OGH 10ObS340/92

OGH10ObS340/9228.1.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Mag.Martin Duhan (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Norbert Kunc (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Herbert H*****, vertreten durch Dr.Martin Hahn, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Invaliditätspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2.September 1992, GZ 32 Rs 127/92-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 19.Mai 1992, GZ 15 Cgs 176/91-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 27.8.1991 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 15.5.1991 auf Invaliditätspension mangels Invalidität ab.

Die dagegen fristgerecht erhobene Klage richtet sich auf die abgelehnte Leistung im gesetzlichen Ausmaß "ab Antragstag" und stützt sich im wesentlichen darauf, daß der Kläger wegen verschiedener Leiden seinen Beruf als Schlosser nicht mehr ausüben könne. Der Kläger bezog sich auch auf die als Beilage D vorgelegte Bestätigung seiner Dienstgeberin vom 6.9.1991, daß er bei ihr seit 24.7.1961 und bis auf weiteres als Schlosser beschäftigt ist.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage, weil der Kläger nach ihren Unterlagen noch laufend in der Pflichtversicherung nach dem ASVG versichert sei. Überdies könne er noch alle mittelschweren Arbeiten ohne ständiges Bücken ausüben und daher weiterhin als Schlosser tätig sein.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Es ging davon aus, daß der am 31.12.1941 geborene Kläger mit dem seit der Antragstellung bestehenden, im einzelnen festgestellten körperlichen und geistigen Zustand während der üblichen Arbeitszeit mit den üblichen Pausen leichte und mittelschwere Arbeiten in jeder Körperhaltung mit folgenden Einschränkungen verrichten kann: nicht an erhöht exponierten (zB Leitern und Gerüste) und absturzgefährdeten Stellen, nicht in vorwiegend gebückter Haltung - er kann sich nicht öfter als fünfmal pro Stunde bücken -, nicht unter dauerndem besonderem Zeitdruck, nicht bei überdurchschnittlicher Rauch- und Staubentwicklung und keine Arbeiten, für die beidäugiges Sehen erforderlich ist. Hinsichtlich der Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes bestehen keine Einschränkungen.

Der Kläger hat am 16.5. (richtig 6.) 1978 die Lehrabschlußprüfung im Lehrberuf Stahlbauschlosser und am 19.10.1978 die Lehrabschlußprüfung im Lehrberuf Bauschlosser bestanden. Er war seit dem 24.7.1961 "bis auf weiteres" bei einer Pumpenfabrik beschäftigt, bei der er sich "derzeit" (Schluß der Verhandlung erster Instanz, 13.5.1992) noch in ungekündigter Stellung befindet und sämtliche anfallenden Schlosserarbeiten ausführt. In den Berufen Stahlbauschlosser und Bauschlosser sind überwiegend leichte und mittelschwere Arbeiten zu leisten, doch kommen auch schwere Arbeiten vor. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten kommen bei Montagearbeiten laufend, bei reiner Werkstättenarbeit weniger oder gar nicht vor. Band- und Akkordarbeit sind nicht die Regel, Rauch- und Staubentwicklung ist nicht ganz auszuschließen, bleibt aber im Kalkülsbereich. In der Regel ist mehr als fünfmaliges Bücken pro Stunde erforderlich. Einäugiges Sehen ist vor allem dann kein Ausschließungsgrund, wenn (wie beim Kläger) Gewöhnung eingetreten ist. Der Kläger kann zwar nicht mehr als Stahlbauschlosser und Bauschlosser arbeiten. Da fast alle Schlosserberufe ganz ähnliche Berufsbilder haben, kann ein gelernter Stahlbau- oder Bauschlosser nach einer bestimmten Einschulungszeit auch in verwandten Berufen eingesetzt werden, die der Kläger aber auch nicht in ihrer Gesamtheit, wohl aber in Teilbereichen ausüben könnte. Solche qualifizierte (und der Leistungsfähigkeit des Klägers entsprechende) Verweisungsberufe sind zB der eines Maschineneinstellers, für den je nach Branche eine Einschulungszeit bis zu einem halben Jahr erforderlich ist, eines Schlossers im Werkstättenbereich an etwa 1 m hohen Werktischen (Einschulungszeit wegen der Produktgewöhnung höchstens drei Monate) und im Schlüsseldienst. Auch als Maschineneinsteller und im Schlüsseldienst werden gerne qualifizierte Schlosser verwendet. Auf dem freien Arbeitsmarkt gibt es "genügend Betriebe und Stellen, wo der Kläger im Rahmen dieser Verweisungsberufe arbeiten könnte." Von den bei Maschineneinsteller- und Werkstättenschlosserarbeiten vereinzelt anfallenden schweren Arbeiten müßte der Kläger befreit werden. Im Schlüsseldienst fallen überhaupt keine Schwerarbeiten an.

Weil der Kläger auf Arbeiten im Schlüsseldienst verwiesen werden könne, sei er nicht invalid iS des § 255 Abs 1 ASVG.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers, deren Gründe (Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung) sich nur auf die Invalidität bezogen, nicht Folge.

Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben oder im klagestattgebenden Sinn abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Das nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässige Rechtsmittel ist jedenfalls im Ergebnis nicht berechtigt.

Im vorliegenden Fall, in dem der Stichtag (§ 223 Abs 2 ASVG) jedenfalls nach dem 31.3.1991 liegt, ist § 254 Abs 1 ASVG nach Art V Abs 3 Sozialrechts-ÄnderungsG 1991 BGBl 157 in folgender, seit 1.4.1991 geltender Fassung des Art I Z 8 des letztgenannten Gesetzes anzuwenden:

"Anspruch auf Invaliditätspension hat der (die) Versicherte, wenn die Wartezeit erfüllt ist (§ 236) und er (sie) am Stichtag (§ 223 Abs 2) weder in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz noch in der Pensionsversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz noch in der Pensionsversicherung nach dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz pflichtversichert ist, noch Anspruch auf einen der im § 23 Abs 2 des Bezügegesetzes bezeichneten Bezüge hat 1. bei dauernder Invalidität, 2. bei vorübergehender Invalidität

...."

Nach den diesbezüglich übereinstimmenden Behauptungen in Klage und Klagebeantwortung und nach der unbekämpften Feststellung des Erstgerichtes war der Kläger am und auch nach dem Stichtag, und zwar nach der unbekämpften Feststellung des Erstgerichtes bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung bei einem Dienstgeber im Inland als Dienstnehmer (Schlosser) beschäftigt.

Daraus folgt, daß der Kläger vom Stichtag bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz nach § 4 Abs 1 Z 1 ASVG in der Pensionsversicherung nach dem ASVG versichert war.

Daher ist jedenfalls eine der in der seit 1.4.1991 geltenden Fassung des § 254 Abs 1 ASVG vorgesehenen Voraussetzungen des eingeklagten Leistungsanspruches, nämlich das Fehlen einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung, nicht erfüllt. Schon deshalb war bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz ein Anspruch auf die begehrte Leistung weder entstanden (§§ 85 und 254 Abs 1 ASVG) noch angefallen (§ 86 Abs 3 Z 2 leg cit).

Deshalb wäre die Abweisung des Leistungsbegehrens durch die Vorinstanzen auch dann zu bestätigen, wenn der Kläger bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz als invalid iS des § 255 Abs 1 ASVG gälte.

Der Revision, die sich nur auf die gar nicht entscheidungswesentliche Frage der Invalidität bezieht, war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte