OGH 4Ob103/92

OGH4Ob103/9215.12.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helmut S*****, KFZ-Werkstätte, ***** vertreten durch Dr.Gerald Carli, Rechtsanwalt in Hartberg, wider die beklagte Partei Ing.Karl K*****, ***** Autohaus, ***** vertreten durch Dr.Erwin Fidler, Rechtsanwalt in Pöllau, wegen Unterlassung, Schadenersatz und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 400.000) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 29.Juli 1992, GZ 5 R 163/92-18, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 11.Mai 1992, GZ 10 Cg 315/91-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß Punkt 2. des Beschlusses des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Revisionsrekursbeantwortung wird als verspätet zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 66.988,08 bestimmten Kosten des Provisorialverfahrens aller drei Instanzen (davon S 11.164,68 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger betreibt in V***** eine Reparaturwerkstätte; der Beklagte führt in H***** ***** ein Autohaus und vertreibt dort hauptsächlich Kraftfahrzeuge der Marke "Nissan". Am 26.November 1984 schlossen die Streitteile einen sogenannten Subhändlervertrag ab, welcher den Kläger berechtigte, sich beim Verkauf von Kraftfahrzeugen der Marken Nissan und Datsun sowie beim Ersatzteilgeschäft als "Offizieller Vertragshändler und Kundendienst" zu bezeichnen (Beilage 1). Am 11. September 1991 löste der Beklagte diesen Vertrag wegen Einstellung der Zahlungen durch den Kläger und vertragswidrigen Fremdbezuges von Ersatzteilen und Zubehör vorzeitig auf. Der Kläger nahm diese Auflösung widerspruchslos zur Kenntnis.

Seit der Auflösung dieses Vertrages ist der Kläger nicht mehr autorisierter Nissan (Sub-)Händler. Er setzte sich noch im November 1991 mit der T***** GmbH, dem größten österreichischen Nissanhändler, in Verbindung und bezieht von diesem, ohne in ein Subhändlerverhältnis getreten zu sein, Nissan-Fahrzeuge und -ersatzteile. Zwischen dem Kläger und der österreichischen Generakimporteurin für Nissan-Fahrzeuge, der Nissan Österreich GmbH, besteht kein Vertragsverhältnis.

Wenn der Kläger von der Firma T***** erworbene Fahrzeuge verkauft, ist diese der Garantieträger und bei Garantiefällen grundsätzlich zur Schadensbehebung verpflichtet. Wenn die Behebung bei der Firma T***** nicht möglich ist (etwa weil der Schaden am Fahrzeug nicht in Wien, sondern anderswo in Österreich auftritt), ist jeder autorisierte Nissan-Händler zur Behebung verpflichtet. Die Nissan Österreich GmbH vergütet solchen Händlern die Kosten. Der Kläger ist zwar berechtigt, auf Wunsch von Fahrzeugkäufern eine Garantiereparatur durchzuführen; er muß dies jedoch auf eigene Kosten tun und erhält von der Nissan Österreich GmbH keine Ersatzleistungen, da er kein autorisierter Nissan-Händler ist.

Die Dreijahresgarantie für Nissan-Fahrzeuge wird Käufern nur gewährt, wenn sie die vorgeschriebenen Serviceintervalle einhalten und die Servicearbeiten in einer autorisierten Nissan-Vertragswerkstätte durchführen lassen. Wenn der Kläger solche Arbeiten durchführt, erlöschen nach den Garantierichtlinien der Nissan Organisation die Garantieleistungen, weil der Kläger nicht autorisierter Nissan-Händler ist.

Der Kläger hat während der Dauer des Subhändlervertrages an Schulungen von Nissan Österreich mit Erfolg teilgenommen. Seit der Aufkündigung des Subhändlervertrages stehen ihm die Reparaturhandbücher für Nissan-Fahrzeuge nicht mehr zur Verfügung.

Der Beklagte hat am 12.9. und am 10.10.1991 mehrere (insgesamt mindestens acht) Kunden des Klägers angeschrieben und sie darauf aufmerksam gemacht, daß er den Nissan-Subhändlervertrag mit dem Kläger auf Grund besonderer Vorkommnisse ab sofort gekündigt habe; die Service- und Wartungsarbeiten innerhalb der dreijährigen Garantiezeit dürften an den Nissan-Fahrzeugen der Kunden nur von einer autorisierten Nissan-Vertragswerkstätte durchgeführt werden, um einen Verlust eventueller Garantieansprüche zu vermeiden. Gleichzeitig bot der Beklagte diesen Kunden seine Dienste an. Mit dem Schreiben vom 10.10.1991 lud er (mindestens zwei) Kunden zu einem Buffet am 25.10.1991 in seine Ausstellungsräume ein und kündigte dabei an, daß als Willkommengruß für sie ein persönliches Geschenk bereit liege.

Der Kläger begehrte zunächst, den Beklagten schuldig zu erkennen, in schriftlichen Äußerungen die Ankündigung zu unterlassen, daß der Kläger nicht berechtigt sei, Arbeiten an Nissan-Fahrzeugen vorzunehmen, und nicht mehr in der Lage sei, Nissan-Fahrzeuge fachgerecht zu warten (Punkt 1.); ferner begehrte der Kläger Schadenersatz in der Höhe von S 200.000 (Punkt 2.) und stellte zu Punkt 1. ein entsprechendes Veröffentlichungsbegehren. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 7.4.1992 änderte der Kläger sein Begehren zu Punkt 1. (sinngemäß) dahin, daß der Beklagte schuldig erkannt werde, es zu unterlassen, schriftlich und telefonisch um Kunden des Klägers mit Einladungen in sein Geschäftslokal und Inaussichtstellen von Geschenken zu werben. Zur Sicherung dieses Unterlassungsanspruchs stellte er einen inhaltlich gleichen Sicherungsantrag. Der Beklagte wolle den Kläger mit seinem Vorgehen in seinen wirtschaftlichen Grundlagen treffen.

Der Beklagte sprach sich gegen die Klageänderung aus und beantragte die Abweisung des geänderten Sicherungsantrages. Er sei nach der berechtigten Auflösung des Subhändlervertrages verpflichtet gewesen, Nissan-Kunden in ihrem Interesse von der Vertragsauflösung und dem drohenden Ausschluß der Garantieansprüche wahrheitsgemäß zu verständigen.

Das Erstgericht bewilligte die Klageänderung und wies den Sicherungsantrag ab. Die Behauptungen des Beklagten seien erweislich wahr. Der Beklagte habe sich beim Eindringen in den Kundenkreis des Klägers keiner sittenwidrigen Mittel bedient.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge und erließ die einstweilige Verfügung. Das Abwerben von Kunden verstoße nur dann gegen § 1 UWG, wenn dabei Mittel angewendet würden, die unerlaubt oder im Geschäftsverkehr anständiger Kaufleute nicht üblich seien. Der Beklagte habe mit seiner Handlungsweise die Grenzen des redlichen Geschäftsverkehrs überschritten. Der Hinweis des Beklagten im Schreiben vom 10.10.1991, daß der Kläger eine garantieerhaltende fachgerechte Wartung von Nissan-Fahrzeugen nicht mehr durchführen könne, sei geeignet gewesen, Kunden des Klägers zu verunsichern und zu Geschäftsabschlüssen mit dem Großunternehmen des Beklagten geneigt zu machen. Der Beklagte habe die Kündigung des Nissan-Subhändlervertrages dazu ausgenützt, um die Nachteile seines Konkurrenten hervorzuheben. Durch die Einladung von Kunden zu einem Buffet bei gleichzeitiger Ankündigung eines persönlichen Geschenkes habe er den Eindruck erweckt, daß Nissan-Fahrer Garantieleistungen verlieren und dadurch wirtschaftliche Nachteile haben könnten; er habe damit die Entschlußfreiheit dieser Kunden beschnitten. Außerdem sei die Telefonwerbung des Beklagten nach Lehre und Rechtsprechung als unkontrolliertes Eindringen in die Privatsphäre des Anschlußinhabers sittenwidrig.

Der Beklagte bekämpft diesen Beschluß mit Revisionsrekurs wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Sicherungsantrag abgewiesen werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die nach der Zustellung der Gleichschrift des Revisionsrekurses (3.9.1992) erst am 8.10.1992 erstattete Revisionsrekursbeantwortung ist verspätet (§ 402 Abs 2 EO).

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, ist das Ausspannen von Kunden eines Mitbewerbers an sich nicht wettbewerbswidrig; da sich der Geschäftsumfang gewöhnlich nur auf Kosten der Mitbewerber vergrößern läßt, gehört es zum Wesen des Wettbewerbes, daß der Gewerbetreibende in den fremden Kundenkreis einzudringen versucht und daß sich dabei das attraktivere Angebot durchsetzt (ähnlich 4 Ob 30/92). Der zu einem Unternehmen gehörende Kundenkreis ist zwar ein Vermögenswert (good will), doch besteht im freien Wettbewerb kein Recht auf Erhaltung dieser Beziehungen. Auch die bloße Verwertung der Kenntnisse des Kundenkreises eines Mitbewerbers ist grundsätzlich nicht verboten (SZ 19/289; SZ 60/48 = ÖBl 1987, 158 = MR 1987, 54; 4 Ob 387, 412/81). Wie der Oberste Gerichtshof zu 4 Ob 387, 412/81 ausgesprochen hat, ist es insbesondere auch nicht sittenwidrig, wenn sich der Subunternehmer mit dem wahrheitsgemäßen Hinweis auf die zwischen ihm und dem Auftraggeber bevorstehende Vertragsbeendigung an die Kunden des Auftraggebers wendet, um sie für die Zeit nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses für sich zu gewinnen. Umso weniger ist das Ansprechen der Kunden des früheren Vertragspartners nach Vertragsbeendigung für sich allein sittenwidrig. Auch zielbewußtes und systematisches (= planmäßiges [siehe dazu ausführlich ÖBl 1991, 15]) Abwerben fremder Kunden ist für sich allein noch nicht wettbewerbswidrig. Wettbewerbswidrig wird das Ausspannen fremder Kunden erst durch Hinzutreten besonderer Umstände, die den Wettbewerb verfälschen (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16 Rz 597 ff zu § 1 dUWG, auch Rz 21 ff Allgemeine Grundlagen; Godin, Wettbewerbsrecht**2 Rz 153 zu § 1 dUWG; Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 82 f; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht**2 II 182; ÖBl 1974, 108 mwN; ÖBl 1986, 153; SZ 60/48 = ÖBl 1987, 158 = MR 1987, 54). Das ist insbesondere der Fall, wenn beim Eindringen in den fremden Kundenkreis verwerfliche Mittel - (wie etwa das Beschaffen von Kundenlisten auf unlautere Weise; das Anschwärzen des Mitbewerbers, irreführende Praktiken usw) (Baumbach-Hefermehl aaO Rz 598) - angewendet oder damit verwerfliche Ziele verfolgt werden, also etwa allein die Schädigung des Mitbewerbers bezweckt wird (4 Ob 54/88).

Im vorliegenden Fall ist keiner dieser sittenwidrigen Begleitumstände gegeben. Daß sich der Beklagte die Namen der Kunden des Klägers auf unlautere Weise beschafft hätte, behauptet der Kläger selbst nicht; sie waren anscheinend dem Beklagten auf Grund seiner Stellung als Nissan-Vertragshändler aus der Belieferung des Klägers als Subhändler bekannt. Ab der Beendigung des Subhändlervertrages war es dem Beklagten nicht verboten, an die Kunden seines ehemaligen Subhändlers heranzutreten. Daß der Beklagte bei diesen Abwerbungsversuchen unwahre Tatsachen über den Kläger verbreitet hätte, ist nicht bescheinigt; der Kläger hat sein ursprüngliches Begehren, dem Beklagten die Behauptungen zu verbieten, daß der Kläger nicht mehr berechtigt und nicht mehr in der Lage ist, Nissan-Fahrzeuge zu warten und zu reparieren, fallengelassen. Der Beklagte war als autorisierter Nissan-Vertragshändler im Interesse der Wahrung des Rufes der Nissan-Organisation und der von ihr vertriebenen Erzeugnisse berechtigt, die Kunden des Klägers im Rahmen seiner Werbebemühungen darauf hinzuweisen, daß sie die Dreijahresgarantie verlieren könnten, wenn sie die Wartungsarbeiten in der nicht mehr autorisierten Werkstätte des Klägers durchführen ließen, sei doch der Beklagte beim Handel mit solchen Kraftfahrzeugen und ihrer Wartung aus eigenem verpflichtet gewesen, seine Kunden auf diesen wesentlichen Umstand aufmerksam zu machen. Daß mit dem Hinweis auf den Verlust der Vertragshändlerstellung des Klägers und dessen Folgen wahrheitsgemäße Behauptungen über die Minderwertigkeit der Leistungen des Klägers verbunden waren, macht die Abwerbungsversuche des Beklagten nicht sittenwidrig, weil seit der grundsätzlichen Zulassung wahrheitsgemäßer vergleichender Preiswerbung durch die UWG-Nov 1988 auch jedes andere wahrheitsgemäße Herausstellen der eigenen besseren Leistung im Wege ihrer Gegenüberstellung mit der schlechteren Leistung namentlich genannter Mitbewerber an Hand objektiv überprüfbarer Daten als grundsätzlich zulässig angesehen wird (ÖBl 1990, 154 - Mediaanalyse 1988). Die gegenteiligen Aussagen in der Entscheidung SZ 60/48 = ÖBl 1987, 158 = MR 1987, 84 sind insoweit überholt. Dazu kommt aber noch, daß der Beklagte, wie bereits ausgeführt, durchaus berechtigten Anlaß hatte, sich mit dem Angebot des Klägers kritisch zu befassen.

Außerdem hat der Kläger die vom Beklagten behauptete Minderwertigkeit seiner Leistungen, auf die das Rekursgericht die Sittenwidrigkeit der Abwerbungsversuche des Beklagten stützt, nicht zum Gegenstand seines geänderten Sicherungsbegehrens gemacht; nach dessen Wortlaut wendet er sich nur gegen das Ansprechen seiner Kunden durch das Einladen in das Geschäftslokal des Beklagten und das Inaussichtstellen eines Geschenks. Die Einladung potentieller Kunden zu einem Geschäftsbesuch ist aber eine übliche zulässige Werbemaßnahme; sie wird auch nicht dadurch anstößig, daß der Gewerbetreibende die Umworbenen zu einem Buffet einlädt (was der Kläger wiederum nicht als allfälligen sittenwidrigen Begleitumstand zum Gegenstand seines Sicherungsbegehrens gemacht hat). Auch das mit der Einladung verbundene Ankündigen eines Werbegeschenks macht die Werbung um Kunden eines Mitbewerbers nicht sittenwidrig. Daß es sich bei den angekündigten Geschenken um Sachen größeren Wertes gehandelt hätte, von denen ein erheblicher Anlockeffekt ausging, hat der Kläger nicht behauptet. Auch die Voraussetzungen für einen Verstoß gegen § 1 ZugG (- der Vorfall ereignete sich vor dem Inkrafttreten des Wettbewerbs-Deregulierungsgesetzes -) liegen nicht vor.

Dem Beklagten fällt auch sittenwidrige "Telefonwerbung" (ÖBl 1984, 13 mwN) nicht zur Last. Die Voraussetzungen eines solchen Wettbewerbsverstoßes - auf den sich der Kläger gar nicht berufen hat - liegen hier nicht vor, ging es doch dem Beklagten bei der Werbung um einzelne Kunden des Klägers, die in letzter Zeit Nissan-Fahrzeuge gekauft hatten, darum, sie darauf aufmerksam zu machen, daß der Kläger nicht mehr autorisierter Nissan-Händler sei und die Dreijahresgarantie auf Nissan-Fahrzeuge nicht gewährleisten könne, wenn er Wartungsarbeiten durchführe; das die Sittenwidrigkeit der "Telefonwerbung" begründende Merkmal der (wahllosen) Belästigung von (zahlreichen) Privatpersonen durch unerwünschtes Eindringen in ihre Privatsphäre war bei dieser Situation nicht gegeben.

Dem Revisionsrekurs ist daher Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 78, 393, 402 EO und §§ 40, 41, 50 ZPO. Bei der Bemessung der Kosten erster Instanz ist auf den Kostenrekurs des Beklagten an die zweite Instanz Bedacht zu nehmen. Anteilige Kosten für die Klagebeantwortung (Verbindungsgebühr) begehrt der Beklagte im Provisorialverfahren nicht (AS 102). Die übrigen in erster Instanz verzeichneten Leistungen beziehen sich zwar auch auf das Provisorialverfahren, doch beträgt die Bemessungsgrundlage in diesem Verfahren nur S 400.000.

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