OGH 2Ob537/93

OGH2Ob537/931.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische B*****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei Georg M*****, vertreten durch Dr.Karl Friedrich Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 161.139,99 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 16. Februar 1993, GZ 13 R 24/92-21, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 15.Jänner 1992, GZ 3 Cg 336/91-12, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Im Jahre 1976 errichtete die klagende Partei eine Hochspannungsleitung über der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches N*****. Dazu war die Schlägerung einer Trasse notwendig; der Eigentümer der Liegenschaft Johann H***** gestattete die notwendigen Schlägerungsarbeiten auf seinem Grundstück gegen Zahlung einer Entschädigung.

Zur Durchführung der Schlägerungsarbeiten bediente sich die klagende Partei des Schlägerungsunternehmens der Helene L*****. Drei Arbeitnehmer dieses Unternehmens, nämlich Arthur E*****, Arnold S***** und Georg M***** (Beklagter) führten Schlägerungsarbeiten durch. Am 13.4.1976 entstand ein Waldbrand am Grundstück des Johann H*****. Die angeführten Arbeitnehmer des Schlägerungsunternehmens wurden vom Strafgericht wegen gemeinsamer fahrlässiger Herbeiführung einer Feuersbrunst gemäß § 170 Abs 1 StGB rechtskräftig verurteilt. Johann H***** nahm die klagende Partei als seinen Vertragspartner im Verfahren zu 24 Cg 62/79 des LGfZRS Wien in Anspruch; von der klagenden Partei wurde aufgrund des Urteiles vom 23.10.1980 innerhalb der Leistungsfrist bezahlt.

Mit der vorliegenden, beim Landesgericht K***** eingebrachten, "Regreßklage" begehrte die klagende Partei von den drei Arbeitnehmern des Schlägerungsunternehmens die Bezahlung von je 161.139,99 S mit der Begründung, sie hätten je ein Drittel des von der klagenden Partei ersetzten Schadens zu tragen. Georg M***** wendete die örtliche Unzuständigkeit des Landesgerichtes Klagenfurt ein; dieses sprach seine örtliche Unzuständigkeit aus und überwies die Rechtssache hinsichtlich des Beklagten Georg M***** gemäß § 261 Abs 6 ZPO an das Landesgericht Salzburg.

Der Beklagte bestritt und erhob die Einrede der Verjährung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren kostenpflichtig ab. Es vertrat die Ansicht, daß von der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB auszugehen sei, weil nur eine fahrlässige Herbeiführung der Feuersbrunst behauptet wurde. Der Regreßanspruch der klagenden Partei sei mit der Ersatzleistung an den Geschädigten entstanden und habe zu diesem Zeitpunkt die Verjährungsfrist zu laufen begonnen. Mangels eines besonderen Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien des Rechtsstreites komme die Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche in der Dauer von drei Jahren zum Tragen, weshalb die Forderung der klagenden Partei verjährt sei.

Das von der klagenden Partei angerufene Berufungsgericht hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, Regreßansprüche von Solidarschuldnern verjährten erst nach 30 Jahren, wobei der Lauf der Verjährungsfrist mit der Zahlung beginne. Eine kürzere Verjährungszeit gelte nur dann, wenn sich diese aus dem besonderen Innenverhältnis ergäbe, so insbesondere bei schuldhafter Pflichtenverletzung aus einem Arbeitsverhältnis oder beim Regreß gegen den selbständigen Erfüllungsgehilfen. Lediglich beim Regreß gegen den Erfüllungsgehilfen selbst werde ein Schadenersatzanspruch verfolgt, für den die kurze Verjährung nach § 1489 ABGB gelte, im übrigen handle es sich aber beim Regreßanspruch des Solidarschuldners nach § 896 ABGB um einen eigenen Anspruch, der der 30-jährigen Verjährungsfrist unterliege.

Im vorliegenden Fall sei die klagende Partei in einer Vertragsbeziehung zum geschädigten Grundeigentümer gestanden, dem sie den Schaden von insgesamt 484.199,98 S im Jahre 1980 ersetzt habe. Sie sei auch in einem Vertragsverhältnis zum Schlägerungsunternehmen der Helene L***** gestanden, deren Arbeitnehmer (darunter der Beklagte) aufgrund fahrlässiger Brandlegung den Schaden des Grundeigentümers verschuldet hätten. Für diese drei Arbeitnehmer, die Erfüllungsgehilfen ihrer Vertragspartnerin waren, müsse die klagende Partei gemäß § 1313 a ABGB einstehen. Dem Geschädigten hafte die klagende Partei aus dem Vertrag, der Beklagte aus Delikt; alle hafteten dem Geschädigten solidarisch. Der interne Regreß sei nach den §§ 1313 zweiter Satzund 896 ABGB zu beurteilen und unterliege mangels einer Vertragsbeziehung zwischen der klagenden Partei und dem Beklagten der 30-jährigen Verjährungsfrist.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt, weil die Besonderheiten des Falles - Werkvertrag zwischen der klagenden Partei und dem Schlägerungsunternehmen, Arbeitsvertrag zwischen dem Schlägerungsunternehmen und dem schädigenden Beklagten - der relevanten Rechtsfrage der Verjährung eine über den konkreten Rechtsstreit hinausgehende Bedeutung geben.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt werde.

Die klagende Partei hat Rekursbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel des Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Beklagte vertritt in seinem Rechtsmittel die Ansicht, die von der klagenden Partei geltend gemachte Forderung unterliege der dreijährigen Verjährungsfrist. Zwischen den Streitteilen liege kein Solidarschuldverhältnis vor, so daß die eingeklagte Forderung keine Regreßforderung zwischen Solidarschuldnern sei. Da die klagende Partei am Zustandekommen der Feuersbrunst keine wie immer geartete Verantwortlichkeit im Sinne des § 1301 ABGB treffe, fehle es an den Voraussetzungen für die Anwendung des § 1302 ABGB. Vielmehr unterliege die von der klagenden Partei erhobene Forderung gemäß § 1489 ABGB der dreijährigen Verjährungsfrist, weil der Anspruchsgrund in der Bezahlung des Schadens an den Grundstückseigentümer durch die klagende Partei liege, so daß die Schadenersatzforderung im Wege einer Legalzession nach § 1358 ABGB auf sie übergegangen sei. Da der Schadenersatz im Jahre 1980 geleistet worden sei, sei die Forderung seit langem verjährt.

Selbst wenn man aber davon ausgehe, daß zwischen der klagenden Partei, dem Schlägerungsunternehmen und den drei Dienstnehmern ein Soldiarschuldverhältnis bestehe, so handle es sich nur um eine "unechte" Solidarität. Der Ersatzanspruch des nach § 1313 a ABGB Haftenden gegen seinen Erfüllungsgehilfen unterliege, wenn das intern bestehende Rechtsverhältnis ein Arbeitsverhältnis sei, der dreijährigen Verjährungsfrist. Die Kette der Solidarschuldverhältnisse sei durch die zwingenden Bestimmungen des DHG und die unbestrittene Dienstnehmereigenschaft des Beklagten unterbrochen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:

Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß die klagende Partei dem geschädigten Grundstückseigentümer aus Vertrag, der Beklagte hingegen aus Delikt - Verletzung eines absolut geschützten Rechtsgutes - haften; zwischen ihnen besteht Gesamtschuld (Koziol I2, 299, 303; JBl 1977, 49 = EvBl 1976/178). Nach § 896 erster Satz ABGB ist ein Mitschuldner zur ungeteilten Hand, der die ganze Schuld aus dem Seinigen abgetragen hat, berechtigt, auch ohne geschehene Rechtsabtretung von den übrigen Ersatz, und zwar, wenn kein anderes besonderes Verhältnis unter ihnen besteht, zu gleichen Teilen zu fordern. Der den Ausgleich unter Gesamtschuldnern regelnde § 896 ABGB gilt nicht nur für vertragliche, sondern auch für gesetzliche, etwa auf einer Deliktsobligation (SZ 52/185) beruhende Gesamtschulden und besteht unabhängig davon, ob die Gesamtschuld auf gemeinsamem Rechtsgrund beruht oder nur sogenannte "unechte Solidarität" vorliegt (JBl 1987, 670; SZ 62/66; 6 Ob 542/92 ua).

Ausgleichsansprüche von Solidarschuldnern sind aber nach herrschender Rechtsprechung nicht Schadenersatzansprüche, sondern aus dem Gemeinschaftsverhältnis abgeleitete Ansprüche eigener Art, so daß die

allgemeine 30-jährige Verjährungsfrist Platz greift (SZ 60/55 = JBl

1987,721 = EvBl 1987/191 = RdW 1987,256; 8 Ob 2/87; ecolex 1993, 85;

6 Ob 542/92 jeweils mwN). Eine kürzere Verjährungsfrist gilt nach ständiger Rechtsprechung nur dann, wenn aufgrund des besonderen Verhältnisses der Mitschuldner der Rückersatzanspruch (auch) als Schadenersatzanspruch zu beurteilen ist, weil die Schädigung des Dritten gleichzeitig eine Vertragsverletzung gegenüber dem zahlenden Mitschuldner ist (Gamerith in Rummel2, Rz 11 zu § 896 mwN; 6 Ob 542/92 ua). Dies ist hier nicht der Fall. Es nimmt nicht der vom geschädigten Dritten belangte Dienstgeber gegen seinen Dienstnehmer (Erfüllungsgehilfen) als Schädiger Regreß, sondern die vertraglich haftende klagende Partei gegenüber dem deliktisch haftenden Beklagten. Mangels einer Vertragsbeziehung zwischen den Streitteilen kann der von der klagenden Partei geltend gemachte Anspruch nicht als Schadenersatzanspruch beurteilt werden.

Der Ansicht des Berufungsgerichtes, der klagsgegenständliche Anspruch unterliege der 30-jährigen Verjährungsfrist, ist sohin zutreffend, so daß dem Rekurs des Beklagten ein Erfolg zu versagen war.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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