OGH 9ObA71/93

OGH9ObA71/939.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely und Helmuth Prenner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Walpurga S*****, Küchenhilfe,***** vertreten durch Dr.Walter Hasibeder, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wider die beklagte Partei Maria Johanna J*****, Pensionistin, ***** , wegen 147.474,20 S sA infolge Rekurses der Klägerin gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 21. Jänner 1993, GZ Nc 1/93-2, womit der Antrag des Arbeits- und Sozialgerichtes Wels, einen negativen Kompetenzkonflikt zu entscheiden, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin brachte gegen die Beklagte eine Klage auf Rückersatz der von ihr aufgrund eines inzwischen einvernehmlich aufgelösten Übergabsvertrages auf den Todesfall erbrachten Leistungen im Betrage von 239.129 S sA zunächst beim Kreisgericht Ried im Innkreis ein, das seine örtliche Unzuständigkeit aussprach und die Sache auf Antrag der Klägerin gemäß § 261 Abs 6 ZPO an das Kreisgericht Wels überwies. Dieses wies die Klage zurück, weil für Streitigkeiten über Ausgedinge gemäß § 49 Abs 2 Z 3 JN ausschließlich das Bezirksgericht zuständig sei. Der gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs wurde aufgrund der Rechtsmittelbeschränkung des § 45 JN zurückgewiesen, weil das Bezirksgericht Wels, das nach der angefochtenen Entscheidung sachlich zuständig wäre, seinen Sitz in derselben Gemeinde wie das seine sachliche Unzuständigkeit aussprechende Kreisgericht hat.

Daraufhin brachte die Klägerin eine inhaltlich im wesentlichen übereinstimmende Klage auf Zahlung von 147.474,20 S sA beim Bezirksgericht Wels ein. Über Aufforderung, zur Zuständigkeit des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht Stellung zu nehmen, erklärte die Klägerin, daß Bereicherungsansprüche geltend gemacht würden, die in den Bereich der allgemeinen Gerichtszuständigkeit fielen; bei Ermittlung der aus erbrachten Arbeitsleistungen resultierenden Bereicherung sei § 1152 ABGB analog heranzuziehen. Dies könne aber mangels wirtschaftlicher Abhängigkeit keine Arbeitnehmerähnlichkeit der Klägerin und damit auch nicht die Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichtes begründen. Darüber hinaus sei das Bezirksgericht Wels an die Entscheidung des Kreisgerichtes Wels über seine Unzuständigkeit gemäß § 46 Abs 1 JN gebunden.

Das Bezirksgericht Wels sprach seine sachliche Unzuständigkeit aus und überwies die Sache an das Kreisgericht Wels als Arbeits- und Sozialgericht. Der Beschluß des Kreisgerichtes Wels stehe dieser Entscheidung nicht entgegen, weil es als Arbeits- und Sozialgericht zuständig sei. Bei dem einvernehmlich aufgehobenen Vertrag handle es sich um eine Schenkung auf den Todesfall und nicht um ein Ausgedinge. Die Arbeits- und Sozialgerichte seien für Klagen von Kindern gegen Eltern auf Zahlung des Entgeltes für Arbeitsleistungen zuständig, die im Hinblick auf - später nicht eingehaltene - Zusagen einer Gutsübergabe erbracht worden seien. Da die Klägerin vorbringe, daß sie Arbeitsleistungen im Gegenwert von mindestens 150.000 S erbracht und unter Auflistung von Arbeitseinsätzen und Arbeitsstunden ein Begehren von 100.000 S auf diesen Titel stütze, sei das Kreisgericht Wels als Arbeits- und Sozialgericht zuständig.

Dieser Beschluß wurde der Klägerin zu Handen des Klagevertreters zugestellt. Nach Ablauf der Rekursfrist wurde der Akt dem Kreisgericht Wels als Arbeits- und Sozialgericht übermittelt. Dieses legte den Akt dem Oberlandesgericht Linz "zur Entscheidung über (den) negativen Kompetenzkonflikt" vor.

Das Oberlandesgericht Linz wies diesen Antrag zurück und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Ein negativer Kompetenzkonflikt liege nur vor, wenn die konkurrierenden Gerichte nacheinander ihre Zuständigkeit für eine bestimmte Rechtssache rechtskräftig verneint hätten. Da der nach der Geschäftsverteilung zuständige Vorsitzende des Arbeits- und Sozialgerichtes Wels die Akten, nachdem sie ihm mit dem Beschluß des Bezirksgerichtes Wels übermittelt worden seien, ohne formale Beschlußfassung dem Oberlandesgericht Linz vorgelegt habe, lägen schon aus diesem Grund die Voraussetzungen für eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz gemäß § 47 Abs 1 JN nicht vor.

Auch wenn das Kreisgericht Wels vorher schon eine inhaltlich gleiche Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit rechtskräftig zurückgewiesen habe, könne diese Entscheidung in einem anderen, formell abgeschlossenen Verfahren nicht als verneinende Zuständigkeitsentscheidung im Sinne des § 47 Abs 1 JN angesehen werden, zumal das in allgemeinen bürgerlichen Rechtssachen angerufene Kreisgericht Wels ein anderes Gericht als das Kreisgericht Wels als Arbeits- und Sozialgericht sei. Auf den vorliegenden Zuständigkeitskonflikt sei die Sonderregelung des § 38 Abs 2 ASGG anzuwenden. Danach habe das angerufene Gericht - sofern seine Unzuständigkeit nicht geheilt sei - eine Rechtsstreitigkeit, für die ein anderes Gericht als Arbeits- und Sozialgericht zuständig sei, nach Anhörung des Klägers an das nicht offenbar unzuständige Gericht von Amts wegen zu überweisen. Nach § 38 Abs 4 ASGG sei das Gericht, an das die Rechtssache überwiesen worden sei, an den rechtskräftigen Ausspruch über seine sachliche Zuständigkeit gebunden, so daß ein negativer Kompetenzkonflikt nicht entstehen könne. Der Antrag des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht, das Oberlandesgericht Linz möge über den negativen Kompetenzkonflikt entscheiden, sei daher zurückzuweisen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, die Entscheidung dahin abzuändern, daß das Landesgericht Wels als Arbeits- und Sozialgericht, hilfsweise das Bezirksgericht Wels für zuständig erklärt werde; in eventu wird beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Oberlandesgericht eine Entscheidung in der Sache aufzutragen; in eventu, aus Anlaß dieses Rekurses ein zuständiges Gericht zu bestimmen; in eventu, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Rechtssache zur Vornahme etwaiger Erhebungen im Sinne des § 47 Abs 2 JN an das Oberlandesgericht Linz zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig.

Sowohl aus § 47 Abs 3 JN selbst ("Die Entscheidung....ist den Parteien durch das als zuständig bestimmte Gericht mitzuteilen") als auch aus § 47 Abs 1 und 2 JN ergibt sich, daß der Gesetzgeber unter der "Entscheidung", welche gemäß § 47 Abs 3 JN durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden kann, jeweils nur die Sachentscheidung über den Kompetenzkonflikt im Sinne der Bestimmung der Zuständigkeit eines der beteiligten Gerichte versteht. Wird, wie im vorliegenden Fall, die Entscheidung über den Kompetenzkonflikt aus formalen Gründen abgelehnt, kommt hingegen die Rechtsmittelbeschränkung des § 47 Abs 3 JN nicht zum Tragen; die Partei kann somit ihren Anspruch auf Sachentscheidung gemäß § 514 Abs 1 ZPO mit Rekurs geltend machen.

Der Rekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist das Gericht, an welches überwiesen wurde, an die Entscheidung des überweisenden Gerichtes gebunden (SZ 7/6; SZ 43/18; 7 Nd 46/73). Daß das Kreisgericht Wels in einem anderen Verfahren (zwischen denselben Parteien) über eine inhaltlich gleichlautende Klage seine sachliche Unzuständigkeit ausgesprochen hat, ist bedeutungslos. Die in jenem Verfahren ergangene Entscheidung hat keine Bindungswirkung für die vom Bezirksgericht Wels an das Kreisgericht Wels (als Arbeits- und Sozialgericht) überwiesene Rechtssache. Ein Fall des § 47 Abs 1 JN läge nur dann vor, wenn das Kreisgericht Wels (als Arbeits- und Sozialgericht) - ungeachtet der oben dargelegten Rechtsansicht - die Übernahme der ihm vom Bezirksgericht Wels überwiesenen Rechtssache mit Beschluß rechtskräftig abgelehnt hätte (vgl 1 Ob 1/92 in Jus extra 1992/1089 sowie 7 Nd 46/73). Ein derartiger Beschluß liegt nicht vor; er kann auch in der Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht Linz zur Entscheidung über den angeblich vorliegenden negativen Kompetenzkonflikt nicht erblickt werden, weil die Zustellung eines solchen Beschlusses an die Parteien unter Ablauf der diesem zustehenden Rechtsmittelfrist erforderlich wäre (vgl 7 Nd 46/73).

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Rekurskosten beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

Stichworte