OGH 9ObA4/93

OGH9ObA4/9324.2.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Manfred Dafert und AR Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Rudolf P*****Angestellter, *****, vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wider die beklagte Partei C***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen S 134.607,02 sA (im Revisionsverfahren S 129.765,41 sA), infolge Rekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.Juli 1992, GZ 31 Ra 7/92-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 4.Februar 1991, GZ 14 Cga 2581/89-13, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war bei der Beklagten seit 17.November 1986 als technischer Verkäufer beschäftigt. Nach Punkt 10 seines schriftlichen Dienstvertrages vom 28.Oktober 1986 verpflichtete er sich, innerhalb von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht für ein Konkurrenzunternehmen aktiv oder beratend tätig zu sein, insbesondere ein solches Unternehmen weder unmittelbar noch mittelbar zu betreiben, sich daran zu beteiligen oder in die Dienste eines solchen Unternehmens zu treten. Die Beklagte verpflichtete sich, für die Dauer des Konkurrenzverbotes jährlich eine Entschädigung in der Höhe der Hälfte der zuletzt gewährten jährlichen Festbezüge (Gehalt plus Tantieme I) an den Kläger zu zahlen. Hinsichtlich der Anrechnung anderweitiger Bezüge auf die Entschädigung sollte § 74c des (deutschen) HGB (im folgenden: dHGB) gelten. Der Kläger verpflichtete sich, der Beklagten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitzuteilen, für welches Unternehmen er tätig zu werden gedenke bzw tätig geworden sei. Im übrigen sollten für das Wettbewerbsverbot die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 74 ff dHGB gelten.

Der Kläger bezog zuletzt ein monatliches Fixum von S 15.870,-- brutto 14mal jährlich. An Provisionen verdiente er im Jahre 1988 S 37.350,83 brutto. Mit "Kündigungsvereinbarung" vom 10.Jänner 1989 beendeten die Parteien das Arbeitsverhältnis unter sofortiger Dienstfreistellung des Klägers einvernehmlich zum 30.April 1989.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung von Provisionen in Höhe von S 4.841,66 sA (die nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens sind) und "Ausgleichszahlungen" gemäß Punkt 10 des Dienstvertrages in Höhe von S 129.765,36 sA.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Mit Vereinbarung vom 10.Jänner 1989 habe sie auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes und der Kläger auf alle weiteren Bezüge verzichtet. Der Kläger habe das Konkurrenzverbot auch nicht eingehalten und sich entgegen seiner Verpflichtung aus dem Dienstvertrag nicht mehr gemeldet, um seine weitere Beschäftigung bekanntzugeben. Der Kläger habe einen Reisekostenvorschuß von S 4.000,-- erhalten, dessen Rückforderung bei der Endabrechnung übersehen worden sei.

Das Erstgericht erkannte die Klageforderung mit S 129.765,41 und die "eingewendete Gegenforderung" mit S 4.000,-- als zu Recht bestehend und gab dem Klagebegehren mit S 125.765,54 sA statt. Es traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:

Im Zuge des Einstellungsgespräches war auch von Punkt 10 des Dienstvertrages die Rede. Der Geschäftsführer der Beklagten wies darauf hin, daß es sich dabei um eine Vertragsbestimmung handle, die im "deutschen Stammhaus" der Beklagten formuliert worden sei. Beiden Teilen war der Inhalt der §§ 74 ff dHGB unbekannt. Eine Erörterung darüber fand nicht statt. "Eine Feststellung dahin, daß dieser Vertragspunkt nicht gültig sei, kann nicht getroffen werden".

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses rief der Kläger regelmäßig bei der Beklagten an und gab vereinbarungsgemäß seinen neuen (zur Beklagten nicht in Konkurrenz stehenden) Arbeitgeber bekannt. Er war im Mai 1989 einen Monat bei der Firma F***** beschäftigt, bei der er Schweißzubehör verkaufte und S 12.000,-- netto verdiente. Bis Ende des Jahres 1989 war er arbeitslos. Anschließend bezog er bei der Firma C***** ein monatliches Nettoentgelt von S 16.000,--.

Das Erstgericht verneinte einen restlichen Provisionsanspruch des Klägers und führte zur Konkurrenzklausel aus, daß diese wirksam vereinbart und nicht widerrufen worden sei. Der Kläger habe sich daran gehalten und innerhalb eines Jahres nach seinem Ausscheiden keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt. Sein dadurch erzieltes Einkommen könne den zugesicherten Entschädigungsanspruch nicht schmälern, zumal keiner der Vertragsparteien den Inhalt der §§ 74 ff dHGB gekannt habe. Diese einschränkende Vertragsbestimmung sei unverständlich geblieben, so daß sie von der vertraglichen Willensübereinstimmung nicht umfaßt sei.

Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes über die Wirksamkeit der vereinbarten Konkurrenzklausel und führte ergänzend aus, daß die Unkenntnis der Vertragsparteien über den Inhalt des § 74c dHGB die vereinbarte Anrechnung nicht unwirksam mache. Ausdrücklicher Gegenstand der Vereinbarung sei die Anrechnung anderweitiger Bezüge gewesen; Unklarheiten hätten zufolge Unkenntnis des § 74c dHGB nur über die Art der Anrechnung bestanden; daraus folge, daß eine Willensübereinstimmung darüber zustandegekommen sei, daß eine Anrechnung anderweitiger Bezüge nach Maßgabe des § 74c dHGB erfolgen sollte. Der Wortlaut dieser Vertragsbestimmung weise sohin auf eine objektivierbare Gesetzesbestimmung hin, die daher auch zur Klarstellung der Anrechnungsbestimmung heranzuziehen sei. Die Einrechnungsverpflichtung bestehe dem Grunde nach zu Recht.

Zur Höhe dieser Beträge fehle es aber noch ebenso an genauen, durch das Beweisverfahren gedeckten Feststellungen über den jeweiligen Bruttoverdienst des Klägers wie über die Höhe der eingeklagten Entschädigung. Die Arbeitslosenbezüge seien aber bei der Anrechnung des Einkommens außer Betracht zu lassen, da die Karenzentschädigung als Entgeltersatz für die Einhaltung der Konkurrenzklausel anzusehen sei, die analog zur Kündigungsentschädigung zu einem Ruhen des Arbeitslosenentgelts und damit zur Rückzahlungspflicht des Empfängers führe.

Gegen diesen Beschluß richten sich die Rekurse beider Parteien. Der Kläger begehrt die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils; die Beklagte beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Gemäß § 869 ABGB muß die Einwilligung in einen Vertrag frei, ernstlich, bestimmt und verständlich erklärt werden. Bestimmt ist eine Erklärung, wenn ihr die wesentlichen Rechtsfolgen, die der Erklärende anstrebt, entnehmbar sind (gemäßigte Rechtsfolgentheorie) und ihr Inhalt im übrigen (eindeutig) bestimmbar ist (vgl Koziol-Welser, Grundriß9 I 108 und 215 f; Rummel in Rummel, ABGB2 § 869 Rz 5 ff mwH). Dem Berufungsgericht ist daher auch darin beizupflichten, daß die Parteien des Dienstvertrages unter Punkt 10 nichts Ungewöhnliches oder Unverständliches vereinbart haben. Dies trifft auch auf die Vereinbarung der Anrechnung anderweitiger Bezüge im Sinne des § 74c dHGB zu. Daß anderweitige Bezüge auf die Karenzentschädigung anzurechnen sind, ist hinreichend festgehalten. Damit korrespondiert die Verpflichtung des Klägers, daß er der Beklagten mitzuteilen habe, für welches Unternehmen er tätig zu werden gedenke bzw tätig geworden ist. Dadurch sollte nicht nur die Wettbewerbsklausel abgesichert, sondern auch die Prüfung und Geltendmachung anrechenbarer Einkünfte ermöglicht werden. Wie diese Anrechnung im Detail erfolgen sollte, ergibt sich aus dem Hinweis auf § 74c dHGB. Auch wenn den Parteien des Dienstvertrages diese Bestimmung nicht bekannt war, wäre es ihnen schon im Hinblick auf das "deutsche Stammhaus" leicht möglich gewesen, den vorgegebenen Inhalt dieser Bestimmung festzustellen. Die vereinbarte Wettbewerbsklausel ist sohin auch bezüglich der Anrechnung anderweitiger Bezüge nicht unklar, sondern bestimmbar.

Es ist daher weiters zu prüfen, ob die Konkurrenzklausel im Sinne des relativ zwingenden (§ 40 AngG) § 37 AngG überhaupt wirksam geworden ist, da die Erklärung des Arbeitgebers gemäß § 37 Abs 2 AngG schon im Dienstvertrag vorweggenommen (vgl Arb 10.132) und dem Arbeitnehmer nicht das ganze zuletzt zukommende Entgelt zugesagt wurde. Dabei ist auf die Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzustellen (vgl Löffler, Zwei gegensätzliche Entscheidungen des OGH zur Konkurrenzklausel, DRdA 1988, 173 f). Anders als in dem zu 9 Ob A 155/87 (WBl 1988, 436 = Infas 1988 A 71 mit Kritik von Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz, AngG7 § 37 Erl 8 und Kerschner, Kondiktion unterlassener Konkurrenz, WBl 1988, 422) beurteilten Fall endete das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht durch Arbeitgeberkündigung, sondern durch einvernehmliche Auflösung. Durch diese Art der Beendigung blieb die Konkurrenzklausel aber aufrecht (Martinek aaO § 37 Erl 9; ZAS 1986/14 (Huber)), ohne daß es einer Erklärung des Arbeitgebers im Sinne des § 37 Abs 2 AngG bedurft hätte. Ist aber die Wirksamkeit der vereinbarten Konkurrenzklausel nicht durch die Erklärung des Arbeitgebers beschränkt, daß er dem Arbeitnehmer während ihrer Dauer das ihm zuletzt zukommende Entgelt leiste, ist es der Disposition der Parteien anheimgestellt, in den nicht von § 37 AngG geregelten Fällen eine (freiwillige und zusätzliche) niedrigere Karenzentschädigung zu vereinbaren. Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, daß die Karenzentschädigung bereits im Dienstvertrag enthalten ist, da die Schutzfunktion der zitierten Bestimmung dadurch nicht beeinträchtigt und der Kläger durch die (vorzeitige) Klarstellung seiner Rechtsposition begünstigt wurde (vgl Reissner, Möglichkeiten und Grenzen der Parteiendisposition im Bereich von Konkurrenzklauseln, DRdA 1991, 432 ff, 434 und 440 f; Löffler aaO 174 mwH; WBl 1987, 129 = Infas 1987 A 53), zumal der Vereinbarung nicht zu entnehmen ist, daß die Karenzentschädigung im Fall der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses wegfallen soll.

Da sich der Kläger unbestritten an die Wettbewerbsklausel gehalten hat, ist die Beklagte verpflichtet, ihm die zugesagte Karenzentschädigung zu leisten. Eine gesetzliche Anrechnungsverpflichtung tatsächlichen oder präsumtiven Verdienstes besteht dafür nicht (Reissner aaO 441 f; Martinek aaO § 37 Erl 8; WBl 1987, 129 = Infas 1987 A 53). Die vertraglich vereinbarte Anrechnung ist im vorliegenden Fall allerdings beachtlich, da dadurch nicht zu Lasten des Dienstnehmers von einseitig zwingenden Vorschriften des § 37 Abs 2 AngG abgegangen wird. Die Wettbewerbsklausel, die mangels entsprechender Behauptungen im Sinne des § 36 AngG als an sich wirksam vereinbart angesehen werden muß, wäre nämlich vom Kläger - wie bereits ausgeführt - auch dann zu beachten gewesen, wenn keine Karenzentschädigung vereinbart worden wäre.

Nach der als vereinbart geltenden Bestimmung des § 74c dHGB muß sich der Handlungsgehilfe auf die fällige Entschädigung (nach Maßgabe von Betragsbeschränkungen) anrechnen lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweite Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt. Darunter fällt jedenfalls das Erwerbseinkommen, das der Kläger durch Beschäftigung bei anderen nicht in Konkurrenz mit der Beklagten stehenden Arbeitgebern bezogen hat. Das Arbeitslosengeld ist jedoch nicht einzurechnen. Die Karenzentschädigung für die Einhaltung der Konkurrenzklausel führt zwar entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht zu einem Ruhen des Arbeitslosengeldes und demgemäß zu einer Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers, da die Ruhenstatbestände im AlVG taxativ aufgezählt sind (vgl Dirschmied, AlVG2 § 16 Erl 1 ff, 2.3 f; Frank-Ullrich, AlVG § 16 Erl 1), die Nichteinrechenbarkeit ergibt sich jedoch aus dem Verständnis der diesbezüglichen Regelung. § 74c dHGB gilt im vorliegenden Fall nicht kraft Gesetzes, sondern kraft Vereinbarung. Es kommt daher darauf an, welches Verständnis ein redlicher Erklärungsempfänger aus dieser Erklärung gewinnen durfte. Maßgeblich ist der Empfängerhorizont (vgl Rummel in Rummel, ABGB2 § 863 Rz 8, § 914 Rz 4 mwH). Nach dem Wortlaut des als vereinbart geltenden § 74c dHGB ist nur einzurechnen, was der Kläger durch "anderweite Verwertung seiner Arbeitskraft" erworben oder zu erwerben böswillig unterlassen hat. Voraussetzung des Bezugs von Arbeitslosengeld ist aber, daß der Betreffende nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat (§§ 7 Z 1, 12 Abs 1 AlVG), so daß eine "anderweite Verwertung seiner Arbeitskraft" schon begrifflich nicht in Frage kommt.

Soweit das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichts über die Beschäftigungszeiten und die tatsächlich erzielten Verdienste des Klägers für mangelhaft und ergänzungsbedürftig hält, kann dem nicht entgegengetreten werden, da der Oberste Gerichtshof keine Tatsacheninstanz ist. Es hat daher entgegen der Ansicht der Beklagten bei der Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung zu bleiben.

Die Kostenentscheidung ist im § 52 ZPO begründet.

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