OGH 1Ob574/93

OGH1Ob574/932.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 6.8.1980 verstorbenen und zuletzt in K***** wohnhaft gewesenen Malerin Prof. Hilde G*****, infolge Revisionsrekurses der Prof. Hilde G*****-Stiftung, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 9. April 1993, GZ 3 b R 197,198/92-274, womit der Beschluß und die Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 11. November 1992, GZ A 255/80-265 und 266, bestätigt wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Abhandlungsverfahrens aufgetragen.

Text

Begründung

Mit letztwilliger Verfügung vom 31.1.1979 setzte die Erblasserin eine Nichte, einen Neffen und dessen Ehegattin zu ihren Erben ein und ordnete unter anderem an, ihr eigenes künstlerisches Werk sowie sämtliche ihr gehörenden Werke anderer Künstler, die nicht an Verwandte, Museen oder Freunde vergeben sind, sollten zu einer Stiftung zur Förderung junger österreichischer und in Österreich lebender Künstler und zur Erhaltung ihres eigenen künstlerischen Lebenswerkes zusammengefaßt werden; die Erben sollten das „Haus am Rain“ samt Inventar nur dann erhalten, wenn sie sich verpflichten, es nicht zu verkaufen, sondern für die Stiftung zu nutzen und zu erhalten. Deshalb solle auch einer oder der andere Erbe selbst darin wohnen, weil die Eigenart und der Stil des Hauses eine ständige Betreuung und Pflege erfordern würden. Außerdem sollten die Erben der Stiftung und damit den im Haus verbliebenen Bildern und Graphiken eine dauernde Heimstätte gewähren. Sollten die Erben nicht in der Lage sein, das Haus in der gewünschten Form zu nutzen und zu erhalten, seien sie verpflichtet, es der Stiftung zu übertragen.

Die Finanzprokuratur hat namens der zu errichtenden Stiftung das dieser ausgesetzte Legat am 20.5.1985 angenommen. Mit Bescheid des zuständigen Landeshauptmanns vom 4.6.1985 wurde die Errichtung der näher bezeichneten Stiftung für zulässig erklärt, die allerdings bis heute noch nicht konstituiert ist.

Die von den letztwillig berufenen Erben aufgrund des Testaments vom 31.1.1979 abgegebenen bedingten Erbserklärungen wurden am 20.6.1985 zu Gericht angenommen und deren Erbrecht als ausgewiesen erkannt. In der Folge wurde die Nachlaßabsonderung angeordnet.

Mit Beschluß vom 11.11.1992 hat das Erstgericht unter anderem das Nachlaßinventar vom 26.2.1991 mit Aktiven von S 3,727.822, Passiven von S 14.912,20 und daher mit einem Reinnachlaß von S 3,712.909,80 der Verlassenschaftsabhandlung zugrunde gelegt (1.), die infolge Ablebens eines Miterben als Vorerben von einer Miterbin als Nacherbin bedingt abgegebene Erbserklärung zum gesamten Substitutionsnachlaß zu Gericht angenommen und deren Erbrecht als ausgewiesen erkannt (2.), näher bezeichnete Kreditunternehmungen über die Berechtigung der beiden Erbinnen zur Verfügung über die dort genannten Konten verständigt (4. und 5.), die Gebühren des Gerichtskommissärs bestimmt (6.) sowie den Abwesenheits- und den Separationskurator ihres Amtes enthoben (7. und 8.).

Es stellte unter anderem fest, den später aufgefundenen, am 6.12.1985 kundgemachten „Vermächtnislisten“ zufolge seien der Stiftung neben den im Testament genannten jeweils 20 detailliert angeführten Graphiken und Ölbildern weitere Kunstwerke, und zwar die Aquarelle und Zeichnungen sowie die „Träumenden Knaben“ von Oskar Kokoschka, die Collagen von Kurt Schwitters sowie die Ölbilder und die Graphik von F.K.Gotsch und anderen Künstlern zugedacht; außerdem habe die Erblasserin dort den Wunsch geäußert, daß das „Blumenstilleben“ und die „Hummer“ - Aquarelle von Oskar Kokoschka - sowie die Collage von Kurt Schwitters unverkäuflich im Haus bleiben sollten. Neben diesen Legaten an die Stiftung enthielten die Vermächtnislisten zahlreiche weitere Legate, und zwar zumeist nicht näher bezeichnete Ölbilder und Graphiken nach Wahl. In den Vermächtnislisten fänden sich auch Vermerke der Erblasserin, die kein Vermächtnis zum Inhalt hätten, wie etwa die Anordnung, Bilder und andere Werke an deren Eigentümer herauszugeben. In der Folge habe die Stiftung mit einem Unternehmen mit dem Sitz in den Niederlanden einen Kaufvertrag abgeschlossen, mit dem sie das ihr als Vermächtnis hinterlassene künstlerische Werk der Erblasserin mit Ausnahme jener Werke, die nach deren letztem Willen dauernd in Besitz der Stiftung bleiben sollten, und jener Werke, über die sie durch Vermächtnis anderweitig verfügt hatte, veräußert worden seien. Der Stiftung seien demgemäß die jeweils 20 detailliert bezeichneten Ölbilder und Graphiken laut Listen im Testament, die Aquarelle und Zeichnungen sowie die „Träumenden Knaben“ von Oskar Kokoschka, die Collagen und das Ölbild von Kurt Schwitters und schließlich die Ölbilder und Graphik von F.K.Gotsch und anderen Künstlern verblieben.

Der Absonderungskurator habe die jeweils 20 Ölbilder und Graphiken, die im Testament der Stiftung als unverkäufliche Werke zugedacht worden seien, mit Ausnahme eines Ölbildes, das schon viel früher nach England verbracht worden sei, aufgefunden; ebenso habe er die beiden Bilder von Oskar Kokoschka („Blumenstilleben“ und „Hummer“) sowie die Collage und ein Ölbild von Kurt Schwitters und Farbstiftzeichnungen und Offsetdrucke von Oskar Kokoschka und zwei Ölbilder von F.K.Gotsch ausfindig gemacht. Bei den „Träumenden Knaben“ handle es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um ein Buch über das Schaffen Oskar Kokoschkas, das in numerierter Auflage erschienen sei; deren Verbleib habe der Separationskurator nicht eruieren können. Die detailliert bezeichneten jeweils 20 Ölbilder und Graphiken mit Ausnahme des Ölbildes Nr.19 und die individualisierten Werke von Kokoschka, Schwitters und Gotsch befinden sich nun in der Verfügungsmacht der Stiftung; eine weitere Konkretisierung der im Besitz der Erblasserin gestandenen Werke sei dagegen nicht möglich.

Rechtlich meinte das Erstgericht, trotz größter Bemühungen sei der Wille der Erblasserin nicht eruierbar gewesen. Nach der Wortwahl der Erblasserin sei davon auszugehen, daß ein gültiges Legat nicht zustande gekommen sei. Zum gleichen Ergebnis gelange man, wenn man die Wortwahl der Erblasserin als gültiges Vermächtnis ansehe. Dann sei eben ein unechtes Gattungsvermächtnis anzunehmen, das seine Wirkung verliere, wenn der Erblasser eine oder mehrere Sachen von gewisser Gattung ausdrücklich nur aus seinem Eigentum vermacht habe und sich solche nicht in der Verlassenschaft fänden. Dieser Fall sei hier gegeben, so daß das darauf gerichtete Vermächtnis seine Wirkung verloren habe und damit auch der Einantwortung nicht entgegenstehe. Dem in § 159 AußStrG verankerten Gebot zur Sicherstellung der dort genannten Vermächtnisse sei der Boden entzogen, weil diese Vorschrift eine allfällige Erfüllung sichern und keinen Schadenersatzfonds bilden solle. Zweifelsfrei sei eine Erfüllung der Vermächtnisse durch die Erben gar nicht möglich. Da der Zweck der Nachlaßabsonderung nicht weiter erreicht werden könne, sei auch der Separationskurator seines Amtes zu entheben.

Mit gleichzeitig erlassener Einantwortungsurkunde wurde der Nachlaß aufgrund des Testaments vom 31.1.1979 unter Hinweis auf das Ableben eines der Vorerben zu drei Vierteln bzw zu einem Viertel den beiden Erbinnen zufolge deren bedingt abgegebenen Erbserklärungen eingeantwortet.

Infolge von Rekursen des Separationskurators und der Finanzprokuratur namens der Stiftung bestätigte das Gericht zweiter Instanz den Mantelbeschluß und die Einantwortungsurkunde und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes zwar S 50.000 übersteige, der ordentliche Revisionsrekurs jedoch nicht zulässig sei. Es führte - soweit noch von Bedeutung - aus, mangels Bekämpfung der Ausführungen des Erstgerichtes zum Bildervermächtnis sei von dessen rechtlicher Beurteilung auszugehen, nach der ein gültiges Vermächtnis an die Stiftung entweder nicht zustandegekommen oder ein solches seine Wirkung verloren habe. Auch die Sicherstellung einer allfälligen Erfüllung komme nicht in Frage, weil eine solche in Ansehung der Kunstwerke nicht möglich sei. Selbst wenn man die sich darauf beziehende Verfügung im Punkt 9 des Testaments als eine Art Legat, eine Substitution oder Anordnung, die dieser nach den §§ 707 bis 709 ABGB gleichzuhalten sei, beurteilen wollte, könnte ein solches das Haus betreffendes Legat nicht losgelöst vom „eigentlichen Vermächtnis zugunsten der Stiftung“ betrachtet werden. Die rechtliche Beurteilung des Vermächtnisses durch das Erstgericht betreffe dieses „insgesamt“ und nicht nur den „eigentlichen Vermächtnisinhalt“, also die Kunstwerke. Dem Willen der Erblasserin sei mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß das Vermächtnis nicht teilbar sei und über die Liegenschaft daher nicht abgesondert von den Kunstwerken verfügt werden könne. Ob die Erben das Haus samt Inventar behalten oder aufgrund ihres weiteren Verhaltens der Auflage der Erblasserin nicht nachkommen können oder wollen, könne derzeit ungeprüft bleiben. Es stehe aber fest, daß es in den Nachlaß und von der Substanz her nicht in das Eigentum der Stiftung falle. Dieser könne unter Umständen ein Benützungsrecht zukommen, so daß sie dann einen obligatorischen Anspruch daran geltend machen könne. Nicht im Verfahren außer Streitsachen sei abzuklären, wie die im Punkt 9 des Testaments vorgesehene Verpflichtung zu verstehen sei, das Haus der Stiftung zu übertragen, sollte die von der Erblasserin angeordnete Auflage nicht erfüllt werden. Anders lägen die Dinge, wäre den Erben im Testament die Verbindlichkeit auferlegt worden, ein Anwartschaftsrecht (Aufgriffsrecht) der Stiftung im Grundbuch sicherzustellen. Dann wäre darüber abzusprechen, ob dieses Recht eine Erbteilungsvorschrift sei, die bereits in der Verbücherungsanordnung der Einantwortungsurkunde berücksichtigt werden müsse.

Der dagegen namens der Stiftung von der Finanzprokuratur, die zum Einschreiten gemäß § 2 Abs 1 Z 3 ProkG befugt ist, erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen ist, und im Ergebnis auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 159 Abs 1 AußStrG ist die Einantwortung des Nachlasses vor Sicherstellung der dort genannten privilegierten Legate - unter anderem auch der für Stiftungen bestimmten Legate - nicht zulässig. Die Sicherstellung solcher Vermächtnisse ist so lange geboten, als nicht deren Unwirksamkeit feststeht. Damit wird den Erben keineswegs die Möglichkeit genommen, die Ungültigkeit bzw die Unwirksamkeit eines solchen Legats im Rechtsweg feststellen zu lassen (SZ 51/138; SZ 47/125; 7 Ob 611,612/84 ua). Die Sicherstellung des privilegierten Vermächtnisses bedeutet somit keine endgültige und rechtskräftige Feststellung dieses Anspruchs (JBl 1976, 367 ua). Die Sicherstellung ist von Amts wegen vorzukehren; vorher darf die Einantwortung nicht erfolgen, sie wäre in einem solchen Fall nichtig (NZ 1974, 47 ua; vgl insbesondere auch Welser in Rummel, ABGB2 § 817 Rz 4, 6 und 13 mwN).

Nur wenn die Anordnung ganz augenscheinlich ungültig wäre, muß das Abhandlungsgericht mit der Einantwortung nicht zuwarten (Welser aaO Rz 13 mwN). Davon kann im vorliegenden Fall jedoch keine Rede sein: Das Rekursgericht ging bei seiner Auffassung, daß die Einantwortung schon im gegenwärtigen Verfahrensstadium zulässig sei, von der Erwägung aus, das Vermächtnis sei, soweit es die Kunstwerke der Erblasserin zum Gegenstand habe, mangels Individualisierbarkeit bzw mangels Auffindbarkeit der vermachten Gegenstände ungültig, jedenfalls aber unwirksam; die Ungültigkeit bzw Unwirksamkeit erstrecke sich auch auf die Anordnung über das Haus, weil sie vom „eigentlichen“ für die Stiftung bestimmten Vermächtnis nicht losgelöst betrachtet werden dürfe. Zutreffend bemerkt dagegen die Rechtsmittelwerberin, daß das Bildervermächtnis nach den erstinstanzlichen Feststellungen zum Teil bereits erfüllt ist und sich jedenfalls gerade jene Kunstwerke, die nach dem Wunsch der Erblasserin im Haus bleiben sollen, zum größten Teil ohnedies im Besitz der Stiftung befinden. Der vom Gericht zweiter Instanz vermißte Zusammenhang zwischen den Anordnungen über die Kunstwerke und das Haus ist somit nach den tatsächlichen Gegebenheiten gewahrt.

Verfehlt ist die Ansicht des Rekursgerichtes, daß die rechtliche Beurteilung des Bildervermächtnisses durch das Erstgericht seiner Entscheidung ohne weiteres zugrundezulegen sei, weil sie im Rekurs der Stiftung nicht ausdrücklich bekämpft worden sei: Im Verfahren außer Streitsachen ist die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Richtungen hin zu überprüfen, gleichgültig ob der Rechtsmittelwerber den vom Gericht zweiter Instanz als stichhältig befundenen Anfechtungsgrund zum Gegenstand seiner Beschwerde gemacht hat oder nicht (SZ 53/23 uva). Das Rekursgericht hätte die erstinstanzlichen Ausführungen über die Ungültigkeit bzw Unwirksamkeit des für die Stiftung bestimmten Vermächtnisses daher von Amts wegen überprüfen müssen; die Nachprüfung kann aber auch ohne weiteres vom Obersten Gerichtshof vorgenommen werden.

Auch aus dem Hinweis des Rekursgerichtes darauf, daß das Haus in die Verlassenschaft falle, ist für dessen Standpunkt nichts zu gewinnen. Da das Vermächtnis - als Damnationslegat - grundsätzlich nur einen obligatorischen Anspruch gegen den Erben verschafft, der die vermachte Sache erst durch eine Erfüllungshandlung auf den Legatar übertragen muß (§ 684 ABGB; Kralik in Ehrenzweig, Erbrecht3 205 mwN in FN 8), kann die Anordnung der Erblasserin im Punkt 9 ihres Testaments, nach der die Erben verpflichtet sind, das Haus der Stiftung zu übertragen, sollten sie außerstande sein, es in der gewünschten Form zu nutzen und zu erhalten, schon ihrem Wortlaut zufolge nur als - dadurch aufschiebend bedingtes - Vermächtnis verstanden werden.

Im vorliegenden Verfahren geht es nur um die Sicherstellung des privilegierten Vermächtnisses; alle anderen Fragen des Verlassenschaftsverfahrens sind geklärt. Die Sicherstellung des Legats muß allerdings im weitesten Umfang des in Anspruch genommenen Legats erfolgen. Eine Gefährdung der Rechte des privilegierten Vermächtnisnehmers ist nach dem Gesetz nicht Voraussetzung für die Sicherstellungspflicht (7 Ob 611,612/84 ua).

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren eine ausreichende Sicherstellung des für die Stiftung bestimmten Vermächtnisses - zumindest, soweit es um das Haus geht - vorzukehren haben.

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