OGH 12Os104/93

OGH12Os104/935.8.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. August 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Mayrhofer und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hatvagner als Schriftführerin in der bei dem Landesgericht Eisenstadt zum AZ 11 b Vr 94/92 anhängigen Strafsache gegen Josef H***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 28. Mai 1993, AZ 22 Bs 215/93, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Josef H***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Gegen den am 30. November 1971 geborenen österreichischen Staatsbürger Josef H***** liegt eine rechtswirksame Anklage der Staatsanwaltschaft Eisenstadt wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB vor. Darin wird ihm zur Last gelegt, am 17. Jänner 1991 auf einem Forstweg neben der Hauptstraße Nr. 86 im Bereich von Körmend (Ungarn) Laszlo G***** durch Versetzen mehrerer wuchtiger Schläge mit einem Teil einer dreiteiligen metallenen Abschleppstange gegen den Kopf vorsätzlich getötet zu haben (ON 87).

Der Angeklagte befindet sich in Österreich seit 24. Jänner 1992 gemäß § 180 Abs 7 StPO in Untersuchungshaft (ON 32) und war vorher wegen desselben Vorwurfes schon ab 24.Jänner 1991 in Ungarn inhaftiert.

Mit Beschluß vom 20.Juli 1992 (ON 72) bestimmte das Oberlandesgericht Wien, daß die Untersuchungshaft bis zu einem Jahr, mit Beschluß vom 28. Dezember 1992 (ON 91), daß sie bis zu sechzehn Monate dauern dürfe.

Rechtliche Beurteilung

Die am 28.April 1993 begonnene Hauptverhandlung (ON 100) wurde am 30. April 1993 u.a. zur Exhumierung des Schädelskelettes des Opfers und Beiziehung eines weiteren gerichtsmedizinischen Sachverständigen auf unbestimmte Zeit vertagt (S 395/VIII).

In dieser Hauptverhandlung hatte der Schwurgerichtshof aus Anlaß eines Enthaftungsantrages des Angeklagten den Fortbestand der Untersuchungshaft nach § 180 Abs 7 StPO in Verbindung mit § 180 Abs 1 und 2 Z 1 und 3 lit a StPO verfügt (ON 111). Der dagegen vom Angeklagten erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien dem angefochtenen Beschluß, der dem Verteidiger am 6.Juli 1993 zugestellt wurde (S 447/VIII), keine Folge. Es bejahte den dringenden Tatverdacht, erachtete die Haftgründe der Flucht- und Verdunkelungsgefahr für nicht ausschließbar (§ 180 Abs 7 StPO) und fand die bisherige Dauer der Untersuchungshaft in Relation zu der zu erwartenden Strafe nicht unangemessen.

In seiner fristgerecht erhobenen Beschwerde meint der Beschwerdeführer, daß sämtliche Haftgründe auszuschließen seien, und bestreitet sinngemäß den dringenden Tatverdacht. Primär reklamiert er aber eine die gesetzlichen Haftfristen überschreitende und unverhältnismäßige Haftdauer unter Berücksichtigung der Auslandshaft.

Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

Der dringende Tatverdacht ergibt sich schlüssig aus den in der Anklageschrift dargelegten Prämissen, wobei hervorzuheben ist, daß der Beschwerdeführer in Abänderung seiner ursprünglichen Verantwortung nicht mehr bestreitet, auf Laszlo G***** mit dem Teil einer Abschleppstange zugeschlagen zu haben, deren Existenz er zunächst zu verheimlichen versucht hatte.

Dem Oberlandesgericht ist aber auch darin beizutreten, daß nicht alle Haftgründe auszuschließen sind (§ 180 Abs 7 StPO). Wesentlich erscheint in diesem Zusammenhang, daß der bei seinen Eltern in Österreich gemeldete Beschwerdeführer sich größtenteils nicht dort, sondern in Ungarn aufhielt, also keine feste soziale Integration im Inland gegeben ist, was angesichts der Größe der ihm mutmaßlich bevorstehenden Strafe ersichtlich der Annahme entgegensteht, es sei auszuschließen, daß er sich der weiteren Strafverfolgung durch Flucht entziehen würde. Da mithin schon Fluchtgefahr nicht ausgeschlossen werden kann, erübrigt es sich, zusätzlich noch die Ausschließbarkeit des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr zu prüfen.

Auch unter dem Blickwinkel auf die Verhältnismäßigkeit der Haft ist der Beschwerdeführer in seinem Grundrecht nicht beeinträchtigt:

Nach einhelliger oberstgerichtlicher Judikatur (14 Os 95/93; siehe auch Mayerhofer-Rieder, StPO3, E. 4 und 5 zu § 193 StPO) gelten die Haftbefristungen nach § 193 Abs 3 und 4 - dem Wortlaut und Sinn des Gesetzes entsprechend - nur für die Untersuchungshaft, sodaß weder Zeiten der Anhaltung in polizeilicher oder gerichtlicher Verwahrungshaft noch eine (im In- oder Ausland erlittene) Auslieferungshaft, ebensowenig aber eine ausländische "Untersuchungshaft", der mangels gesetzlicher Gleichstellung der Charakter einer Untersuchungshaft im Sinne der österreichischen Strafprozeßordnung fehlt, einzurechnen sind. Damit liegt aber eine Fristüberschreitung nach § 193 Abs 3 und 4 StPO nicht vor, zumal das Oberlandesgericht Wien die höchstzulässige Dauer der Untersuchungshaft jeweils antragsgemäß rechtzeitig verlängert hat.

Da schließlich angesichts der gegebenen Strafdrohung (zehn bis zwanzig Jahre Freiheitsstrafe) die Dauer der Untersuchungshaft nicht offenbar unangemessen erscheint, wurde durch den angefochtenen Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien das Grundrecht des Angeklagten Josef H***** auf persönliche Freiheit nicht verletzt (§ 2 Abs 1 iVm § 7 GRBG), weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

Demzufolge hatte gemäß § 8 GRBG ein Ausspruch über den Ersatz der Beschwerdekosten zu entfallen.

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