OGH 7Ob23/93

OGH7Ob23/9314.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei prot. Firma B*****-Fabrik, ***** vertreten durch Dr.Manfred Schnurer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei ***** Versicherung*****, vertreten durch Dr.Alfred Ruschitzger und Dr.Wolfgang Muchitsch, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 2,495.786,-- s. A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 14.Jänner 1993, GZ 3 R 87/92-42, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 5.Februar 1992, GZ 10 Cg 25/91-35, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das in Ansehung der Abweisung des Hauptbegehrens (Feststellung) unbekämpft geblieben ist, in seinem Punkt II (Stattgebung des Zahlungsbegehrens, Kostenentscheidung) aufgehoben und dem Berufungsgericht insoweit eine neue Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Der Betrieb der klagenden Partei ist bei der beklagten Partei haftpflichtversichert, dieser Versicherung liegen die AHVB 1986 und die EHVB 1986 zugrunde. Art.7 (Ausschlüsse vom Versicherungsschutz) Punkt 2 lautet: Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen der Personen, die den Schaden, für den sie von einem Dritten verantwortlich gemacht werden, rechtswidrig und vorsätzlich herbeigeführt haben. Dem Vorsatz wird gleichgehalten

2.1. eine Handlung oder Unterlassung, bei welcher der Schadenseintritt mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden mußte, jedoch in Kauf genommen wurde (zB im Hinblick auf die Wahl einer kosten- oder zeitsparenden Arbeitsweise);

2.2. die Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von hergestellten oder gelieferten Waren oder geleisteten Arbeiten.

Im Juni 1988 setzten zwei Hafnergesellen der klagenden Partei, E***** und J*****, in Erfüllung eines der klagenden Partei erteilten Werkauftrages zwei durch ein Blechrohr miteinander verbundene Kachelöfen, wobei der eine im Unter- und der andere im Obergeschoß sich befand. Beim Durchstemmen der Decke zum Zweck des Durchziehens des Rauchrohres stießen sie auf einen Trambaum. Sie schnitten diesen so weit aus, daß das Blechrohr doppelt mit Isoliermaterial umwickelt werden konnte und dann noch ca. 2,5 cm Abstand bis zum Holz bestand. Sie waren aufgrund der Werbung der Meinung, daß das Isoliermaterial Hitze bis zu 1400 Grad abdämmen könne. Normalerweise werden bei dieser Kachelofenausführung "Schamottebatterien" verwendet. Den Arbeitern war nicht bekannt, daß es Vorschriften gibt (§ 29 der Bautechnikverordnung des Bundeslandes Vorarlberg vom 30.12.1986, § 38 der Steiermärkischen Bauordnung vom 25.10.1968) wonach Rauchrohre mindestens 50 cm von brennbaren Teilen entfernt sein müssen. Bei brennhemmender Ausführung ist ein Abstand von 25 cm ausreichend. Diese Vorschriften werden in Berufsschulen gelehrt und hätten den beiden Hafnern bekannt sein müssen. Trotz der genannten Vorschriften erscheint in der Praxis ein Abstand von 10 cm zu einem brennbaren Material als brandschutzsicher, was auch so gehandhabt wird. Für einen Gesellen war der im gegenständlichen Fall eingehaltene Abstand von 2,5 cm als zu gering erkennbar. An der gegenständlichen Stelle hätte der Tram weggeschnitten werden müssen, was eine komplette Auswechslung der Dachkonstruktion im Bereich des Abzugsrohres notwendig gemacht hätte. Die vorgenommene Isolierung war nicht geeignet, eine Entzündung zu verhindern. Infolge der nicht vorhandenen Sicherheitsabstände kam es zwangsläufig zum Brandausbruch. Beide Gesellen wurden wegen fahrlässiger Brandstiftung rechtskräftig verurteilt.

Die Klägerin begehrt gegenüber der Beklagten die Feststellung der Versicherungsdeckung sowie in eventu die Bezahlung von S 2,495.786,--, mit der sich die Feuerversicherung an ihr regressieren wolle. Die beiden Hafnergesellen seien der Meinung gewesen, den Holztram durch entsprechende Isolierung des Rauchrohres ausreichend geschützt zu haben. Sie hätten nichts von den gesetzlichen Vorschriften über den einzuhaltenden Mindestabstand gewußt. Art.7.2 der AHVB beziehe sich nur auf Schadenersatzansprüche, die rechtswidrig und vorsätzlich herbeigeführt worden seien.

Die beklagte Partei wendete ein, daß sie aufgrund des Art.7 der AHVB und des Abschnittes A 3 der EHVB 1986 leistungsfrei sei. Den beiden Mitarbeitern der Klägerin, die eigenverantwortlich tätig gewesen seien, falle grobe Fahrlässigkeit zur Last.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die beiden Gesellen seien Erfüllungsgehilfen der Klägerin im Sinne des § 1313a ABGB gewesen. Sie hätten einer kosten- und zeitsparenden Arbeitsweise wegen den mit Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Schadenseintritt in Kauf genommen, ihr Verhalten sei daher als grob fahrlässig zu beurteilen.

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Feststellungsbegehrens; dieser Teilausspruch erwuchs in Rechtskraft. Im übrigen änderte es mit der angefochtenen Entscheidung das Ersturteil ab und gab dem Leistungsbegehren statt. Die Revision erklärte es für unzulässig. Der Risikoausschluß nach Abschnitt A Punkt 3 der EHVB 1986 beziehe sich nur auf leitende Angestellte. Den beiden Hafnergesellen der klagenden Partei sei keine dem Unternehmer gleichwertige Stellung auf einem bestimmten Gebiet der Geschäftsführung zugekommen. Sie seien daher keine leitende Angestellte im Sinne der Ausschlußklausel gewesen. Zu Art.7.2.1 und 7.2.2 der AHVB sei der beklagten Partei der Beweis nicht gelungen, daß den beiden Hafnergesellen bedingter Vorsatz zur Last zu legen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, weil zu Art.7 Z 2.1 und Z 2.2 der AHVB 1986 noch keine Rechtsprechung besteht.

Sowohl bei der Bestimmung des Art.7 der AHVB als auch beim Abschnitt A Punkt 3 der EHVB handelt es sich um Risikoausschlüsse. Dies ist zwar bei Art 7 Pt.2.1 AHVB nicht wünschenswert klar, weil mit dem Hinweis auf die Wahl einer kosten- und zeitsparenden Arbeitsweise auf ein Verhalten des Versicherungsnehmers Bezug genommen wird. Diesen Zweifel beseitigt aber die einleitende Bestimmung des Art.7, Punkt 2, wonach für rechtswidrige und vorsätzlich herbeigeführte Schäden kein Versicherungsschutz besteht. In Pt.2.1 wird lediglich die Umschreibung eines besonders gelagerten Fehlverhaltens vorgenommen und dazu ein Beispiel gegeben. Für die Annahme von Obliegenheiten ist das vom Versicherungsnehmer geforderte Verhalten viel zu wenig bestimmt umschrieben (vgl. Fenyves, Die AHVB 1978 aus der Sicht der Lehre, VR 1982, 84 ff, insbes. 94).

Nach ständiger Rechtsprechung hat der Versicherer den Risikoausschluß nachzuweisen (vgl. auch Fenyves aaO, 96).

Dem Berufungsgericht ist beizustimmen, daß es sich bei den beiden Mitarbeitern der Klägerin um keine leitenden Angestellten im Sinne des § 36 Abs.2 Z 3 ArbVG handelte, weil ihnen kein maßgeblicher Einfluß auf die Betriebsführung zukam (vgl. MKK ArbVG § 36/9 ff; Czerny u.a. ArbVG II, 165). Die Ausführung einer Heizanlage wie der gegenständlichen bringt noch nicht eine leitende Angestellteneigenschaft mit sich.

Die Repräsentantenhaftung (vgl. Prölss-Martin VVG25, 104 ff) wird von der österreichischen Rechtsprechung abgelehnt (vgl. für viele andere Schauer, Einführung in das österreichische Versicherungsvertragsrecht2, 194 FN 732). Die beklagte Partei vermag gegen diese Rechtsprechung keine neuen Argumente ins Treffen zu führen. Die beiden Hafnergesellen könnten im übrigen auch keineswegs als "Repräsentanten" angesehen werden.

Ein Haftungsausschluß für aufsichtsführende Arbeiter (zB Poliere) war zwar in der Vorläuferin der gegenständlichen Versicherungsbedingungen, nämlich den AHVB und den EHVB 1963 Punkt 3 Z 5 vorgesehen (vgl. ZVR 1977/82 = S.120). Diese Bestimmung wurde aber durch Abschnitt A Punkt 3 der EHVB 1986 abgeändert.

Ob die beklagte Partei die Voraussetzungen für einen Risikoausschluß nach Art.7 Punkt 2.1 und 2.2. der AHVB unter Beweis gestellt hat, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Nach Art.7 Pkt.2., ist der Versicherer, wie eingangs dargelegt, von seiner Leistungsverpflichtung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Schaden, für den er von einem Dritten verantwortlich gemacht wird, rechtswidrig und vorsätzlich herbeigeführt hat. Dem Vorsatz wird gleichgehalten (Pt. 2.1) eine Handlung oder Unterlassung, bei welcher der Schadenseintritt mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden mußte, jedoch in Kauf genommen wurde und (Pt 2.2) die Kenntnis der Mangelhaftigkeit und Schädlichkeit von ... geleisteten Arbeiten. Der Vorsatz des Versicherungsnehmers iS des Punktes 2.1 wie auch A.3. der EHVB braucht sich daher nur auf das Zuwiderhandeln, nicht aber auch auf die damit möglicherweise verbundenen Schadensfolgen erstrecken; selbst wenn der Versicherungsnehmer den Eintritt des Schadens also nicht billigt, sondern im Gegenteil hofft, daß er nicht eintreten werde, reicht der bewußte Verstoß für sich allein schon aus, um die Leistungsfreiheit des Versicherers zu bewirken. "Bewußt" zuwiderhandeln kann man aber nur gegen Vorschriften, die man kennt. Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung ist also, daß der Versicherungsnehmer die konkrete übertretene Norm kennt und daß ihm bewußt ist, daß er gegen sie verstößt; ein bloßes Kennenmüssen genügt dagegen nicht. Für das "Kennen" ist aber nicht erforderlich, daß dem Versicherungsnehmer die Verbotsvorschrift in ihrem Wortlaut und ihrem gesamten Umfang bekannt ist, vielmehr genügt es, daß er sich bei seiner Vorgangsweise nur dessen bewußt ist, daß er damit gegen eine Vorschrift verstößt (vgl. Fenyves, aaO, 95 f). Das Erstgericht stellte fest, daß den beiden Arbeitern der Klägerin die Vorschriften über die Einhaltung des Mindestabstandes zwischen einem Abzugsrohr und Holzbauteilen nicht bekannt waren, obwohl diese Brandschutzvorschriften in der von Hafnergesellen zu besuchenden Berufsschule gelehrt werden und ihnen bekannt sein müssen (vgl. AS 125), und gelangte auch zur Feststellung, daß einem Hafnergesellen der eingehaltene Abstand von 2,5 cm als zu gering erkennbar war (AS 129). Diese Feststellungen wurden von beiden Parteien hinsichtlich ihrer Richtigkeit und Vollständigkeit bekämpft (vgl AS 154 ff). Das Berufungsgericht unterließ es aber aufgrund einer unzutreffenden Rechtsansicht, zur Tatsachenrüge Stellung zu nehmen. Der Beisatz des Berufungsgerichtes, daß nach § 1299 ABGB bei beiden Hafnergesellen von einem Kennenmüssen auszugehen sei, stellt nur eine rechtliche Beurteilung, aber keine Stellungnahme zu den beiden Beweisrügen dar.

Bei der rechtlichen Beurteilung des sich ergebenden Sachverhaltes ist zwischen den Punkten 7.2.1 und 7.2.2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu unterscheiden.

Nach Punkt 7.2.1 der Bedingungen kommt es darauf an, ob die beiden Hafnergesellen bei Durchführung der Arbeiten eine Handlung oder Unterlassung insoweit vorsätzlich begangen haben, daß sie wußten (nicht nur hätten wissen müssen), sie entspricht nicht den Vorschriften bzw. den Regeln, die sie gelernt haben. Hofften sie dabei zwar, ein Schaden werde daraus nicht entstehen, nahmen sie aber doch einen allfälligen (wahrscheinlichen) Schadenseintritt in Kauf, und haben sie sich also von ihrer Handlungsweise trotz Wissens der Vorschrifts- bzw. Regelwidrigkeit nicht abhalten lassen, würde dies an der Vorsätzlichkeit der Handlungsweise nichts ändern.

Nach Punkt 7.2.2 der Bedingungen genügt - abweichend von der Bestimmung des § 152 VersVG, die Vorsatz erfordert, aber vertraglich abdingbar ist (vgl. Prölss-Martin, VVG25, 732) - schon die Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit der geleisteten Arbeit, schon diese Kenntnis wird dem Vorsatz gleichgehalten. Es genügt in diesem Fall, daß die beiden Hafnergesellen zwar nicht den Schadenserfolg bedacht (und beschlossen) haben, (und zwar auch nicht in einer allfälligen Inkaufnahme wie bei Punkt 7.2.1), aber dazu durch eine ihnen erkennbare Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit der geleisteten Arbeit, die eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß es zum Eintritt eines Schadens kommen kann, gesetzt haben. Diese Kenntnis des Mangels genügt bereits für den Versicherungsausschluß.

Die Feststellungen des Erstgerichtes werden daher in dieser Richtung zu überprüfen und allenfalls zu ergänzen sein.

Sollten die beiden Hafnergesellen gewußt haben, daß ein Abstand zwischen dem isolierten Blechrohr und dem Holztram von 2,5 cm den Vorschriften bzw. dem, was sie in der Berufsschule gelernt haben, widerspricht, wäre der Risikoausschluß nach Punkt 7.2.1 gegeben. Sollte ihnen zumindest die Mangelhaftigkeit ihrer Arbeit bekannt gewesen sein, so wäre ein Risikoausschluß nach Punkt 7.2.2 gegeben, auch wenn sie an einen Schaden, der aufgrund dieses Mangels entstehen könnte, nicht gedacht haben. Sollte dagegen das Berufungsgericht zum Ergebnis kommen, daß die beiden Hafnergesellen der klagenden Partei die Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit der von ihnen geleisteten Arbeit nicht erkannt haben, so hätte die beklagte Partei den Nachweis eines Risikoausschlusses nicht erbracht. Das Berufungsgericht wird sich dabei auch mit den von den beiden Hafnergesellen im Strafverfahren gemachten Aussagen, die zum Teil im Widerspruch zu den in diesem Verfahren gemachten Ausssagen stehen, auseinanderzusetzen haben. Zu bedenken ist, daß es sich bei Brandschutzvorschriften um wichtige Normen für den Hafnerberuf handelt.

Der Vorwurf eines Organisationsverschuldens der klagenden Partei wird von der beklagten Versicherung erstmals in der Revision erhoben; dies verstößt gegen das Neuerungsverbot.

Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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