OGH 8Ob501/92(8Ob502/92)

OGH8Ob501/92(8Ob502/92)15.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.E.Huber, Dr.Jelinek, Dr.Rohrer und Dr.I.Huber als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1.) Josef Z*****, 2.) Maria Z***** (6 Cg 345/88 LG für ZRS Graz) und 3.) Theresia M***** (6 Cg 346/88 LG für ZRS Graz), alle vertreten durch Dr.Peter Semlitsch und Dr.Wolfgang Klobassa, Rechtsanwälte in Voitsberg, sowie der auf Seiten der Kläger beigetretenen Nebenintervenientin G*****genossenschaft *****, vertreten durch Dr.Peter Bartl, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei G***** GesmbH., vertreten durch Dr.Kurt Klein und Dr.Paul Wuntschek, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 385.500,- sA und Feststellung (6 Cg 345/88) sowie S 118.500,- sA und Feststellung (6 Cg 346/88) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 18.September 1991, GZ 2 R 84, 85/91-66, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teilurteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 29. Dezember 1990, GZ 6 Cg 345,346/88-57, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die vorinstanzlichen Entscheidungen werden dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Teilurteil zu lauten hat:

"1.) Es wird festgestellt, daß die beklagte Partei gegenüber Josef Z***** und Maria Z***** für sämtliche zukünftigen Schäden, die an deren Liegenschaft EZ ***** aus den im Rahmen des Großtagbaubetriebes der beklagten Partei von dieser bis zum 9.10.1990 gesetzten Schadenshandlungen entstehen, zur Gänze haftet.

Das Mehrbegehren auf Feststellung der Haftung der beklagten Partei auch für Schäden aus von ihr nach dem 9.10.1988 im Rahmen ihres Großtagbaubetriebes gesetzten Schadenshandlungen wird abgewiesen.

2.) Es wird festgestellt, daß die beklagte Partei gegenüber der Klägerin Theresia M***** für sämtliche Schäden, die an deren Liegenschaft EZ ***** aus den im Rahmen des Großtagebaubetriebes der beklagten Partei von dieser bis zum 9.10.1990 gesetzten Schadenshandlungen entstehen, zur Gänze haftet.

Das Mehrbegehren auf Feststellung der Haftung der beklagten Partei auch für Schäden aus von ihr nach dem 9.10.1988 im Rahmen ihres Großtagbaubetriebes gesetzten Schadenshandlungen wird abgewiesen.

3.) Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger Josef und Maria Z***** sind je Hälfteeigentümer, die Klägerin Theresia M***** ist Alleineigentümerin jeweils einer Liegenschaft in der Peter-L*****-Siedlung in *****. Erstere haben das Grundstück im Jahre 1960, letztere hat es im Jahre 1971 von der auf Seiten der Kläger dem Verfahren als Nebenintervenientin beigetretenen G*****genossenschaft *****, käuflich erworben und dann hierauf Siedlungshäuser errichtet. Diese befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft des "Großtagebaues O*****", für den der G***** - AG als der Rechtsvorgängerin der nunmehrigen beklagten Partei G***** GesmbH. auf ihr Ansuchen vom 29.1.1976 mit Bescheid der Berghauptmannschaft G***** vom 7.3.1978 Zl 2.225/77 unter bestimmten Bedingungen (Einhaltung von Auflagen) die bergbehördliche Bewilligung zum Braunkohlenbergbau erteilt worden war. Die beklagte Partei betreibt diesen Bergbau unbestrittenermaßen nach wie vor.

Mit der Behauptung, durch den gegenständlichen Bergbau seien an ihren Häusern in den 80-iger Jahren Schäden entstanden und solche drohten weiterhin auch in Zukunft, haben die nun klagenden Parteien Schadenersatzansprüche gegen die beklagte Partei geltend gemacht und begehren die Feststellung, daß ihnen die beklagte Partei für die künftigen Schäden, die ihnen an ihren Liegenschaften durch den Großtagebau entstehen, hafte. Hiezu bringen sie vor, daß durch den von der beklagten Partei betriebenen Tagbau, insbesondere durch Bodenveränderungen, unmittelbare Einwirkungen auf die Siedlungshäuser erfolgt und noch zu erwarten seien, weil man den Tagbau zu nahe an die Siedlung herangeführt und die Auflagen der Bergbehörde nicht vollständig erfüllt habe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klagebegehren. Sie vertritt den Standpunkt, die Peter-L*****-Siedlung sei mit Wissen der Siedler auf einer angeschütteten ehemaligen Abraumkippe, demnach auf nicht gewachsenem Boden, errichtet worden. Aus diesem Grunde seien der S*****genossenschaft seinerzeit die Grundstücke geradezu geschenkt und wegen dieser Risikolage sei auch generell die Reallast bzw. Dienstbarkeit des Bergschadenverzichtes in den Kaufverträgen vereinbart worden. Solcherart hätten die Siedler und damit auch die Kläger für sich und ihre Rechtsnachfolger auf jedwede Ersatzansprüche, die sich aus Einwirkungen welcher Art immer aus dem Bergbaubetrieb der beklagten Partei ergeben könnten, verzichtet. Insbesondere hätten die Kläger von diesem Bergschadensverzicht der S*****genossenschaft gewußt. Im übrigen sei im Kaufvertrag zwischen der S*****genossenschaft und den Klägern Z***** sogar ausdrücklich auf die Dienstbarkeit des Bergschadenverzichtes bzw. die entsprechende Reallast hingewiesen worden. Trotz Kenntnis der geologischen Umstände hätten es die Siedler aber unterlassen, bei der Bauführung für eine entsprechende Fundamentierung und/oder Zugbewehrung zu sorgen. Davon abgesehen sei aber die Abbautätigkeit der beklagten Partei für die bei den Häusern der Kläger eingetretenen Schäden gar nicht ursächlich. Die beklagte Partei habe bei dem in letzter Zeit eröffneten und vorangetriebenen Tagbau alle Sicherungsmaßnahmen gesetzt und behördlichen Auflagen erfüllt, sodaß sie keine Verantwortlichkeit treffe. Im übrigen seien die Schäden schon seit langer Zeit erkennbar gewesen, sodaß - und zwar auch im Sinne des § 191 Abs 1 Berggesetz 1975 - Verjährung der Ersatzansprüche vorliege. Im übrigen hätten die Kläger die Schäden auch nicht entsprechend angezeigt. Ihr Verhalten stelle schließlich ein "unabwendbares Ereignis" im Sinne des § 187 Abs 1 BergG dar.

Das Erstgericht gab den erhobenen Feststellungsbegehren mit Teilurteil statt. Es stellte fest:

Die beklagte Partei (richtig: ihre Rechtsvorgängerin) unterstützte nach dem Krieg den Wohnbau ihrer Mitarbeiter und verkaufte zu diesem Zwecke an die in den Jahren 1947/48 gegründete nunmehrige Nebenintervenientin mit Kaufvertrag vom 12.11.1951 zu einem sehr günstigen Preis Grundstücke bzw. Liegenschaften zur Errichtung der Peter-L*****-Siedlung. In Punkt VII des vorgenannten Kaufvertrages erklärte die nunmehrige Nebenintervenientin für sich und ihre Eigentums-Rechtsnachfolger, ein für allemal auf den Ersatz von wie immer gearteten, auch unvorhergesehenen, an Grundstücksteilen und Baulichkeiten durch den Bergbau der beklagten Partei (ihrer Rechtsvorgängerin) entstehenden und schon eingetretenen Bergschäden zu verzichten. In die von der nunmehrigen Nebenintervenientin sodann mit den Siedlern geschlossenen Kaufverträge wurde zwecks Absicherung der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei, die den alten, bis zum Jahre 1895 betriebenen Untertagbau fortzusetzen beabsichtigte, ein Verzicht auf den Ersatz von Bergschäden aufgenommen. Der zwischen der Nebenintervenientin und den Klägern Z***** abgeschlossene Kaufvertrag von 20.4.1960 enthält demgemäß in Punkt 11 den Hinweis auf die bestehende Dienstbarkeit des Bergschaden-Realverzichtes und die Reallast des Verzichtes auf jeden Schadenersatzanspruch im Sinne des Kaufvertrages aus dem Jahre 1951. In dem zwischen der nunmehrigen Nebenintervenientin und den Ehegatten M***** abgeschlossenen Kaufvertrag vom 17.7.1971 ist ein solcher Hinweis nicht enthalten, vielmehr enthält dieser Vertrag in Punkt V die Zusicherung der Lastenfreiheit. Schon seinerzeit war bekannt, daß die Siedlung auf einem problematischen, auf einer Halde liegenden Bereich erbaut wurde, obgleich die äußere Situation ungefährlich erschien (das Haus der Klägerin M***** steht allerdings im Sinne des Sachverständigengutachtens auf gewachsenem Boden). Die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei hätte erkennen ("ahnen und annehmen") können, daß der Tagbau auf den Siedlungsbereich Auswirkungen haben werde. Sie hat die ihr im Bewilligungsbescheid der Berghauptmannschaft für den Großtagbau O***** erteilten Auflagen "im

wesentlichen" eingehalten. Nach Errichtung der Häuser gab es

"vorerst keine Probleme". Das "änderte sich grundlegend", als die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei nach dem Jahre 1978 mit dem Großtagbau begann und ihn in den 80-iger Jahren vorantrieb. Auf ihrer Seite dachte niemand an die möglichen Auswirkungen auf die Siedlung;

man sah auf Grund eingeholter Sachverständigengutachen, insbesondere wegen der flach angelegten Böschungen, keine Gefahr für die Siedlungshäuser. Entgegen den Erwartungen traten jedoch durch den Tagbau massive Geländebewegungen ein, die ab dem Jahre 1987 zu gravierenden Gebäudeschäden führten. Im Bereich des Hauses Z***** ergaben sich (ca. ab dem Jahre 1983) Geländebewegungen. Ohne den Tagbau hätten diese nur zu geringen Schäden, wie kleinen Rissen und dergleichen, geführt. Durch das Vorantreiben des Tagbaues wären aber auch dann keine nennenswerten Folgen eingetreten, wenn die Fundamente des Hauses verstärkt worden wären. Das Objekt M***** liegt zwar auf festen Grund, aber unmittelbar neben der Bruchkante des alten, bis zum Jahre 1895 betriebenen Tief(=Untertag)Baues. Dort ist es durch die Herstellung der Böschung im Rahmen des Tagbaues zu einem unter dem Gebäude verlaufenden Parallelbruch gekommen. Mit weiteren Beeinträchtigungen der Häuser der Kläger und auch anderer Häuser im Siedlungsbereich ist zu rechnen. Bei Erkennen der Auswirkungen hätte man entweder an den Bauwerken selbst Sicherungen vornehmen können oder den Abbau einschränkend unter schonender Unterstützung der Böschung oder bei anderer Gestaltung der Böschung fortsetzen können.

In seiner rechtlichen Beurteilung zitierte das Erstgericht die Bestimmungen des § 364 a ABGB und der §§ 183 ff BergG 1975. Nach seiner Auffassung liege ein Fall von Erfolgshaftung vor, bei dem voller Schadenersatz (als verschuldensunabhängiger Ausgleich) zu leisten sei. Der Bergbauberechtigte (die beklagte Partei) habe unbewegliches Gut, insbesondere Gebäude, gegen jede Gefährdung durch den Bergbau möglichst zu sichern. Bei Untunlichkeit einer solchen Sicherung trotz Gefährdung habe der Bergbauberechtigte die Grundüberlassung zu erwirken. Er sei verpflichtet, sich darüber Klarheit zu verschaffen. Dieser Sorgfaltspflicht sei die beklagte Partei nicht nachgekommen, zumal sie die geologischen Verhältnisse erst in den Jahren 1988/1989 durch Kernbohrungen geklärt habe. Auch nach dem Jahre 1987, als die "Senkungsbeschleunigung" im Zusammenhang mit dem Abbau offenbar geworden sei, habe die beklagte Partei die Abbautätigkeit noch weiterhin fortgesetzt. Sie hafte daher auch für sogenannte Bergschäden im Sinne des § 183 BergG. Die Schadenersatzansprüche der Kläger seien nicht verjährt, da die Schadensursache und das Drohen weiterer Schäden, erst im Jahre 1987 klar geworden sei. Vorher habe die Verjährungsfrist nicht zu laufen begonnen. Eine Anzeige nach § 192 BergG durch die Kläger sei infolge der ohnehin gegebenen Kenntnis der Beklagten von den Schäden nicht erforderlich gewesen. Die Berufung der beklagten Partei auf das Vorliegen eines Bergschadenverzichtes bzw. auch die Verzichtsvereinbarung selbst sei sittenwidrig und es könne daher dahingestellt bleiben, ob von den Klägern ein solcher Verzicht überhaupt übernommen worden sei. Auf künftige Schadenersatzansprüche könne nur bezüglich vorhersehbarer und kalkulierbarer Risken verzichtet werden. In den Jahren 1951 bzw. 1960 und 1971 habe man noch nicht ahnen können, daß später ein Tagbau betrieben werde, der dann erst durch neue Technologien möglich geworden sei. Ein Mitverschulden der Kläger sei auszuschließen, weil die vorangegangenen unbedeutenden Einwirkungen durch die sodann eingetretenen Entwicklungen überholt worden seien.

Das Berufungsgericht verwarf die wegen der unterbliebenen Verkündung des Schlusses der mündlichen Verhandlung - es erfolgte nur eine Aufforderung zum Einlegen der Kostenverzeichnisse - von der beklagten Partei erhobene Nichtigkeitsberufung und gab der Berufung im übrigen nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt und daß die Revision zulässig sei und führte in der Urteilsbegründung ua. aus:

Da die Kläger keinen bestimmten Rechtsgrund geltend gemacht hätten, sei eine Überprüfung hinsichtlich aller denkbaren anspruchsbegründeten Normen vorzunehmen. Es schade ihnen die Rechtsprechung nicht, nach der die dem Nachbarn zustehenden Ausgleichsansprüche keine Schadenersatzansprüche im Sinne der §§ 1295 ff ABGB, darstellten und nur dann in Betracht kämen, wenn dem vom Nachbar Geschädigten ein Abwehrrecht genommen sei, er also die Einwirkungen auf sein Grundstück dulden müsse. Koziol Haftpflichtrecht2 II 41, erblicke unter Berufung auf Rummel, Ersatzansprüche bei summierten Immissionen 1969, S 103, die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von Gefährdungshaftung bei Bergbautätigkeiten einerseits und nachbarrechtlicher Eingriffshandlung andererseits darin, daß Schäden, die der Bergbauberechtigte "vorsätzlich herbeiführen durfte", nur in den Anwendungsbereich des § 364 a ABGB und nicht in den Geltungsbereich des Berggesetzes fielen. Es sei daher (wie Rummel aaO 104 meint) im Einzelfall zu fragen, ob der Bergbauberechtigte die entsprechende Betriebshandlung - hier den weiteren Braunkohlenabbau in unmittelbarer Nachbarschaft der Siedlungshäuser - auch dann hätte vornehmen dürfen, wenn er vom Schadenseintritt positive Kenntnis gehabt hätte; sei das der Fall, so greife nur § 364 a ABGB ein. Im vorliegenden Fall sei auch bei Schluß der Verhandlung erster Instanz noch ungeklärt gewesen, ob die Bergbehörde mit Rücksicht auf die bei der Klageeinbringung schon vorgelegenen Schäden den von der beklagten Partei unbestrittermaßen weiterhin betriebenen Tagbau im Gefährdungsbereich untersagen werde. Der beklagten Partei sei zuzugeben, daß die vom Erstgericht getroffene Feststellung betreffend

die Einhaltung der behördlichen Auflagen unklar sei. Die beklagte Partei begehre hiezu die ergänzende Feststellung, alle relevanten Auflagen für den Großtagbau O***** seien von ihr erfüllt worden; hingegen behaupteten die Kläger die Mißachtung der wesentlichen Auflagen. Die unklare Feststellung des Erstgerichtes könne in dieser Form nicht übernommen werden, sei aber mit Rücksicht auf die noch darzustellende Rechtslage nicht ausschlaggebend. Ob der weitere Betrieb des Tagbaues nach Klageeinbringung genehmigungskonform erfolgt sei oder nicht, bleibe strittig. Gerade das spreche aber im Sinne der weiteren Darlegungen für eine analoge Anwendung des § 364 a ABGB. Keiner näheren Begründung bedürfe es, daß eine Haftung der beklagten Partei nur für solche schädlichen Einwirkungen auf die Häuser der Kläger in Betracht komme, für die der Bergbaubetrieb kausal sei; dies komme jedoch in den Klagebegehren und im Urteilsspruch ohnehin klar zum Ausdruck. Die beklagte Partei vertrete darüber hinaus den Standpunkt, die Kläger hätten auch künftige schädigende Einwirkungen des Tagbaues auf ihre Häuser ohne Anspruch auf Entschädigung zu dulden, zumal diesbezüglich eine Dienstbarkeit und eine Reallast bestünden bzw. ein wirksamer Verzicht auf den Ersatz von Bergschäden vorliege und weil sie selbst den Bergbau mit behördlicher Genehmigung und unter Einhaltung der behördlichen Auflagen betreibe. Im übrigen hätten die Kläger die Schäden (dh auch die künftigen Schäden) durch nicht fachgerechtes Bauen an gefährdetem Ort selbst (mit-)verschuldet. Aus diesen Gründen bestehe an der urteilsmäßigen Feststellung, daß dies nicht so sei, ein rechtliches Interesse im Sinne des § 228 ZPO. Die durch die Feststellungs- und Beweiswürdigungsrüge unberührt gebliebenen Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes reichten bereits aus, um die auf Feststellung gerichteten Klageansprüche zu bejahen:

Nach § 364 Abs 2 ABGB brauche der Grundeigentümer Einwirkungen (Immissionen) vom Nachbargrund, die das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigten, nicht zu dulden. Werde jedoch die Beeinträchtigung durch eine Bergwerksanlage oder eine behördlich genehmigte Anlage auf dem Nachbargrund auf eine dieses Maß überschreitende Weise verursacht, so sei der Grundbesitzer gemäß § 364 a ABGB nur berechtigt, den Ersatz des zugefügten Schadens gerichtlich zu verlangen, auch wenn der Schaden durch Umstände verursacht werde, auf die bei der behördlichen Verhandlung keine Rücksicht genommen worden sei. Gemäß § 364 b ABGB dürfe ein Grundstück nicht in der Weise vertieft werden, daß der Boden oder das Gebäude des Nachbarn die erforderliche Stütze verliere, es sei denn, daß der Besitzer des Grundstückes für eine genügende anderweitige Befestigung Vorsorge treffe. Bodenbewegungen durch einen benachbarten Tagbau seien geradezu als typisches Beispiel für die Anwendbarkeit dieses gesetzlichen Verbotes anzusehen. Der Bestand von Dienstbarkeiten oder Reallasten, die derartige unmittelbare Einwirkungen rechtfertigen könnten, sei nicht in Erwägung zu ziehen. Allerdings sei nach ständiger Rechtsprechung in einem solchen Fall ein vom Verschulden unabhängiger Ausgleichsanspruch nur dann gerechtfertigt, wenn eine Analogie zu § 364 a ABGB bestehe. Anknüpfungspunkt der Analogie sei die Grundsituation der Norm des § 364 a ABGB. Dem Geschädigten müsse ein Abwehrrecht genommen sein, das ihm nach dem Inhalt seines Eigentums an sich zugestanden wäre. Eine analoge Situation werde in Fällen angenommen, in denen die Abwehr des Eingriffes an sich zulässig bleibe, jedoch infolge der mit einer behördlichen Genehmigung zunächst verbundenen Annahme der Gesetzmäßigkeit und Gefahrlosigkeit der bewilligten Maßnahmen praktisch erschwert oder unmöglich gemacht werde. Dies treffe vor allem bei behördlich genehmigten Bau- und Abbrucharbeiten oder Aufgrabungen auf öffentlichen Verkehrs- und Erholungsflächen zu. Trotz der anscheinend verläßlichen Vorsorge gegen Immissionen werde in solchen Fällen eine dennoch vorhandene Gefährlichkeit oft erst erkennbar, wenn der Eingriff in das Eigentumsrecht bereits stattgefunden habe. Das treffe auch in den beiden hier zu beurteilenden Rechtsfällen zu. Da eine behördliche Abstellung der Eingriffe bei Schluß der Verhandlung erster Instanz ebenso ungewiß geblieben sei wie eine allenfalls genehmigungskonforme Vorgangsweise der Bergbauberechtigten, sei die Haftung der beklagten Partei für künftige Schäden an den Liegenschaften der Kläger im Sinne eines verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruches begründet. Die von der beklagten Partei bekämpfte Feststellung, sie hätte erkennen können, daß der Tagbau Auswirkungen auf den Siedlungsbereich haben werde, sei aus den dargelegten Gründen unerheblich. Die nur für die Beurteilung des Ersatzes eines Bergschadens zu prüfenden Fragen, ob auf Seite der beklagten Partei ein unabwendbares Ereignis vorliege, ob ein sogenannter "Bergschadensverzicht" auch für zukünftige Schäden wirksam erklärt worden sei und ob diesbezügliche Reallasten und Dienstbarkeiten bestünden, brauche ebenfalls nicht erörtert zu werden. Ein im übrigen strittiger Verzicht der Kläger könne sich schon begrifflich nicht auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch erstreckt haben. Eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien, die den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch ausschließen würde, liege nicht vor. Sie könne auch nicht in jenen Vereinbarungen erblickt werden, die die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei mit der Nebenintervenientin betreffend die Peter-L*****-Siedlung getroffen habe. Im übrigen sei auch das Berufungsgericht der Auffassung, daß die strittige Verzichtserklärung trotz ihrer scheinbar absoluten und grenzenlosen Formulierung solche Schäden nicht umfasse, die auf Umstände zurückgingen, die anläßlich der Vereinbarung von keiner Seite - Errichtung eines Großtagebaues in unmittelbarer Nähe der Häuser - bedacht und kalkuliert worden sei. Ein solcher absoluter Verzicht sei außerdem aus den schon vom Erstgericht angestellten Erwägungen als sittenwidrig und daher als unwirksam anzusehen. Zwar unterliege jede Entschädigungsklage - so auch die nach § 364 a ABGB - der dreijährigen Verjährung. Es setze aber jede übermäßige Immission als neue schädigende Handlung eine neue Verjährungsfrist in Lauf. Der Schädiger müsse beweisen, in welchem Zeitpunkt der Geschädigte Kenntnis von den schädlichen Folgen wiederholter oder fortgesetzter Immissionen erlangt habe. Für fortgesetzte Einwirkungen könne die Verjährungsfrist naturgemäß noch nicht abgelaufen sein. Die Feststellungeklage habe - auch bei drohender Wiederholung - Unterbrechungswirkung für 30 Jahre. Auch gegenüber dem Ausgleichsanspruch sei der Mitverschuldenseinwand der beklagten Partei zulässig; er sei aber nicht gerechtfertigt:

Diesbezüglich genüge der Hinweis, daß die Kläger beim Erwerb der Grundstücke und auch noch beim Bau der Häuser vor dem Jahre 1976 keineswegs hätten absehen können, daß später in unmittelbarer Nachbarschaft bis an die Böschung der Siedlung heran der Tagbau O***** behördlich genehmigt und von der beklagten Partei betrieben werde. Zu einer Verstärkung der Fundamente und ähnlichen Sicherheitsmaßnahmen beim Bauen habe daher damals keine Veranlassung bestanden.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhebt die beklagte Partei Revision mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Abweisung der Klagebegehren. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig und sie ist zum Teil auch gerechtfertigt.

Da nach ständiger Rechtsprechung sowohl die Verwerfung einer Nichtigkeitsberufung durch das Berufungsgericht als auch die berufungsgerichtliche Verneinung des Vorliegens behaupteter erstgerichtlicher Verfahrensmängel in dritter Instanz nicht mehr angefochten werden kann, sind die diesbezüglichen Revisionsausführungen unbeachtlich.

In der Rechtsrüge bringt die Revisionswerberin vor, die vorinstanzlichen Urteile stellten nicht klar, wann die für die zukünftigen Schäden an den Liegenschaften der Kläger "kausale Handlung" gesetzt worden sei. Das Berufungsgericht unterstelle offenbar nur Schäden auf Grund einer zukünftigen kausalen Handlung, das Erstgericht lege aber auch zukünftige Schäden auf Grund bereits in der Vergangenheit liegender kausaler Handlungen zugrunde, sodaß sein Urteilstenor zu unbestimmt erscheine. Im weiteren vertrete das Berufungsgericht die Auffassung, daß die Anwendbarkeit des § 364 a ABGB oder der Bestimmungen des BergG 1975 dafür entscheidend sei, ob der Bergbauberechtigte die entsprechende Betriebshandlung auch dann hätte vornehmen dürfen, wenn er vom Schadenseintritt positive Kenntnis gehabt hätte; in diesem Fall greife nur § 364 a ABGB ein. Ausgehend vom Urteilstenor erster Instanz, wonach es nicht auf den Zeitpunkt der jeweils kausalen Betriebshandlung ankomme, könne mit § 364 a ABGB nicht sachgerecht operiert werden, zumal erst die positive Kenntnis der beklagten Partei von Schadenseintritten die Anwendbarkeit dieser Norm - nach Auffassung der Vorinstanzen - rechtfertigen würde. Da aber nicht auszuschließen sei, daß kausale Handlungen für erst zukünftige Schadenseintritte noch vor dieser Kenntnis gesetzt worden sein, könne die Haftung der beklagten Partei für zukünftige Schäden nicht generell auf § 364 a ABGB gestützt werden. Darüberhinaus sei es rechtlich nicht richtig, die Bestimmungen des BergG 1975 und den § 364 a ABGB als voneinander vollkommen unabhängige Normen zu qualifizieren. Vor allem sei es nicht richtig, daß der Bestand einer Dienstbarkeit bzw. Reallast, die eine unmittelbare Einwirkung rechtfertigen könne, nicht in Erwägung zu ziehen wäre bzw. der Bergschadensverzicht bei einer Beurteilung im Rahmen des § 364 a ABGB keinerlei Bedeutung hätte. Vor allem sei nicht einsichtig, weshalb sich der Verzicht der Kläger "schon begrifflich" nicht auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch erstreckt haben solle. Damit müsse insbesondere Punkt VII des Kaufvertrages vom 12.11.1951 beachtet werden, in dem auf durch den Bergbau der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei entstandene und entstehende Schäden verzichtet werde. Der Begriff "Bergbau" sei jedenfalls eine präzise Beschreibung einer Tätigkeit, die richtigerweise einen nachbarrechtlichen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch geben würde, wenn darauf nicht verzichtet worden sei. Nachbarrechtliche Ansprüche seien jedenfalls nicht schlechthin unverzichtbar. Der seitens der klagenden Parteien abgegebene Bergschadensverzicht umfasse auch den Verzicht auf Geltendmachung der Ansprüche nach § 364 a ABGB, da ansonsten der abgegebene Bergschadensverzicht juristisch keinerlei Wirkung hätte und dies von den Parteien naturgemäß niemals beabsichtigt gewesen sei. Da das Berufungsgericht jedoch ausschließlich § 364 a ABGB für maßgebend halte und aus dieser Bestimmung allein die Haftung der beklagten Partei ableite, werde auf sämtliche übrigen Aspekte dieses Falles - Entgeltlichkeit des Verzichtes, Einhaltung der behördlichen Auflagen und eines hohen Sorgfaltsmaßstabes beim Bergbau - mangels Vorhersehbarkeit des Schadenseintrittes nicht eingegangen, weshalb es geradezu zwangsläufig zu einem unrichtigen Erkenntnis habe kommen müssen. Zur Zulässigkeit des Bergschadensverzichtes an sich und auch des Verzichtes auf zukünftige Schädigungen werde auf die deutsche Lehre hingewiesen, wonach künftige Ausgleichsansprüche ausgeschlossen werden könnten (Partsch, Die Rechtsstellung des Grundpfandgläubigers beim Bergschadensanspruch und Bergschadensverzicht auf der Grundlage des allgemeinen Berggesetzes, Dissertation Köln 1960, 38). Insbesondere Böddeker (Bergschaden, Bergschadensanspruch und Bergschadensverzicht, Dissertation Köln 1960, 20) weise darauf hin, daß trotz der Problematik der Vorhersehbarkeit künftiger Bergschäden und des Bewußtseins über die Tragweite bei Erklärungsabgabe weder Gesetz noch Sittenwidrigkeit beim Bergschadensverzicht anzunehmen seien. Schließlich verneine das Berufungsgericht zu Unrecht das Vorliegen eines Mitverschuldens der Kläger. Beim Gebäude der Kläger Z***** seien allein Baugrund und Hanglage, sowie die Tatsache des Tiefbaues ausreichende Gründe für eine zugbewehrte Fundamentierung gewesen. Das gleiche gelte für die Liegenschaft der Klägerin M*****, da zum damaligen Zeitpunkt bekannt gewesen sei, daß diese Lage für die Verwendung als Baugrund ungeeignet gewesen sei. Die Ausführungen des Berufungsgerichtes, zu einer Verstärkung der Fundamente und ähnlichen Sicherheitsmaßnahmen habe keine Veranlassung bestanden, seien daher unrichtig. Auch der Verjährungseinwand erscheine gerechtfertigt, weil kein Zweifel daran bestehen könne, daß bei einem Eintritt erster Schäden zwischen dem 4.2.1980 und 11.12.1981 Verjährungsfolgen gemäß § 1480 ABGB und § 191 Abs 1 BergG eingetreten seien.

Zu diesen Ausführungen wurde erwogen:

Die Kläger stützen ihre Feststellungsbegehren ganz allgemein auf die Behauptung, daß die beklagte Partei als Bergbauberechtigte für die ihnen an ihren Liegenschaften aus dem bis auf rund 50 m an die Wohnsiedlung herangeführten Abbaubetrieb in Zukunft entstehenden Schäden hafte. Auf der Grundlage der in den Klagen angeführten rechtserzeugenden Tatsachen subsumierte das Erstgericht den von ihm festgestellten Sachverhalt unter die Haftungsbestimmungen der §§ 183 BergG BGBl 1975/259 idgF und des § 364a ABGB. Das Berufungsgericht trat dieser Beurteilung grundsätzlich bei (S.13 seines Urteiles) und bejahte die erhobenen Feststellungsansprüche jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der nachbarrechtlichen Eingriffshaftung gemäß den § 364a und 364b ABGB (S.13 ff des Urteiles).

Gegen eine ihr im Sinne der § 183 ff BergG 1975 auferlegte Gefährdungshaftung wendet sich die Revisionswerberin mit der Begründung, sie habe im Rahmen ihres Abbaubetriebes sämtliche behördlichen Auflagen erfüllt und eine hohen Sorgfaltsmaßstab eingehalten.

Das Berufungsgericht hat die erstgerichtliche Feststellung, die beklagte Partei bzw. ihre Rechtsvorgängerin habe die für den Großtagbaubetrieb erteilten behördlichen Auflagen "im wesentlichen" erfüllt, auf Grund der Rüge der beklagten Partei über eine "vollständige Erfüllung aller Auflagen ihrerseits" zwar nicht übernommen, aber auch eine Feststellung in der begehrten Richtung unterlassen.

Legte man zugrunde, die beklagte Partei bzw. ihre Rechtsvorgängerin habe beim Heranrücken des Abbaubetriebes in die unmittelbare Nähe der Häuser diesbezügliche behördliche Auflagen mißachtet, so könnte schon deswegen von einem, von der beklagten Partei aber in keiner Weise bewiesenen, unabwendbaren Ereignis im Sinne des § 187 BergG 1975 nicht die Rede sein - die Anwendung eines hohen Sorgfaltsmaßstabes bedeutet noch nicht die für die Unabwendbarkeit eines Ergebnisses von Lehre und Rechtsprechung gefordete Beachtung jeder nach den Umständen des Falles gebotenen Sorgfalt - und die Gefährdungshaftung der beklagten Partei kann demgemäß grundsätzlich nicht bezweifelt werden:

Gemäß § 183 Abs 1 BergG 1975 liegt ein zu ersetzender Bergschaden

ohne weitere Voraussetzung ua. dann vor, wenn durch eine in § 2 Abs 1

leg.cit. angeführte Tätigkeit (= "........... Aufsuchen und Gewinnen

mineralischer Rohstoffe .........") eine Sache beschädigt wird. Diese

Bestimmung normiert - wie schon die früher den Bergschadenersatz

regelnde Bestimmung des § 64 des BergG BGBl 1954/73 (s. hiezu 65 Blg

VII GP, 27 über die "Erfolghaftung") - im Sinne der ausdrücklichen

Erklärung in den EB zur RV 1303 Blg 13.GP, 99 "für Bergschäden eine

Gefährdungshaftung ......... wobei zu den Bergschäden alle Schäden

zählen, die durch eine Bergbautätigkeit entstehen und nicht nur Schäden, die durch die Verformung der Tagesoberfläche in Form von Gebirgs- und Bodenbewegungen eintreten, die durch den Abbau von Vorkommen mineralischer Rohstoffe ausgelöst werden."

Im vorliegenden Falle handelt es sich gerade um Schäden aus der Verformung der Tagesoberfläche als Folge der durch den Großtagbau eingetretenen Bodenbewegungen; ihre Qualifikation als Bergschäden ist daher unzweifelhaft (zur verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung bei Bergbautätigkeit siehe weiters Koziol Haftpflichtrecht2 II 440 f).

Die Ausnahmebestimmung des § 183 Abs 2 Z 2 BergG 1975 betreffend den nicht zu ersetzenden Schaden an einem Grundstück, der durch dessen Benützung nach diesem Bundesgesetz oder einer bürgerlichrechtlichen Vereinbarung entsteht, bleibt hier jedenfalls außer Betracht, weil als eine derartige Bergschäden ausschließende Benützung nur jene nach den §§ 170 ff BergG 1975, d.i. die freiwillige oder zwangsweise Grundüberlassung zur Ausübung der in § 2 Abs 1 leg cit angeführten Tätigkeiten - wofür besondere Entschädigungsregeln vorgesehen sind - gilt (s. hiezu EB RV aaO 99), die Baugrundstücke von den Klägern der beklagten Partei bzw. ihrer Rechtsvorgängerin aber nicht für Bergbauzwecke überlassen worden sind.

Selbst wenn im Sinne der Behauptungen der Revisionswerberin eine der Betriebsgenehmigung konforme Abbautätigkeit zugrundegelegt wird, trifft sie weiters - entgegen der berufungsgerichtlichen Rechtsansicht also neben der Gefährdungshaftung - für die aus diesem Abbaubetrieb hervorgehenden, zur Beschädigung der Liegenschaften der Kläger führenden Einwirkungen grundsätzlich jedenfalls auch im Sinne der §§ 364a, 364 Abs 2, 364b ABGB die nachbarrechtliche Eingriffshaftung:

Die Bestimmung des § 189 BergG 1975 normiert ua, daß jene Vorschriften unberührt bleiben, nach denen der Bergbauberechtigte für den verursachten Bergschaden in weiterem Umfang als nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes haftet. In den EB zur RV (aaO 100) wird hiezu ausgeführt, daß diesbezüglich "vor allem der § 364a ABGB über die nachbarrechtliche Schadenshaftung und die schadenersatzrechtlichen Bestimmungen der §§ 1293 ff ABGB über die Verschuldenshaftung in Betracht kommen." Rummel, Ersatzansprüche bei summierten Immissionen 103, verwies bereits seinerzeit darauf, daß nachbarschaftsbedingte Bergschäden (damals im Sinne des § 64 BergG 1954) im § 364a ABGB mit Recht den sonstigen Immissionsfällen gleichgestellt seien. Von dieser Bestimmung sind weiterhin alle Bergschäden und darüber hinaus insbesondere auch Schäden umfaßt, für die nach dem BergG 1975 nicht gehaftet wird, zB., weil sie durch die berechtigte Benützung des Grundstückes durch den Bergbauberechtigten (§§ 170 ff BergG 1975) eintreten, also vom Bergbauberechtigten bewußt verursacht werden dürfen (siehe hiezu Koziol aaO 441, 443).

Nach der Bestimmung des § 364a ABGB ist dann, wenn eine Beeinträchtigung auf dem Nachbargrundstück in einer das Maß des § 364 Abs 2 ABGB überschreitenden Weise durch eine Bergwerksanlage oder eine behördlich genehmigte Anlage verursacht wird, der Grundbesitzer nur berechtigt, den Ersatz des zugefügten Schadens zu verlangen (= verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch). Einen Unterlassungsanspruch hat er nach Lehre und Rechtsprechung daher nur hinsichtlich Einwirkungen, die durch die Betriebsgenehmigung nicht gedeckt sind (vgl Spielbüchler in Rummel ABGB2 Rz 4 zu § 364a mwN; SZ 61/273; SZ 51/47 ua).

Selbst wenn im Sinne der erstgerichtlichen Feststellung und der Revisionsbehauptungen die Deckung der Einwirkungen des Tagbaubetriebes der beklagten Partei durch die Betriebsgenehmigung zugrundelegt wird, steht den Klägern somit gemäß § 364a ABGB - statt des Unterlassungsanspruches - grundsätzlich der verschuldensunabhängige Ausgleichsanspruch zu; dieser umfaßt volle Schadloshaltung (Spielbüchler aaO Rz 9 zu § 364a, Rz 6 zu § 364b).

Demgemäß ist die beklagte Partei aber sowohl unter dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung als auch jenem der nachbarrechtlichen Eingriffshaftung im Sinne der erhobenen Feststellungsbegehren für die nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen durch den Großtagbau an den Liegenschaften der Kläger entstehenden zukünftigen Schäden grundsätzlich haftbar.

Entgegen ihrer Ansicht kann sie auch der von der Siedlungsgenossenschaft, der nunmehrigen Nebenintervenientin, im seinerzeitigen Kaufvertrag hinsichtlich der aus dem Bergbaubetrieb hervorgehenden Bergschäden übernommene Realschadensverzicht von dieser Haftung nicht befreien:

Grundsätzlich sind künftige Bergschäden betreffende Verzichtserklärungen nach den Berggesetzen zulässig. Bereits das zum Zeitpunkt des gegenständlichen Vertragsabschlusses zwischen der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei und der Nebenintervenientin geltende BergG 1954 sah in § 64 Abs 4 ausdrücklich die Möglichkeit eines vertraglichen vollen Verzichtes auf den Ersatz von Vermögensschäden und teilweise auch von Personenschäden vor. Auch § 190 des geltenden BergG 1975 normiert, daß die Verpflichtung des Bergbauberechtigten zum Ersatz bestimmter Personenschäden im vorhinein weder ausgeschlossen noch beschränkt werden darf und daß entgegenstehende Vereinbarungen nichtig sind; hieraus folgt ebenfalls die Gültigkeit von Verzichtserklärungen betreffend Vermögensschäden, wie dies die EB zur RV, S.100, auch ausdrücklich erklären. Der sogenannte "Verzichtsrevers" wird im Zusammenhang mit der nachträglichen Errichtung eines Gebäudes auf vom Bergbauberechtigten benutzten fremden Grund bereits von Herbatschek, Handbuch des österr. Bergschadensrechtes, 1918, S.222, als gültig bezeichnet, da er weder gegen die guten Sitten verstoße noch eine Schenkung darstelle; die Rechtsprechung nahm zunächst und nach einer kurzzeitigen Judikaturänderung schließlich wiederum auch seine bücherliche Einverleibungsfähigkeit an (Herbatschek aaO 226 ff; ablehnend GlUNF 15.481; als Grunddienstbarkeit zulassend GlUNF 3.896). Ehrenzweig schreibt (I/2, 326) bei Erörterung der Dienstbarkeiten "Eine eigenartige Gruppe bilden die Realverzichte. Sie sind weder bejahende noch verneinende Dienstbarkeiten, denn sie verpflichten den Eigentümer des dienenden Grundstückes weder zu einer Duldung noch zu einer Unterlassung. Sie begründen aber auch keine Leistungspflicht, ihre Aufgabe ist es vielmehr, eine solche auszuschließen. Sie sind also das Gegenteil der Reallasten. Sie befreien den Eigentümer des herrschenden Grundstückes von einer im Nachbarrecht begründeten Leistungspflicht. So kann z.B. für eine Fabrik eine Dienstbarkeit des Inhaltes begründet werden, daß dem Nachbarn kein Anspruch auf Schadenersatz wegen der Belästigungen durch den Fabriksbetrieb (§ 364a) erwachsen solle. Ebenso kann der Eigentümer eines Grundstückes für sich und seinen Besitznachfolger auf den Ersatz von Bergschäden verzichten." Nach Klang2 II stellt der Verzicht des Grundeigentümers auf künftige Schadenersatzansprüche, so insbesondere wegen Schäden aus dem Bergbaubetrieb oder auf den nachbarrechtlichen Schadenersatzanspruch wegen Belästigung durch einen Fabriksbetrieb keine Dienstbarkeit dar, solche Realverzichte begründeten aber eine dingliche Belastung des Grundeigentumes und seien gemäß § 9 GBG einverleibungsfähig.

In der Entscheidung 1 Ob 614/79 sprach der Oberste Gerichtshof aus, Aufgabe des auch künftige Schadersatzansprüche umfassenden Realverzichtes sei es, eine Verpflichtung auszuschließen und den Eigentümer des herrschenden Grundstückes von einer im Nachbarrecht begründeten Verpflichtung zu befreien. Unwirksam sei ein solcher Verzicht, soweit sich die davon betroffenen Rechtsverhältisse nicht im vorhinein überblicken ließen, weil nach Lehre und Rechtsprechung nur vorhersehbare und kalkulierbare Risken verzichtbar sind; die Auslegung derartiger Vereinbarungen hat gemäß § 914 ABGB nach der Übung des redlichen Verkehrs zu erfolgen.

Unter diesen Gesichtspunkten stellt sich hier die Frage, ob der von der Nebenintervenientin für sich und ihre Rechtsnachfolger abgegebene Verzicht "auf den Ersatz sämtlicher, wie immer gearteter Bergschäden, auch solcher unvorhergesehener Art", auch Einwirkungen aus dem nunmehrigen Obertagbau der beklagten Partei umfaßt. Die diesbezügliche Auslegung - eine bestimmte Parteienabsicht wurde weder behauptet noch bewiesen - nach der redlichen Verkehrsauffassung führt zum Ergebnis, daß im Hinblick auf die im Bergbau grundsätzlich - hier wurde nichts Gegenteiliges behauptet - gegebene Möglichkeit, entsprechend der Situierung der jeweils aufgefundenen Lagerstätten Untertagbau und/oder Obertagbau zu betreiben, ein künftiger Obertagbau mit den daraus hervorgehenden Einwirkungen nicht als unvorhersehbar gelten kann. Das gleiche gilt in der allgemein durch das Wesensmerkmal ständiger Weiterentwicklung gekennzeichneten Technik auch für künftige neue Abbautechnologien. Da der Kohlenbergbau von der beklagten Partei bzw. von ihrer Rechtsvorgängerin jedenfalls schon seit dem vorigen Jahrhundert und weiterhin ständig - auch in Form des Obertagbaues - betrieben wurde, war daher auch mit einem Heranrücken an die Siedlung in Form des Untertag- oder des Obertagbetriebes jedenfalls zu rechnen, zumal die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei auch keine gegenteilige Erklärung abgab. Ganz allgemein gilt nun, daß derjenige, der in unmittelbarer Nähe des Abbaubetriebes eines Bergbauberechtigten ein Gebäude errichtet und auf Ersatz von künftigen Bergschäden verzichtet, gemäß den berggesetzlichen Bestimmungen für Vermögensschäden zulässigerweise allein die Schadenstragung übernimmt. Er geht damit auch das Risiko ein, daß der Bergbauberechtigte im Rahmen der Betriebsbewilligung den Abbau bis an die Grundgrenze heran durchführt. Hinsichtlich einer Benützung des Grundstückes selbst schaffen die §§ 170 ff BergG 1975 Abhilfe.

In diesem Sinne umfaßt daher der von der Nebenintervenientin abgegebene, allerdings nur den Käufern Z***** vertraglich überbundene Realverzicht - die vorgesehene bücherliche Einverleibung ist nach dem amtswegig überprüften Inhalt des Grundbuches offenbar versehentlich unterblieben - grundsätzlich sowohl den Verzicht auf die Geltendmachung der Gefährdungshaftung als auch der nachbarrechtlichen Eingriffshaftung der beklagten Partei bzw. ihrer Rechtsvorgängerin betreffend den späteren Großtagbaubetrieb. Dennoch ist für die beklagte Partei hieraus nichts gewonnen:

Sie hat als Bergbauberechtigte und Grundeigentümerin den Klägern die Grundstücke zum Zwecke der Verbauung - wenngleich zu einem günstigen Preis - verkauft. In diesem Falle kann ein von den Käufern - wohl in Anbetracht des günstigen Kaufpreises - abgegebener Bergschadensverzicht aber nur für künftige Schäden aus der bei Vertragsabschluß bereits bestehenden Gefahrenlage und nicht auch für die durch eine spätere Heranführung des Tagbaubetriebes in die unmittelbare Nähe der verkauften Baugrundstücke auf diesen eintretenden Schäden gelten, denn eine derartige zerstörerische Einwirkung steht mit dem vereinbarten bestimmungsgemäßen Verwendungszweck des Kaufobjekts als Baugrundstück in Widerspruch und war daher nach Treu und Glauben nicht zu erwarten. Andernfalls könnte die beklagte Partei sehenden Auges die auf den zum Zwecke gerade der Verbauung verkauften Grundstücken errichteten Wohnhäuser wieder demolieren und dies kann bei redlichen Vertragspartnern wohl keinesfalls als Vertragsinhalt unterstellt werden. Die beklagte Partei hat mit dem Vertragsabschluß gegenüber den Käufern (Klägern) vielmehr unabdingbare Schutzpflichten übernommen, die sie auch nicht durch den allgemeinen Bergschadensverzicht abschütteln konnte. Sie durfte deshalb nicht so nahe an die Siedlung, in der sich u.a. die Häuser der Kläger befinden, mit ihrer Abbautätigkeit herangehen, daß es zu einer konkreten Gefahr kommt, die sich nun verwirklicht hat. Der den Klägern Z***** im Vertrag auferlegte Realschadensverzicht - die Klägerin M***** hat nach dem Inhalt ihres Kaufvertrages von der der beklagten Partei insoweit haftbaren Nebenintervenientin ohnehin lastenfrei erworben - bleibt somit letztendlich ohne Auswirkung.

Nach den dem Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen wurden die massiven Schädigungen der Liegenschaften der Kläger durch den an die Siedlung unmittelbar herangeführten Großtagebau der beklagten Partei verursacht und es droht hieraus und auch aus der Fortführung dieses Tagebaues weiterer Schadenseintritt. Da auch nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche Gegenstand einer Feststellungsklage sein können (SZ 35/111; 1 Ob 45/75; EvBl 1983/126 S.465; 2 Ob 531/92 ua), sind die von den Klägern erhobenen Feststellungsbegehren grundsätzlich zulässig. Allerdings müssen sie sich auf den Ersatz künftiger Schäden aus bereits gesetzten Schadenshandlungen beziehen, Schäden aus erst allfälligen künftigen, also bei Schluß der mündlichen Verhandlung am 9.10.1990 noch gar nicht feststehenden weiteren Schadenshandlungen der beklagten Partei können hievon nicht erfaßt werden. In diesem Sinn war in Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen das diesbezügliche jeweilige Mehrbegehren abzuweisen. Die weiteren Einwendungen der beklagten Partei sind dagegen unberechtigt.

Beim Bau der Häuser der Kläger mußte wohl auf die aus der Lage der Baugründstücke auf einer Abraumkippe und auf die unterirdischen Bodenveränderungen durch den seinerzeitigen Untertagbau und die daraus hervorgehenden Gefahren entsprechend Bedacht genommen werden. Die hieraus resultierenden Schäden sind nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen jedoch geringfügiger Natur. Da zusätzliche Gefahren aus der künftigen Entwicklung des Abbaubetriebes kaum konkret bestimmbar waren, kann aber nicht verlangt werden, daß die Kläger auch solchen Gefahren schon von vornherein durch kostenintensive Sicherungsmaßnahmen präventiv entgegentreten. Ein Mitverschulden ihrerseits (§ 188 BergG 1975) an den aus dem Großtagbaubetrieb der beklagten Partei hervorgehenden Schädigungen ist daher zu verneinen. Die schließlich behauptete Verjährung künftiger, also ab dem Zeitpunkt der Klageeinbringung aus bereits gesetzten Schadenshandlungen entstehender Schadenersatzansprüche, und allein solche sind Gegenstand des Revisionsverfahrens, ist schon begrifflich nicht möglich.

Aus diesen Erwägungen war der Revision teilweise Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

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