OGH 11Os81/93

OGH11Os81/9313.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Mai 1993 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Hautz als Schriftführer, in der bei dem Landesgericht für Strafsachen Wien zum AZ 12 e EVr 5931/92 anhängigen Strafsache gegen Rudolf M***** wegen des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Rudolf M***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 5.April 1993, AZ 22 Bs 132/93, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Rudolf M***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Begründung

Rudolf M***** befindet sich seit dem 9.August 1992 (S 174) aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs. 2 Z 1 und Z 3 lit b StPO in Untersuchungshaft.

Der in der Hauptverhandlung am 12.März 1993 (S 380) modifizierte Strafantrag vom 12.August 1992 (ON 12) lastet ihm an, er habe in Wien

1. als Schuldner mehrerer Gläubiger in der Zeit von zumindest Jänner 1990 bis März 1992 in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit fahrlässig die Befriedigung seiner Gläubiger vereitelt bzw geschmälert, insbesondere dadurch, daß er neue Schulden einging und das Ausgleichsverfahren oder die Eröffnung des Konkurses nicht rechtzeitig beantragte;

2. in der Zeit von Juni 1990 bis Februar 1993 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der Hausverwaltung Realkanzlei Kommerzialrat H***** durch die Vorspiegelung, zahlungsfähiger und zahlungswilliger Mieter zu sein, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zu einer Handlung, nämlich zur bestandsweisen Überlassung von Geschäftsräumlichkeiten im Hause H*****, verleitet, wodurch die Hauseigentümerin Helene K***** um einen noch festzustellenden, 25.000 S jedenfalls übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurde;

3. in der Zeit von Juni 1990 bis 6.August 1992 dadurch, daß er für die am 14.Juni 1986 geborene Angelika H***** keinerlei Unterhaltszahlungen leistete, seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt, daß deren Unterhalt ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre.

In der Hauptverhandlung am 30.September 1992 fällte der Einzelrichter ein Unzuständigkeitsurteil (ON 25). Der dagegen gerichteten Berufung des Beschwerdeführers gab das Oberlandesgericht Wien am 21.Dezember 1992, AZ 22 Bs 508/92 (= ON 32), Folge, hob das Urteil auf und verwies die Strafsache an den Einzelrichter zur Verhandlung und Entscheidung zurück.

Die Hauptverhandlung am 12.März 1993 wurde zu weiterer Beweisaufnahme auf den 7.Mai 1993 vertagt.

Wie vom Obersten Gerichtshof erhoben, wurde der Beschuldigte mit (noch nicht ausgefertigtem) Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 7.Mai 1993, gegen das er das Rechtsmittel der vollen Berufung anmeldete, im Sinn des wegen Betruges ausgedehnten Strafantrages wegen der Vergehen des Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB (Schaden rund 300.000 S), der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z 2 StGB und der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Beschluß wurde der Beschwerde des Beschuldigten gegen den seinen Enthaftungsantrag abweisenden Beschluß der Ratskammer vom 10.März 1993 (ON 53) nicht Folge gegeben.

Die dagegen fristgerecht erhobene, beim Obersten Gerichtshof am 5.Mai 1993 eingelangte Grundrechtsbeschwerde, worin die unrichtige Beurteilung des Tatverdachtes und der Haftgründe der Flucht- und Tatbegehungsgefahr, ferner die Unverhältnismäßigkeit der Haftdauer releviert wurden, ist nicht berechtigt.

Das Oberlandesgericht gründete die Haftvoraussetzung des dringenden Tatverdachtes in bezug auf das für die Haftfrage maßgebende inkriminierte Vergehen des Betruges (nur zu Punkt 3. des Strafantrages ist der Beschwerdeführer im wesentlichen geständig) auf die Ergebnisse der sicherheitsbehördlichen und gerichtlichen Erhebungen sowie insbesondere auf zwei Indizien (Antrag des Beschuldigten auf Überprüfung der Angemessenheit des Hauptmietzinses und der Berechtigung zur Verrechnung einer Gebühr erst am 9.September 1991, also mehr als ein Jahr nach Einstellung der mit Mietvertrag vom 7. Juni 1990 vereinbarten Mietzinszahlungen bereits im August 1990 und Unterlassung von Teilzahlungen auf die Mietschuld), die für den Gerichtshof zweiter Instanz eine hinreichend tragfähige Begründung der Annahme darstellten, es liege auf Grund bestimmter Tatsachen ein höherer Grad der Wahrscheinlichkeit vor, daß der Beschuldigte den ihm angelasteten Betrug begangen habe.

Den in der Grundrechtsbeschwerde dagegen ins Treffen geführten, überwiegend mietrechtlichen Argumenten ist schon im Hinblick auf die anklagekonforme Verurteilung des Beschwerdeführers die Grundlage entzogen.

Der Haftgrund der Fluchtgefahr liegt gemäß § 175 Abs. 1 Z 2 StPO dann vor, wenn ein eines Verbrechens oder Vergehens Verdächtiger flüchtig ist oder sich verborgen hält oder wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, er werde wegen der Größe der ihm mutmaßlich bevorstehenden Strafe oder aus anderen Gründen flüchten oder sich verborgen halten.

Der Beschwerdeführer, der seit 28.Oktober 1991 (Datum der amtlichen Abmeldung) nicht mehr polizeilich gemeldet ist (S 89), weigerte sich laut Polizeibericht vom 25.Juni 1992 (abermals S 89) beharrlich, seinen Wohn- bzw Aufenthaltsort bekanntzugeben, indem er erklärte, er sei häufig unterwegs und könne sich daher nicht an einer bestimmten Adresse anmelden. Erst am 7.August 1992 erschien er bei der Wirtschaftspolizei (S 155); auch bei dieser Gelegenheit offenbarte er weder Wohn- noch Aufenthaltsort(e).

Es ist somit davon auszugehen, daß der Beschuldigte sich Monate hindurch bis zum 7.August 1992 verborgen hielt, ein gleichartiges Verhalten ist nach Lage dieses Falles auch für den weiteren Verfahrensablauf anzunehmen. Die bisherigen Verfahrensergebnisse insgesamt, lassen bei all dem bei objektiver Beurteilung mit Grund befürchten, daß sich Rudolf M***** ohne Fortsetzung der bei Berücksichtigung seines bisherigen Vorgehens durch gelindere Mittel nicht substituierbaren Untersuchungshaft weiterhin verborgen halten werde.

Auf den ferner angezogenen Haftgrund der Tatbegehungsgefahr war somit nicht mehr einzugehen.

Die Ausführungen des angefochtenen Beschlusses zum Entfall der zeitlichen Beschränkungen der Untersuchungshaft mit dem Beginn der Hauptverhandlung entsprechen der - durch das Grundrechtsbeschwerdegesetz nicht geänderten - Gesetzeslage und der Judikatur.

In Anbetracht des nicht unbeträchtlichen Umfanges der an der überwiegend leugnenden Verantwortung des Beschuldigten orientierten Untersuchungshandlungen steht derzeit die bisherige Dauer der Untersuchungshaft weder zum Gewicht der angelasteten Delikte noch zum Umfang der Untersuchung oder zu der zu erwartenden Strafe (Strafdrohung: bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe, einschlägig getrübtes Vorleben des Beschuldigten) außer Verhältnis (§§ 2 Abs. 1 GRBG, 193 Abs. 2 zweiter Halbsatz StPO). Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die vom Beschwerdeführer behauptete Verzögerung in der Verfahrensführung, weil daraus eine Grundrechtsverletzung erst dann abgeleitet werden kann, wenn eine solche Säumnis zu einer Unverhältnismäßigkeit der Haft führte (13 Os 26/93, 13 Os 56/93 ua).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Demzufolge hatte nach § 8 GRBG ein Ausspruch über den Ersatz der Beschwerdekosten zu entfallen.

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