OGH 13Os136/92(13Os137/92)

OGH13Os136/92(13Os137/92)11.2.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Februar 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger, Dr.Massauer, Dr.Markel und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Malesich als Schriftführerin in der Strafsache gegen Thomas H***** wegen des Verbrechens der Beteiligung gemäß dem § 12 StGB an dem Verbrechen nach dem § 12 Abs. 1 SGG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Thomas H***** gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 21. Oktober 1992, GZ 11 d Vr 698/92-26, sowie über die Beschwerde des Thomas H***** gegen den gleichzeitig mit diesem Urteil gefaßten Beschluß gemäß dem § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, es werden das angefochtene Urteil, das im übrigen (Schuldspruch wegen der Vergehen der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB und des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 StGB, Punkte II/2 und III/1 sowie 2 des Urteilssatzes) unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt I/1 (wegen des Verbrechens der Beteiligung gemäß dem § 12 StGB an dem Verbrechen nach dem § 12 Abs. 1 SGG) und II/1 (wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach den §§ 15 und 105 Abs. 1 StGB) sowie im Schuldspruch zu Punkt I/2 (wegen des Vergehens nach dem § 16 Abs. 1 SGG) und im Strafausspruch, demgemäß aber auch der (mit-)angefochtene Beschluß gemäß dem § 494 a StPO aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 18.September 1966 geborene, zuletzt beschäftigungslose Thomas H***** des Verbrechens der Beteiligung gemäß dem § 12 StGB an dem Verbrechen nach dem § 12 Abs. 1 SGG (Punkt I/1 des Urteilssatzes), der Vergehen nach dem § 16 Abs. 1 SGG (Punkt I/2), der versuchten Nötigung nach den §§ 15 und 105 Abs. 1 StGB (Punkt II/1), der vorsätzlichen Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB (Punkt II/2) und des versuchten Diebstahls nach den §§ 15 und 127 StGB (Punkt III/1 und 2) schuldig erkannt.

Darnach hat er

I.) in Angern/March

1.) im November 1991 seinen abgesondert verfolgten Bruder Horst H***** dadurch, daß er ihm den Suchtgifthändler Refik H***** namhaft machte, ihm dessen Adresse in Budapest mitteilte und aufforderte, nach Ungarn zu fahren, von Refik H***** Suchtgift zu erwerben und dieses nach Österreich zu bringen, dazu bestimmt, im November 1991 in Nickelsdorf den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge, und zwar rund 40 Gramm Heroin in einem nicht näher feststellbaren, jedoch 1,5 Gramm übersteigenden Reingehalt, von Ungarn nach Österreich einzuführen, und

2.) in der Zeit zwischen November 1991 und einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich insgesamt 30 Gramm Heroin, von seinem gesondert verfolgten Bruder Horst H***** erworben, besessen und einen Teil davon Martina J***** überlassen;

II.) am 30.November 1991 in Angern/March

1.) versucht, seinen Stiefvater Kurt K***** durch die Aufforderung, er solle zur Seite gehen, sonst würde er auch ihm "eine anschieben", nachdem er bereits seinen Bruder Horst H***** durch einen Faustschlag verletzt hatte, somit durch gefährliche Drohung, zu einer Handlung, nämlich zur Freigabe des Weges, zu nötigen;

2.) Horst H***** durch einen Faustschlag gegen den Oberkiefer, wodurch eine Prothese ausgeschlagen wurde und Horst H***** eine blutende Verletzung im Oberkiefer erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt;

III.) in Wien versucht, fremde bewegliche Sachen nachgenannten Handelshäusern dadurch, daß er die Sachen jeweils unter seiner Jacke verbarg und an der Kasse, ohne zu zahlen, vorbeiging, mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

1.) am 12.Februar 1992 ein Eau de Toilette im Wert von 338,90 S und ein Dusch-Gel im Wert von 119 S der Firma D***** und

2.) am 16.März 1992 eine Packung Nußstangen im Wert von 18,10 S und eine Packung Schokolade im Wert von 7,50 S der Firma B*****.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch zu Punkt I/1 und II/1 des Urteilssatzes bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 a, 9 lit. b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und den Strafausspruch mit Berufung. Den gemäß dem § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO gefaßten Beschluß auf Widerruf der zu 20 U 669/90 des Strafbezirksgerichtes Wien ausgesprochenen bedingten Strafnachsicht ficht er mit Beschwerde an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist berechtigt.

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes zum Schuldspruch nach dem § 12 Abs. 1 SGG (Faktum I/1) gab der Angeklagte seinem abgesondert verfolgten Bruder Horst H***** - damit dieser Heroin besorgen könne - die Adresse des "H*****" in Budapest bekannt und teilte ihm mit, daß er von diesem Heroin auf Kommission beziehen könne. Er selbst konnte nicht nach Ungarn fahren, weil er keinen Paß hatte (S 175 und 178).

Mit Recht macht die Beschwerde unter dem Grund der Z 10 einen Feststellungsmangel geltend. Der Vorsatz des Täters muß sich auf alle Tatbildmerkmale des § 12 Abs. 1 SGG beziehen, demnach auch darauf, daß die Tat in Beziehung auf eine große Menge Suchtgift begangen wird (10 Os 12/86). In der Entscheidung fehlt aber jeder Hinweis dafür, daß der Erwerb einer großen Menge im Sinne des § 12 Abs. 1 SGG durch Horst H***** in Budapest auch vom zumindest bedingten Vorsatz des Beschwerdeführers umfaßt war.

Gemäß dem § 289 StPO war auch der Schuldspruch wegen des Vergehens nach dem § 16 Abs. 1 SGG aufzuheben. Aus der Subsidiaritätsklausel im § 16 Abs. 1 SGG folgt, daß eine Beurteilung des Erwerbes und Besitzes von Suchtgift als Vergehen nach dem § 16 Abs. 1 SGG neben dem Tatbestand des § 12 Abs. 1 SGG ausgeschlossen ist, wenn das betreffende, vom Täter erworbene und in seinem Besitz gewesene Rauschgift zu dem schon vom Schuldspruch nach dem § 12 Abs. 1 SGG erfaßten gehörte (13 Os 129/88 ua). Bei der Annahme der Verwirklichung des Tatbestandes des § 12 Abs. 1 SGG - wie in der Anklageschrift ON 17 geschildert - durch den Beschwerdeführer wäre damit der Erwerb und Besitz des vom Angeklagten letzten Endes selbst verbrauchten Heroins insoweit, als dies mit dessen Einfuhr laut Punkt I/1 verbunden war, für den daran anschließenden Zeitraum bis zum letztlichen Eigenverbrauch infolge Konsumtion als "vorbestrafte Nachtat" schon durch die Verurteilung nach dem § 12 Abs. 1 SGG strafrechtlich abgegolten (vgl. LSK 1978/257, 16 Os 1/91 ua). Andererseits ergeben sich hinsichtlich des Überlassens einer Suchtgiftmenge an Martina J***** aus dem Urteil keine Anhaltspunkte über die Größe dieses Anteils.

Schließlich zeigt die Beschwerde auch mit Recht einen Feststellungsmangel (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO) zum Schuldspruch wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach den §§ 15 und 105 Abs. 1 StGB (Punkt II/1 des Urteilssatzes) auf.

Welchen Sinn und welche Tragweite eine Äußerung hat, ist eine Tatsachenfeststellung; ob die Drohung geeignet ist, dem Bedrohten begründete Besorgnisse einzuflößen, ist hingegen rechtliche Beurteilung (vgl. Leukauf-Steininger, Komm.3, § 74 RN 23). Das Erstgericht konstatierte in diesem Zusammenhang nur, daß der Angeklagte seinen Stiefvater Kurt K***** aufforderte, zur Seite zu gehen, sonst werde er auch ihm "eine anschieben" (US 176). Der Sinngehalt und die Tragweite dieser Äußerung ist aber nicht ohne weiteres erfaßbar; damit wäre das Erstgericht aber gehalten gewesen, diese Kriterien näher zu erläutern.

Da sich sohin zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war gemäß dem § 285 e StPO insoweit über die Nichtigkeitsbeschwerde wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Mit der Aufhebung des erstgerichtlichen Strafausspruches ist aber auch dem bekämpften Widerrufsbeschluß die Grundlage entzogen, sodaß er, um die vom Gesetzgeber mit der Schaffung der Bestimmungen der §§ 494 a und 494 b StPO idF des StRÄG 1987 angestrebte "Gesamtregelung" der Straffrage in erster Instanz zu ermöglichen, mitaufzuheben war.

Mit seiner Berufung und der Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluß war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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