OGH 1Ob37/92

OGH1Ob37/9215.12.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Rudolf L*****, vertreten durch Dr. Heinz Leitinger, Dr. Gerold Haßlinger, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, wider die beklagte Partei Land Steiermark, vertreten durch Dr. Gerhard Richter, Dr. Rudolf Zahlbruckner, Rechtsanwälte in Graz, Nebenintervenienten auf seiten der beklagten Partei 1. S***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, 2. Josef K***** & Co Baugesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch Dr. Heimo Schaffer, Rechtsanwalt in Bruck/Mur, wegen S 137.992,74 samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 12. Mai 1992, GZ 5 R 284/91-74, womit infolge Berufungen der beklagten Partei und der auf ihrer Seite dem Verfahren beigetretenen Nebenintervenienten das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 21. Juni 1991, GZ 23 Cg 106/88-69, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.789,60 (darin enthalten S 1.931,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstückes 587/2 KG M*****. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 29.3.1973, GZ 8 L 8/3-1973, wurde dem Kläger gemäß §§ 9 Abs 1 und 2, 21 Abs 1, 98, 111 und 112 WRG für die Errichtung von acht Fischteichen auf dem Grundstück 587/2 KG M*****, die aus dem Wildbach bzw. aus einem unbenannten Zubringer gespeist werden, unter Erteilung von Auflagen die wasserrechtliche Bewilligung erteilt. Dieses Recht wurde aufgrund des Wasserbuchbescheides des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 6.6.1985, GZ LBD Ia-470/3 Le 4/3-1975, in das Wasserbuch der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg eingetragen.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 12.11.1984, 3.0 L 64/1984, wurde der beklagten Partei gemäß den §§ 38 Abs 1, 98, 111 und 112 WRG für den Neubau der flußaufwärts von den Teichanlagen des Klägers gelegenen Wildbachbrücke bei Kilometer 6,686 der Landesstraße 606 (Hebalmstraße) die wasserrechtliche Bewilligung erteilt. Der Kläger war im Gesuch der beklagten Partei nicht als Wasserberechtigter angeführt und zur mündlichen Verhandlung nicht geladen worden. Über Auftrag der beklagten Partei wurde die Brücke von den beiden Nebenintervenienten errichtet.

Der Kläger begehrt den Zuspruch des Betrages von S 139.240,-- samt Anhang. Er brachte vor, durch die Errichtung der Brücke (Baggerungen im Bachbett) seien in vier Teichen ausgesetzte Bachforellenbrütlinge abgestorben. Der Kläger sei im Wasserrechtsverfahren übergangen worden, ihm stehe ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zu.

Die beklagte Partei und die auf ihrer Seite dem Verfahren beigetretenen Nebenintervenienten bestritten vor allem, daß das Absterben der Fische kausal auf die Bauarbeiten zurückzuführen sei. Den Kläger treffe ein Mitverschulden, er habe es unterlassen, mit den bauausführenden Unternehmungen Kontakt aufzunehmen und stundenweise die Wasserzufuhr zu drosseln. Der Kläger betreibe elf Teiche, nur acht seien genehmigt worden. Er entnehme 60 Liter und nicht bloß wie im Antrag auf Erteilung der Wasserrechtsbewilligung ausgeführt 10 Liter Wasser pro Sekunde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit dem Betrag von S 137.992,74 statt. Das Mehrbegehren von S 1.247,26 wies es unangefochten ab. Es stellte fest, durch die im Bereich der Brückenbaustelle der Landesstraße vorgenommenen Bauarbeiten sei über den Wildbach ein hoher Anteil an Zementwässern und Feinsegmenten in die Teiche des Klägers gelangt. Dies sei kausal für das Verenden der Fische in den Teichen 1 bis 4 (Schaden S 131.992,74) sowie für Schäden in der Höhe von S 6.000,-- in den übrigen Teichen an Bach- und Speiseforellen gewesen. Dem Kläger sei eine Unterbindung der Einschwemmung von Feinsedimenten und von Zementkorn in die Teiche praktisch unmöglich gewesen. Die beklagte Partei hafte gemäß § 26 WRG als Wasserberechtigter für die von den von ihr beauftragten Bauunternehmungen dem Kläger zugefügten Schäden.

Das Berufungsgericht verwarf die Nichtigkeitsberufung der Nebenintervenienten und gab im übrigen den Berufungen der beklagten Partei und der Nebenintervenienten mit Ausnahme des Zuspruches von Umsatzsteuer aus den zuerkannten Zinsen nicht Folge. Die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO erklärte es für zulässig. Es übernahm die aufgrund eines mängelfreien Verfahrens oben wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichtes. Die Erfolgshaftung nach § 26 Abs.2 WRG gelte für alle Fälle, in denen bei der wasserrechtsbehördlichen Bewilligung einer Wasserbenutzungsanlage mangels Voraussehbarkeit eines bei rechtmäßigem Betrieb der Anlage entstehenden Schadens keine Entschädigung festgesetzt worden sei. Diese Regelung habe auch bei Schutz- und Regulierungswasserbauten nach § 41 WRG sinngemäß Anwendung zu finden. Sie gelte insbesondere auch für die angemessene Entschädigung des Fischereiberechtigten. Im vorliegenden Fall habe die Bezirkshauptmannschaft den Brückenbau nach den §§ 38 Abs 1, 98, 111 und 112 WRG bewilligt. Eine Wasserbenutzungsanlage oder Schutz- und Regulierungswasserbauten nach § 41 WRG lägen nicht vor. Eine Entschädigung des Fischereiberechtigten nach dem Wasserrechtsgesetz scheide somit aus. Der Kläger als Fischereiberechtigter und Grundeigentümer könne Ansprüche nur nach den zivilrechtlichen Bestimmungen geltend machen. Leistungspflichtig aus nachbarrechtlichen Ansprüchen sei der Grundeigentümer, als der im vorliegenden Fall die beklagte Partei erkennbar in Anspruch genommen worden sei, auch wenn er nicht selbst die störende Einwirkung herbeigeführt habe. Verursache sie ein anderer, so werde eine Haftung des Grundnachbarn von Rechtsprechung und Lehre dann als gerechtfertigt erachtet, wenn der Eigentümer die Einwirkung dulde, obwohl er sie zu hindern berechtigt und imstande gewesen wäre. Das gelte insbesondere für den Besorgungsgehilfen, ein Dritter, der die Immission verursache, hafte hingegen nur dann nachbarrechtlich, wenn er den Grund für eigene Zwecke benütze. Dies sei bei einem Bauunternehmer, der aufgrund eines Werkvertrages mit dem Grundeigentümer Bauarbeiten auf dem Nachbargrund durchführe, nicht der Fall, weil ihm kraft Werkvertrages keine Benützungsbefugnis, die ihn nach den Bestimmungen der §§ 364 ff ABGB haftbar machen könnte, zustehe. Emissionen der im § 364a ABGB genannten Anlagen könne der Eigentümer nicht abwehren. An die Stelle des Unterlassungsanspruches trete ein auf Vergütung des Schadens gerichteter verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch. Er stelle eine der Enteignungsentschädigung ähnliche Gegenleistung für die Pflicht zur Duldung der Beeinträchtigung dar. Da der Fischereiberechtigte im Verfahren zur wasserrechtlichen Genehmigung eines Brückenbaus nach § 38 WRG keine Parteistellung habe und sich gegen die Bewilligung nicht wehren könne, erscheine es gerechtfertigt, auch bei einem solchen Bauvorhaben den Nachbarn analog der Bestimmung des § 364a ABGB verschuldensunabhängig haften zu lassen. Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht erblicke die beklagte Partei darin, daß der Kläger wegen seiner intensiven Fischhaltung genötigt sei, 60 Liter Wasser pro Sekunde aus dem Wildbach zu entnehmen, obwohl er nach der sich aus dem Wasserbuch ergebenden Berechtigung nur 10 Liter pro Sekunde entnehmen dürfe. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes fehle es aber am Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen einer Übertretung der wasserrechtlichen Bewilligung und dem eingetretenen Schaden. Eine mengenmäßige Beschränkung der Entnahme von Wasser aus dem fließenden Gewässer für die Teichanlage des Klägers verfolge nicht den Zweck, Schäden wie den vorliegenden zu verhindern.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Im Revisionsstadium ist vor allem strittig, ob die beklagte Partei kraft Nachbarrechtes haftet. Dies ist zu bejahen. Auf § 26 WRG als Haftungsgrundlag kann sich der Kläger allerdings nicht stützen. Diese Vorschrift ist zwar bei Schädigungen aufgrund von Schutz- und Regulierungswasserbauten nach § 41 WRG analog anzuwenden (SZ 55/189 ua, zuletzt 1 Ob 22/88). Darunter sind aber nur wasserbauliche Maßnahmen zu verstehen, deren ausschließliche oder hauptsächliche Aufgabe es ist, das Gerinne des Gewässers in dem durch § 42 Abs 1 WRG bestimmten Sinn zu beeinflussen (SZ 55/189; SZ 53/11 mwN; SZ 50/65). Das ist aber bei einer nach § 38 Abs 1 WRG bewilligungspflichtigen Errichtung einer Brücke im Zuge des Ausbaues einer Landesstraße nicht der Fall. Die Haftung der beklagten Partei kann sich daher nur auf Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechtes gründen. Der Revision ist zuzustimmen, daß nach dem Vorbringen und dem vorliegenden Sachverhalt der Kläger die beklagte Partei nicht als Eigentümerin des Flußbettes, sondern als Errichter einer im Zuge des Ausbaues der Landesstraße hergestellten Brücke in Anspruch nimmt. Dies nimmt aber der beklagten Partei nicht die Passivlegitimation. Es entspricht vielmehr ständiger Rechtsprechung und Lehre, daß eine Klage nach § 364a ABGB nicht nur gegen den Eigentümer des Grundstückes, von dem die schädliche Einwirkung ausgeht, sondern gegen jeden erfolgreich erhoben werden kann, der dieses Grundstück für seine Zwecke benützt (JBl. 1992, 641; JBl. 1991, 247; SZ 63/3; SZ 61/241 uva; Spielbüchler in Rummel 2 Rz 5 zu § 364 ABGB mwN). Dieser hat ein schadensstiftendes Verhalten des von ihm mit der Bauführung beauftragten Unternehmers und seiner Leute zu vertreten (JBl. 1992, 641). Dies ist hier der Fall, nahm doch die beklagte Partei Wasserbett und Wasserwelle zum Ausbau einer Landesstraße in Anspruch. Zutreffend führt die Revision auch aus, daß dem Kläger kein Fischereirecht zustehe. Ihm wurde allerdings nach den Bestimmungen der §§ 9, 21 WRG ein Wasserrecht eingeräumt. Der Kläger ist aber Eigentümer des Grundstückes, auf dem sich die von ihm betriebene Fischzucht befindet. Als Eigentümer ist er aber berechtigt, Ansprüche nach § 364a ABGB zu stellen.

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung ist ein vom Verschulden unabhängiger Anspruch in Fällen des § 364 Abs 2 ABGB und des § 364b ABGB zuzubilligen, wenn sich ausreichende Anhaltspunkte für eine Analogie zu § 364a ABGB ergeben. Diese Gesetzesstelle regelt einen der Enteignung verwandten Tatbestand. Der Geschädigte hat deshalb einen Ersatzanspruch, weil er im Interesse des Nachbarn Eingriffe in sein Eigentum hinnehmen muß, die über die normale Duldungspflicht des § 364 Abs 2 ABGB hinausgehen. Jede Analogie zu § 364a ABGB hat an diese Grundsituation anzuknüpfen (JBl. 1992, 641; JBl. 1991, 110 je mwN). Gerade dann, wenn sich der Schädiger auf eine behördliche Bewilligung stützen kann, wird der Nachbar die anscheinend gefahrlose Maßnahme, ohne in der Lage zu sein, erfolgreich ein Unterlassungsbegehren stellen zu können, hinnehmen müssen (JBl. 1992, 641 mwN). Ein solcher Fall liegt hier aufgrund der wasserrechtlichen Bewilligung nach § 38 WRG umso mehr vor, als der Kläger, dem ein Wasserrecht zusteht, entgegen § 103 Abs 1 lit.e WRG von der beklagten Partei in ihrem Gesuch um Verleihung einer wasserrechtlichen Bewilligung nicht angeführt und daher auch nicht dem Verfahren beigezogen worden war.

Ein Mitverschulden kann dem Kläger deshalb, weil er eine höhere als die bewilligte Wassermenge entnahm, nicht angelastet werden. Ganz abgesehen davon, daß der Kläger im Bewilligungsverfahren nur erklärte, er beabsichtige den Einzug von 10 Liter Wasser pro Sekunde, der Bewilligungsbescheid aber keine ziffernmäßige Beschränkung der Wassermenge enthält, kann darin ein sorgloses Verhalten gegenüber eigenen Rechtsgütern nicht erblickt werden, konnte der Kläger doch berechtigterweise davon ausgehen, daß durch die Bauarbeiten keine für seine Fischzucht schädliche Gewässerverunreinigung erfolgen werde. Steht fest, daß für die Schäden an der Fischzuchtanlage nur der Bau der Brücke in Betracht kommt, ist es gleichgültig, an welchem Tag während der Bauzeit sich der Schaden ereignet hat.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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