OGH 5Ob22/93

OGH5Ob22/9316.2.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Gertrud E*****, Hausverwalterin, *****, vertreten durch Dr.Heinz Meller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Margarete B*****, Private, *****, 2.) Ingeborg G*****, Private, ***** 3.) Alfred G*****, Privater, ***** 4.) Eleonore G*****, Private, ***** 5.) Maria G*****, Private, 6.) Andreas Roland G*****, Privater, ***** 7.) Mag.Gerlinde H*****, Private, ***** 8.) DDr. Kambiz K*****, Privater, ***** 9.) Eveline R*****, Private, ***** 10.) Maria V*****, Private, ***** die Erst- bis Viert- und Neunt- und Zehntbeklagten vertreten durch Dr.Herbert Siemer ua Rechtsanwälte in Wien, die Siebentbeklagte vertreten durch Dr.Leopold Grohmann, Rechtsanwalt in Wien, und der Achtbeklagte vertreten durch Dr.Hans Robicsek, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 131.359,- s.A. infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 18.Mai 1992, GZ 4 R 76/92-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 20.Oktober 1991, GZ 23 Cg 280/89-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte von den Beklagten zunächst (ON 1) die Zahlung von insgesamt S 174.120,- s.A. mit der Begründung, sie habe als Verwalterin der Liegenschaft Wien 9, L*****gasse 10, deren Mit- und Wohnungseigentümer die Beklagten seien, in den Jahren 1980 bis 1988 über Auftrag des (schlichten) Mehrheitseigentümers Dr.Rudolf E***** notwendige Instandhaltungskosten (ON 7) von insgesamt S 813.903,-

aus ihren Mitteln bezahlt. Davon entfielen auf die beklagten Parteien unter Berücksichtigung von ihnen allenfalls geleisteter Teilzahlungen entsprechend ihren Miteigentumsanteilen die im einzelnen von ihnen begehrten Beträge von zusammen S 174.120,-. Nach rechtskräftiger Erledigung des Verfahrens gegen die Fünft- und Sechstbeklagte Partei (S 20.083,- und S 16.328,-) mit Versäumungsurteil (ON 5) und Einschränkung des Begehrens gegen die Erstbeklagte um S 6.350,- (ON 19) beträgt der Gesamtstreitwert für die noch den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Klagebegehren gegen die erst- bis viert- sowie siebent- bis zehntbeklagte Partei (im folgenden "beklagte Parteien" genannt) S 131.359,-.

Die Klägerin habe die eingeklagten Rückforderungsansprüche mit Schreiben vom 12.7.1989 per 31.8.1989 fällig gestellt.

Die beklagten Parteien wendeten sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ein und beantragten die Abweisung der Klage. Die Klägerin habe seit über 10 Jahren keine ordnungsgemäße Rechnung im Sinne des § 17 WEG gelegt, sodaß Fälligkeit nicht eingetreten sei.

Der Klägerin mangle die Aktivlegitimation, weil sie weder Miteigentümerin noch Verwalterin der Liegenschaft sei. Auch sei Verjährung eingetreten.

Der Achtbeklagte wendete überdies ein, er sei, wie sich aus dem Grundbuchsauszug ergebe, nicht Eigentümer der Wohnung top Nr.7 und daher passiv nicht legitimiert.

Das Erstgericht wies die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit (unbekämpft) unter Hinweis auf § 55 Abs 1 Z 2 JN zurück und die Klagebegehren kostenpflichtig ab.

Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die Beklagten sind Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches *****. Der Ehegatte der Klägerin Dr.Rudolf E***** ist zu 1058/1548stel Anteilen schlichter Miteigentümer und damit Mehrheitseigentümer der Liegenschaft. Auf dieser Liegenschaft wurden in den Jahren 1980 bis 1988 zahlreiche Instandhaltungsarbeiten durchgeführt, die auf Grund der vorgelegten Rechnungen Beilagen./I und ./J nur teilweise konkretisiert sind und insbesondere nicht nachvollziehen lassen, welche Teile des Hauses sie betreffen und was im einzelnen durchgeführt wurde. Die den Beklagten mit Schreiben vom 12.7.1989 übermittelten Abrechnungen enthalten lediglich eine Aufstellung der in den Jahren 1980 bis 1988 angeblich durchgeführten Instandhaltungsarbeiten, wobei der jeweilige Anteil der Beklagten nach ihren Miteigentumsanteilen und der Dauer ihrer Miteigentümereigenschaft angeführt ist. Die mit dem Rechnungskonvolut Beilag./I vorgelegten Aufstellungen enthalten lediglich eine Zusammenfassung der numerierten Rechnungen.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß nach § 17 WEG die Wohnungseigentümer Anspruch auf eine nicht nur ordnungsgemäß zusammengestellte und formell vollständige, sondern auch auf eine materiell vollständige und wahrheitsgemäße Abrechnung hätten. Die Erfüllung der Rechnungslegungspflicht solle dem Wohnungseigentümer die Grundlage für die Beurteilung seiner Ansprüche und Verpflichtungen gegenüber dem Verwalter geben. Erforderlich sei eine möglichst detaillierte Anführung der Einnahmen- und Ausgabenposten, wofür und an wen Zahlungen geleistet und von wem Geld eingenommen worden sei. Die einzelnen Rechtsgeschäfte müßten durch Anführung der Vertragspartner und Leistungen individualisiert und an Hand der dazugehörigen Belege überprüfbar sein. Eine den Grundsätzen des § 17 WEG entsprechende Abrechnung müsse spätestens im Prozeß vorliegen (MietSlg.37.629). Die von der Klägerin vorgelegten Abrechnungen enthielten aber lediglich die Namen der jeweiligen Professionisten, es fehle ein Hinweis darauf, welche konkreten Arbeiten an welchen Teilen des Hauses durchgeführt wurden. Die Einnahmen seien in der Abrechnung überhaupt nicht angeführt. Auch aus den erst im Verfahren vorgelegten Rechnungen Beilage./I und ./J sei eine Konkretisierung der Arbeiten, die insbesonders eine Überprüfung der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit ermöglichte, nicht möglich. Die vorgelegten Abrechnungsunterlagen stellten daher keine den Grundsätzen des § 17 WEG entsprechende Rechnungslegung dar, sodaß die Klagsforderung mangels Fälligkeit abzuweisen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei.

Rechtlich führte das Berufungsgericht im wesentlichen folgendes aus:

Die Klägerin sei auch während des Prozesses ihrer Abrechnungspflicht

nicht nachgekommen. Zwar bildeten Abrechnung und Belegsammlung eine

Einheit, sodaß das, was in den Belegen nachgelesen und bei

ausreichender Querverbindung zur Abrechnung auch ohne Schwierigkeiten

aufgefunden werden könne, nicht in der Abrechnung selbst stehen

müsse, damit deren Übersichtlichkeit und Verständlichkeit nicht

beeinträchtigt werde. Im vorliegenden Fall könnte daher die

Abrechnung der Instandhaltungsausgaben im Zusammenhang mit den

vorgelegten Belegen als ausreichend angesehen werden. Dies ändere

aber nichts daran, daß die Abrechnung insgesamt unvollständig sei,

weil sie nicht auch die Einnahmen des Hauses ausweise. Im

vorliegenden Fall handle es sich um eine sogenanntes Mischhaus, in

dem neben Wohnungseigentum auch schlichtes Miteigentum bestehe. Wohl

sei es richtig, daß nach § 20 Z 2 WEG Nutzungen aus Wohnungen und

sonstigen Räumlichkeiten, die nicht im Wohnungseigentum stehen, den

Eigentümern der Anteile, mit denen Wohnungseigentum nicht verbunden

sei, gebühren. Da die Wohnungseigentümer aber ebenso wie die

schlichten Miteigentümer von einem allfälligen Verfahren nach den §§

6 oder 18 MRG betroffen seien, hätten sie gegenüber dem gemeinsamen

Verwalter auch Anspruch, über die Einnahmen des Hauses Klarheit zu

erlangen.

Schließlich enthalte die von der Klägerin vorgelegte Abrechnung auch nichts über Betriebskosten und Einnahmen aus den laufenden Vorschreibungen.

Im vorliegenden Prozeßverfahren habe die Klägerin nicht einmal den Versuch unternommen, ihre Abrechnung zu vervollständigen; sie habe sich vielmehr auf den Standpunkt gestellt, daß sie über die Einnahmen des Hauses nicht Abrechnung legen müsse. Zutreffend habe daher das Erstgericht die Fälligkeit der eingeklagten Forderungen verneint.

Die Revision sei nicht zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht abgewichen sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde; hilfsweise wurden Aufhebungsanträge gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und im Sinn ihres zweiten Eventualantrages auch berechtigt.

a) Zur Zulässigkeit:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht bei Beurteilung der Frage, ob im hier gegebenen Fall eine zur Rechtfertigung des Klagebegehrens geeignete Abrechnung bereits vorliegt oder doch bei Aufnahme aller hiezu von der klagenden Partei beantragten Beweise vorgelegen wäre, zumindest im Ergebnis - wie bei der Sachentscheidung gezeigt werden wird - von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abwich (s. zuletzt 5 Ob 20/92).

b) Zur Sachentscheidung:

Zutreffend gingen die Vorinstanzen davon aus, daß der Anspruch des Verwalters auf Ersatz von Aufwendungen auf die Liegenschaft der Miteigentümer nicht von der vorherigen Rechnungslegung abhängig ist;

es genügt, daß diese in dem Prozeß vorliegt, in dem der Verwalter

seinen Anspruch geltend macht (MietSlg 36.073 mwN; jüngst 5 Ob

20/92). Dabei ist es unerheblich, ob die Abrechnung vom Verwalter

selbst erstellt wurde oder bloß das Ergebnis der gerichtlichen

Beweisaufnahme bildet, das sich der Verwalter zur Begründung seines

Aufwandersatzanspruches zu eigen macht (SZ 58/197).

In der hier zu beurteilenden Rechtssache legte die Klägerin die

Abrechnung als Belegskonvolut Beilagen./I und ./J samt 44 Rechnungen

vor, die zutreffend vom Berufungsgericht als ausreichende Abrechnung

der geltend gemachten Ausgaben angesehen wurden. Dazu kommt noch,

daß die von den Beklagten begehrte Vorlage der Originalbelege im

Rahmen der in der mündlichen Verhandlung durchzuführenden

Beweisaufnahme (hier: Einvernahme der Klägerin als Partei) von der

Klägerin zugesagt wurde (ON 7). Diese Beweisaufnahme unterblieb

aber bisher. Erst nach Durchführung der von der Klägerin hiezu und

von den Beklagten im Rahmen ihrer konkreten Bestreitung einzelner

Abrechnungspositionen (siehe ON 9, 11 und 14) angebotenen Beweise

wird beurteilt werden können, ob die eingeklagten Beträge zu Recht

geltend gemacht werden. Dazu bedarf es zu den jeweils strittigen

Positionen der Abrechnung begründeter Feststellungen.

In der von der Klägerin vorgelegten Abrechnung sind als Einnahmen "S

0,-" verzeichnet. Zu den Ausführungen des Berufungsgerichtes, die

Beklagten hätten Anspruch auf Abrechnung über alle das Haus

betreffenden Zinseinnahmen, auch wenn ihnen davon gemäß § 20 Z 2 WEG

kein Anteil zukomme, ist hier nur soviel zu sagen, daß eine

Abrechnung über Einnahmen, die nicht zu einer Minderung des

Anspruches der Klägerin führen kann, auch nicht präjudiziell für die

Entscheidung in dieser Rechtssache ist. Der Aufwandersatzanspruch

der Klägerin setzt lediglich voraus, daß er dem Saldo aus den

tatsächlich gemachten Aufwendungen vermindert um Leistungen der

Beklagten entspricht, nicht aber, daß die Klägerin alle anderen

allenfalls aus ihrer Verwalterfunktion den Beklagten gegenüber

obliegenden Pflichten erfüllte. Behauptungen der Beklagten, es

seien mit den Aufwendungen der Klägerin von dieser aus dem Haus

gezogene Einnahmen zu verrechnen, wurden nicht aufgestellt; das gilt

auch für Betriebskosten-Akontozahlungen.

Der Einwand des Achtbeklagten, er sei "nicht Eigentümer der Wohnung

Nr.7" bedarf der Konkretisierung. Nach dem Vorbringen der Klägerin

bezieht sich der geltend gemachte Aufwandersatz auf eine Zeit, in

der der Achtbeklagte noch Miteigentümer der Liegenschaft war. Dieser wird sich daher darüber zu äußern zu haben, bis wann er Miteigentümer der Liegenschaft war. Im Falle widerstreitenden Vorbringens hiezu werden auf Grund eines einzuholenden Grundbuchsauszuges (unter Berücksichtigung des Inhaltes des Verzeichnisses der gelöschten Eintragungen) Feststellungen darüber zu treffen sein, ob bzw. bis wann der Achtbeklagte Mit- und Wohnungseigentümer dieser Liegenschaft war.

Zu dem von den Beklagten erhobenen Verjährungseinwand ist folgendes zu sagen:

Ansprüche des Hausverwalters auf Aufwandersatz für

Geschäftsbesorgungsleistungen des täglichen Lebens (Strasser in

Rummel, ABGB2, Rz 7 zu den §§ 1014 und 1015) verjähren gemäß § 1486

Z 1 ABGB in drei Jahren. Dazu gehören z.B. Betriebskosten (MietSlg

31.272/36 = 52/137; MietSlg 36.229) und öffentliche Abgaben (MietSlg

35.276 ua), wobei unter Betriebskosten alle im Zuge der Verwaltung

regelmäßig wiederkehrenden Aufwendungen zu verstehen sind, also etwa

Heizkosten, Servicegebühren, Rauchfangkehrergebühren, Wasser- und

Kanalgebühr, Müllabfuhr, Hausbesorgerkosten, aber auch kleinere

Reparaturen (MietSlg 36.229 mwN). Nicht der dreijährigen Verjährung

nach § 1486 Z 1 ABGB unterliegen hingegen Aufwandersatzforderungen

für andere Geschäftsfälle, wie zB Darlehensrückzahlungen (SZ 54/177 =

MietSlg 33.252), Aufwendungen für Großreparaturen, die nicht den

Charakter wiederkehrender Leistungen haben (MietSlg 36.229; zB

Sanierung einer Ölringleitung - MietSlg 35.277). Für den Beginn der

Verjährung ist das Ende des Abrechnungszeitraumes maßgebend, der

sich primär aus der Vereinbarung, mangels einer solchen aus dem

Gesetz (hier: das Kalenderjahr gemäß § 17 Abs 2 Z 1 WEG 1975)

ergibt (SZ 52/137) und in dem der Verwalter die Aufwendungen

tätigte.

Hätte die Klägerin die Aufwendungen nicht als Verwalterin der Liegenschaft getätigt so unterläge ihr Ersatzanspruch der allgemeinen (dreißigjährigen) Verjährungsfrist.

Anhand der dargelegten Grundsätze wird vom Erstgericht nach Erörterung mit den Parteien und gegebenenfalls nach Ergänzung des Beweisverfahrens im Falle widerstreitender Tatsachenbehauptungen zu beurteilen sein, welche der von der Klägerin als Aufwandersatz begehrten Beträge zum Zeitpunkt des Einbringens der Klage bereits verjährt waren.

Der Ausspruch über den Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 Satz 2 ZPO.

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