OGH 5Ob512/93(5Ob1542/93)

OGH5Ob512/93(5Ob1542/93)27.4.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Schwarz, Dr.Floßmann und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Kurt D*****, Hauseigentümer, ***** Wien, W*****straße 8, vertreten durch Dr.Christian Bobek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Gudmund T*****, Angestellter, und 2.) Susanne T*****, Angestellte, beide ***** Wien, L***** 19/14 und 17, beide vertreten durch Dr.Gabriel Lansky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung und Unterlassung (Streitwert je S 50.000,--) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgericht vom 11.November 1992, GZ 41 R 803/92-11, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 19.Juni 1992, GZ 49 C 47/92-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Beklagten sind Hauptmieter der Wohnungen Nr. 14 und 17 im Haus L***** 19 in Wien, das dem Kläger gehört. Sie sind auf Grund der ihrem Mietvertrag angeschlossenen Hausordnung berechtigt, u.a. den Trockenboden gemäß der Hausordnung mitzubenützen. Dazu heißt es in Punkt c Absatz 4 der Hausordnung:

"Im Interesse des Feuerschutzes dürfen leicht entzündliche Gegenstände wie Packmaterial, Papier- und Zeitungspakete, Matratzen, Strohsäcke, Lumpen, alte Kleider und Polstermöbel, Kleintierstallungen, Brennstoff- und größere Futtervorräte usw. in den Keller- und Bodenräumen nicht vorhanden sein. Größere Gegenstände müssen, wenn sie nicht anderweitig aufbewahrt werden können, so aufgestellt werden, daß diese Räume in allen Teilen übersichtlich und zugänglich bleiben; kleinere Gegenstände, Kleider, Wäsche usw. dürfen nur in geschlossenen Kästen und Truhen aufbewahrt werden."

Im Winter 1991/92 haben die Beklagten 20 bepflanzte Blumentöpfe und -kistchen in einem von einem Dachfenster erhellten Teil des Dachbodens gelagert, um sie dann im Frühjahr - wie schon die Jahre vorher - wieder auf die zur Wohnung Nr 17 gehörige (über den Dachboden begehbare) Dachterrasse zu bringen. Anläßlich der Durchführung von Verputzarbeiten an der Kniestockmauer im März 1992 mußten die Arbeiter die ihnen im Weg stehenden Pflanzen vorübergehend wegräumen.

Mit der am 2.März 1992 beim Erstgericht eingebrachten "Klage aus einem Bestandvertrag" begehrte der Kläger die Räumung des Dachbodens von den gelagerten Fahrnissen (Blumentöpfe, Blumenkistchen, Gießkannen und einem Drahtkäfig); außerdem sollten die Beklagten schuldig erkannt werden, die Benutzung des Dachbodens zu Lagerzwecken zu unterlassen. Begründet wurde dieses Begehren damit, daß der zur Lagerung von Pflanzen verwendete Teil des Dachbodens nicht mitvermietet wurde und das Lagern von Pflanzen dem Bestimmungszweck des allen Mietern zur Benützung überlassenen Trockenbodens widerspreche. Die Benutzung des Dachbodens als Pflanzenlager erfolge somit titellos.

Die Beklagten haben sich im Verfahren auf ein die Lagerung von Pflanzen einschließendes Mitbenützungsrecht am Dachboden berufen und die Abweisung des Räumungs- und Unterlassungsbegehrens beantragt.

Das Erstgericht, auf dessen (sonstige) Feststellungen und Rechtsausführungen gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO verwiesen werden kann, wies die Klage ab; das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Das Urteil des Berufungsgerichtes enthält den Ausspruch, daß der auf das Unterlassungsbegehren entfallende Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- nicht übersteigt und die Revision insoweit jedenfalls unzulässig sei. Im übrigen - betreffend das Räumungsbegehren- sei die ordentliche Revision nicht zulässig, weil die Entscheidung letztlich von der nur den Einzelfall betreffenden Auslegung des Mietvertrages und der Hausordnung abhänge.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Kläger fristgerecht erhobene außerordentliche Revision ist zwar in keinem Punkt - auch nicht in Ansehung des Unterlassungsbegehrens - mit dem Zurückweisungsgrund des § 502 Abs 2 ZPO behaftet, erweist sich jedoch gemäß § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt. Diese unterschiedlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind getrennt voneinander zu beurteilen, sodaß die Fehlinterpretation des § 502 Abs 3 Z 2 ZPO durch das Berufungsgericht und die damit zusammenhängende Notwendigkeit einer Korrektur des Ausspruchs nach § 500 Abs 2 Z 2 ZPO nicht auch die Möglichkeit einer Grundsatzrevision in der Sache selbst eröffnet. Andererseits beruht die Abweisung des Räumungsbegehrens auf denselben rechtlichen Erwägungen wie die Abweisung des Unterlassungsbegehrens (beide Begehren wurden auf das Fehlen eines konkreten Benützungsrechtes der Beklagten gestützt), sodaß sich die Nachholung eines - im übrigen gar nicht bindenden -Ausspruches nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO zum Unterlassungsbegehren erübrigte. Die gemäß §§ 502 Abs 1, 508a Abs 2 ZPO wahrzunehmende Unzulässigkeit der ordentlichen Revision hinsichtlich des Räumungsbegehrens erfaßt auch die Entscheidung über das Unterlassungsbegehren.

Gemäß § 502 Abs 3 Z 2 ZPO ist ein den Betrag von S 50.000,-- nicht übersteigender Wert des Entscheidungsgegenstandes dann kein Hindernis für die Zulässigkeit der Revision, wenn im Rahmen einer dem § 49 Abs 2 Z 5 JN zu unterstellenden Bestandstreitigkeit über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrages entschieden wird. Daß demnach das Räumungsbegehren des Klägers eine streitwertunabhängige Revision ermöglicht, weil es letztlich um die Frage geht, wie weit die dem bestehenden Bestandverhältnis entspringenden Benützungsrechte der Beklagten reichen, wurde schon vom Berufungsgericht richtig erkannt. Nach der Judikatur fallen nämlich seit der WGN 1983 auch Leistungsansprüche zwischen Bestandgeber und Bestandnehmer - so vor allem auch Räumungsansprüche - unter die in § 49 Abs 2 Z 5 JN aufgezählten Bestandstreitigkeiten, wenn sie schon nach dem Klagsvorbringen mit Fragen des Bestehens oder Nichtbestehens eines Bestandverhältnisses zusammenhängen (vgl WoBl 1991, 67/55; 6 Ob 631/91; 5 Ob 1110/92). Liegt ein solcher Ausnahmetatbestand iSd § 502 Abs 3 Z 2 ZPO vor, dann hat die Zulässigkeit der streitwertunabhängigen Revision allerdings nicht nur für diesen Teil der Entscheidung, sondern auch für jene darüberhinausgehenden Bestandstreitigkeiten zu gelten, die "dabei" (also gleichzeitig) mitentschieden wurden (vgl. 8 Ob 502/91, tw veröffentlicht in NRsp 1991/135; RdW 1993, 108). Das trifft auf das streitgegenständliche Unterlassungsbegehren des Klägers zu, weil es sich dabei unzweifelhaft um eine Bestandstreitigkeit iSd § 49 Abs 2 Z 5 JN handelt, die mit dem die Räumung betreffenden Entscheidungsgegenstand im Zusammenhang steht. Der mit § 502 Abs 3 Z 2 ZPO in Widerspruch stehende Ausspruch des Berufungsgerichtes, die Revision sei in Ansehung des Unterlassungsbegehrens jedenfalls unzulässig, ist daher unbeachtlich.

Im übrigen ist jedoch dem Berufungsgericht Recht zu geben, daß seine Entscheidung keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, weil die Abweisung des Klagebegehrens das Ergebnis der Auslegung eines bestimmten Bestandvertrages war. Derartige Auslegungsfragen sind idR nicht revisibel (MietSlg 38/32 uva). Ob das Mietverhältnis den Bestimmungen des MRG unterliegt oder nicht, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung (und auch nicht zu klären), weil sich der Umfang des Gebrauchsrechtes des Bestandnehmers an nicht in Bestand gegebenen Flächen eines Dachbodens, wie schon vom Berufungsgericht ausgeführt wurde, nicht aus Sondervorschriften des MRG, sondern aus Inhalt und Zweck des Vertrages, der Hausordnung und letztlich der Verkehrssitte ergibt (vgl. Würth in Rummel2, Rz 2 und 3 zu § 1098 ABGB). Es trifft auch nicht zu, daß aus der Überprüfung des streitgegenständlichen Räumungs- und Unterlassungsbegehrens weitreichende Schlüsse für die Behandlung von Bestandverhältnissen mit ähnlichen Hausordnungsformularien zu gewinnen wären, weil der einzigartige Sachverhalt (Ausgestaltung des Dachbodens, Zugehörigkeit einer nur vom Dachboden aus begehbaren Terrasse zur Wohnung der Beklagten, Anzahl, Größe und Situierung der Blumentöpfe und Blumenkistchen etc) derartige Verallgemeinerungen nicht erlaubt. Ob sich schließlich die Vorinstanzen von Amts wegen mit der Frage hätten befassen müssen, ob nicht öffentlich-rechtliche Vorschriften der Überwinterung von Balkon- und Terrassenpflanzen auf dem Dachboden entgegengestanden wären, kann dahingestellt bleiben, weil der durch die einschlägigen Gesetze eingeräumte Wertungsspielraum durch die Benützungshandlungen der Beklagten nicht überschritten wurde und sich somit die Notwendigkeit einer über den konkreten Fall hinaus bedeutsamen Abgrenzung zulässiger Rechtsausführungen von unzulässigen Neuerungen gar nicht ergibt. Die vom Kläger zitierten feuerpolizeilichen und baurechtlichen Vorschriften lassen durchaus die Auslegung zu, daß eingetopfte, ständig begossene Pflanzen nicht als brandgefährlich gelten und daß sie sich auch ohne besonderen Aufwand an Zeit und Mühe wegräumen lassen, sollten sie etwa den Rauchfangkehrer beim Dachausstieg behindern. Der hiezu festgestellte Sachverhalt (siehe auch die Fotos in Beilage E) läßt jedenfalls keine den gesetzlichen Wertungsspielraum verlassende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen erkennen, sodaß die Voraussetzungen einer Grundsatzrevision iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht erfüllt sind (vgl. WoBl 1991, 125/78 ua).

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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