtrechts selbst noch von einer behördlichen Bewilligung abhänge, sei erst mit deren Erteilung der Vorpachtfall eingetreten. Fehle es am Vorpachtfall, könne das Recht noch nicht geltend gemacht und auch kein Schaden angesprochen werden.

Die vom Kläger dagegen erhobene Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach wie vor steht er auf dem Standpunkt, das von ihm in Anspruch genommene Vorpachtrecht sei durch eine Vereinbarung zwischen den Streitteilen bei der Vollversammlung am 1.2.1970 zustandegekommen; dabei sei die beklagte Partei von der Mitgliederversammlung vertreten worden. Für die Lösung dieser Frage ist zunächst einmal die Rechtsnatur der beklagten Agrargemeinschaft von Bedeutung:

Nach dem vom Berufungsgericht beigeschafften Grundbuchsauszug ist das Eigentumsrecht an der Liegenschaft für die beklagte Agrargemeinschaft und nicht für deren Mitglieder einverleibt; im Grundbuchsverfahren wurde sie demnach als juristische Person behandelt. Die Frage, ob Agrargemeinschaften juristische Personen sind, ist in erster Linie an Hand jener Vorschriften zu beurteilen, die die einzelnen Bundesländer in Ausführung des Flurverfassungsgrundsatzgesetzes (BGBl. 1951/103) erlassen haben (SZ 48/62). Für Kärnten wurde diese Frage durch § 48 Abs. 2 FLG 1979 dahin geregelt, daß körperschaftlich eingerichtete Agrargemeinschaften rechtsfähig sind; unter anderer Paragraphenbezeichnung findet sich diese Bestimmung schon in der Fassung des Stammgesetzes (LGBl. 1936/7). Nun hat zwar das Erstgericht den Inhalt der für die beklagte Agrargemeinschaft erlassenen Satzung - die es seiner rechtlichen Beurteilung (ON 17, S.29) aber ganz offenkundig unterstellt - nicht festgestellt, aber präzise Feststellungen über die Organisation der beklagten Partei getroffen (S. 10): Danach verfügt die beklagte Partei über zwei Organe, einerseits die Vollversammlung, der die innere Willensbildung vorbehalten ist, und andererseits den von dieser gewählten Obmann, der deren Beschlüsse „durchzusetzen“, also zu vollziehen hat. In Angelegenheiten der Eigenjagdverpachtung, die für Agrargemeinschaften gemäß § 2 Abs. 5 JG zwingend vorgeschrieben ist, entscheidet demgemäß die Vollversammlung, an welchen Bewerber das Jagdausübungsrecht zu verpachten ist, wogegen der Obmann mit diesem den Pachtvertrag - in Schriftform (§ 16 Abs. 2 JG 1978, früher § 28 Abs. 2 JG 1961) - abzuschließen hat. Es ist deshalb von einer körperschaftlichen Organisation der beklagten Agrargemeinschaft auszugehen; sie ist - wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannte - somit eine juristische Person. Im übrigen ist auch die nicht körperschaftlich organisierte Agrargemeinschaft keine bloße Miteigentumsgemeinschaft, sondern realrechtlich zweckgebundene Gemeinschaft, die der juristischen Person zumindest nahekommt (SZ 56/140 ua; Aicher und Gamerith in Rummel, ABGB2 § 26 Rz 11 bzw. § 825 Rz 4).

Die vom Erstgericht festgestellte Organisation der beklagten Agrargemeinschaft entspricht auch der herkömmlichen Aufgabenteilung zwischen Mitgliederversammlung und Vorstand: Erstere hat lediglich interne Aufgaben, aber keine nach außen wirkende Vertretungsmacht; letzterer leitet die juristische Person und vertritt sie (vor allem auch) nach außen (vgl. Koziol-Welser, Grundriß I9 72 mwN in FN 96; ebenso Ostheim, Rechtsfähigkeit, 34 f). Ist der Vorstand zwar der Vollversammlung weisungsgebunden (vgl. Zib in AnwBl. 1988, 323), so ist doch er allein zur Vertretung der juristischen Person nach außen - Dritten gegenüber - berufen, die daher aus Beschlüssen der Vollversammlung allein regelmäßig noch keine Rechte ableiten können.

Der Kläger beruft sich zur Begründung des Vorpachtrechts aber gerade auf einen von ihm mit der namens der Agrargemeinschaft eingeschrittenen Vollversammlung errichteten Geschäftsakt; diese habe am 1.2.1970 die Einräumung eines Vorpachtrechts an ihn einstimmig beschlossen, es ihm - der bei der Vollversammlung anwesend gewesen sei - angetragen und er habe diesen Antrag angenommen. Gerade so hat das Erstgericht diesen Geschäftsakt - der sich teilweise auch aus der hierüber aufgenommenen Niederschrift ergibt - festgestellt (S. 11 f). Dieser Vorgang entspricht den im § 861 ABGB für das Zustandekommen von Verträgen vorgesehenen Voraussetzungen. Der Antrag der Vollversammlung an den Kläger und die von diesem an die Mitgliederversammlung gerichtete Annahme sind jene übereinstimmenden, empfangsbedürftigen, erkennbar an den jeweiligen Partner gerichteten Willenserklärungen, durch die der Vertrag zustandekommt (Rummel in Rummel aaO § 861 Rz 2). Allerdings war die Vollversammlung - wie schon dargelegt - zur Vertretung der Agrargemeinschaft Dritten gegenüber nicht befugt; ein ohne ausreichende Vertretungsmacht gesetzter Geschäftsakt ist aber unwirksam, soweit nicht die Regeln der stillschweigenden bzw. der Anscheinsvollmacht eingreifen. Das Geschäft gilt dann nur, sofern die - wie hier - vom nicht vertretungsbefugten Organ vertretene juristische Person durch ihr zuständiges Organ den Anschein erweckte, das handelnde Organ könne sie aufgrund damit oder schon früher erteilter Vollmacht wirksam vertreten (JBl. 1987, 312 uva; Rummel aaO § 867 Rz 9). Gerade das aber trifft hier zu:

Nach den vorinstanzlichen Feststellungen hat der Obmann der beklagten Agrargemeinschaft bei der Vollversammlung nicht nur - als Anteilsberechtigter - am einstimmigen Beschluß, sondern auch am Geschäftsakt mitgewirkt; er hat den Antrag an den Kläger mitgetragen und dessen Annahmeerklärung (mit-)entgegengenommen. Wenn man den Vertragsabschluß nicht schon dem Obmann selbst zurechnen will, weil die Vollversammlung als Einheit aufgetreten ist, so hat er doch durch sein Verhalten für den Kläger unzweideutig zum Ausdruck gebracht, er billige das Handeln der Vollversammlung. Deshalb ist dieses dem Kläger gegenüber auch der Agrargemeinschaft zuzurechnen, sodaß damit eine Vereinbarung über die Einräumung eines Vorpachtrechts an den Kläger wirksam zustandegekommen ist. Die beklagte Partei führt aber gegen die Wirksamkeit auch noch ins Treffen, eine solche Vereinbarung hätte zu ihrer Gültigkeit der Schriftlichkeit bedurft. Sie beruft sich auf das Schriftformgebot für Jagdpachtverträge gemäß § 16 Abs. 2 JG (richtig § 28 Abs. 2 des Kärntner Jagdgesetzes 1961, das im Zeitpunkt der Vollversammlung vom 1.2.1970 noch in Geltung stand), das dann auch für Vorpachtrechte Geltung haben müsse. Nun erstreckt sich das Formgebot für den Kaufvertrag zwar auch auf die selbständige Vorkaufsabrede (EvBl. 1951/313; Bydlinski in Klang 2 IV/2, 759; Aicher aaO § 1072 Rz 5) und damit wohl auch der für den Pachtvertrag aufgestellte Formzwang auf das Vorpachtrecht, doch ist dem jagdrechtlichen Schriftformgebot als Normzweck bloß die Gewährleistung rascher und sicherer jagdbehördlicher Überprüfung des Vertragsinhalts beizumessen, wogegen die mangelnde Schriftlichkeit der rechtsgeschäftlichen Bindung nicht entgegensteht (6 Ob 514/84; 6 Ob 563/63; vgl. auch SZ 60/40). Da Eigenjagden betreffende Vorpachtabreden weder gesetzlich verboten noch der jagdbehördlichen Überprüfung unterworfen sind noch zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung durch die Jagdbehörde bedürfen, ist demnach die vom Kläger behauptete Abrede bei der Vollversammlung am 1.2.1970 wirksam zustandegekommen.

An sich könnte zwar fraglich sein, ob sich diese Abrede auf die nächstfolgende Jagdperiode (von 1971 bis 1980) beschränken oder ob dem Kläger - als Gegenleistung für seine Bemühungen um die Eigenjagd der beklagten Partei - ein lebenslanges Vorpachtrecht eingeräumt werden sollte, doch haben die Vorinstanzen festgestellt, die Vollversammlung vom 1.2.1970 habe dem Kläger ein zeitlich nicht begrenztes, also nicht auf die Verpachtung der Eigenjagd für die nächstfolgende Jagdperiode beschränktes Recht eingeräumt (vgl. SZ 38/148; SZ 25/288; ebenso Bydlinski aaO 790; Aicher aaO § 1072 Rz 32).

Das Gericht zweiter Instanz hat das Klagebegehren auch nur deshalb abgewiesen, weil nach den erstinstanzlichen, in zweiter Instanz noch nicht bekämpften Feststellungen nicht erwiesen sei, ob der Obmann der beklagten Partei mit dem von der Vollversammlung (am 21.10.1990) bestimmten Bewerber einen „schriftlichen Jagdpachtvertrag“ abgeschlossen habe; deshalb sei der Vorpachtfall noch nicht eingetreten. Der Vorpachtfall tritt in der Tat erst ein, wenn der mit dem Vorpachtrecht Belastete mit einem Dritten einen Pachtvertrag geschlossen hat, in dem der Vorpachtberechtigte - durch fristgerechte Einlösungserklärung - eintreten kann (MietSlg. 20.092); hängt die Wirksamkeit des den Vorpachtfall bildenden Rechtsgeschäfts außerdem noch von einer behördlichen Genehmigung, deren Erteilung die Rechtsprechung (SZ 53/140 uva) wie eine aufschiebende Bedingung behandelt, ab, ist der Vorpachtfall erst mit deren Erteilung eingetreten (vgl. SZ 58/93; Aicher aaO § 1072 Rz 18). Da die sich darauf beziehende Feststellung des Erstgerichtes in zweiter Instanz nicht bekämpft wurde, hat das Gericht zweiter Instanz das Klagebegehren zu Recht abgewiesen.

Erstmals in der Revision bekämpft der Kläger nun diese negative Feststellung. Der Grundsatz, daß die in erster Instanz siegreich gebliebene Partei Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes in ihrer Gegenschrift nicht bekämpfen muß, ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch nach der Zivilverfahrens-Novelle 1983, mit der das rechtliche Gehör des Berufungsgegners verbessert wurde (669 BlgNR 15.GP, 56; SZ 59/101, ÖBl. 1990, 122 ua), für ordentliche Rechtsmittel aufrechterhalten worden. Da sich aufgrund der vom Kläger angestrebten Feststellung ergeben könnte, daß der Obmann mit dem Mitbewerber des Klägers einen dem Zuschlag durch die Vollversammlung entsprechenden schriftlichen Jagdpachtvertrag abgeschlossen hat und dieser von der Bezirksverwaltungsbehörde genehmigt wurde, ist der Revision Folge zu geben. Das Urteil des Berufungsgerichtes ist aufzuheben; die Rechtssache ist an das Gericht zweiter Instanz zur Erledigung dieser Mängel- und Beweisrüge und zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen. Zu bemerken bleibt noch, daß die beklagte Agrargemeinschaft - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes - nicht berechtigt ist, von einer Verpachtung des Jagdausübungsrechtes Abstand zu nehmen; gemäß § 2 Abs. 5 JG haben nämlich agrarische Gemeinschaften ihr Jagdausübungsrecht zu verpachten; nur wenn die Verpachtung nicht möglich ist, ist zur Ausübung der Jagd ein Jagdverwalter zu bestellen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.

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