OGH 9ObA1016/93

OGH9ObA1016/938.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Gerold Traxler und Olga Makomaski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Katharina B*****, Hauseigentümerin, ***** vertreten durch Dr.Josef W.Deitzer, Rechtsanwalt in Schwechat, wider die beklagte Partei Gertrude M*****, Hausbesorgerin, ***** vertreten durch Dr.Otto Schuhmeister ua Rechtsanwälte in Schwechat, wegen Aufkündigung eines Hausbesorgerdienstverhältnisses, infolge außerordentlicher Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 31.März 1993, GZ 34 Ra 10/93-15, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der Klägerin wird dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, diese als ordentliche Revision vorzulegen.

Text

Begründung

Mit dem angefochtenen Urteil bestätigte das Berufungsgericht das Ersturteil, mit dem die Aufkündigung einer als Hausbesorgerdienstwohnung qualifizierten Wohnung für rechtsunwirksam erklärt wurde und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S nicht übersteigt und daß die Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 45 Abs 2 Satz 2 ASGG sind die im § 49 Abs 2 Z 5 JN genannten Streitigkeiten jedenfalls mit einem 50.000 S übersteigenden Betrag zu bewerten. Diese Bestimmung verhindert - ebenso wie der durch § 502 Abs 3 Z 2 ZPO ersetzte § 500 Abs 2 letzter Satz ZPO (idF vor der WGN 1989) - die Beschränkung des Zuganges zum Obersten Gerichtshof durch niedrige Bewertung des Entscheidungsgegenstandes für Streitigkeiten, in denen es um Bestandrechte an einer Wohnung und damit in der Regel um existentielle Bedürfnisse des betroffenen Nutzungsberechtigten geht.

Bei Dienst- und Naturalwohnungen ist das Rechtsverhältnis insgesamt dem Vertragstyp Arbeitsvertrag zuzuordnen (s Wachter, Rechtsprobleme der Dienst-, Natural-, Werks- und Mietwohnungen von Arbeitnehmern2, 18 f sowie 24). Mit der Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 45 Abs 2 zweiter Satz ASGG auf reine Bestandstreitigkeiten im Sinne des § 49 Abs 2 Z 5 JN würde aber der - insbesondere aus § 502 Abs 3 Z 2 ZPO idF der WGN 1989 klar erkennbaren - Absicht des Gesetzgebers, diesen erhöhten Schutz immer dann zu gewähren, wenn es (auch) um die Nutzung einer Wohnung geht, nicht Rechnung getragen.

§ 45 Abs 2 zweiter Satz ASGG hätte kaum einen Anwendungsbereich, da Streitigkeiten um die Nutzung einer Wohnung, die vor die Arbeits- und Sozialgerichte gehören, in aller Regel Dienst- und Naturalwohnungen betreffen werden.

In analoger Anwendung des § 45 Abs 2 zweiter Satz ASGG sind daher Streitigkeiten in Arbeitsrechtssachen, bei denen es (auch) um das Nutzungsrecht an einer dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber überlassenen Wohnung geht, auch dann mit einem 50.000 S übersteigenden Betrag zu bewerten, wenn es sich nicht um reine Bestandstreitigkeiten handelt. Dies gilt insbesondere auch für Hausbesorgerdienstwohnungen, bei deren Kündigung gemäß § 22 Abs 1 HBG die §§ 562-564 und 567-575 ZPO sinngemäß anzuwenden sind.

Die Bewertung des Entscheidungsgegenstandes durch das Berufungsgericht mit weniger als 50.000 S verstößt daher gegen das Gesetz. Diese unrichtige Bewertung sowie der bei einer Bewertung mit einem 50.000 S übersteigenden Betrag gemäß § 45 Abs 1 ASGG nicht vorgesehene Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision nach § 46 Abs 1 Z 1 ASGG gelten als nicht beigesetzt (siehe Kuderna ASGG § 45 Erl 1; RZ 1992/1; 9 Ob A 29/93; 9 Ob A 1005/93). Die Revision der Klägerin ist daher als ordentliche Revision zu behandeln.

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