Spruch:
Das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 18. November 1992, AZ 10 Bs 392/92, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 473 Abs. 2, 489 Abs. 1 StPO.
Dieses Urteil wird aufgehoben und dem Oberlandesgericht Graz die neuerliche Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft Graz aufgetragen.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Karl L***** wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 19.August 1992, GZ 12 E Vr 3477/91-17, von dem gegen ihn wegen des Vergehens der Vollstreckungsvereitelung nach § 162 Abs. 1 und 2 StGB gestellten Strafantrag, nämlich im September 1991 in Hartberg als Schuldner durch die Übergabe des zu E 2345/91 des Bezirksgerichtes Hartberg gepfändeten PKW der Marke Cadillac Coupe de Ville, grau-metallic, im Wert von mindestens 45.000 S an Zoltan V***** einen Bestandteil seines Vermögens beiseitegeschafft und dadurch die Befriedigung seines Gläubigers Ing.Gerhard K***** in einem anhängigen Zwangsvollstreckungsverfahren geschmälert zu haben, wobei der durch die Tat herbeigeführte Schaden 25.000 S überstieg, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Das Landesgericht stellte objektiv die Ausfolgung des PKWs an den Käufer Zoltan V***** trotz Kenntnis des Angeklagten von der Pfändung dieses Fahrzeuges in einem Zwangsvollstreckungsverfahren fest, vertrat aber rechtsirrig die Ansicht, der Angeklagte wäre zum Zeitpunkt der Pfändung (2.September 1991, S 94) nicht mehr Eigentümer dieses Kraftfahrzeuges gewesen, weil er dieses bereits am 11.Dezember 1989 an Zoltan V***** verkauft und wegen eines noch offenen Kaufpreisrestes bis zu dessen Bezahlung (nach dem 2.September 1991) zurückbehalten hatte (S 94, 97).
Mangels Erfüllung der subjektiven Tatseite (S 99) wurde auch die Unterstellung des festgestellten Sachverhaltes unter den Vergehenstatbestand des Verstrickungsbruches nach § 271 Abs. 1 StGB abgelehnt.
Das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht hob in Stattgebung der dagegen von der Staatsanwaltschaft erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit mit Entscheidung vom 18.November 1992 zu 10 Bs 392/92 (ON 23) den Freispruch auf, erkannte Karl L***** ohne Durchführung oder Ergänzung des Beweisverfahrens wegen des oben geschilderten Sachverhaltes des Vergehens der Vollstreckungsvereitelung nach § 162 Abs. 1 und 2 StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe und einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe.
Zur Begründung seiner Entscheidung "übernahm" das Oberlandesgericht die Feststellungen des Erstgerichtes und gelangte unter Korrektur des diesem bei der Annahme des Eigentumsübergangs an dem gepfändeten Fahrzeug unterlaufenen Rechtsirrtums zum Schuldspruch (S 124, 125).
Subjektiv erfordert das Vergehen der Vollstreckungsvereitelung nach § 162 Abs. 1 StGB einen auf (wirkliche oder scheinbare) Vermögensminderung und dadurch bewirkte Vereitelung oder Schmälerung der Befriedigung eines Gläubigers gerichteten zumindest bedingten Tätervorsatz. Ein solcher Vorsatz wurde jedoch vom Erstgericht nicht festgestellt, sondern vielmehr (wenn auch in Form der Absichtlichkeit) verneint (S 94, 95 und 97).
Das Berufungsgericht konnte daher eine diesbezügliche Konstatierung des Erstgerichtes seiner Entscheidung auch nicht zugrundelegen. Aus dem vom Erstgericht festgestellten Umstand, der Angeklagte habe den in Rede stehenden PKW schon vor der Pfändung verkauft und das gepfändete Fahrzeug nach Bezahlung des Kaufpreisrestes dem Käufer unter Hinweis auf die inzwischen erfolgte Pfändung ausgefolgt, es könne ihm nicht nachgewiesen werden, daß er es an den Käufer übergab, um die Befriedigung oder teilweise Befriedigung seines betreibenden Gläubigers zu schmälern (S 95 bis 97) im Zusammenhalt mit der ausdrücklichen Verneinung eines auch nur für die Annahme des Vergehens nach § 271 Abs. 1 StGB erforderlichen Vorsatzes (S 98 und 99) geht vielmehr hervor, daß das Erstgericht jede Form eines auf Vereitelung der Befriedigung des Ing.Gerhard K***** aus der Versteigerung dieses PKWs gerichteten Vorsatzes als nicht erwiesen angenommen hat.
Das Berufungsgericht kann im Ersturteil fehlende Feststellungen (hier zur subjektiven Tatseite) des vom Schuldspruch erfaßten Deliktes nur nach Beweiswiederholung oder- ergänzung treffen. Nach Aufhebung eines freisprechenden Urteils setzt ein ohne Beweiswiederholung gefällter Schuldspruch durch das Berufungsgericht voraus, daß schon im Ersturteil jene Tatsachen, die bei richtiger Anwendung des Gesetzes dem schuldigsprechenden Erkenntnis zugrunde zu legen sind, nach einem mängelfreien Verfahren mit unbedenklicher Begründung festgestellt sind (Mayerhofer-Rieder, StPO3 ENr 3 a f zu § 473; ENr 9 ff zu § 474; JBl 1993, 405; siehe auch 12 Os 112/92). Dies trifft hier aber nicht zu.
Durch den Schuldspruch des Angeklagten ohne Beweiswiederholung durch das Berufungsgericht wurde das Gesetz zu seinem Nachteil verletzt, weswegen in Stattgebung der vom Generalprokurator gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde wie im Spruch zu erkennen war.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)