OGH 8Ob652/92

OGH8Ob652/9222.12.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.Karl Otto P*****, vertreten durch Dr.Franz Bixner jun., Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei D***** gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Heidi Preiß, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 24.September 1992, GZ 5 R 146/92-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 9.April 1992, GZ 28 Cg 859/91-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

In Abänderung des angefochtenen Urteils wird die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit der am 2.12.1991 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Feststellung der Haftung der beklagten Realitätenvermittlungsgesellschaft mbH für jeden Schaden, der dadurch entstanden ist, daß die Beklagte für den Kläger einen Mietvertrag hinsichtlich der Wohnung bzw. des Büros top.16 im Haus N*****straße 86, ***** entsprechend 6/100stel Miteigentumsanteilen der EZ 650, KG A*****, aufsetzte, den der Kläger in weiterer Folge am 29.8.1989 mit der Firma T***** Handelsgesellschaft mbH abschloß, der entgegen einer ausdrücklichen Weisung und Bedingung des Klägers im rechtlichen Ergebnis nicht (auf 5 Jahre, also bis 31.8.1994) befristet, sondern vielmehr unbefristet ist; in eventu wurde die Zahlung von S 2,5 Mio. begehrt.

Er brachte dazu vor: Er habe am 19.3.1985 30/100stel Miteigentumsanteile der Liegenschaft EZ 650 Grundbuch A***** mit dem darauf befindlichen Haus R*****gasse 1 = N*****straße 86 erworben. Es handle sich dabei um einen Altbau, der den Kündigungsschutzbestimmungen des MRG unterliege. Aufgrund einer Benützungsregelung zwischen den Miteigentümern sei ihm das alleinige Verfügungsrecht über die meisten Wohnungen des obersten Geschoßes zugestanden. Durch Vermittlung der Beklagten seien die Wohnungen top.Nr.14 und 15 verkauft worden, doch habe die Beklagte für die Wohnung top.Nr.16 keinen Kaufinteressenten gefunden. Die beklagte Realitätenvermittlungsgesellschaft habe dem Kläger daher vorgeschlagen, die Wohnung befristet an die Firma T***** Handelsgesellschaft mbH zu vermieten. Die Beklagte habe mehrfach und ausdrücklich zugesichert, es sei möglich, ein Bestandverhältnis rechtswirksam befristet abzuschließen. Aufgrund dieser Zusicherung habe der Kläger am 29.8.1989 mit der Firma T***** Handelsgesellschaft mbH einen von der Beklagten vorbereiteten Mietvertrag unterschrieben. Nach zwei Jahren habe sich herausgestellt, daß entgegen der Zusage der beklagten Partei ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit zustandegekommen sei. Die Beklagte habe es nämlich unterlassen, im Sinne des § 29 MRG festzuhalten, daß das Bestandverhältnis durch Zeitablauf ende, ohne daß es einer Aufkündigung bedürfe. Vielmehr sei festgelegt worden, daß der Mietvertrag unter Einhaltung einer vierteljährlichen Kündigungsfrist gerichtlich aufgekündigt werden könne. Weiters habe die Beklagte übersehen, daß die Wohnung (noch) nicht im Wohnungseigentum stand, sodaß § 29 Abs.1 Z 3 lit.b MRG nicht anwendbar sei. Schließlich sei nicht bedacht worden, daß das Bestandobjekt auch als Büro vermietet wurde, die Bestimmung des § 29 Abs.1 Z 3 lit.b MRG sich aber ausschließlich auf Wohnungen beziehe. Durch diesen Fehler der Beklagten sei dem Kläger ein Schaden entstanden; dieser bestehe in der Wertminderung, die die gegenständliche Wohnung dadurch erlitt, daß sie nunmehr mit einem nach den Bestimmungen des MRG in der Praxis unkündbaren Mietrecht belastet sei. Im Hinblick auf die drohende Verjährung wurde primär ein Feststellungsbegehren erhoben. Zum Eventualbegehren auf Zahlung wurde ausgeführt, daß die Miteigentumsanteile des Klägers um den Betrag von 2,5 Mill. S entwertet seien; dies wegen der Ungewißheit, ob die Firma T***** Handelsgesellschaft mbH aus der gegenständlichen Wohnung nach dem Ablauf von 5 Jahren ausziehen werde.

Die Beklagte wendete ein, es sei dem Kläger durch den Abschluß des von ihr vermittelten Mietvertrages kein Schaden entstanden. Vielmehr habe der Kläger daraus einen Nutzen gezogen, weil er keinen Käufer für den Miteigentumsanteil finden konnte. Hätte der Kläger den Mietvertrag nicht abgeschlossen, wäre die Wohnung leergestanden und wären ihm keine monatlichen Mieten zugeflossen. Überdies gebe es keine Anhaltspunkte dafür, daß sich die Mieterin nicht an die im Mietvertrag vereinbarte Befristung halte. Eine Wertminderung der Wohnung sei derzeit mit Sicherheit noch nicht eingetreten. Da noch kein Schaden eingetreten sei, fehle es am rechtlichen Interesse an der alsbaldigen Feststellung.

Das Erstgericht wies mit Zwischenurteil das Feststellungsbegehren ab und sprach aus, daß das Eventualbegehren auf Zahlung dem Grunde nach zu Recht bestehe. Die Kostenentscheidung wurde dem Endurteil vorbehalten. Es traf folgende Feststellungen:

Die Begründung von Wohnungseigentum ist beabsichtigt, aber noch nicht erfolgt.

Der von der Beklagten konzipierte und zwischen der Klägerin und der T***** Handelsgesellschaft mbH am 29.8.1989 abgeschlossene Mietvertrag enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

"Vermietet wird die Wohnung im Haus ***** N*****straße 86, Stock 3, Tür 16. Der Mietgegenstand besteht aus drei Zimmern, Küche, Vorzimmer, zwei WC, Abstellraum, Bad und darf nur zu Wohnzwecken (+Büro) verwendet werden. Das Mietverhältnis beginnt am 1.9.1989 und wird auf 5 Jahre abgeschlossen. Es kann von beiden Teilen unter Einhaltung einer vierteljährigen Kündigungsfrist zum Ende des Kalendermonats gerichtlich aufgekündigt werden".

Das Erstgericht kam zu dem Schluß, auf den zwischen dem Kläger und der Firma T***** Handelsgesellschaft mbH abgeschlossenen Mietvertrag seien die Bestimmungen des MRG anzuwenden. Die beabsichtigte Befristung sei mißlungen, weil keiner der im § 29 Abs.1 oder 2 MRG angeführten Fälle gegeben sei. Den Mangel an einschlägigen Kenntnissen des Mietrechtes habe die den Mietvertrag verfassende Realitätenvermittlungsgesellschaft mbH gemäß § 1299 ABGB zu vertreten. Das Feststellungsbegehren sei aber verfehlt, weil der Schaden bereits bei Abschluß des Mietvertrages eingetreten sei; ein mit einem unbefristeten, dem MRG unterliegendem Bestandrecht belasteter Liegenschaftsanteil habe einen geringeren Wert, als ein solcher, an dem lediglich ein gültig befristetes Mietrecht bestehe. Dieser Schaden sei unabhängig davon, ob der Mieter zum vereinbarten Zeitpunkt ausziehe oder nicht. Dies habe zur Folge, daß der gesamte Leistungsanspruch bereits fällig sei, sodaß kein Anlaß mehr zur alsbaldigen Feststellung eines Rechtsverhältnisses bestehe. Wegen fehlender Beweisergebnisse zur Höhe des Anspruches sei mit Zwischenurteil vorzugehen.

Das von beiden Teilen angerufene Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Feststellungsbegehrens; infolge der Berufung der Beklagten wurde auch das Eventualbegehren auf Zahlung abgewiesen. Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil eine gleichartig gelagerte Rechtsfrage vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht entschieden worden sei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus:

Das der Beklagten unterlaufene Versehen sei grundsätzlich geeignet, eine Haftung gemäß § 1299 ABGB zu begründen; von einem Realitätenvermittler könne erwartet werden, daß er über die entsprechenden Kenntnisse des Mietrechtes verfüge. Ein schadensrechtlich relevanter Erfolg sei jedoch bisher nicht eingetreten, da der Kläger mit einer Vermietung der Wohnung einverstanden war. Der von der Beklagten zu vertretende Fehler könne erst dann zu einem konkreten Schaden führen, wenn der Mieter nach Ablauf der im Vertrag genannten Mietdauer von 5 Jahren zur Räumung nicht bereit sei und sich auf die Unwirksamkeit der Mietrechtsbefristung berufe. Derzeit ergebe sich aus dem Vorbringen des Klägers kein konkreter Schaden, sodaß das Leistungsbegehren nicht berechtigt sei. Der Umstand, daß die Möglichkeit bestehe, in Zukunft eine Leistungsklage einzubringen, stehe einer Feststellungsklage nicht entgegen, wenn ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung bestehe; auch eine Schadenersatzpflicht zähle zu den nach § 228 ZPO feststellbaren Rechtsverhältnissen. Es bestehe auch ein rechtliches Interesse an der Feststellung künftiger Schadenersatzansprüche, wenn die Möglichkeit gegeben sei, daß das schädigende Ereignis einen künftigen Schadenseintritt verursachen könne. Im vorliegenden Fall sei das Feststellungsbegehren aber nicht berechtigt, weil der Kläger die Feststellung künftiger Schäden nicht begehrt habe.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, das Berufungsurteil abzuändern und dem Feststellungsbegehren, in eventu dem Leistungsbegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und im Sinne ihres Eventualantrages auch berechtigt.

Der Kläger vertritt in seinem Rechtsmittel die Ansicht, es sei gerichtsbekannt, daß der Marktwert einer Realität, die gültig befristet in Bestand gegeben wurde, hiedurch nicht sinke, demgegenüber ein Objekt, welches unbefristet vermietet wurde, nur noch um einen Bruchteil seines Wertes verkauft werden könne. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes werde sich daher nicht erst in Zukunft herausstellen, ob ein Schaden eintreten werde, sondern sei bereits durch den Abschluß des unbefristeten Mietvertrages ein Schaden eingetreten. Ab dem Zeitpunkt der Begründung eines unbefristeten Bestandverhältnisses habe keine Möglichkeit mehr bestanden, die Wohnung zu einem ordentlichen nachvollziehbaren Verkehrswert zu veräußern. Da die Höhe des Schadens aber derzeit nicht berechnet werden könne, sei primär das Feststellungsbegehren berechtigt.

Diese Ausführungen sind aus folgenden Gründen zum Teil zutreffend:

Rechtliche Beurteilung

Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, daß der Beklagten ein Fehler unterlaufen ist, für den sie gemäß § 1299 ABGB einzustehen hat. Die Beklagte hat somit dem Kläger jenen Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entstanden ist, daß sie einen Vertragsentwurf mit einer unwirksamen Befristung des Mietverhältnisses verfaßte und die (unrichtige) Auskunft erteilte, eine Befristung des Mietverhältnisses sei möglich und wirksam. Da die Auskunftserteilung durch die Beklagte nicht selbstlos erfolgte (siehe Reischauer in Rummel2, Rz 7 zu § 1300), ist der Sorgfaltsmaßstab der des § 1299 ABGB (Reischauer, aaO, Rz 3 zu § 1300). Dem Kläger ist nun entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes bereits durch den Abschluß des Mietvertrages mit der Firma T***** Handelsgesellschaft mbH ein Schaden entstanden. Wie das Erstgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, erleidet eine Liegenschaft (Haus) eine Werteinbuße bereits dadurch, daß sie mit einem unbefristeten und den Kündigungsbeschränkungen des MRG unterliegenden Bestandverhältnis über eine oder mehrere Wohnungen belastet ist. Es kann - insbesondere bei der Lage des gegenständlichen Hauses in *****straße 86 - keinem Zweifel unterliegen, daß das Vorhandensein einer freien Wohnung oder einer solchen, deren Bestandzeit rechtswirksam befristet ist, sich auf den Verkehrswert des Hauses erheblich auswirkt. Dadurch, daß nun ein unbefristeter und den Kündigungsbeschränkungen des MRG unterliegender Bestandvertrag abgeschlossen wurde, erlitt die Liegenschaft, deren Miteigentümer der Kläger ist, demgegenüber eine Werteinbuße, sodaß auch dem Kläger bereits mit dem Zeitpunkt des Abschlusses des Bestandvertrages ein Schaden entstanden ist. Dieser Schaden kann aber - entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht - bereits jetzt festgestellt werden und ist auch unabhängig davon, ob und wann das Bestandverhältnis mit der T***** Handelsgesellschaft mbH beendet werden wird. Da auf seiten der Beklagten nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt, ist der positive Schaden zu ersetzen, der sich nach dem gemeinen Wert der beschädigten Sache bemißt. Gemäß § 1332 ABGB ist für die Höhe des Schadens grundsätzlich der Zeitpunkt der Beschädigung maßgeblich (SZ 48/89). Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren den Unterschied im Zeitwert der Liegenschaft und des Liegenschaftsanteiles des Klägers mit und ohne Vorliegen des mit der T***** Handelsgesellschaft mbH unbefristet abgeschlossenen Mietvertrages zu ermitteln haben. Durch diese Differenzberechnung wird der Schaden des Klägers zu ermitteln sein; ein darüber hinausgehendes Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses (§ 228 ZPO) besteht aber nicht, sodaß der Revision der Beklagten im Sinne ihres Eventualantrages stattzugeben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 393 Abs.4, 52 Abs.2 ZPO.

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