OGH 14Os88/93

OGH14Os88/9313.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Juli 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kobinger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Omar I***** und Dragica Alma I***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft (hinsichtlich beider Angeklagten) gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19.Jänner 1993, GZ 5 Vr 189/92-76, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Verfahrens über ihre Rechtsmittel zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Omer I***** und Dragica Alma I***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB (1), Omer I***** zudem des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB (2) schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt.

Darnach haben in Graz

1) Omer I***** und Dragica Alma I***** am 15.Jänner 1992 im bewußt gemeinsamen Zusammenwirken als unmittelbare Täter mit einem nicht näher bekannten Mittäter der Maria W***** mit gegen sie gerichteter Gewalt, nämlich durch Zu-Boden-Reißen, Versetzen zahlreicher Faustschläge, Anlegen von Hand- und Fußfesseln und Knebeln mit einem Handtuch sowie Betäuben mit Chloroform, fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld im Betrage von mindestens 25.000 S, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

2) Omer I***** allein am 7.Oktober 1992, 9.Oktober 1992 und 13. Oktober 1992 den Nihad D***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, daß er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB, falsch verdächtigte, indem er anläßlich seiner Vernehmung als Verdächtiger bei der Bundespolizeidirektion Graz und als Beschuldigter vor dem Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Graz angab, Nihad D***** habe mit anderen Mittätern den gegenständlichen Raubüberfall begangen, wobei er wußte (§ 5 Abs. 3 StGB), daß die Verdächtigung falsch war, und die fälschlich angelastete Handlung mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.

Rechtliche Beurteilung

Die beiden Angeklagten bekämpfen den Schuldspruch mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, den Strafausspruch fechten sie, ebenso wie die Staatsanwaltschaft, mit Berufung an.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Omer I*****:

Dieser Angeklagte stützt seine Beschwerde auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5 und 5 a des § 281 Abs. 1 StPO.

Als Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten (Z 4) rügt der Beschwerdeführer zunächst die Abweisung seines Antrages auf Vernehmung der Polizeibeamten Insp. M***** und Insp. Vlado K***** der Kriminalpolizei Smederevo, Jugoslawien, als Zeugen (S 451 iVm S 378), durch deren Aussage hervorgekommen wäre, daß die Schwiegermutter des Beschwerdeführers, Veroslava N*****, gestanden habe, die ihm angelastete Raubtat gemeinsam mit Nihad D*****, Dragan N***** und Jovan Z***** begangen zu haben.

Abgesehen davon, daß es angesichts der nunmehr im ehemaligen Jugoslawien und insbesondere im Gebiet um Sarajevo, wo Smederevo liegt (S 17), herrschenden Kriegsverhältnisse als aussichtslos angesehen werden muß, die Vorladung der beiden namhaft gemachten Zeugen vor das erkennende Gericht oder auch nur ihre Vernehmung im Rechtshilfeweg in absehbarer Frist zu erwirken, fehlt dem Beweisantrag auch die nach Lage des Falles gebotene Aufklärung, inwiefern ein dem geltend gemachten Beweisthema gerecht werdendes Ergebnis erwartet werden kann. Der Beschwerdeführer hat zwar im Zuge seiner wiederholten Vernehmungen behauptet, von Nihad D***** informiert worden zu sein, daß dieser gemeinsam mit den anderen oben angeführten Personen den gegenständlichen Raub begangen habe (S 235, 241, 275, 427). Nihad D***** stellte diese Behauptung vor dem erkennenden Gericht aber entschieden in Abrede (S 452 ff). Auch das Tatopfer schloß eine Täterschaft des Genannten im Zuge einer Gegenüberstellung mit Sicherheit aus (S 454). Die Ehegattin des Beschwerdeführers, die Zweitangeklagte, führte in bezug auf die im Beweisantrag behaupteten Äußerungen ihrer Mutter Veroslava N***** aus, daß ihr davon nichts bekannt wäre, sie aber eine Anwesenheit ihrer Mutter und ihres Bruders Dragan N***** zum Tatzeitpunkt in Graz ausschließen könne (S 434 f).

In gleicher Weise unmaßgeblich war auch der weitere Antrag des Beschwerdeführers, ihn, Nihad D***** und andere aussehensähnliche Personen der Zeugin Maria W***** mittels eines venezianischen Spiegels gegenüberzustellen, wodurch erwiesen werden könnte, daß das Tatopfer zur Identifizierung der Täter ungeeignet sei. Dazu ist festzuhalten, daß die genannte Zeugin den Beschwerdeführer, den sie als früheren Untermieter persönlich gut kannte, bei einer Wahlkonfrontation im Zuge der polizeilichen Ermittlungen eindeutig als Täter bezeichnet hat (S 265, 337). Auch in der Hauptverhandlung erkannte sie den Beschwerdeführer ohne jeden Zweifel, während sie die Täterschaft des Nihad D***** ausschloß (S 441 f, 454).

Der Antrag auf Herstellung einer Schriftprobe seitens des Beschwerdeführers zum Nachweis dafür, daß ein am Tatort sichergestelltes Schriftstück nicht von ihm stamme, verfiel gleichfalls mit Recht der Ablehnung, da es durchaus möglich sein kann, daß der Beschwerdeführer dieses Schriftstück (mit Telefonnummern - siehe S 87 ff) von einer anderen Person bekommen hat (US 12).

Der Zeuge Milivoje D***** wurde zum Beweis dafür beantragt, daß der Beschwerdeführer am 10.Jänner 1992 mit dem Autobus von Graz nach Marburg (und weiter nach Smederevo) fuhr (S 451). Selbst unter der Annahme der Richtigkeit dieses Vorbringens wäre allerdings, wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat (US 11), nicht auszuschließen, daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit (15.Jänner 1992) wieder in Graz war. Auch dieser Beweisantrag durfte daher ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden.

In der Mängelrüge (Z 5) wendet sich der Beschwerdeführer gegen die erstgerichtliche Annahme, daß er auf Grund einer im Urteil näher bezeichneten früheren Straftat zum Nachteil der Maria W***** (US 5) über deren Lebensverhältnisse ausreichend informiert war und von dem in der Wohnung aufbewahrten Barvermögen Kenntnis hatte (US 6). Da er in bezug auf die erwähnte Vortat aber nur schuldig erkannt worden ist, von seiner Ehegattin gestohlenes Geld verhehlt zu haben, sei die Argumentation des Erstgerichtes unlogisch.

Die mangelnde Stichhältigkeit dieses Vorbringens liegt auf der Hand, war doch der Beschwerdeführer mit seiner damaligen Lebensgefährtin und nunmehrigen Ehegattin, der Zweitangeklagten, Untermieter bei Maria W***** und daher ebenso wie Dragica Alma I***** über die Verhältnisse der Vermieterin informiert.

Der Mängelrüge zuwider ist es auch keinesfalls unerklärlich, warum der Beschwerdeführer die Wohnungstür trotz der Anwesenheit der Zeugin W***** gewaltsam aufgebrochen hat. Dazu genügt der Hinweis auf die darauf bezugnehmende Urteilsannahme, daß der Beschwerdeführer der Meinung war, die Genannte sei nicht zu Hause (US 6).

Ins Leere geht auch das Bemühen des Beschwerdeführers, eine relevante Sehschwäche des Tatopfers glaubhaft zu machen. Abgesehen davon, daß es auch einem Sehschwachen nach allgemeiner Erfahrung durchaus möglich ist, einen persönlich bekannten und aus nächster Nähe wahrgenommenen Menschen zu identifizieren, läßt der Beschwerdeführer die von den Tatrichtern vorgenommene Überprüfung der Sehfähigkeit der Zeugin W***** außer acht (S 443 f). Das Ergebnis dieser Überprüfung bietet für die behauptete Möglichkeit einer Verwechslung keinen Raum.

An sich aktengetreu bringt der Beschwerdeführer weiters vor, daß die Zeuginnen Waltraud K***** und Edith S***** im Zuge ihrer wiederholten Vernehmungen zum Teil abweichende Angaben machten. Im Ergebnis ist diesen vom Erstgericht als glaubwürdig beurteilten Aussagen jedoch mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen, daß sie die beiden ihnen persönlich bekannten Angeklagten noch zu einem Zeitpunkt in Graz gesehen haben, als diese nach ihrer Verantwortung Österreich bereits verlassen haben wollten (S 315 f, 319 ff, ON 45 und 46, S 448 f, 449 ff).

In bezug auf die erstgerichtliche Erwägung, daß die Täter (auf Grund ihrer Kenntnisse) gezielt lediglich in der Kommode im Schlafzimmer des Tatopfers nach Beute suchten (US 10), ist vorweg festzuhalten, daß diese Annahme im polizeilichen Erhebungsergebnis Deckung findet (siehe insb. S 88). Am Tatort wurde festgestellt, daß die in der Wohnung herrschende Unordnung nicht von den Tätern verursacht wurde (S 23). Der in der Beschwerde hervorgehobene Hinweis der Zeugin W*****, daß es bei ihr nicht immer so ausschaue (S 446), erweist sich sohin als eine nicht weiter erörterungsbedürftige Verlegenheitsbehauptung dieser Zeugin. Zu bemerken ist noch, daß die in der Beschwerde erwähnten Lichtbilder Nr. 8, 9 und 10 in der Mappe ON 20 keinesfalls den vom Beschwerdeführer angestrebten Schluß zulassen, daß die gesamte Wohnung nach Beute durchsucht worden wäre.

Der Einwand, das Erstgericht hätte sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, warum zwei dem Tatopfer bekannte Täter sich nicht maskiert haben, bedarf mangels Entscheidungsrelevanz keiner besonderen Erörterung. Nach den Urteilsannahmen waren die Angeklagten ja der Meinung, Maria W***** sei nicht zu Hause, weshalb sie auch die Türe aufbrachen (US 6). Im übrigen sind Ungeschicklichkeiten der aufgezeigten Art grundsätzlich nicht geeignet, die Täterschaft einer bestimmten Person, der man nach den Verfahrensergebnissen eine derartige Ungeschicklichkeit anlasten müßte, auszuschließen.

Auch der Tatsachenrüge (Z 5 a) fehlt jede Berechtigung. Der Umstand, daß das Tatopfer die beiden Angeklagten in der Hauptverhandlung im Zuge der Identifizierung nicht als "Täter" bezeichnete, sondern als Personen, die bei ihr "gewohnt" haben (S 442), ist nicht dazu angetan, irgendwelche Bedenken, geschweige denn solche im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes zu erwecken. Aus dem Zusammenhang ergibt sich ganz eindeutig, daß die Zeugin mit ihren Worten zum Ausdruck bringen wollte, daß sie in den beiden Angeklagten die Täter wiedererkennt. Der aus den bezeichneten Fotos gezogene Schluß auf ein "vollständiges Durchwühlen der gesamten Wohnung", woraus der Beschwerdeführer ableiten will, daß es sich um Fremdtäter gehandelt haben müsse, die mit den Gewohnheiten des Tatopfers eben nicht vertraut waren, ist - wie bereits erwähnt - nicht nachvollziehbar. Der Einwand schließlich, die Zeugin W***** habe nicht deponiert, woran sie den Beschwerdeführer und die Mitangeklagte erkannt haben will, geht ebenso ins Leere, steht doch unzweifelhaft fest, daß die beiden geraume Zeit bei der Zeugin als Untermieter gewohnt haben, was aber das Anführen besonderer Erkennungsmerkmale - anders als bei bloß flüchtiger Beobachtung von Personen - nicht erforderlich macht.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Dragica Alma I*****:

Diese Angeklagte beruft sich nur auf den Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO.

Die Ladung der in Smederevo wohnhaften Zeugen Veroslava N*****, Dragan N***** und Zorica N***** zur Hauptverhandlung beantragte die Beschwerdeführerin zum Beweis dafür, daß sie sich zum Tatzeitpunkt am 15. Jänner 1992 in Smederevo aufgehalten habe (S 451 iVm ON 60). Zur mangelnden Berechtigung dieser Rüge ist auf die bereits angestellten, auch hier aktuellen Erwägungen in Ansehung der Aussichtslosigkeit dieser Beweisaufnahme wegen der gerade im Gebiet um Sarajevo herrschenden kriegerischen Verhältnisse zu verweisen. Gründe für die Erwartung, daß die beantragten Zeugen in absehbarer Frist in der vorliegenden Haftsache vor dem erkennenden Gericht vernommen werden könnten, wurden nicht dargetan (vgl. 11 Os 57/89).

Der Antrag auf Vernehmung des Milivoje D***** als Zeuge zum Beweis dafür, daß die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Ehegatten, dem Erstangeklagten, am 10.Jänner 1992 mit dem Autobus von Graz nach Marburg gefahren sei, ist mangels Relevanz des Beweisthemas zu Recht der Ablehnung verfallen, weil dadurch eine Anwesenheit am Tatort zur Tatzeit (15.Jänner 1992) - wie schon dargelegt - keinesfalls ausgeschlossen werden könnte.

Gleiches gilt auch für den Antrag, den Reisepaß der Beschwerdeführerin, der von der Polizei in Smederevo eingezogen worden sein soll, zum Beweise dafür beizuschaffen, daß die Beschwerdeführerin die Grenze nach Slowenien am 10.Jänner 1992 überschritten habe und nicht mehr nach Österreich zurückgekehrt sei (S 451 f). Die allfällige Ausreise am 10.Jänner 1992 wäre unmaßgeblich, der Nachweis einer später nicht erfolgten Rückreise nach Österreich ist aber an Hand eines Reisepasses nach allgemeiner Erfahrung nicht zu erbringen. In diesem Zusammenhang ist überdies von Bedeutung, daß die beiden Angeklagten anläßlich ihrer Auslieferung nach Österreich über einen gemeinsamen, im Jahre 1984 ausgestellten Reisepaß verfügten (S 223, 225), eine Einsichtnahme in diesen während der Hauptverhandlung jedoch ergeben hat, daß keine Eintragung vom 10. Jänner 1992 stammt (S 438).

Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher als offenbar unbegründet schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die allseitigen Berufungen folgt (§ 285 i StPO).

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