OGH 12Os23/93

OGH12Os23/9327.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Mai 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Dr.Rzeszut, Dr.Markel und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kobler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Andreas J***** wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15 Abs 1, 127, 129 Z 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 27.November 1992, GZ 34 a Vr 2426/91-36, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Jerabek, des Angeklagten Andreas J***** und der Verteidigerin Dr.Engelhardt, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 30.September 1966 geborene Andreas J***** wurde der Verbrechen

(1) des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15 Abs 1, 127, 129 Z 1 StGB und (2) der Verleumdung nach § 297 Abs 1 "2.Fall" (gemeint: qualifizierter erster Deliktsfall) StGB schuldig erkannt. Demnach hat er am 14.Dezember 1991 in Linz (1) dem Magistrat der Stadt Linz Eßwaren unbekannten Wertes durch Einbruch mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung wegzunehmen getrachtet, indem er eine Fensterscheibe zu den Räumlichkeiten des im Gebäude Leonfeldnerstraße 3 a untergebrachten Kindergartens einschlug; (2) Ludwig P***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, daß er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung wissentlich falsch verdächtigte, indem er sich bei seiner polizeilichen Betretung im Zusammenhang mit der zu 1 wiedergegebenen Tathandlung als Ludwig P***** ausgab.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5 a, 9 lit a und 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt in keinem Punkt Berechtigung zu.

Die Verfahrensrüge (Z 4) scheitert schon daran, daß sie die geltend gemachte Verletzung von Verteidigungsrechten im Unterbleiben der lediglich in der Hauptverhandlung vom 31.Juli 1992, nicht aber in der gemäß § 276 a StPO am 27.November 1992 neu durchgeführten Hauptverhandlung beantragten zeugenschaftlichen Vernehmung des Polizeibeamten S***** erblickt. Da der Nichtigkeitsgrund gemäß § 281 Abs 1 Z 4 StPO aus der Unterlassung der Aufnahme eines in einer früheren Hauptverhandlung beantragten Beweises nicht abgeleitet werden kann (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 4 EGr 31), fehlt es der in Rede stehenden Verfahrensrüge schon an einer grundlegenden gesetzlichen Formalvoraussetzung.

Soweit die Mängelrüge (Z 5) zunächst der anfänglichen Verantwortung des Angeklagten, die Fensterscheibe "aus Hunger" eingeschlagen zu haben, weil er "etwas zu essen suchen wollte" (21 f), eine zureichende Tragfähigkeit für die tatrichterliche Bejahung des dem Angeklagten angelasteten diebstahlsspezifischen Bereicherungsvorsatzes abspricht, nimmt sie ihrerseits zu beweismäßig nicht gedeckten subjektiven Spekulationen Zuflucht, ohne damit den behaupteten formellen Begründungsmangel aufzuzeigen. Daß der im Sinn der bekämpften Tatsachenfeststellung eindeutige Aussagewert der Primäreinlassung des Angeklagten durch eine angeblich im Vernehmungszeitpunkt wirksam gewesene Beeinträchtigung aufgrund vorausgegangenen Alkohol- und Medikamentenkonsums - dem Beschwerdestandpunkt zuwider - nicht entscheidend relativiert werden konnte, ergibt sich schon daraus, daß der Angeklagte diese Angaben in der Folge auch vor dem Untersuchungsrichter ausdrücklich aufrechterhielt (36).

Entgegen dem weiteren - mit der Tatsachenrüge (Z 5 a) undifferenziert verbundenen - Vorbringen zur Mängelrüge trifft es aber auch nicht zu, daß das Erstgericht bei Bejahung der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten wesentliche Teile seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung wie auch der (teils als in sich widersprüchlich reklamierten) Ausführungen des gerichtspsychiatrischen Sachverständigen Univ.Prof.Dr.Laubichler mit Stillschweigen übergangen hat. Daß dem Angeklagten ungeachtet seiner (auch in subjektiver Hinsicht) umfassend geständigen Verantwortung vor der Polizei eine (regelmäßig zur chemischen Überprüfung der behaupteten oder sonst indizierten Einnahme psychisch wirksamer Substanzen dienende) Harnprobe abgenommen wurde, fand in den Urteilsgründen ohnedies Berücksichtigung (185). Der genannte Experte hinwieder schloß für den Tatzeitpunkt einen einer Zurechnungsunfähigkeit gleichzusetzenden Dämmerzustand des Angeklagten nicht nur mangels jedweder Erhärtung des von ihm in der Hauptverhandlung behaupteten Medikamentenkonsums durch die chemische Harnanalyse, sondern vor allem auch deshalb aus, weil das Gesamtverhalten des Angeklagten bei und unmittelbar nach der Tatbegehung von insgesamt geordneter Verstandestätigkeit und ungetrübtem Erinnerungsvermögen gekennzeichnet war. Wenn der Sachverständige dabei einräumte, daß ein rauschbedingter, den Grad der Zurechnungsunfähigkeit erreichender Dämmerzustand nicht jede sinnvolle Verknüpfung von Einzelhandlungen ausschließe, so bedeutete dies dem Beschwerdestandpunkt zuwider keinen in den Urteilsgründen erörterungsbedürftigen inneren Widerspruch der gutächtlichen Ausführungen.

Nichts anderes gilt aber auch für jenen Teil des Gutachtens, der sich mit den zeitlichen Aspekten der Nachweisbarkeit von Rohypnol im Harn beschäftigt. Daß Univ.Prof.Dr.Laubichler einerseits eine harnbezogene Nachweisbarkeit der Einnahme von Rohypnol durch einen Zeitraum von annähernd 24 Stunden (176) und in der Folge andererseits bejahte, daß der Konsum mehrerer Tabletten Rohypnol am 14.Dezember 1991 um ca 15 Uhr in einer am Folgetag um 15 Uhr entnommenen Harnprobe deutlich nachweisbar gewesen wäre, bedeutete nämlich keinen inneren Widerspruch. Abgesehen davon, daß der Sachverständige in beiden Fällen übereinstimmend eine ungefähr 24-stündige Nachweisbarkeit des in Rede stehenden Schlafmittelskonsums im Harn zum Ausdruck brachte, bezweckte das von ihm gewählte hypothetische Fallbeispiel ersichtlich bloß eine Veranschaulichung der zeitlichen Grenzen der harnanalytischen Möglichkeiten. Den eigenen Angaben des Angeklagten zufolge wäre der (angebliche) Schlafmittelkonsum nämlich frühestens dem späten Nachmittag des 14.Dezember 1991 zuzuordnen (63, 65).

Das Gutachten des Psychiaters erweist sich aber auch sonst als durchwegs nachvollziehbar und durch tragfähige Prämissen fundiert, soweit es aus dem negativen Ergebnis der (auch) auf Schlafmittelkonsum ausgerichteten Harnanalyse im Zusammenhang mit anderen Indizien (insbesondere der von intaktem Erinnerungsvermögen gekennzeichneten Primäreinlassung) die im Tatzeitpunkt aufrechte Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten ableitet (177 iVm 75 und 77).

Der Einwand zum Schuldspruch wegen Verleumdung, im Akt finden sich kein konkretes Beweisergebnis zur Frage der Eignung der inkriminierten unwahren Angaben, Ludwig P***** der Gefahr behördlicher Verfolgung wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch auszusetzen, setzt sich darüber hinweg, daß die Bundespolizeidirektion Linz wegen dieser Tat gegen Ludwig P***** Erhebungen führte und gegen ihn auch die Stellungsanzeige erstattete (15 ff). Die Behauptung fehlender Beweisgrundlagen für dieses wesentliche Tatbestandskriterium nach § 297 Abs 1 StGB trifft sohin nicht zu.

Der abschließende Einwand zur Mängelrüge, die (auf einem Bericht des Polizeibeamten S***** basierende) Feststellung der Unfreiwilligkeit des seine wahre Identität betreffenden Eingeständnisses des Angeklagten wäre im Fall vom Erstgericht unterlassener weiterer Beweisaufnahmen (gezielte Befragung des Angeklagten bzw Vernehmung des Zeugen S*****) zugunsten des Angeklagten in Richtung des § 297 Abs 2 StGB zu korrigieren gewesen, scheitert schon daran, daß lediglich eine mängelbehaftete Beurteilung tatsächlich erhobener Beweise, nicht aber das Unterbleiben weiterer - hier zudem gar nicht beantragter - Beweisaufnahmen die sinngemäß geltend gemachte Unvollständigkeit des Urteils in der Bedeutung des relevierten Nichtigkeitsgrundes begründen könnte (Mayerhofer-Rieder3 ENr 83 ff zu § 281 Z 5 StPO).

Fehl gehen schließlich auch die Rechtsrügen (Z 9 lit a und 10).

Der Beschwerdestandpunkt, die Vortäuschung der Identität des Ludwig P***** wäre "so wenig glaubwürdig" gewesen, daß die konkrete Gefahr einer (gemeint: auch nur vorübergehenden) Gefahr der behördlichen Verfolgung für diesen (als unabdingbare Voraussetzung der Tatbestandsverwirklichung nach § 297 Abs 1 StGB) "überhaupt nicht bestand", ist angesichts der hier maßgebenden Tatmodalitäten unhaltbar: Führte doch die dem Angeklagten angelastete Angabe der Personaldaten des Ludwig P***** anläßlich seiner polizeilichen Betretung am Tatort dazu, daß gegen "Ludwig P*****" nach Vornahme sicherheitsbehördlicher Erhebungen tatsächlich die Stellungsanzeige wegen des Verdachtes des versuchten Einbruchsdiebstahls erstattet und auch ein polizeiamtsärztliches Gutachten zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des mutmaßlichen Täters dieses Namens einholt wurde (15 und 19). Da schon jede der Aufklärung des Tatverdachts dienende Erhebung mit dem Ziel einer allfälligen Strafverfolgung einen behördlichen Verfolgungsschritt im Sinn des § 297 Abs 1 StGB darstellt, tragen die erwähnten sicherheitsbehördlichen Maßnahmen diesem Tatbestandserfordernis vollauf Rechnung.

Auch der Beschwerdevorwurf, das Erstgericht habe die Möglichkeit der Straflosigkeit des Einbruchsversuchs infolge absoluter Untauglichkeit außer acht gelassen und deshalb Feststellungen darüber versäumt, ob sich im Tatzeitpunkt die vom Täter erhofften Eßwaren überhaupt am Tatort befunden haben, ist nicht im Recht. Absolut untauglicher Versuch infolge einer Objektsuntauglichkeit, wie sie die Beschwerde ins Auge faßt, hat nämlich zur Voraussetzung, daß an dem vom Täter gewählten Objekt die pönalisierte Rechtsgutverletzung niemals und unter keinen Umständen eintreten kann, weil das angegriffene Objekt für die Herbeiführung des tatbildmäßigen Erfolges - abstrakt - schlechthin ungeeignet ist. Davon kann aber hier nicht die Rede sein:

Entspricht doch die Tätererwartung, daß in einem Kindergarten auch Eßwaren aufbewahrt werden, durchaus den dazu üblichen Gepflogenheiten. Selbst in dem vom Beschwerdeführer relevierten Fall, daß die erhoffte Beute zur Tatzeit - zufällig - nicht vorhanden gewesen wäre, läge ein bloß zufolge der besonderen Umstände der konkreten Tatmodalitäten gescheiterter und solcherart nur relativ untauglicher, mithin strafbarer Versuch des Diebstahls durch Einbruch vor (Leukauf-Steininger3 RN 30 und 35 zu § 15 StGB).

Auch die Subsumtionsrüge (Z 10) strebt in Ansehung der Verleumdung eine Tatbeurteilung als Vergehen nach § 297 Abs 1 erster Strafsatz StGB an, orientiert sich dabei allerdings nicht an dem tatrichterlich konstatierten Vorsatz des Angeklagten, Ludwig P***** der Gefahr der behördlichen Verfolgung wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch und nicht bloß wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB auszusetzen, und verfehlt mit der Anknüpfung an sohin urteilsfremde Tatsachenprämissen eine prozeßordnungsgemäße Darstellung.

Die insgesamt nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß §§ 28 Abs 1, 129 StGB neun Monate Freiheitsstrafe, wobei es die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen und die Begehung zweier Verbrechen als erschwerend wertete, als mildernd hingegen den bloßen Tatversuch beim Einbruchsdiebstahl und das Tatsachengeständnis.

Der dagegen erhobenen Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung der ausgesprochenen Freiheitsstrafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Der nunmehr 26-jährige Angeklagte wurde bisher sechsmal durchwegs (auch) wegen Eigentumsdelikten zu Freiheitsstrafen von insgesamt mehr als fünf Jahren verurteilt, ließ jedoch trotz gravierender Vollzugserfahrungen keine aus spezialpräventiver Sicht positiven Entwicklungstendenzen erkennen. Er verübte vielmehr die hier abgeurteilten Straftaten, nachdem er aus dem Strafvollzug geflüchtet war. Angesichts der solcherart selbst verschuldeten Zwangslage erweisen sich all jene Berufungsargumente, die das Gewicht der Taten unter Hinweis auf psychischen und wirtschaftlichen Druck zu beschönigen suchen, als nicht stichhältig. Da der bekämpfte Strafausspruch sowohl der Täterschuld als auch dem verwirklichten Tatunrecht entgegen der Meinung des Berufungswerbers in angemessener Weise Rechnung trägt, bleibt für die beantragte Herabsetzung des Strafausmaßes kein Raum.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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