OGH 1Ob519/93

OGH1Ob519/9311.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter S*****, vertreten durch Dr. Helmut Fritz, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wider die beklagte Partei Rosa S*****, vertreten durch Dr. Sylvia Groß-Stampfl, Rechtsanwältin in Leoben, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 29. Oktober 1992, GZ R 793/92-14, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 19. Mai 1992, GZ 9 C 12/92g-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger bezog die ihm in einem Personalwohnhaus seiner Dienstgeberin im Dezember 1977 zugewiesene Dienstwohnung nie, weil die eheliche Gemeinschaft zur Beklagten bereits seit 26. August 1975 aufgehoben und er im Dezember 1977 zu seiner damaligen Freundin und nunmehrigen Gattin in deren Wohnung gezogen war. Die Beklagte bezog die Dienstwohnung (mit den gemeinsamen Kindern), richtete sie ein und bezahlte bis Ende 1991 den Zins. Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des zuständigen Bezirksgerichtes vom 8. Juni 1989 gemäß § 55 Abs 3 EheG rechtskräftig geschieden und über Antrag der Beklagten festgestellt, daß das alleinige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe den Kläger treffe (§ 61 Abs 3 EheG). Aus Anlaß der Scheidung erfolgte keine vermögensrechtliche Auseinandersetzung der Streitteile; diese sprachen bei der Scheidung nicht über die Dienstwohnung, weil die damals - nach dem Auszug der Kinder - bereits allein wohnende Beklagte ihre Wohnverhältnisse als gesichert ansah. Im Mai 1991 forderte der Kläger die Beklagte schriftlich zur Räumung seiner Dienstwohnung auf, weil er diese nun für sich und seine nunmehrige Gattin benötige, und belangte sie im Jänner 1992 gerichtlich wegen Räumung dieser Wohnung.

Zum Unterhalt gehört auch das Wohnen (zuletzt 4 Ob 544/92; Koziol-Welser, Grundriß9 II 205; Schwimann in Schwimann, Rz 1 zu § 94 ABGB; Thöni, Geldunterhalt und Naturalunterhalt in Harrer-Zitta, Familie und Recht 3). Hier haben die Streitteile 1977 schlüssig eine Unterhaltsvereinbarung dahingehend getroffen, daß der Kläger einen Teil des Unterhaltsbedarfes seiner Gattin in Geld und einen Teil naturaliter durch Beistellung seiner Dienstwohnung - die mangels gemeinsamer Benützung durch die Streitteile nie Ehewohnung iS des § 81 Abs 2 EheG (EFSlg 51.712; SZ 54/126, SZ 52/129 ua; Pichler in Rummel 2, Rz 4 zu § 81 EheG mwN) war - befriedigt. Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung EvBl 1992/108 einen gemischten Unterhalt, bestehend aus Natural- und Geldleistung jedenfalls dann für zulässig erachtet, wenn der Naturalunterhalt in der Beistellung einer Wohnung liegt. § 97 ABGB stellt auch nicht auf die Ehewohnung, sondern auf jene Wohnung ab, die dem anderen Ehegatten zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient bzw. zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt wurde (MietSlg 32/38; 8 Ob 540/91 ua).

Zwar erlischt der aus § 97 ABGB gewährte Anspruch des wohnungsbedürftigen Ehegatten als persönliche Rechtswirkung der Ehe mit der Auflösung der Ehe (EvBl 1992/108; SZ 58/126; MietSlg 38/42; Schwimann aaO Rz 15 zu § 97 ABGB), doch haben die Vorinstanzen die Abweisung des klägerischen Räumungsbegehrens wegen titelloser Benützung durch die Beklagte damit begründet, daß der Kläger durch sein Verhalten der Beklagten schlüssig (§ 863 ABGB) das Recht zur (Weiter)Benutzung der Wohnung auch nach der Scheidung ohne weitere Bedingungen eingeräumt habe. Die Beklagte hat als Folge des Verschuldensausspruches weiterhin nach §§ 94 Abs 2, 69 Abs 2 ABGB einen Unterhaltsanspruch gegen den Kläger. Thöni (aaO 25) erachtet auch nach Scheidung die Festsetzung eines gemischten Unterhalts für zulässig, wenn beide Parteien einverstanden sind und Gewähr für die Erbringung der Naturalleistungen besteht. Unter Familienangehörigen (MietSlg 42.006, 40.032 ua) und wohl auch unter geschiedenen Ehegatten wird nicht jene Bestimmtheit von Willenserklärungen verlangt, wie dies im Geschäftsverkehr zwischen fremden Personen der Fall ist. Ob aber ein Rechtsgeschäftswillen der geschiedenen Ehegatten über die Weitergeltung der durch viele Jahre hindurch gepflogenen Unterhaltsvereinbarung mit teilweiser Naturalleistung auch nach der Scheidung anzunehmen ist, ist aus den gewechselten Erklärungen und dem gesetzten Verhalten beider Parteien durch Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall zu ermitteln. Schon wegen dieser Einzelfallbezogenheit kann daher die Frage, ob eine solche, ein obligatorisches Wohnungsgebrauchsrecht der Beklagten begründende schlüssige Vereinbarung (§ 863 ABGB) vorliegt, was die Vorinstanzen mit nachvollziehbaren Argumenten bejahten, keine erhebliche Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO darstellen.

Die Revision ist demnach zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO. Die Beklagte weist in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels nicht hin.

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