OGH 9ObA144/93

OGH9ObA144/938.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Gerald Traxler und Olga Makomaski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Klägers Robert J*****, Theaterdirektor,***** vertreten durch Dr.Otto Dietrich, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich (Österreichischer Bundestheaterverband), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 1,171.628,90 sA, infolge Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.Februar 1993, GZ 34 Ra 16/92-9, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 24.September 1991, GZ 16 Cga 115/91-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 17.421,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1.Juli 1971 bis 30.Juni 1988 Generalsekretär des Österreichischen Bundestheaterverbandes. Das Dienstverhältnis wurde durch Versetzung in den dauernden Ruhestand einvernehmlich beendet. Seither bezieht der Kläger die höchstmögliche Bundestheaterpension, damals S *****, zuletzt (1991) S ***** monatlich. Sein Jahresbruttobezug betrug im Jahr 1987 S *****. Der Kläger erhielt keine Abfertigung.

Der Kläger begehrt aus dem pensionsversicherungsfreien ruhegenußfähigen Dienstverhältnis eine Abfertigung von S ***** brutto sA.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Durch die Versetzung in den dauernden Ruhestand sei das Dienstverhältnis lediglich in ein Ruhestandsverhältnis übergegangen, ohne geendet zu haben, so daß schon deshalb keine Abfertigung gebühre. Eine planwidrige Lücke des Art I § 1 Abs 2 Z 3 ArbAbfG, die die Rechtsprechung für den Fall annimmt, daß ein auf Grund eines privatrechtlichen Arbeitsvertrages beschäftigter Bundesbediensteter bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses keinen Abfertigungsanspruch besitze, liege nicht vor, weil dem Kläger ein die Pensionsleistungen nach dem ASVG übersteigender Versorgungsanspruch zustehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Pensionsleistung nach dem Bundestheaterpensionsgesetz sei als Versorgungsleistung jedenfalls ein adäquater Ersatz für eine Abfertigung. Sie übersteige bei weitem jene Ansprüche, die dem Kläger nach dem ASVG zustünden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Bundestheaterpension des Klägers übersteige die ASVG-Höchstpension bei weitem, so daß er ein der Abfertigung entsprechendes Versorgungsäquivalent erhalte.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte stellt den Antrag, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Gemäß § 1 Schauspielergesetz (SchSpG) gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes für das Dienstverhältnis von Personen, die sich einem Theaterunternehmer zur Leistung künstlerischer Dienste in einer oder mehrerer Kunstgattungen (insbesondere als Darsteller, Spielleiter, Dramaturgen, Kapellmeister, Musiker) bei der Aufführung von Bühnenwerken verpflichten (Mitglied), sofern das Dienstverhältnis die Erwerbstätigkeit des Mitglieds hauptsächlich in Anspruch nimmt (Bühnendienstvertrag). Als künstlerisch sind die Dienste der Schauspieler, Sänger, Solotänzer, Spielleiter, Regisseure, Dramaturgen, Kapellmeister, Orchester- und Bühnenmusiker, ferner die Leistungen des künstlerischen Direktors, des Intendanten, der Ballett- und Chormitglieder, der Bühnenmaler, sowie des szenischen Dienstes, das sind etwa Trainingsmeister, Repetitoren, Souffleure und Inspizienten, kurzum solche Tätigkeiten zu bezeichnen, die dem Ausführenden eine gewisse "schöpferische Persönlichkeitskräfte entfaltende Individualität" gestatten (Petrovic, Das Abfertigungsrecht im Bühnendienstrecht in Runggaldier, Abfertigunsgrecht 353 [354 f]; Mayer-Maly, AR-Blattei, Tedenzbetrieb I, D/7). Die Dienstleistungen des Mitglieds müssen nicht ausschließlich künstlerischen Charakter besitzen (Kapfer-Bündsdorf, Schauspielergesetz 8 f). Daß der künstlerische Leiter (Intendant) eines Theaters unter § 1 SchSpG fällt, wurde vom Obersten Gerichtshof bereits ausgesprochen (SZ 24/280).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen oblag dem Kläger gemäß § 1 des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrages die organisatorische, administrative, kommerzielle und technische Leitung des Österreichischen Bundestheaterverbandes. Er hatte seine gesamte Arbeitskraft dem Österreichischen Bundestheaterverband zur Verfügung zu stellen. Obwohl im Vertrag künstlerische Dienste nicht erwähnt sind, waren von ihm auch auf diesem Gebiet wesentliche Leistungen zu erbringen. Er hatte ein gewichtiges Mitspracherecht bei der Auswahl des künstlerischen Personals, da er jeden Bühnendienstvertrag gegenzeichnen mußte und damit die Beschäftigung eines Bühnenmitgliedes verhindern konnte. Ferner oblag ihm die Dienstaufsicht über das künstlerische Personal der Bundestheater; schließlich hatte er an Kollektivvertragsverhandlungen, sowie an den Verhandlungen über Gastspiele teilzunehmen (siehe dazu auch Hodik,

Die Rechtsstellung des Österreichischen Bundestheater und ihrer Mitglieder von 1918 bis heute (1981), 127). Daß auch die Streitteile in den Leistungen des Klägers künstlerische Dienste gesehen haben, ergibt sich schließlich daraus, daß in § 12 des Vertrages vom 29.Juni 1971 festgehalten wurde, daß das Vertragsverhältnis des Klägers den Bestimmungen des Schauspielergesetzes unterliegt. Auf Grund dieses Sachverhaltes ist den Vorinstanzen darin beizupflichten, daß auch der Generalsekretär des Österreichischen Bundestheaterverbandes Träger künstlerischer Autonomie ist und in dieser Funktion in den Anwendungsbereich des SchSpG fällt (vgl. Hodik aaO).

Das Schauspielergesetz selbst enthält keine eigenständigen Abfertigungsbestimmungen. Eine unmittelbare Anwendung der §§ 23 und 23 a AngG ist nicht möglich, weil das Angestelltengesetz gemäß § 50 SchSpG auf Bühnendienstverträge keine Anwendung findet. Auch das Vertragsbedienstetengesetz kann nicht als Rechtsgrundlage des Abfertigungsanspruches des Klägers herangezogen werden, weil dieses Bundesgesetz gemäß seinem § 1 Abs 3 lit a auf Personen, deren Dienstverhältnis durch das Schauspielergesetz geregelt ist, keine Anwendung findet. Zu prüfen ist aber noch, ob der Kläger Abfertigungsansprüche aus Art. I § 1 Abs 1 ArbAbfG ableiten kann oder ob dem Art I § 1 Abs 2 Z 3 ArbAbfG entgegensteht, wonach Arbeitsverhältnisse zum Bund ausgenommen sind.

Dazu hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung ZAS 1988/25 = DRdA 1989, 40 ausgesprochen, daß die Generalklausel des Art I § 1 Abs 1 ArbAbfG ganz allgemein auf "Arbeitsverhältnisse" abstelle und sohin nicht nur Arbeitern, sondern allen auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages nicht nur geringfügig beschäftigten Arbeitnehmern einen Anspruch auf Abfertigung gewähre. Durch die Arbeitsverhältnisse zum Bund ausnehmende Bestimmung des Art I § 1 Abs 2 Z 3 ArbAbfG entstehe unter Umständen dadurch eine planwidrige Lücke, daß einem auf Grund eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses beschäftigten Bundesbediensteten bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses trotz Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen, wie entsprechende Dauer des Arbeitsverhältnisses etc. weder ein Abfertigungsanspruch im Sinne der §§ 23 und 23 a AngG (bzw § 35 VBG) noch ein adäquater Ersatz für die Abfertigung im Sinne des § 23 a Abs 4 AngG in Form eines über die Pensionsleistungen nach dem ASVG hinausreichenden Versorgungsanspruchs (vgl auch Art I § 2 Abs 2 ArbAbfG) zustehe. Nur wenn eine solche Pension gebühre, sei im Hinblick auf den der Abfertigung vergleichbaren Zweck einer Versorgung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Fehlen einer Abfertigungsregelung sachlich gerechtfertigt. Daß der Abfertigung verschiedene (soziale) Funktionen zugeschrieben werden, wie vor allem der Zweck der Versorgung und Überbrückung, aber - neben einer allgemeinen Entgeltfunktion (Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte Rz 160; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4, 257) - auch der Abgeltung der Betriebstreue (Floretta-Spielbüchler-Strasser, ArbR**n I 180; Migsch aaO Rz 161 ff; Martinek-Schwarz, Abfertigung - Auflösung des Arbeitsverhältnisses 314 f; Schwarz-Löschnigg aaO; 9 Ob A 324/89) bedeutet nicht, daß eine Funktion die andere ausschließt (Martinek-Schwarz aaO 314). Gerade das Element der Versorgung und Überbrückung nach dem Verlust des Arbeitsplatzes ist - auch bei Übertritt in den Ruhestand, mit dem in der Regel ein empfindlicher Einkommensrückgang verbunden ist - immer vorhanden (Floretta-Spielbücher-Strasser aaO 180) und steht daher im Vordergrund der Betrachtung (Schrank in Runggaldier, Abfertigungsrecht 153 f mwN).

Aus dem Gesichtspunkt, daß die Abfertigung auch den Zweck einer Treueprämie hat, läßt sich daher nicht ableiten, daß sie der Gesetzgeber ohne Verletzung des Gleichheitsgebotes nicht für einzelne Arbeitnehmergruppen durch anderweitige Versorgungsleistungen, die gewöhnlich auch an eine lange Dauer des Arbeitsverhältnisses geknüpft sind (vgl. den Begriff der "Treuepension") ersetzen dürfte. Auch die Treueelemente lassen sich im wesentlichen mit der Versorgungs- und Überbrückungsfunktion erklären (Schrank in Runggaldier aaO 153); ihre Honorierung wirkt sich dort aus.

Eine sachliche Rechtfertigung für das Versagen eines Abfertigungsanspruches (bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen zum Bund) ist aber nur dann gegeben, wenn der Versorgungsanspruch des auf Grund eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses beschäftigten Bundesbediensteten den fehlenden Abfertigungsanspruch (im wesentlichen) ausgleicht. Dies ist dann der Fall, wenn die Versorgungsansprüche eines solchen Dienstnehmers über die gesetzlichen Ansprüche aus der Pensionsversicherung nach dem ASVG entsprechend hinausgehen (Martinek-Schwarz aaO 291). Die Versorgungsfunktion der Abfertigung wird durch das Gewähren eines Pensionsanspruches jedenfalls dann ersetzt, wenn die Pensionsregelung günstiger ist als die Abfertigung zusammen mit der ASVG-Pension. Sie muß dem Arbeitnehmer dem Umfang und der Funktion nach (etwa) das bringen, was die gesetzliche Regelung einem Arbeitnehmer sonst an Abfertigung gewährt (so Migsch aaO Rz 163 zum ähnlichen Problem des Günstigkeitsprinzips im Verhältnis Betriebspension - Abfertigung [§ 23 a Abs 4 AngG]). Um einen solchen "Günstigkeitsvergleich" anstellen zu können, ist es aber erforderlich, den Umfang der Leistungen aus dem Pensionsanspruch und einer allfälligen Abfertigung zu kennen und gegenüberzustellen (Migsch aaO Rz 163; Petrovic in Runggaldier aaO 361). Dem Einwand von Petrovic (aaO 361), die Abfertigung sei auch als "Überbrückungshilfe" für einzelne Lücken im Karriereverlauf gedacht, ist entgegenzuhalten, daß auch die auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages beschäftigten Bundesbediensteten in der Regel bei Dienstverhältnissen von längerer Dauer Kündigungsschutz genießen und daher bei der gebotenen Durchschnittsbetrachtung nur auf die Nachteile bei Übertritt in den Ruhestand Bedacht zu nehmen ist.

Der (am ***** - Beilage J - geborene) Kläger befindet sich seit 1. Juli 1988 im dauernden Ruhestand. Der Pensionsanspruch betrug monatlich S *****. Der Jahresbruttobezug betrug 1987 S *****. Die Höchstpension nach dem ASVG betrug 1988 rund S 19.970,-- (Höchstbemessungsgrundlage: S 25.120,-- bei angenommenen 540 Versicherungsmonaten und einem Prozentsatz von 79,5 vH der Bemessungsgrundlage). Die über die Höchstpension nach dem ASVG hinausgehende Differenz zum Versorgungsanspruch des Klägers ist nun dem allfälligen Abfertigungsanspruch gegenüberzustellen. Dazu ist es erforderlich, unter sinngemäßer Heranziehung des § 16 Abs 2 Z 8 BewertungsG den Kapitalwert dieses lebenslänglichen Versorgungsanspruches zu bilden. Die Differenz zwischen der fiktiven ASVG-Höchstpension (25.120 X 79,5 % = 19.970) und der tatsächlichen Pension des Klägers (S *****) beträgt S *****. Nach Kapitalisierung mit dem Neunfachen der einjährigen Nutzung ergibt sich ein Kapitalwert von S *****. Der Kapitalwert übersteigt somit den Betrag der vom Kläger begehrten Abfertigung. Die Versorgungsleistung, die dem Kläger zusteht, ist demnach ein adäquater Ersatz für diese Abfertigung.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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