OGH 12Os80/92

OGH12Os80/9226.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.November 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak, Dr.Rzeszut, Dr.Markel und Dr.Schindler als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Ostheim als Schriftführerin in der Strafsache gegen Anna T***** wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Brandstiftung nach den §§ 169 Abs. 1 un d 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 9.April 1992, GZ 12 Vr 1891/91-50, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Hauptmann, der Angeklagten Anna T*****, des Verteidigers Dr.Bartl und des Vertreters der Privatbeteiligten W***** Versicherungs AG Ing.Rudolf Z***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (Verweisung der Privatbeteiligten Beatrix und Herbert K***** sowie Linde L***** gemäß § 366 Abs. 2 StPO auf den Zivilrechtsweg; Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens gemäß § 389 StPO) unberührt bleibt, im Schuld- und Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und es wird gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfange der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Anna T***** ist schuldig, sie hat am 4.Juli 1991 in Feldbach an fremden Sachen ohne Einwilligung der Eigentümer durch Entzünden von brennbaren Stoffen im Vorraum zum Kühlraum des Cafe-Restaurants ***** und von Holzkohleanzündern im Schaufenster der neben dem Cafe-Restaurant im selben Gebäudekomplex gelegenen Boutique ***** eine Feuersbrunst zu verursachen versucht.

Sie hat hiedurch das Verbrechen der versuchten Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs. 1 StGB begangen und wird hiefür nach § 169 Abs. 1 StGB zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt.

Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß § 38 Abs. 1 StGB wird die Vorhaft vom 11.7.1991, 19,40 Uhr, bis 30.7.1991, 15,00 Uhr, auf die verhängte Strafe angerechnet.

Mit ihren gegen den Strafausspruch gerichteten Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Berufung der Angeklagten gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche wird Folge gegeben und es werden die ***** Versicherungsanstalt, die ***** Versicherungs-AG und die A***** Versicherungs-AG gemäß § 366 Abs. 2 StPO mit ihren Entschädigungsansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Die am 3.Februar 1951 geborene Anna T***** wurde des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Brandstiftung nach §§ 169 Abs. 1 und 15 StGB schuldig erkannt. Darnach hat sie am 4.Juli 1991 in Feldbach an fremden Sachen ohne Einwilligung der Eigentümer

1. durch Entzünden brennbarer Stoffe im Vorraum des Kühlraumes des Cafe-Restaurants ***** eine Feuersbrunst verursacht und

2. durch Entzünden von Holzkohleanzündern nach Einschlagen der Schaufensterscheibe der Auslage der neben dem erwähnten Lokal (im selben Gebäudekomplex) liegenden Boutique ***** eine Feuersbrunst zu verursachen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Die Angklagte bekämpft ihren Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 5 a, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, überdies den Strafausspruch und das Adhäsionserkenntnis, soweit dieses einen Schadenersatz zuspricht, mit Berufung. Berufung hat auch die Staatsanwaltschaft gegen den Strafausspruch ergriffen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich teilweise als berechtigt.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) verfiel der in der Hauptverhandlung gestellte Antrag auf Durchführung eines Ortsaugenscheines bei Nacht (II/74) zu Recht der Ablehnung, weil er inhaltlich auf die nicht weiter begründete Behauptung hinausläuft, die Angaben der Zeugen Martina H***** und Karl U*****, die Angeklagte aus relativ kurzer Distanz (I/445) mit völliger Sicherheit identifiziert zu haben (I/433 ff, ON 31), entsprächen angesichts der zur Tatzeit herrschenden Sichtverhältnisse nicht den Tatsachen, sondern stellten bloße Schlußfolgerungen dar. Hinzu tritt, daß - selbst nach dem Inhalt des Beweisantrages - die zum Tatzeitpunkt herrschenden Lichtverhältnisse in der Zwischenzeit durch Umbauarbeiten seitens der Gemeinde gravierend geändert wurden und daß es evidentermaßen nicht möglich ist, Sichtverhältnisse unter Einbeziehung sämtlicher natürlicher und künstlicher Lichtquellen exakt zu rekonstruieren. Im übrigen stützte sich das Urteil - der Beschwerde zuwider - durchaus nicht auf Schlußfolgerungen, weil das Erstgericht in freier Würdigung den in der Hauptverhandlung abgeschwächten Bekundungen des Zeugen U***** mit durchaus plausibler Argumentation den Glauben versagte (US 12) und ersichtlich von den Depositionen dieses Zeugen vor der Gendarmerie ausging (I/435 i.V.m. II/76), die sich inhaltlich mit den Angaben der Zeugin Martina H***** voll decken (II/41).

Als unbegründet erweist sich auch die Mängelrüge.

Der Einwand, die Tatrichter hätten die Aussage des Zeugen Otto K***** mit Stillschweigen übergangen, wonach es mehreren Leuten möglich gewesen wäre, Nachschlüssel der ihm von der Angeklagten überlassenen Schlüssel anzufertigen, sodaß "auch andere Leute einen Schlüssel zur (den Zugang zum Tatort ermöglichenden) schmiedeeisernen Tür besitzen hätten können" (II/134), ist nicht aktengetreu, weil sich die von der Beschwerde dazu relevierten Angaben über die Verwendung eines "Nachschlüssels" (II/134) eindeutig auf die Autoschlüssel der Angeklagten beziehen (II/45; siehe zur Argumentation mit dem "Nachmachen eines Fahrzeugschlüssels" schon I/139 vorl.Abs.).

Auch in Ansehung der Angaben des Zeugen Harald M***** geht die Beschwerdebehauptung, die Urteilsgründe hätten entscheidende Verfahrensergebnisse übergangen und seien daher unvollständig geblieben (nominell Z 5 a, sachlich jedoch Z 5), ins Leere; denn im gegebenen Kontext ist der Umstand, daß M***** erklärte, die Angeklagte habe anläßlich der telefonischen Verständigung vom Brand einen verschlafenen und erschrockenen Eindruck gemacht (ON 11, I/56 f), ersichtlich nicht von tragender Bedeutung und werden die mit diesem Telefongespräch verbundenen beweiswürdigenden Überlegungen des Schöffengerichtes (US 13) dadurch nicht berührt.

Im übrigen bekämpft die Tatsachenrüge in unzulässiger Weise die erstrichterliche Beweiswürdigung und bedarf somit keiner meritorischen Erwiderung.

Mit ihrer teils ausdrücklich unter Z 9 lit a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO vorgetragenen, teils der Sache nach in den Darlegungen zur Mängelrüge (Z 5) enthaltenen Rechtsrüge macht die Beschwerdeführerin Feststellungsmängel zu den sowohl objektiven als auch subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 169 Abs. 1 StGB geltend.

Dem Vorbringen, mangels Feststellung eines auf Herbeiführung einer Feuersbrunst gerichteten Vorsatzes sei lediglich der Tatbestand der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (allenfalls - im Hinblick auf US 8 Mitte und 9 zweiter Absatz - wohl mit der Qualifikation nach § 126 Abs. 2 StGB) verwirklicht, wird von der Angeklagten allerdings in prozeßordnungswidriger Weise nur ein Teil der Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite aufgegriffen. Das Erstgericht hat sich nämlich keineswegs auf die Annahme beschränkt, daß die Angeklagte bei ihrer Tathandlung im Lokal ***** ein Ausufern des Brandes zu einem großen Schadensfeuer in Kauf nahm (US 8 oben). Vielmehr hat es darüber hinaus ihre Absicht, einen "Brandschaden größeren Ausmaßes" herbeizuführen, und ihr billigendes Inkaufnehmen eines Übergreifens der Flammen auf das Gebäude (US 8 Mitte) festgestellt. Inhaltlich eine Klarstellung ihres inneren Vorhabens, sohin faktischer Natur, sind schließlich auch jene auf die rechtlichen Erwägungen des Erstgerichtes folgenden Ausführungen, denen zufolge die Angeklagte beide Brände in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang jedenfalls mit dem zumindest bedingten Vorsatz legte, "durch das Feuer eine Feuersbrunst herbeizuführen", und die Entstehung einer solchen bei ihren Taten zumindest billigend in Kauf nahm (US 15 erster Absatz). Bei Beurteilung dieses Urteilssachverhaltes in seiner Gesamtheit dahin, daß das Verbrechen der Brandstiftung auf der inneren Tatseite verwirklicht wurde, ist dem Erstgericht somit kein Rechtsirrtum unterlaufen.

Soweit die Angeklagte vorbringt, die Verursachung einer Feuersbrunst an einer teilweise im Miteigentum des Täters stehenden Sache könne nicht dem Tatbestand des § 169 Abs. 1 StGB unterstellt werden, sondern sei nur unter den Voraussetzungen des zweiten Absatzes dieser Gesetzesstelle strafbar, beruft sie sich zu Unrecht auf eine ständige Rechtsprechung: Die von ihr zitierte Entscheidung EvBl 1976/150 = JBl 1976, 602 ist vereinzelt geblieben. Nach in Judikatur und Lehre herrschender Auffassung (vgl insbesondere Foregger-Serini5 Erläuterung IV zu § 169 StGB; Leukauf-Steininger3 RN 4 zu dieser Gesetzesstelle) kommt eine strafrechtliche Haftung nach § 169 Abs. 2 StGB nur in Betracht, wenn entweder alle Miteigentümer im bewußten und gewollten Zusammenwirken an ihrer gemeinschaftlichen Sache eine Feuersbrunst verursachen oder wenn zwar nur einer von ihnen der Täter ist, die anderen aber in die Verursachung der Feuersbrunst an der Sache eingewilligt haben. Das Strafgesetzbuch bietet nämlich keinen Anhaltspunkt dafür, den auch in den §§ 125, 127, 135 Abs. 1, 142 Abs. 1 StGB verwendeten normativen Begriff "fremde Sache" bei der Brandstiftung anders als bei Vermögensdelikten (vgl insbesondere Leukauf-Steininger3 RN 11, 12 zu § 127 StGB) zu verstehen; dies umsoweniger, als es bei der Brandstiftung als einem gemeingefährlichen Delikt nicht auf die ziffernmäßige Höhe des Schadens an fremden Sachen und damit auch nicht auf dessen allfällige Verringerung durch Abzug des vom Täter selbst als Miteigentümer zu tragenden Schadensanteiles ankommen kann.

Im übrigen geht aus dem Urteilssachverhalt (US 9 iVm US 4) hervor, daß der Brand sich keineswegs auf im Miteigentum der Angeklagten befindliche Sachen beschränkte; soweit die Beschwerdeführerin dies übergeht, führt sie die Rechtsrüge nach § 281 Abs. 1 Z 10 StPO nicht gesetzmäßig aus.

Im Ergebnis berechtigt ist hingegen jener (inhaltlich gleichfalls auf den letzterwähnten Nichtigkeitsgrund gestützte, zum Teil aber auch unter § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit a StPO vorgebrachte) Beschwerdeeinwand, wonach das Tatverhalten in seiner Gesamtheit nicht als vollendete, sondern als versuchte Brandstiftung zu beurteilen gewesen wäre, weil eine Feuersbrunst tatsächlich nicht ausgebrochen (und daher nicht der gesamte objektive Tatbestand verwirklicht worden) sei. Unter Feuersbrunst ist ein ausgedehntes Feuer im Sinne einer Entfesselung der menschlicher Kontrolle entgleitenden Naturgewalt (EBRV 1971, 317), sohin ein ausgedehnter Brand zu verstehen, der in seinem Ausmaß nicht mehr beherrschbar und mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr unter Kontrolle zu bringen ist (Mayerhofer-Rieder3 ENr 3 bis 5 zu § 169 StGB). Vorausgesetzt wird sohin einerseits eine entsprechende räumliche Ausdehnung des Brandes, andererseits die besondere - den Einsatz außergewöhnlicher Mittel erfordernde - Schwierigkeit seiner Bekämpfung. Während für die Annahme letzterer Voraussetzung die erstgerichtlichen Feststellungen über die Notwendigkeit eines immerhin halbstündigen Feuerwehreinsatzes (US 8 und 14) ausreichen, ist dem Urteilssachverhalt die überdies zur Verwirklichung des Tatbildmerkmales der Feuersbrunst erforderliche räumliche Brandausdehnung nicht zu entnehmen. Das in der Boutique ***** entzündete Feuer erfaßte lediglich im Schaufenster drapierte Kleidungsstücke (US 8 Mitte) und erlosch von selbst, sodaß es anläßlich des Feuerwehreinsatzes nicht einmal bemerkt wurde (US 9 oben). Im Lokal ***** erreichte der Brand gleichfalls nur eine geringe räumliche Ausdehnung, war er doch (US 8, 9) auf einen "Kühlraum" (genauer: auf dessen nur 2,1 x 1,5 m messenden Vorraum mit dem Kühlaggregat; vgl den Urteilstenor, ferner I/5, 102 ff, 184 bis 189 und 267) beschränkt. Angesichts dieses Ausmaßes des Brandes kann nicht davon ausgegangen werden, daß er sich, bevor er gelöscht werden konnte, bereits zu einer Feuersbrunst entwickelt hatte (vgl EvBl 1980/159). Der vom Erstgericht vorgenommenen gesonderten Beurteilung der Zündhandlungen im Cafe-Restaurant ***** (Urteilsfaktum 1.) als vollendete sowie in der Boutique ***** (Urteilsfaktum 2.) als versuchte Brandstiftung stand somit nicht nur entgegen, daß die in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang stehenden Tathandlungen, denen der (zumindest bedingt) auf Herbeiführung einer Feuersbrunst am selben Gebäude gerichtete Vorsatz zugrunde lag (US 8, 15), nur Phasen einer als Einheit zu bewertenden Tat darstellen, sondern auch, daß die Tat in keiner dieser Phasen bis zur Vollendung (dem tatsächlichen Ausbruch der Feuersbrunst) gediehen war.

Der vom Schöffengericht konstatierte Sachverhalt war somit in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde als eine (einzige) versuchte Brandstiftung zu beurteilen.

Bei der infolge der geänderten Sachentscheidung notwendig gewordenen Neubemessung der Strafe war der erhebliche, durch die Tat herbeigeführte Schaden erschwerend, mildernd hingegen waren der bisherige ordentliche Lebenswandel der Angeklagten und der Umstand, daß es beim Versuch geblieben ist.

In Würdigung der gegebenen Strafzumessungsgründe und der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung (§ 32 StGB) erachtete der Oberste Gerichtshof eine für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene einjährige Freiheitsstrafe als der Schuld der Angeklagten und dem Unrechtsgehalt der Tat angemessen.

Die Staatsanwaltschaft und die Angeklagte waren mit ihren gegen den Strafausspruch gerichteten Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.

Berechtigung kommt ferner der gegen das Schadenersätze zusprechende Adhäsionserkenntnis gerichteten Berufung der Angeklagten zu. Liegen doch infolge der bloß mündlichen, dem Grunde nach undifferenzierten, durch Urkunden nicht belegten und damit nicht überprüfbaren Geltendmachung privatrechtlicher (von der Angeklagten nicht anerkannter) Ansprüche jene Voraussetzungen nicht vor, um auf deren Grundlage über die in Rede stehenden Ersatzansprüche verläßlich urteilen zu können. Die Privatbeteiligten, die einen Zuspruch erwirkten, waren somit (auch) auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

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