OGH 3Ob10/92(3Ob1006/92)

OGH3Ob10/92(3Ob1006/92)31.3.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Repro F***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Gerald Kopp u.a., Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagten Parteien S***** Aktiengesellschaft *****, ***** vertreten durch Dr.Robert Siemer, Rechtsanwalt in Wien, und Leopold W*****, vertreten durch Dr.Reinhold Glaser, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unzulässigkeit einer Exekutionsführung nach § 37 EO, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 9.Oktober 1991, GZ 21 R 263/91-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 2.April 1991, GZ 8 C 9/90b-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Der ordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden in Ansehung des zweiten Beklagten dahin abgeändert, daß die Vornahme der in der Exekutionssache der betreibenden Partei Leopold W***** wider die verpflichtete Partei Repro Reinhard F*****, Ing. R. F*****, zu 8 E 2243/90 des Bezirksgerichtes Salzburg bewilligten Exekution durch Pfändung, Verwahrung und Verkauf der beweglichen Sachen in Ansehung der im Pfändungsprotokoll des Bezirksgerichtes Salzburg zu 8 E 7555/89 zu den Postzahlen 1-8, 15-24, 26-35, 38, 40-51, 53, 55 bis 60, 66, 75 bis 79 und 81 bis 86 verzeichneten Gegenstände für unzulässig erklärt wird.

Der zweite Beklagte Leopold W***** ist schuldig, der klagenden Partei an Kosten dieses Rechtsstreits S 22.133,14 (darin Umsatzsteuer S 2.663,86) binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Gesellschaft mbH erhob gegen zunächst vier betreibende Gläubiger die Widerspruchsklage nach § 37 EO, weil sie an den durch die Fahrnisexekutionen betroffenen Gegenständen ein Recht geltend machte, welches die Vornahme der Exekution unzulässig machen würde. Im Exszindierungsprozeß ist in Ansehung von zwei Beklagten Ruhen des Verfahrens eingetreten.

Die klagende Gesellschaft mbH behauptete, sie habe an den im einzelnen bezeichneten Gegenständen, an welchen im Zuge der von den Beklagten betriebenen Fahrnisexekution gegen die verpflichtete Partei prot. Firma Reinhard F***** im Jahr 1990 richterliche Pfandrechte begründet wurden, schon am 29.Dezember 1989 Eigentum erworben. Sie habe von der verpflichteten Partei an diesem Tag die Gegenstände gekauft und übernommen. Der Kaufpreis sei Zug um Zug bezahlt worden. Trotz der Mitteilung, daß die Pfandgegenstände nicht im Eigentum der verpflichteten Partei stünden, seien die Beklagten der Aufforderung zur Einstellung der Exekution nicht nachgekommen.

Die beklagten Parteien erhoben, soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, Anfechtungseinreden. Der Abschluß des Kaufvertrages stelle eine Befriedigungsverletzung der beklagten Parteien dar. Alle Familienangehörigen der verpflichteten Partei hätten von den betriebenen Forderungen gewußt. Es bestünde der Verdacht, sie hätten zusammengewirkt, um das weitere Vermögen der verpflichteten Partei der Exekution zu entziehen. Der Verkauf sei in der der klagenden Partei bekannten bzw. fahrlässigerweise unbekannt gebliebenen Absicht, Gläubiger des Verkäufers zu benachteiligen, erfolgt. Die Anfechtung werde auf alle möglichen Anfechtungstatbestände gestützt.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren gegen die betreibende Partei zu 8 E 7555/89 und 8 E 897/90 sowie gegen die betreibende Partei zu 8 E 2243/90 ab. Es ging dabei im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Der Verpflichtete Reinhard F***** betrieb unter der eingetragenen Firma Repro Reinhard F***** ein Unternehmen.

Bei der ersten Beklagten hatte er zwei Anlagen im Wert von über S 10,000.000,-- gekauft. Seit 1988 traten beim Verpflichteten Zahlungsschwierigkeiten auf. Auf Grund des Wechselzahlungsauftrages des Handelsgerichtes Wien vom 12.September 1989 wurde vom Handelsgericht Wien zu 13 Cg 134/89 am 6.November 1989 die Exekution zur Sicherstellung der Forderung von S 8,166.653,13 bewilligt. Beim Vollzug der Pfändung am 20.November 1989 in der Privatwohnung wurden in Anwesenheit des Verpflichteten, seiner Ehegattin und der Kinder Gegenstände gepfändet. Die Kinder wunderten sich, daß auf Privatvermögen gegriffen wurde, obwohl es sich um Unternehmensverbindlichkeiten des Verpflichteten handelte. Die betreibende Partei kündigte an, daß es zu einem weiteren Vollzug an der Geschäftsanschrift des Verpflichteten kommen werde. Sein Sohn Timo F***** arbeitete seit Juni 1989 im Unternehmen mit und erfuhr spätestens beim Pfändungsvollzug am 20.November 1989 von den Forderungen der ersten Beklagten. Die Familienmitglieder besprachen anschließend, wie sie die technischen Betriebsanlagen vor Gläubigern retten könnten.

Die mit Gesellschaftsvertrag vom 15.Dezember 1989 von den Kindern des Verpflichteten Anett und Timo und seiner Tante Elli A***** errichtete Gesellschaft mit beschränkter Haftung wurde am 22.Dezember 1989 in das Handelsregister/Firmenbuch eingetragen. Die Kinder wurden zu Geschäftsführern bestellt, gewerberechtlicher Geschäftsführer war der Verpflichtete. Die Gesellschaft wurde auch zu dem Zweck gegründet, die Exekution auf die Maschinenanlagen zu verhindern. Der Verpflichtete verkaufte am 29.Dezember 1989 den Großteil der in den Geschäftsräumen befindlichen Büro- und technischen Betriebseinrichtungen an die klagende Gesellschaft mbH. Der Sohn des Verpflichteten suchte sich mit dem Vater die für den Betrieb der Gesellschaft benötigten Sachen aus; diese wurden in ein Anlagenverzeichnis aufgenommen und von einem Sachverständigen mit zusammen S 560.960,-- bewertet. Dieser Betrag wurde als Kaufpreis vereinbart und bezahlt. Die Gegenstände blieben zum Teil an ihrem Standort, zum Teil wurden auch Sachen in die allein von der Gesellschaft genutzten Räume im Keller und im Obergeschoß des Hauses gebracht.

Am 10.Jänner 1990 wurden beim Vollzug zu 8 E 7555/89 in den Geschäftsräumen des Verpflichteten 87 Gegenstände gepfändet. Am 3. April 1990 wurden an den Pfandgegenständen weitere Pfandrechte zu 8 E 897/90 für die vollstreckbare Forderung der ersten Beklagten von S 140.488,94 sA und zu 8 E 2243/90 für die vollstreckbare Forderung des zweiten Beklagten von S 55.599,12 begründet. Deckung ist nicht gegeben. Mit dem erzielten Kaufpreis beglich der Verpflichtete Bankverbindlichkeiten. Die Sicherungsexekution ist in eine Exekution zur Hereinbringung von S 6,558.653,13 sA übergegangen.

Das Erstgericht meinte, es habe sich zwar nicht um ein Scheingeschäft gehandelt und die vom Verpflichteten der klagenden Gesellschaft verkauften Gegenstände seien auch wirksam übergeben worden, doch komme der von den Beklagten erhobenen Anfechtungseinrede Berechtigung zu. Gegenüber der ersten Beklagten liege die Benachteiligungsabsicht iSd § 2 Z 2 AnfO und überdies auch der Anfechtungsgrund nach § 2 Z 3 AnfO vor, weil an der klagenden Gesellschaft nur Angehörige iSd § 4 AnfO beteiligt seien.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und daß die ordentliche Revision in Ansehung der ersten Beklagten nicht, wohl aber in Ansehung des zweiten Beklagten zulässig sei, weil nur insoweit die Behauptungs- und Beweislast für das Vorhandensein oder das Fehlen der Befriedigungstauglichkeit von Bedeutung sei.

Das Berufungsgericht hatte, weil nur der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend gemacht war, auf der Grundlage der erstrichterlichen Feststellungen zu prüfen, ob die Beklagten ausreichende Behauptungen vorgetragen hatten, aus denen sich der vom Erstgericht angenommene Anfechtungsgrund ableiten lasse. Es meinte, Voraussetzung aller Anfechtungstatbestände des § 2 AnfO sei das Vorliegen einer objektiv nachteiligen Rechtshandlung für die Gläubiger. Diese habe der Anfechtungswerber zu beweisen, also im Exszindierungsprozeß der Beklagte. Bei nahen Angehörigen trete eine Beweislastumkehr ein, weil nach § 2 Z 3 AnfO alle Rechtshandlungen, durch welche Gläubiger des Schuldners benachteiligt werden und die er in den letzten zwei Jahren vor der Anfechtung gegenüber seinem Ehegatten oder nahen Angehörigen zugunsten dieser Personen vorgenommen hat, anfechtbar sind, es sei denn, daß dem anderen Teil zur Zeit der Vornahme der Rechtshandlung eine Benachteiligungsabsicht des Schuldners weder bekannt war noch bekannt sein mußte. Die Beklagten hätten das Rechtsgeschäft und den zeitlichen Ablauf dargestellt und behauptet, der Sohn des Verpflichteten habe von der Forderung der ersten Beklagten in Millionenhöhe Kenntnis gehabt, die Familienangehörigen hätten in bewußtem Zusammenwirken das Vermögen des Verpflichteten der Exekution entziehen wollen. Die beiden Beklagten hätten sich jeweils dem Vorbringen des anderen Teils angeschlossen. Dem Anfechtungswerber seien die näheren Umstände oft unbekannt. Es dürfe kein zu strenger Maßstab angelegt werden. Der Verkauf der Fahrnisse sei jedenfalls für die Gläubiger deshalb nachteilig gewesen, als der Erlös nicht im Vermögen des Verpflichteten blieb. Dem (einen) Geschäftsführer der klagenden Gesellschaft sei jedenfalls die Benachteiligungsabsicht bekannt gewesen, sei doch die Gesellschaft deshalb errichtet worden, um die exekutive Verwertung der technischen Betriebsanlagen und der Betriebsanlagen des Verpflichteten durch andrängende Gläubiger zu verhindern. Ob von einer Angehörigeneigenschaft iSd § 2 Z 3 iVm § 4 AnfO auszugehen sei, stelle eine Rechtsfrage dar. Daß der Sohn des Verpflichteten Gesellschafter und Geschäftsführer der klagenden Gesellschaft mbH sei, reiche aus, das Angehörigenverhältnis zu begründen. Die Rechtshandlung sei ausschließlich zu Gunsten der Gesellschafter der klagenden Gesellschaft vorgenommen worden, die alle nahe Angehörige des Verpflichteten seien. Die klagende Partei habe weder behauptet noch bewiesen, daß beim Verkauf der Fahrnisse keine Benachteiligungsabsicht des Schuldners bestand und daß eine solche weder bekannt war noch bekannt sein mußte. Ebenso hätten sie nicht unter Beweis gestellt, daß die Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung fehlte. Es sei daher auch nicht darauf einzugehen, ob die Beseitigung des Erfolges der Rechtshandlung die Befriedigungsaussicht des zweiten Beklagten fördere.

Rechtliche Beurteilung

Gegen das bestätigende Urteil des Berufungsgerichtes liegt die ordentliche und außerordentliche Revision der klagenden Gesellschaft vor.

Der zweite Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die außerordentliche Revision ist unzulässig (§ 502 Abs 1, § 510 Abs 3 ZPO), die ordentliche Revision ist zulässig und berechtigt.

Die klagende Partei wendet sich in ihrer ordentlichen Revision gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, es sei ihre Pflicht gewesen, den Nachweis der Befriedigungsuntauglichkeit der von der zweiten Beklagten vorgenommenen Anfechtung zu erbringen. Da die erste Beklagte eine hohe Forderung vor dem Pfandrang des zweiten Beklagten geltend mache, fehle es an der Befriedigungstauglichkeit als Anfechtungsvoraussetzung jedenfalls bei dem zweiten Beklagten.

Ist bei der ersten Beklagten, deren Pfandrang im Wege der Sicherstellungsexekution erworben wurde, die Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung offenkundig, weil es genügt, daß auch nur eine teilweise Befriedigung bei Wegfall des relativ anfechtbaren Geschäftes zu erwarten ist (ÖBA 1990, 139 mwN), so stellt sich bei der Anfechtung durch den zweiten Beklagten, der für seine Forderung einen späteren Befriedigungsrang erwarb, die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Frage nach der Beweislast für die Befriedigungstauglichkeit durchaus. Die Anfechtung muß zu einer wahrscheinlichen Verbesserung der Befriedigungsaussichten des Anfechtenden führen (vgl. König, aaO Rz 239; SZ 24/224; SZ 32/56; SZ 35/35; RdW 1990, 15 ua). Die Befriedigungstauglichkeit hat der Anfechtende zu behaupten und zu beweisen (SZ 62/97; ÖBA 1992, 582 = RdW 1992, 113; ÖBA 1992, 1113).

Aus § 1 AnfO ergibt sich, daß die Anfechtung nur zum Zwecke der Befriedigung des Anfechtenden mit der Wirkung, daß die angefochtene Rechtshandlung diesem gegenüber als unwirksam erklärt wird, stattfindet. Die Befriedigungstauglichkeit ist daher eine der Voraussetzungen der Einzelanfechtung (JBl 1964, 151). Es gelten bei der Einzelanfechtung die für die Konkursanfechtung bestehenden vergleichbaren Anforderungen. Es wäre Sache des zweiten Beklagten gewesen, den Beweis anzutreten und zu erbringen, daß bei Wegfall der angefochtenen Rechtshandlung, nämlich der Veräußerung des Großteils der beweglichen Habe des Schuldners unter Zahlung des Kaufpreises auf das Bankkonto die Möglichkeit einer auch nur teilweisen Befriedigung seiner vollstreckbaren Geldforderung bestanden hätte. Diesen Beweis hat der zweite Beklagte nicht angetreten. Bei seinem Pfandrang nach der ersten Beklagten ist eine Deckung wegen der vorgehenden hohen Forderung von rund S 6,000.000,-- der ersten Beklagten bei dem nicht bestrittenen Wert der Pfandgegenstände von rund S 560.000,-- keinesfalls anzunehmen. Es hätte daher besonderer Umstände bedurft, die dennoch eine Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung annehmen ließe. Solche Tatsachen hat der zweite Beklagte nicht vorgetragen. Seine Anfechtung muß daher scheitern, was zur Berechtigung des gegen die Exekution erhobenen Widerspruches des Dritten nach § 37 EO führt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und auf § 50 Abs 1 ZPO. Der zweite Beklagte hat der klagenden Partei Kosten im Verhältnis der Streitwerte der beiden Ansprüche zu ersetzen, also ein Drittel.

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