OGH 4Ob57/93

OGH4Ob57/938.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** Zeitungsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Michael Graff und Mag.Werner Suppan, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei M***** Gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Rechtsanwälte Dr.Giger, Dr.Ruggenthaler & Dr.Simon Partnerschaft in Wien, wegen Unzulässigerklärung einer Exekution (Streitwert: 600.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 19.März 1993, GZ 4 R 18/93-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 8.Dezember 1992, GZ 10 Cg 47/92-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:

"Die mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 9.3.1992, 5 R 35/92-21, bewilligte Exekution wird für unzulässig erklärt."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 80.712 S bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin enthalten 2.340 S Barauslagen und 14.853,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit einstweiliger Verfügung des Oberlandesgerichtes Wien vom 28.Juni 1991, 5 R 249/90-10, in der Fassung des Beschlusses des Obersten Gerichtshofes vom 19.November 1991, 4 Ob 124/91 (veröffentlicht in MR 1992, 75 = WBl 1992, 135), wurde der Klägerin (als beklagter Partei) auf Antrag (auch) der Beklagten (als erstklagender Partei) geboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Veröffentlichung entgeltlicher Einschaltungen in periodischen Medien, insbesondere in der periodischen Druckschrift "D*****", zu unterlassen, wenn diese Ankündigungen nicht als "Anzeige", "entgeltliche Einschaltung" oder "Werbung" gekennzeichnet sind oder die Kennzeichnung nur in unauffälligem Kleinstdruck und/oder an einer anderen Stelle als die Werbeeinschaltung erfolgt, es sei denn, daß in allen diesen Fällen Zweifel über die Entgeltlichkeit durch die Gestaltung oder Anordnung der Einschaltung ausgeschlossen werden können.

Mit Beschluß vom 9.März 1992, 5 R 35/92-21, bewilligte das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht der Beklagten als betreibender Partei auf Grund dieser einstweiligen Verfügung die Exekution gemäß § 355 EO. Die Beklagte hatte behauptet, daß die Klägerin durch Veröffentlichtung einer nicht als "Anzeige", "entgeltliche Einschaltung" oder "Werbung" gekennzeichneten entgeltlichen Einschaltung auf Seite 83 der Nr.7 der periodischen Druckschrift "D*****" vom 13.2.1992 gegen den Exekutionstitel verstoßen habe.

Die von der Beklagten beanstandete Einschaltung war im oberen Viertel der Seite 83 über einem Teil des in einem Kasten abgedruckten Fortsetzungsromans "Der große W*****-Roman", in dessen linke Spalte von unten die "Briefmarken-W*****-Ecke" eingeschoben war, wie folgt veröffentlicht worden:

Für diese Einschaltung hat die Klägerin ein Entgelt erhalten.

Mit der Behauptung, daß sie dem Exekutionstitel nicht zuwidergehandelt habe, weil das beanstandete Inserat nach seiner Gestaltung und Anordnung auf den ersten Blick als solches des Finanzministeriums erkennbar sei, so daß Zweifel über seine Entgeltlichkeit nicht im entferntesten aufkommen konnten, erhebt die Klägerin gegen die Exekutionsbewilligung Einwendungen gemäß § 36 EO mit dem Antrag, die Exekutionsbewilligung für unzulässig zu erklären.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Angesichts der Überschrift "Wie steuert man Autos?" im Rahmen der Abbildung einer Autostraße sowie der Unterschrift "Reformminsterium" seien Zweifel über die Entgeltlichkeit der beanstandeten Veröffentlichung keineswegs ausgeschlossen. Der flüchtige Durchschnittsleser könne nicht wissen, ob es sich dabei um eine redaktionelle oder um eine entgeltliche Mitteilung handelt, zumal entgeltliche Werbung eines Ministeriums "eigentlich etwas Neues" sei. Da die Einschaltung wie ein üblicher redaktioneller Text aussehe und auch politische Aussagen bzw eine "Berühmung" des Finanzministeriums enthalte, müsse sie dem Durchschnittsleser als redaktioneller Beitrag erscheinen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Für einen Durchschnittsleser ergebe sich bei flüchtiger Betrachtung keineswegs zweifelsfrei, daß die beanstandete Veröffentlichung kein redaktioneller Bericht, sondern eine bezahlte Werbeeinschaltung des Finanzministeriums sei; die Klägerin habe demnach dem Exekutionstitel zuwidergehandelt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Zwar werde ein Durchschnittsleser - wenn auch erst nach aufmerksamer Lektüre der beanstandeten Veröffentlichung - deren Charakter als eine Werbung des Finanzministeriums für den Kauf sparsamer Autos und für sich selbst erkennen; er sei damit aber entgegen der vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung ÖBl 1991, 280 geäußerten Rechtsansicht bereits zur Kenntnisnahme einer Werbebotschaft verleitet worden, welcher er sich sonst entzogen hätte. § 26 MedienG wolle jedoch gerade verhindern, daß Anzeigen der äußere Schein redaktioneller Mitteilungen gegeben werde. Die beanstandete entgeltliche Einschaltung verstoße demnach gegen den Exekutionstitel, weil sie ihre Werbebotschaft auch an solche Personen herantrage, die Anzeigen sonst grundsätzlich nicht zur Kenntnis nehmen wollten.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Die Beklagte stellt den Antrag, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen der Meinung der Beklagten schon deshalb zulässig, weil das Berufungsgericht ausdrücklich von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; sie ist auch berechtigt.

Mit dem Exekutionstitel wurde der Klägerin - in Übereinstimmung mit § 26 MedienG - verboten, in der periodischen Druckschrift "D*****" entgeltliche Einschaltungen zu veröffentlichen, wenn diese nicht als "Anzeige", "entgeltliche Einschaltung" oder "Werbung" gekennzeichnet sind, es sei denn, daß Zweifel über die Entgeltlichkeit durch die Gestaltung oder Anordnung ausgeschlossen werden können. Daß die Klägerin für die beanstandete Einschaltung ein Entgelt bekommen hat, steht fest. Da ein aufklärender Zusatz über die Entgeltlichkeit in Form einer der drei im Exekutionstitel (und in § 26 MedienG) aufgezählten Ausdrücke fehlt, hängt die Entscheidung nur davon ab, ob durch die Gestaltung oder Anordnung der Ankündigung "Wie steuert man Autos?" Zweifel über deren Entgeltlichkeit ausgeschlossen werden können. Diese Frage kann immer nur nach den Umständen des Einzelfalles beantwortet werden. Maßgebend ist dabei, ob das angesprochene Publikum, an dessen Aufmerksamkeit, Erfahrung und Sachkunde ein Durchschnittsmaßstab anzulegen ist, den entgeltlichen Charakter einer Veröffentlichung zweifelsfrei erkennen kann (MR 1991, 75; ÖBl 1991, 280; MR 1992, 75, jeweils mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung (MR 1990, 237; MR 1991, 75; EvBl 1991, 79; ÖBl 1991, 280; ÖBl 1992, 205) bedarf § 26 MedienG im Hinblick auf seinen offenkundigen Zweck, Täuschungen über den Charakter entgeltlicher Veröffentlichungen zu verhindern (Foregger-Litzka, MedienG3, 160 f), einer teleologischen Reduktion dahin, daß unter "Ankündigungen, Empfehlungen sowie sonstigen Beiträgen und Berichten" nur solche zu verstehen sind, die ihrem Inhalt nach (auch) als redaktionelle Beiträge verstanden werden können; sind sie dagegen vom Publikum schon nach ihrer Art und Aufmachung eindeutig als Werbung zu erkennen, dann unterliegen sie nicht der Kennzeichnungspflicht. Es wurde daher einerseits ausgesprochen, daß die Leser über das Vorliegen einer entgeltlichen Werbemitteilung jedenfalls dann nicht getäuscht werden können, wenn diese trotz fehlender Kennzeichnung nach Art und Aufmachung schon bei flüchtiger Betrachtung, also auf Grund ihrer graphischen und textlichen Gestaltung, auf den ersten Blick als solche erkennbar ist (ÖBl 1992, 205); andererseits hat der Oberste Gerichtshof aber auch darauf verwiesen, daß es nichts schadet, wenn das Publikum erst nach dem Lesen des gesamten Textes einer Veröffentlichung deren Charakter als Werbung zweifelsfrei erkennt, bezweckt doch § 26 MedienG keineswegs, Leute vor dem Lesen bezahlter Einschaltungen zu bewahren, sondern nur, eine Täuschung über die Interessenlage der Verfasser zu vermeiden (ÖBl 1991, 280). Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes schon daraus, daß auch die in § 26 MedienG angeführte Kennzeichnung mitunter erst nach dem Lesen des Beitrages wahrgenommen wird.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich aber, daß der durchschnittliche Leser die beanstandete Veröffentlichung nicht für einen redaktionellen Beitrag - welchem der Zeitungsleser im allgemeinen wesentlich mehr Glaubwürdigkeit beimißt als einer Werbemitteilung - halten konnte: Auf den ersten Blick mochten zwar nur die optische Gestaltung der beanstandeten Veröffentlichung als eine - auch farblich hervorgehobene - Abbildung einer autoleeren, schnurgerade in die Weite des Horizonts führenden Straße mit der darübergelegten Frage "Wie steuert man Autos?" sowie rechts und links - vom kleiner gedruckten Text deutlich abgesetzt - die Wörter "Finanzministerium" und "Reformministerium" ins Auge gefallen sein, so daß für den flüchtigen Betrachter noch keineswegs zweifelsfrei erkennbar war, daß er es hier mit einer entgeltlichen Werbemitteilung zu tun hatte; nach dem Lesen des gesamten Textes mußte aber jeder Interessent dessen Charakter als Werbung (des und für das Finanzministerium; vgl dazu MR 1992, 39) erkannt haben, wird doch darin auf die seit 1.Jänner 1992 geltende "umweltfreundliche" Steuerreform beim Ankauf neuer Autos hingewiesen und deren europaweite Spitzenstellung propagiert. Nach der inhaltlichen Gestaltung des Textes der Veröffentlichung konnte es demnach auch für einen Durchschnittsleser trotz fehlender Kennzeichnung nicht mehr zweifelhaft sein, daß hier "nicht die Zeitung selbst, sondern das Finanzministerium als Inserent zum Publikum spricht" (vgl MR 1992, 75 mwN). All jenen Zeitungslesern aber, die sich mit der Betrachtung der optisch hervorgehobenen Farbabbildung samt Überschrift begnügten und den Text entweder nur interesselos überflogen oder gar nicht lasen, mag zwar der Werbezweck entgangen sein; sie konnten dann aber auch nicht in ihrem Vertrauen auf die Objektivität einer von der Redaktion verantworteten Berichterstattung getäuscht worden sein. Da der beanstandete Beitrag für sie nicht als Werbung wirksam war, bestand demnach auch keinerlei Notwendigkeit, sie darüber aufzuklären, daß es sich um eine entgeltliche Werbeeinschaltung handelte (ÖBl 1991, 280 mwN).

Da die Klägerin sohin mit der beanstandeten Einschaltung nicht gegen § 26 MedienG und damit auch nicht gegen den Exekutionstitel verstoßen hat, wurde die bekämpfte Exekutionsbewilligung zu Unrecht erteilt; die Urteile der Vorinstanzen waren daher dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben wird.

Der Ausspruch über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jener über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf §§ 41, 50 ZPO.

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