OGH 10ObS336/92

OGH10ObS336/9212.1.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Renate Krenner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) und Fritz Stejskal (aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr.Martin S*****, vertreten durch Dr.Manfred Lampelmayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen vorzeitiger Alterspension bei langer Versicherungsdauer, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 31.August 1992, GZ 34 Rs 83/92-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 11.Feber 1992, GZ 16 Cgs 128/91-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit Bescheid vom 29.Oktober 1991 lehnte die beklagte Partei den am 18. Oktober 1991 gestellten Antrag des am 19.Oktober 1936 geborenen Klägers auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer mit der Begründung ab, daß er das 60.Lebensjahr noch nicht vollendet habe.

Die dagegen fristgerecht erhobene Klage richtet sich auf die abgelehnte Leistung im gesetzlichen Ausmaß ab 1.November 1991 und stützt sich auf die Verfassungswidrigkeit des ungleichen Pensionsalters für Frauen und Männer.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der nach der geltenden Gesetzeslage unbegründeten Klage.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Der Versicherungsfall sei mangels Erreichen des Anfallsalters von 60 Jahren nicht eingetreten.

Das Berufungsgericht gab der nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es erachtete die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes für zutreffend und verwies auf das BG über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten BGBl 1991/627. Vor dessen Inkrafttreten sei die als verfassungswidrig aufgehobene Regelung durch den mit 30.November 1991 bestimmten Zeitpunkt der Wirkung verfassungsrechtlich saniert gewesen. Durch das SozRÄG 1991 sei keine materielle Derogation des § 253 b Abs 1 ASVG idF BGBl 1987/609 eingetreten.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, nach Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des .... § 253 b ASVG idF des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 zum Zeitpunkt der Stellung des Pensionsantrages durch den Verfassungsgerichtshof das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Weil der erkennende Senat gegen die hier präjudizielle Wortfolge "nach Vollendung des 60.Lebensjahres, die Versicherte" im § 253 b Abs 1 ASVG BGBl 1955/189 idF des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1991 BGBl 157 verfassungsrechtliche Bedenken hatte, stellte er mit Beschluß vom 10. November 1992, 10 Ob S 263/92, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, diese Wortfolge als verfassungswidrig aufzuheben oder auszusprechen, daß sie in der Zeit vom 1.April bis 30.November 1991 verfassungswidrig war.

Mit Erkenntnis vom 17.Dezember 1992, G 120/92-9 ua, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß die erwähnte Wortfolge bis zum Ablauf des 30.November 1991 verfassungswidrig war und auch auf jene Sachverhalte nicht mehr anzuwenden ist, die den beim Verfassungsgerichtshof zu G 260/92 und zu G 261/92 anhängigen Rechtssachen zugrunde liegen (Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG).

Die vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erklärte Wortfolge im § 253 b Abs 1 ASVG ist daher im vorliegenden Fall, der zu G 260/92 beim Verfassungsgerichtshof anhängig war und einem Anlaßfall gleichsteht, nicht mehr anzuwenden. Für den Kläger genügt daher ausnahmsweise als Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer die Vollendung des 55.Lebensjahres.

Damit steht aber nun fest, daß der Kläger am Stichtag diese eine Voraussetzung für den Anspruch auf die begehrte Leistung erfüllt hat.

Die weiteren Anspruchsvoraussetzungen des § 253 b ASVG in der oben genannten Fassung wurden bisher weder behauptet, noch erörtert, außer Streit gestellt oder festgestellt.

Deshalb waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Sozialrechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§§ 496, 499, 503 Z 4, 510, 511 und 513 ZPO).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.

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