OGH 11Os57/89

OGH11Os57/896.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Juni 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Hörburger, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Iby als Schriftführer in der Strafsache gegen Christian B*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, zweiter Fall, und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 4.April 1989, GZ 24 a Vr 237/88-90, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die beiderseitigen Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 4.August 1959 geborene Christian B*** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148, zweiter Fall, und 15 StGB als Bestimmungstäter nach dem § 12 StGB schuldig erkannt. Darnach bestimmte er in den Monaten November 1986, November und Dezember 1987 mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung mehrere (zum Teil nicht ausgeforschte) Personen durch die Aufforderung, bei verschiedenen Geldinstituten in Österreich unter Vorlage von gefälschten Personaldokumenten Girokonten zu eröffnen, ungedeckte Verrechnungsschecks zur Gutschrift einzureichen und die gutgeschriebenen Beträge abzuheben, indem sie Bedienstete der im Urteil angeführten Geldinstitute nach Eröffnung eines Kontos und Einreichung dieser ungedeckten Schecks zur Gutschrift und Auszahlung der Scheckbeträge verleiteten, wobei in zwei Fällen (I 1 und 2) ein Schaden von 860.000 S tatsächlich entstand, und in neun weiteren Fällen (I 3 bis 7, II, III 1 bis 3) zu verleiten versuchten, wobei die beabsichtigte Schadenssumme einen Gegenwert von rund 10 Millionen S betragen sollte; Christian B*** handelte in der Absicht, sich durch die wiederholte Begehung der Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch ficht der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5 a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an; den Strafausspruch bekämpfen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte mit Berufung.

Der leugnende Angeklagte, der großteils auf Grund der in der Hauptverhandlung verlesenen Aussagen seiner Komplizen und (allenfalls auch gutgläubigen) Helfer, die in der Bundesrepublik Deutschland und in der Schweiz wohnhaft sind, für schuldig erkannt wurde, fühlt sich in seinen Verteidigungsrechten dadurch beeinträchtigt (Z 4), daß das Gericht weder in der Hauptverhandlung noch im Urteil näher begründet habe, weshalb es sich mit der Verlesung dieser Aussagen begnüge und nicht weitere Anstrengungen unternehme, diese Zeugen doch stellig zu machen.

Zu diesem Vorwurf ist darauf zu verweisen, daß das Schöffengericht in der Hauptverhandlung am 14.März 1989 den entsprechenden Beweisanträgen der Verteidigung stattgegeben (S 131, 132/III) und am 15.März 1989 fernschriftlich über Interpol versucht hatte, die beantragten Zeugen auszuforschen und ihnen eine Ladung zuzustellen (ON 81). In der fortgesetzten Hauptverhandlung am 4. April 1989 wurden die Ergebnisse der Interpolerhebungen (ON 85, 87) bekanntgegeben (S 149 a/III) und daraufhin die bisherigen Aussagen dieser für das Gericht nicht greifbaren Zeugen verlesen und dem Angeklagten vorgehalten (ON 88), ohne daß der Angeklagte selbst oder sein Verteidiger sich dagegen ausgesprochen und/oder einen ergänzenden Beweisantrag des Inhalts gestellt hätte, auf welche Art und Weise die beantragten Zeugen veranlaßt werden könnten, vor dem österreichischen Gericht zu erscheinen. Es fehlt daher der Verfahrensrüge schon an der formellen Grundvoraussetzung einer entsprechenden Antragstellung, die im Gegensatz zu dem die Verlesung nach § 252 Abs 1 Z 1 StPO rechtfertigenden Akteninhalt doch die Erwartung zuließe, daß die beantragten Zeugen in absehbarer Frist vor dem erkennenden Gericht vernommen werden könnten (Mayerhofer-Rieder2 E 19 zu § 281 Z 4 StPO und E 27, 27 a, 28, 30, 33 zu § 252 StPO). Nach der zitierten Mitteilung der Interpol Schweiz erklärten jedenfalls die Zeugen Erika V***, Walter K***, Andreas B*** und Silvia D***, nicht vor dem österreichischen Gericht erscheinen zu wollen. Der Zeuge Anton R***, dessen Aufenthalt auch im Vorverfahren nicht ausgeforscht werden konnte, soll sich nach wie vor, unbekannt wo, im Ausland aufhalten (S 149/III). Der Zeuge Gerd Martin D*** verbüßt derzeit eine mehrjährige Freiheitsstrafe in der Bundesrepublik Deutschland und ist nicht bereit, sich zur Ablegung einer Zeugenaussage vor dem österreichischen Strafgericht nach Österreich überstellen zu lassen (S 151/III). Die Nichtaufnahme der beantragten Beweise, die nach dem Gesagten insgesamt für das Gericht unerreichbar geworden sind, kann also selbst dann nicht Nichtigkeit im Sinn der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO begründen, wenn man davon ausginge, daß eine formgerechte Antragstellung vorläge.

Der Verfahrenserüge war daher der Erfolg zu versagen. Mit der Mängelrüge (Z 5) behauptet der Beschwerdeführer, die Schuldsprüche I 1 bis 7 und III 1 bis 3 seien im Hinblick auf Abweichungen zwischen Urteilsspruch und Urteilsgründen unvollständig, undeutlich und teilweise widersprüchlich. Es stimmt nun zwar, daß dem Erstgericht bei Abfassung der Urteilsgründe insofern ein Fehler unterlief, als es sich bei der Numerierung der Faktengruppe I im Rahmen der Feststellungen (S 180/III) an die Auflistung dieser Fakten in der Anzeige (S 39 bis 43/I) und nicht im Urteilsspruch (S 164, 165/III) hielt. Es ist aber zweifelsfrei zu erkennen, daß die "Feststellungen zu Punkt I) 5)" das Urteilsfaktum I 7, jene zu "Punkt I) 6)" das Urteilsfaktum I 5 und die zu "Punkt I) 7)" das Urteilsfaktum I 6 betreffen. Insgesamt übersieht der Beschwerdeführer nämlich bei seinem Vergleich der Diktion und der Zahlenangaben im Urteilsspruch und in den hiezu getroffenen Feststellungen, daß Urteilsspruch und Urteilsgründe stets eine Einheit bilden, sodaß die behaupteten Begründungsmängel nur vorlägen, wenn die Widersprüche zwischen diesen beiden Urteilsteilen so gelagert wären, daß undeutlich bliebe, welcher strafbaren Handlungen der Angeklagte schuldig erkannt und welcher Vorsatz ihm angelastet wurde (Mayerhofer-Rieder2 E 41 zu § 281 Z 3 StPO und E 42, 43, 46 zu § 281 Z 5 StPO). Davon kann aber nicht die Rede sein, wenn im Urteilstenor zu I 1 das sich auf die "unbekannte Person" beziehende persönliche Fürwort unrichtig "er" anstatt richtig "sie" lautet und im Punkt I 2 nicht klar zum Ausdruck kommt, an wen der Geldbetrag ausgefolgt wurde, weil aus den Urteilsgründen deutlich wird, daß jener Mann, der sich mit dem (mit seinem Lichtbild verfälschten) Reisepaß des Anton R*** auswies, gemeint ist (S 175-178/III). Bei der Angabe des Betrages von 38.000 DM im Punkt I 3 (anstatt richtig 68.000 DM) handelt es sich um einen offensichtlichen, die strafrechtlich relevante Wertgrenze von insgesamt 500.000 S nicht tangierenden Schreibfehler, was ebenso für die im Punkt I 5 angegebene Kontonummer (Ziffernsturz 86-68) gilt. Es wurde aber auch unter Hinweis auf das Geständnis des Walter K*** deutlich konstatiert, daß dieser Täter über Bestimmung des Angeklagten drei (im Urteilsspruch betragsmäßig angeführte) ungedeckte Schecks mit einer Summe von insgesamt 310.000 DM präsentierte, und daraus gefolgert, daß Christian B*** auch mit der Überschreitung der Wertgrenze des § 147 Abs 3 StGB rechnete und sich willensmäßig damit abfand (S 201, 202/III).

Der behauptete formelle Nichtigkeitsgrund liegt somit nicht vor, auch nicht zur Feststellung der Höhe der beabsichtigten Schadenssumme, zumal der die Wertgrenze des § 147 Abs 3 StGB überschreitende Schadensbetrag sich bereits aus den vollendeten Betrügereien ergibt (Fakten I 1 und 2).

Wenn der Beschwerdeführer im Rahmen der Mängelrüge des weiteren ausführt, daß der unbekannte, mit dem verfälschten Reisepaß des Anton R*** auftretende Mann nach den Urteilskonstatierungen am 12.Dezember 1986 und am 17.Dezember 1986 jeweils während der Banköffnungszeiten sowohl in Vorarlberg als auch in Graz gewesen sein müßte, was im Hinblick auf die weite Entfernung nicht möglich scheine, sei ihm zunächst erwidert, daß dem Verfahren keine Behauptung und auch kein konkretes Beweisergebnis zu entnehmen ist, das - unter Beachtung der Pflicht zu nur gedrängter Begründung (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) - das Gericht hätte veranlassen müssen, die faktisch gegebene Möglichkeit, die Entfernung mit einem schnellen Verkehrsmittel an einem Tag zurückzulegen, näher zu erörtern. Für die rechtliche Beurteilung des zu I des Urteilsspruches zusammengefaßten Tatgeschehens, das der Angeklagte insgesamt als "Drahtzieher" zu verantworten hat (S 185/III), bliebe es im übrigen unerheblich, wenn der eine vom Erstgericht als unmittelbarer Täter apostrophierte Mann bei einzelnen Fakten, insbesondere bei der Präsentation der Verrechnungsschecks, von einer weiteren Person unterstützt worden wäre.

Dieses und das Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5 a) ist jedenfalls nicht geeignet, erhebliche Bedenken an der Richtigkeit der für den Schuldspruch des Angeklagten als Bestimmungstäter entscheidenden Tatsachenfeststellungen zu erwecken, zumal der Angeklagte in der Hauptverhandlung und in seiner Rechtsmittelschrift der auf Grund umfangreicher Erhebungen im In- und Ausland zusammengefügten Beweiskette nur seine leugnende Verantwortung entgegensetzen, aber keine eigene plausible Darstellung des Geschehens geben konnte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß dem § 285 d Abs 1 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen. Daraus resultiert, daß über die beiderseitigen Berufungen nunmehr das örtlich zuständige Oberlandesgericht zu befinden haben wird (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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