OGH 12Os112/93

OGH12Os112/9312.8.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.August 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Markel, Dr.Mayrhofer und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hatvagner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter S***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 17.Juni 1993, GZ 8 Vr 2049/92-52, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil zur Gänze aufgehoben, und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 23.März 1957 geborene Walter S***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Demnach hat er am 9.Juli 1992 in Kleinstübing durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben einem anderen eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz abgenötigt, durch deren Zueignung sich und Heinrich F***** unrechtmäßig zu bereichern, indem er den Postbedientsteten Adolf T***** mit einer gegen ihn gerichteten Spielzeugpistole und durch die Aufforderung: "Geld her, die Pistole ist voll geladen, druckst ja nicht auf den Knopf, sonst schieße ich", zur Herausgabe von 121.260 S zwang.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten gegen dieses Urteil aus § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 5 a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist schon aus dem erstangeführten Grund berechtigt.

Zutreffend rügt der Beschwerdeführer nämlich, daß durch die Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung (S 508/I) gestellten Beweisantrages - zeugenschaftliche Einvernahme von Helmut Sch***** und Anneliese S***** zum Beweis dafür, daß der Angeklagte zum Tatzeitpunkt im "Schnitzelhaus" in Wien, Keplerstraße, zum Mittagessen gewesen sei - Verfahrensgrundsätze hintangesetzt wurden, deren Beobachtung durch das Wesen eines auch die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten gewesen wäre. Denn wenn auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beschwerdeführers und seiner Verantwortung zwischen den in Aussicht gestellten Wahrnehmungen seiner angeblichen Wahltante Anneliese S***** über seinen Aufenthalt bei ihr in Wien zwischen 8.15 Uhr und 8.30 Uhr (S 467/II) und einem Alibi für die unmittelbare Tatzeit um ca. 14.30 Uhr kein sinnfälliger Zusammenhang erblickt werden kann und die vom Angeklagten behauptete Anwesenheit bei seiner Wahltante bei der unter Benützung eines Kraftfahrzeuges erforderlichen Fahrzeit Wien-Kleinstübing ein Erscheinen des Angeklagten am Vormittag des 9.Juli 1992 am Tatortpostamt, wie es Zeugen vom Täter bekundeten, nicht zwingend ausschließen würde, läßt sich die Behauptung des Angeklagten, er sei gegen 14.00 Uhr in Wien ins "Schnitzelhaus" gegangen und eine Stunde dort geblieben, bei dem vom Erstgericht festgestellten Tatzeitpunkt mit einer Täterschaft des Angeklagten offenkundig nicht in Einklang bringen. Auch wenn Helmut Sch***** den Angeklagten nach dessen Verantwortung (S 467/II) nicht selbst im "Schnitzelhaus" gesehen haben soll und zusätzlich die Frage naheliegt, warum sich Sch***** daran erinnern sollte, daß der Angeklagte gerade an diesem Tag dort gewesen sei, so kann dem Zeugen Sch***** nicht von vornherein jeder Wert als Alibibeweis abgesprochen werden, weil der Angeklagte behauptet, er sei früher selbst Mitarbeiter des "Schnitzelhauses" gewesen und der Kellner des Lokals habe über sein Ersuchen bei Sch*****, dem Chef des "Schnitzelhauses", telefonisch wegen seiner kostenlosen Bewirtung nachgefragt.

Den Beweisantrag wies der Schöffensenat nach der im Hauptverhandlungsprotokoll wiedergegebenen (S 508/II) Begründung allein mit dem lapidaren Hinweis auf die bisherigen Verfahrensergebnisse, insbesondere die Aussagen der Zeugen T***** und R*****, ab. Damit setzte aber das Gericht, dem es schon im Hinblick auf die ihm gemäß den Bestimmungen der §§ 3 und 258 StPO obliegenden Pflichten verwehrt ist, den Umfang des Beweisverfahrens aus einer vorzeitig gewonnenen Überzeugung von der Schuld des Angeklagten heraus bestimmen zu lassen, einen Akt unzulässiger vorgreifender Beweiswürdigung (Mayerhofer-Rieder, StPO3 ENr. 78 ff zu § 281 Z 4 StPO). Denn ein Beweisantrag darf dann nicht abgewiesen werden, wenn der Beweisgegenstand nicht unerheblich und ein verwertbares Ergebnis der Beweisaufnahme, also eine weitere Klärung des relevanten Sachverhaltes, nicht von vornherein auszuschließen ist (SSt. 13/89, 52/17 uva). Ebensowenig darf ein Entlastungsbeweis mit der Begründung zurückgewiesen werden, daß das Gericht die Sachlage aufgrund der vorliegenden Belastungsbeweise für ausreichend geklärt halte (EvBl. 1957/34; RZ 1959, 173; 11 Os 31/88 uva). Mit seiner demnach verfehlten Begründung für die Ablehnung der begehrten Beweisaufnahme setzte sich das Erstgericht über die dargelegten Grundsätze hinweg, weshalb das Urteil mit dem geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 4 StPO behaftet ist.

Da sich sohin zeigt, daß schon aufgrund der Verfahrensrüge die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war über die Beschwerde gemäß § 285 e StPO in nichtöffentlicher Sitzung spruchgemäß zu erkennen und erübrigte es sich, auf die weiters geltend gemachten Nichtigkeitsgründe einzugehen.

Neben der notwendigen Einvernahme des Zeugen Helmut Sch***** wird vom Schöffensenat zweckmäßigerweise auch die ebenfalls beantragte Zeugin Anneliese S***** einzuvernehmen und im Fall entsprechender Angaben derselben die kürzestmögliche Fahrtdauer von ihrer Wohnung zum Tatort zu erheben, der Zeitpunkt, zu dem der Täter am Vormittag des Tattages schon am Postamt erschienen sein soll, möglichst abzuklären sowie auf eine Ausforschung des seinerzeitigen Kellners des "Schnitzelhauses", auf den sich der Angeklagte beruft, zwecks seiner Einvernahme hinzuwirken sein.

Mit seiner zufolge der Aufhebung auch des Strafausspruches gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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