OGH 8Ob510/93

OGH8Ob510/9315.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Gunther Griehsler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Edgar Huber, Dr. Birgit Jelinek, Dr. Ronald Rohrer und Dr. Ilse Huber als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** verstorbenen A***** S*****, *****, infolge Revisionsrekurses des erbserklärten Erben *****S*****, *****, vertreten durch Dr. Karl Hofer, öffentlicher Notar in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 18. Dezember 1992, 1 R 74/92-34, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Horn vom 26. Juni 1992, A 137/91-26, in Punkt 4 aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Erblasserin verstarb unter Hinterlassung letztwilliger Verfügungen, in denen sie ihren Sohn, den Rekurswerber, und eine Stiefenkelin je zur Hälfte als Erben einsetzte und fideikommissarische Substitutionen anordnete.

Der Gerichtskommissär ordnete Schätzungen der Verkehrswerte der der Erblasserin ganz bzw teilweise gehörenden Liegenschaften EZ 4 und 60 Grundbuch 10202 Dallein und EZ 199 Grundbuch 10209 Goggitsch und der Fahrnisse in der Wohnung der Erblasserin an. An den Schätzungen nahm der nunmehrige Rekurswerber teil. Am 17.12.1991 fand vor dem Gerichtskommissär eine Tagsatzung statt, zu der der Rekurswerber geladen, aber nicht erschienen war. Bei dieser Tagsatzung wurde ein Inventar errichtet und unter anderem die Liegenschaften und die Fahrnisse mit den Schätzwerten bewertet. Am gleichen Tag gab der Rekurswerber schriftlich auf Grund des Testamentes zur Hälfte des Nachlasses eine bedingte Erbserklärung ab und übersandte sie dem Gerichtskommissär.

Mit dem nur in Punkt 4 angefochtenen Beschluß legte das Erstgericht das Inventar mit Aktiven von S 476.729,50 und Passiven von S 50.000,--, somit mit einem Reinnachlaß von S 426.729,50 der Verlassenschaftsabhandlung zugrunde.

In dem dagegen gerichteten Rekurs beantragte der Rekurswerber, Punkt 4 dieses Beschlusses aufzuheben und das Inventar in der Weise zu berichtigen, daß u.a. hinsichtlich der Liegenschaften anstelle der Verkehrswerte die Einheitswerte aufgenommen würden oder dem Gerichtskommissär die neuerliche Inventierung des Nachlasses unter Berücksichtigung seines Standpunktes aufgetragen werde.

Das Rekursgericht hielt den Rekurs zwar aus anderen Gründen für berechtigt und hob Punkt 4 des erstgerichtlichen Beschlusses zur neuerlichen Entscheidung und Verfahrensergänzung auf, nicht jedoch aus dem jetzt allein noch strittigen Punkt, ob die Liegenschaften mit dem durch Schätzung ermittelten Verkehrswert oder mit dem Einheitswert in das Inventar aufzunehmen seien; diesbezüglich war es der Meinung, daß das Erstgericht zu Recht das Liegenschaftsvermögen der Erblasserin einer Schätzung unterzogen habe. Gemäß § 102 Abs 2 AußStrG sei eine gerichtliche Schätzung unbeweglicher Güter unter anderem dann vorzunehmen, wenn sie vom Gericht wegen der Berechnung des Pflichtteils oder aus anderen besonderen Gründen ausdrücklich angeordnet werde. Als ein derartiger besonderer Grund sei auch eine fideikommissarische Substitution anzusehen, dies umso mehr, als das Inventar nach § 97 Abs 1 AußStrG den Wert des Besitzes des Erblassers im Todeszeitpunkt anzeigen müsse. Es sprach aus, daß der Entscheidungsgegenstand insgesamt S 50.000,-- übersteige und der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil die Rechtsprechung zur Frage der Schätzung von Liegenschaftsvermögen im Abhandlungsverfahren uneinheitlich sei.

Der Revisionsrekurs des Rekurswerbers richtet sich nur mehr gegen die Anordnung der Schätzung des Liegenschaftsvermögens. Er beantragt, "den Beschluß des Erstgerichtes dahingehend zu ergänzen, daß eine Schätzung der Liegenschaft ausdrücklich nicht angeordnet wird". Er meint, daß der Gerichtskommissär zur Anordnung der Liegenschaftsschätzung gar nicht zuständig gewesen sei; eine diesbezügliche Anordnung hätte vom Verlassenschaftsgericht ergehen müssen. Im übrigen sei die Schätzung inhaltlich nicht notwendig gewesen. Die im § 102 Abs 2 AußStrG geforderten besonderen Gründe lägen im Fall einer fideikommissarischen Substitution nicht vor. Es sei auf den Zweck der Errichtung des Inventars im Einzelfall abzustellen. Dies diene hier nur dazu festzuhalten, welche Rechte zu einem späteren Zeitpunkt der Substitutionsabhandlung unterliegen. Da Liegenschaften nicht durch eine Schätzung beschrieben werden müßten, sondern durch den Grundbuchstand und den Stand des Vermessungskatasters eindeutig zu jeder Zeit identifiziert werden könnten, erscheine eine Beschreibung der Liegenschaften auch mit dem Verkehrswert unnötig und nur mit zu vermeidenden erheblichen Kosten verbunden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Im Sinne ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung (EvBl. 1961/126; 7 Ob 558/84) gilt hier die Schätzung als ausdrücklich gebilligt: Wurde die Schätzung zunächst ohne ausdrückliche Anordnung des Gerichtes durchgeführt, dann aber von ihm dem Inventar zugrundegelegt, so liegt in dieser nachträglichen Billigung eine "ausdrückliche", wenn auch nachträgliche Anordnung (Genehmigung). Der gestellte Rekursantrag "den Beschluß des Erstgerichtes dahingehend zu ergänzen, daß eine Schätzung der Liegenschaften ausdrücklich nicht angeordnet wird", ist daher verfehlt.

Der Revisionsrekurs ist jedoch auch in der Sache selbst nicht berechtigt; die Schätzung der Liegenschaften erfolgte aus den in § 102 Abs 2 AußStrG genannten "anderen besonderen Gründen" zu Recht.

Die von der älteren Rechtsprechung (EvBl. 1961/126; 4 Ob 501/76) vertretene Ansicht, bereits die Tatsache, daß der Einheitswert nicht dem tatsächlichen Wert der Liegenschaft entspricht, rechtfertige die Anordnung der gerichtlichen Schätzung, ist als überholt anzusehen. Nach neuerer Rechtsprechung (EvBl. 1979/214; 1 Ob 568/79) ist die Anordnung einer gerichtlichen Schätzung wegen des damit verbundenen Kostenaufwandes nur dann berechtigt, wenn die Interessen der Pflichtteilsberechtigten oder anderer Dritter zu wahren sind. Der Oberste Gerichtshof beschäftigte sich mit der Frage, ob zu diesen anderen Dritten auch die Nacherben gehören, soweit ersichtlich, erst einmal (EvBl. 1955/414) und erachtete dabei die bejahende Rechtsansicht nicht als offenbar gesetzwidrig im Sinne des § 16 AußStrG aF.

Eine neuerliche Überprüfung dieser Frage unter Ausklammerung der nun nicht mehr geltenden Rechtsmittelbeschränkungen führt zum gleichen Ergebnis: Nach § 608 ABGB ist der Erbe im Falle einer fideikommissarischen Substitution verpflichtet, die angetretene Erbschaft nach seinem Tod einem zweiten ernannten Erben zu überlassen. Der Erbe hat nach § 613 ABGB das eingeschränkte Eigentumsrecht mit den Rechten und Verbindlichkeiten eines Fruchtnießers und es stehen ihm daher nur Verfügungen über die Nutzungen und Früchte, nicht aber über die Substanz selbst zu. Zur Sicherung dieser Nacherbschaft ist gemäß § 92 Abs 2 Z 3 AußStrG von Amts wegen ein Inventar zu errichten dessen Zweck es ist, alles bewegliche und unbewegliche Vermögen des Erblassers zur Zeit seines Todes und dessen damaligen Wert klar anzuzeigen (§ 97 Abs 1 AußStrG; vgl den damit übereinstimmenden Inventarbegriff der §§ 191 f HGB). Auch wenn dem Rekurswerber zuzugeben ist, daß Liegenschaften an sich nicht durch Schätzung beschrieben werden müssen, weil sie durch den Grundbuchstand zu jeder Zeit eindeutig identifiziert werden können, so ist ihre Beschreibung und Schätzung notwendig, weil im Interesse der Nacherben der Istzustand der Liegenschaften festgehalten ist und auch klargestellt werden muß, ob und welches Zubehör mit welchem Wert zu den Liegenschaften gehört.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte