OGH 8Ob608/92

OGH8Ob608/924.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gunther Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Edgar Huber, Dr.Birgit Jelinek, Dr.Ronald Rohrer und Dr.Ilse Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** J*****, vertreten durch Dr.Paul Flach, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei H*****-J***** M*****, vertreten durch Dr.Josef Thaler, Rechtsanwalt in Zell am Ziller, wegen S

195.500 und Feststellung, Gesamtstreitwert S 225.500 (Revisionsinteresse S 100.250) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 24.April 1992, GZ 4 R 56/92-45, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 25.November 1991, GZ 12 Cg 344/88-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahingehend abgeändert, daß sie einschließlich der bereits in der zweiten Instanz unangefochten gebliebenen Teilabweisung insgesamt lautet:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 35.125 samt 4 % Zinsen seit 21.11.1988 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Es wird festgestellt, daß die beklagte Partei der klagenden Partei für alle kausalen Schäden aus dem Vorfall vom 20.9.1985 zu einem Viertel haftet.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere S 160.375 samt 4 % Zinsen seit 21.11.1988 zu bezahlen, und es werde festgestellt, daß die beklagte Partei der klagenden Partei für alle kausalen Schäden aus dem Vorfall vom 20.9.1985 mit einem weiteren Viertel hafte, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 36.033,55 (einschließlich S 4.903,25 Umsatzsteuer und S 6.614,06 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 20.9.1985 kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung der Parteien, bei der der Kläger schwere Verletzungen erlitt. Diesem Vorfall ging ein Angriff des Klägers auf den Beklagten und dessen Begleiter in einem Gasthof voraus, bei dem der Begleiter unbestimmten Ausmaßes verletzt wurde und die Brille des Beklagten zu Bruch ging. Nach diesem Zwischenfall verließen der Beklagte und sein Begleiter das Lokal und sie begaben sich in einen anderen Gasthof, in dem sich bereits der Kläger befand. Dort kam es zu einem weiteren Angriff des Klägers auf den Begleiter des Beklagten, dem er mehrere Schläge versetzte. Der Beklagte befand sich zu diesem Zeitpunkt auf der Toilette. Als er nach seiner Rückkehr von den neuerlichen Attacken des Klägers erfuhr, stellte er ihn zur Rede und machte seine Ansprüche auf Schadenersatz für die zerbrochene Brille geltend. Der Kläger ging darauf nicht ein; vielmehr warf er die ihm mehrmals vorgehaltene Brille ebensooft in die Ecke und forderte den Beklagten auf, zur "Klärung" dieser Angelegenheit vor die Tür zu kommen. Der Beklagte verließ mit seinem Begleiter das Lokal, ohne weiter auf die Aufforderung des Klägers einzugehen.

Der Kläger folgte den Beiden vor das Lokal und versetzte dem Begleiter einen Faustschlag, sodaß dieser gegen ein dort befindliches Holzgeländer taumelte; dem Beklagten, der versuchte, seinem Begleiter zu Hilfe zu kommen, versetzte er ebenfalls einen Faustschlag ins Gesicht. Daraufhin schlug ihn der Beklagte mit der Faust in das Gesicht. Der Kläger ging zu Boden, schlug dort mit dem Hinterkopf auf und verlor die Besinnung; hiebei kam er mit dem Gesicht nach oben zu liegen.

In der Folge schlug der Beklagte auf den wehr- und besinnungslos am Boden liegenden Kläger mit seinen Fäusten ein; wie oft er dies tat, konnte nicht festgestellt werden. Ob er ihm - wie das Erstgericht feststellte - im Anschluß daran zumindest einen Fußtritt versetzte, ließ das Berufungsgericht dahingestellt.

Eine Beteiligung des Begleiters des Beklagten oder einer dritten Person an diesen Tätlichkeiten konnte nicht festgestellt werden; die Verletzung des Klägers wurde ausschließlich durch die Tätlichkeiten des Beklagten verursacht. Für die Verletzungen des Klägers ist mit Sicherheit mehr als eine Gewalteinwirkung, insbesondere mehr als einziger Faustschlag gegen den Kopf, ursächlich; die Augen- und Nasenverletzung des Klägers wurde nicht durch den gleichen Schlag verursacht. Nicht festgestellt werden kann, ob und welche Verletzungen der Kläger durch den ersten Schlag, sowie ob und welche Verletzungen er durch die folgenden Schläge des Beklagten erlitt. Nicht feststellbar ist auch, daß die vom Kläger insgesamt erlittenen Verletzungen nur durch den ersten Schlag oder nur durch die darauffolgende Schläge verursacht wurden.

Der Kläger erlitt bei diesem Vorfall eine Ruptur des linken Augapfels mit einem Verlust der Linse und folgenden Glaskörperblutungen, zusätzlich einen Bruch des Nasenbeines mit einer Verrenkung der Nasenscheidewand, mehrere oberflächliche Rißquetschwunden im Gesicht und eine schwere Schädelprellung. Ein verwertbares Sehvermögen des linken Auges ist nicht mehr vorhanden. Die Augenverletzung bedingte eine Berufsunfähigkeit bis Anfang März 1987. Mit diesen Verletzungen waren sechs Tage starke, drei Wochen mittlere und zehn bis zwölf Wochen leichte Schmerzen verbunden.

Im Zuge dieser Tätlichkeiten verlor der Kläger seine Brieftasche mit ca. S 500 Inhalt. Ob der Kläger einen Verdienstentgang erlitten hatte, konnte nicht festgestellt werden.

Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger die Zahlung von S

195.500 sA sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für die Hälfte aller kausalen Schäden aus dem geschilderten Vorfall. Dieser habe die Grenzen der Notwehr schuldhaft überschritten, indem er ihn, der bereits regungs- und wehrlos am Boden gelegen sei, noch wiederholt ins Gesicht geschlagen habe. Dabei habe er neben weiteren Kopfverletzungen eine Verletzung des linken Auges erlitten, welche eine dauernde Beeinträchtigung der Sehkraft dieses Auges erwarten lasse. Da das schuldhaft rechtswidrige Verhalten des Beklagten teilweise von ihm provoziert gewesen sei, gestehe er ein gleichteiliges Mitverschulden zu. Er bezifferte seinen Schaden mit insgesamt S 391.000 (Schmerzengeld S 140.000, verlorene Geldtasche samt Inhalt S 3.000 und Verdienstentgang S 248.000) und begehrte 50 % dieses Betrages.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und wendet ua ein, daß ihm eine Notwehrüberschreitung nicht zur Last gelegt werden könne; er habe nämlich dem Kläger in Notwehr lediglich einen einzigen Faustschlag versetzt.

Das Erstgericht sprach dem Kläger S 70.250 sA zu, stellte zufolge gleichteiligen Verschuldens die Haftung des Beklagten für alle kausalen Schäden aus diesem Vorfall zur Hälfte fest und wies das Mehrbegehren von S 125.250 sA ab; die Abweisung blieb unbekämpft. Der Beklagte habe die Grenzen der Notwehr rechtswidrig und schuldhaft überschritten und hafte dem Kläger für sämtliche daraus entstandene Schäden. Unter Berücksichtigung des provokatorischen Verhaltens des Klägers erscheine die von diesem zugestandene gleichteilige Verschuldensteilung gerechtfertigt. Als Schmerzengeld sei der Betrag von S 140.000 angemessen. Auch für den Verlust der Brieftasche hafte der Beklagte dem Kläger zur Hälfte, da ihr Verlust letztlich auf die Tätlichkeiten zurückzuführen sei. Das Feststellungsbegehren sei im Hinblick auf die festgestellte Dauerfolge (praktische Blindheit des linken Auges) berechtigt. Hingegen sei das Zahlungsbegehren auf Ersatz des Verdienstentgangs abzuweisen, weil es dem Kläger nicht gelungen sei, einen solchen nachzuweisen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und ließ die Revision an den Obersten Gerichtshof zu. Notwehr könne dem Beklagten jedenfalls nur für den ersten Faustschlag zugebilligt werden. Nachdem der Kläger aufgrund dieses Faustschlages bereits wehr- und besinnungslos am Boden gelegen sei, habe jedoch nicht der geringste Anlaß bestanden, zur Abwehr eines gegenwärtig oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriffes weiterhin auf ihn einzuschlagen. Der Beklagte sei damit seinerseits in den Angriff übergegangen und könne für diesen Teil seiner Tätlichkeiten eine Notwehrlage nicht in Anspruch nehmen; für die dabei dem Kläger zugefügten Verletzungen hafte er. Anders sei die Rechtslage bezüglich des ersten Faustschlages. Eine Haftung für die Folgen dieses Faustschlages komme - für sich allein gesehen - nur aufgrund eines Notwehrexzesses, der auch fahrlässig begangen werden könne, in Betracht. Ob ein solcher hinsichtlich des ersten Faustschlages, der den Kläger immerhin zu Boden gestreckt habe, anzunehmen sei, könne jedoch letztlich dahingestellt bleiben, weil die Haftung des Beklagten für sämtliche bei dieser Auseinandersetzung dem Kläger zugefügten Verletzungen unabhängig davon zu bejahen sei, ob hinsichtlich des ersten Schlages ein Notwehrexzess vorliege.

Nach ständiger Rechtsprechung treffe grundsätzlich dem Geschädigten die Beweislast für den Kausalzusammenhang; dabei genüge allerdings ein sehr hoher Grad von Wahrscheinlichkeit. Der aus § 1302 ABGB abgeleitete Fall der alternativen Kausalität stelle eine Beweiserleichterung dar. Das Problem der alternativen Kausalität entstehe dann, wenn mehrere Personen als Schädiger in Betracht kämen, aber nicht festgestellt werden könne, welcher der Täter tatsächlich den Schaden verursacht habe. In einem solchen Fall trügen nach der Rechtsprechung alle, für die der Kausalitätsverdacht spreche, das Risiko der Unaufklärbarkeit; jedem stehe aber der Beweis offen, daß sein Verhalten den Eintritt des Schadens nicht mitverursacht habe. In der Judikatur seien bisher nur solche Fälle nach dem Prinzip der alternativen Kausalität gelöst worden, bei denen mehrere Personen als Schädiger in Betracht kämen. Nach Koziol (Haftpflichtrecht2 I 66 Anm 76), komme eine Anwendung dieser Grundsätze aber auch in jenen Fällen in Betracht, in denen ein Schädiger mehrere Ursachen gesetzt habe und nicht feststellbar sei, welche Ursache den Schaden herbeigeführt habe. Von Bedeutung sei dies dann, wenn der Schädiger bloß für eine Ursache zu haften habe, nicht aber für die andere (etwa aus dem Grunde, weil diese durch Notwehr gerechtfertigt gewesen sei). Ein solcher Sachverhalt liege hier vor. Er sei daher im Sinne der obigen Ausführungen mittels analoger Anwendung der Grundsätze der alternativen Kausalität zu lösen. Dies habe zur Folge, daß der Beklagte dem Kläger für die Folgen sämtlicher bei der Auseinandersetzung vom 20.9.1985 zugefügter Verletzungen unabhängig davon schadenersatzpflichtig sei, ob und welcher Teil der Verletzungen durch den ersten Schlag verursacht wurde und ob dem Beklagten im Zusammenhang mit diesem ersten Schlag eine Notwehrüberschreitung vorgeworfen werden könne. Das Erstgericht habe somit dem Klagebegehren im Ergebnis zu Recht - unter Bedachtnahme auf die vom Kläger selbst zugestandene, aufgrund seiner Provokation auch gerechtfertigte gleichteilige Schadensteilung - hinsichtlich des Schmerzengeldes, des Ersatzes für die verlorene Geldtasche und des Feststellungsbegehrens stattgegeben. Die Revision sei zulässig, weil zur Frage der analogen Anwendung der Grundsätze der alternativen Kausalität auf jene Fälle, in denen ein Schädiger mehrere Ursachen gesetzt habe, aber nur für eine derselben haftbar wäre, eine oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten. Er macht als Revisionsgründe Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend und begehrt in Abänderung des angefochtenen Urteils, das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig und teilweise auch berechtigt.

Die Berufungsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO); der Beklagte versucht mit diesen Ausführungen in Wahrheit in unzulässiger Weise die Tatsachenfeststellungen, insbesondere, daß er dem Kläger mehr als einen Faustschlag versetzt habe, zu bekämpfen.

In der Rechtsrüge bemängelt der Beklagte die Verschuldensaufteilung; er meint, daß § 1302 ABGB nicht angewendet werden könne, weil dieser mehrere rechtswidrige schuldhafte Angriffe von mehreren Verursachern voraussetze. Im vorliegenden Fall habe er zumindest den ersten Faustschlag in einer Notwehrsituation, also nicht schuldhaft, geführt. Der Kläger müsse daher beweisen, welche Verletzungen ihm, allenfalls infolge Notwehrüberschreitung, der Beklagte zugefügt habe.

Der Oberste Gerichtshof hat den festgestellten Sachverhalt aufgrund der Rechtsrüge nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen. Diese Überprüfung ergibt, daß die Revision des Beklagten teilweise berechtigt ist:

Vorweg ist festzuhalten, daß im vorliegenden Fall alle relevanten Fragen deliktischer Schadenshaftung, auch wenn beide Streitteile Angehöriger verschiedener Auslandsstaaten mit derartigem gewöhnlichen Aufenthalt sind, im Hinblick auf den inländischen Deliktsort gemäß § 48 Abs 1 IPRG nach österreichischem Sach-Recht zu beurteilen sind; dem Personalstatut zuzuordnende Fragen der Deliktsfähigkeit (§ 12 IPRG) stehen hier nicht zur Beantwortung.

Zutreffend ging das Berufungsgericht davon aus, daß nur der erste Faustsachlag des Beklagten als Akt der Notwehr gesetzt anerkannt werden kann; nur er diente der Abwehr eines gegenwärtig oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriffes. Notwehr ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie nicht über die nötige Verteidigung hinausgeht (für alle Koziol, Haftpflichtrecht I2 103 f; RZ 1989, 141; JBl 1990, 104 uva). Dieser erste Faustschlag des Beklagten war unter den gegebenen Umständen (der Kläger versetzte - nach mehreren bereits vorhergehenden Provokationen - dem Beklagten unmittelbar vor dessen ersten Abwehrschlag einen Faustschlag) eine angemessene Notwehrhandlung, weil er mit einem adäquaten Gegenmittel den Angriff des Klägers stoppte. Eine Notwehrüberschreitung kann dem Beklagten beim ersten Schlag nicht vorgeworfen werden, auch wenn der Kläger infolge des Schlages des Beklagten zu Boden ging und - offenbar durch den Aufschlag des Hinterkopfes am Boden - bewußtlos wurde. Beim ersten Schlag handelte der Beklagte daher nicht rechtswidrig, sodaß eine Haftung für die Folgen dieses Faustschlages völlig ausscheidet. Die widrigen Folgen fallen in die Sphäre des angreifenden Klägers; sie sind von ihm voll zu vertreten.

Hingegen ist gegenüber einem schon völlig abgeschlossenen Angriff - und dies kann in Anbetracht eines bereits bewußtlos am Boden liegenden Angreifers für den Angegriffenen nicht zweifelhaft sein - keine gerechte Notwehr (SSt 38/6 uva) und damit auch kein Überschreiten der Notwehr durch Notwehrexzess denkbar. Für die weiteren Schläge und deren Folgen ist der Beklagte verantwortlich; die Haftung kann aber - wie der Kläger selbst erkannt und in seinem Klagebegehren dieser Erkenntnis auch Rechnung getragen hat - infolge seines Mitverschuldens - nämlich der mehrfachen vorangegangenen grundlosen Provokationen des Beklagten - teilweise beschränkt werden.

Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, daß nicht festgestellt werden kann, ob und welche Verletzung durch den ersten - gerechtfertigten und daher nicht haftbar machenden - Schlag und welche durch Folgeschläge, für die der Beklagte einzustehen hat, verursacht wurden.

Das Berufungsgericht ist zutreffend - unter Berufung auf Koziol (aaO 66 Anm 76) davon ausgegangen, daß es sich hier um einen Fall der alternativen Kausalität handelt. Anders als bei dem üblicherweise zu entscheidenden Fällen der alternativen Kausalität, bei denen mehrere Personen als Schädiger in Betracht kommen, aber nicht festgestellt werden kann, welcher Täter den Schaden tatsächlich verursacht hat, hat hier ein Schädiger mehrere Ursachen gesetzt, von denen nicht festgestellt werden kann, welche den Schaden herbeigeführt hat. Wäre der Schädiger für alle Ursachen haftbar oder hätte jede für sich allein den Schaden herbeigeführt, wäre der Schaden dem Schädiger jedenfalls zurechenbar (vgl SZ 45/135).

Im vorliegenden Fall ist der Beklagte nur für die durch die weiteren Schläge herbeigeführten Schäden verantwortlich. Zu prüfen ist, ob der Beklagte, wie das Berufungsgericht unter Außerachtlassung der weiteren Ausführungen Koziols zu diesem Thema (aaO 69 ff und 238) annahm, in einem solchen Fall der Unaufklärbarkeit der Kausalität der Schadensursache - wie in den Fällen ungeklärter Kausalität des Verhaltens mehrerer potentieller Schädiger - für den ganzen Schaden verantwortlich ist, bzw wer die Beweislast in einem solchen Fall trägt, oder ob bei Zusammentreffen vom schuldhaften Handeln einerseits und Zufall bzw dem Geschädigten zuzurechnenden Schadensursachen andererseits eine Teilung des Schadens sachgerechter ist.

Wie Bydlinski mehrfach überzeugend nachgewiesen hat (JBl 1959, 1 ff, insb 8 ff, 13; ders, Probleme der Schadensverursachung (1964) 87 ff; ders, in Beitzke-FS (1979) 6, 30 ff; ihm folgend Koziol aaO 66 ff mwN und Auseinandersetzung mit den dagegen erhobenen Einwänden Welsers, ZfVR 1968, 42 ff), ist Grund für die analoge Anwendung der solidarischen Haftung des § 1302 ABGB auf Fälle der alternativen Kausalität, daß mehrere Personen als mögliche Täter in zurechenbarer Weise konkret gefährlich, also in höchstem Maße adäquat für den Schadenseintritt gehandelt haben. In einem solchen Fall ist die Unsicherheit der Verursachung eher von den möglichen Tätern als vom Geschädigten zu tragen; jene sind untereinander auf einen entsprechenden Ausgleich angewiesen. Die Rechtsprechung ist diesem Gedanken gefolgt und hat das Unaufklärbarkeitsrisiko ihnen auferlegt (SZ 54/63; 57/25; 61/234 uva).

Dieser Gedanke ist aber, wie Bydlinski (aaO) und Koziol (aaO 69 ff), nachgewiesen haben, verallgemeinerungsfähig und -bedürftig. Die Beweisnot des Geschädigten hinsichtlich des Kausalzusammenhanges führte in vielen Fällen dazu, daß in Lehre und Rechtsprechung eine Beweislastumkehr angenommen wurde oder man sich mit einem prima-facie-Beweis begnügte, was trotz zweifelhafter Kausalität zu einer Bejahung der Haftung im vollen Umfang führte; das Ergebnis war so, als ob die Verursachung tatsächlich feststünde.

Bydlinski (aaO) und - ihm folgend - Koziol (aaO 69 ff) lösen diese Fälle der nur möglichen,aber weder beweisbaren noch ausschließbaren Kausalität nicht mit den Mitteln der Beweislast, sondern verschieben das Beweisthema: In einem solchen Fall wird der Nachweis der Kausalität- bzw bei Beweislastumkehr der Nichtkausalität durch den der konkreten Gefährlichkeit eines rechtswidrig und schuldhaft handelnden Täters ersetzt. So sehr wegen des Präventionsgedankens und um zu vermeiden, daß der schuldige Täter vor dem schuldlosen Beschädigten begünstigt wird, es geboten erscheint, sich mit der möglichen Verursachung als Haftungselement zu begnügen, so wenig darf übersehen werden, daß hier die Möglichkeit der Schadensentstehung aus der Risikosphäre des Beschädigten diesen selbst belastet. Eine Teilung des Schadens scheint ihnen daher geboten: Sie führen diese Lösung überzeugend auf zwei in unserer Rechtsordnung vorhandene Grundgedanken zurück, nämlich auf die Anerkennung möglicher Verursachung als Zurechnungselement in § 1302 ABGB bei konkreter Gefährlichkeit eines rechtswidrig und schuldhaft handelnden Täters und auf das Prinzip der Schadensteilung in § 1304 ABGB. Bei Zusammentreffen schuldhaften Handelns des Schädigers und vom Geschädigten zu vertretenen Umständen (Zufallsereignisse und sonstige in den Bereich des Geschädigten fallende Ereignisse, wie hier die von diesem selbst zu vertretende allfällige Verletzung durch den ersten in Notwehr geführten Schlag des Beklagten) ist der Schaden gemäß § 1304 ABGB zu teilen, und zwar mangels näherer Bestimmbarkeit im Verhältnis eins zu eins: der Beklagte hätte also dem Kläger nur die Hälfte des Schadens zu ersetzen.

Im vorliegenden Fall kommt aber hinzu, daß der Geschädigte auch für die weiteren Schläge des Beklagten infolge seiner vorhergehenden wiederholten Provokationen mitverantwortlich ist. Trifft dem Geschädigten ein Selbstverschulden, so belastet ihn das stärker als der bloße, vielleicht kausale Zufall, sodaß er einen entsprechend größeren Schadensanteil tragen muß (Bydlinski, JBl 1959, 13; ders, Probleme der Schadensverursachung 87); in einem solchen Fall muß eine Entlastung des möglichen Schädigers über die Hälfte hinaus eintreten (Koziol aaO 238).

Da der Kläger sein provokantes Verhalten selbst als ein - seinen ihm sonst zustehenden Schadenersatzanspruch einschränkendes - Mitverschulden von 50 % anerkennt, hat ihm der Beklagte gemäß § 1304 ABGB nur die Hälfte des ihm sonst gebührenden Schadens zu ersetzen. Für eine vom Beklagten wegen dieser Provokationen angestrebte noch weitere Herabsetzung der Ersatzquote besteht kein Anlaß, darf doch nicht übersehen werden, daß er - offenbar gereizt - völlig unkontrolliert auf den bereits wehr- und bewußtlosen Kläger weiter einschlug.

Im Ergebnis führt dies daher dazu, daß der Beklagte dem Kläger nicht die Hälfte, sondern nur ein Viertel seines Schadens zu ersetzen hat und auch für allfällige Folgeschäden nur zu einem Viertel haftet. In teilweiser Stattgebung der Revision des Beklagten ist die angefochtene Entscheidung in diesem Sinn abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 43 Abs 1, 50 ZPO. In erster Instanz ist der Kläger nur mit ca 20 % seines Leistungsbegehren und mit der Hälfte seines Feststellungsbegehrens, insgesamt streitwertmäßig mit etwa 22 % durchgedrungen; der Kläger hat daher dem Beklagten 56 % seiner Kosten zu ersetzen; hievon kann er sich 22 % der Barauslagen abziehen. Die Kosten zweiter und dritter Instanz sind gegenseitig aufzuheben, weil der Kläger mit der Hälfte des noch begehrten Betrages weiter obsiegt, mit der anderen Hälfte aber unterlegen ist; allerdings hat der Kläger dem Beklagten die Hälfte von dessen Barauslagen zu ersetzen, weil der Beklagte in diesem Ausmaß obsiegt hat.

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