Spruch:
Es wird dem Rekurs Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagenden und gefährdeten Parteien sind schuldig, den Beklagten und Gegnern der gefährdeten Parteien die mit S 22.915,44 bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin enthalten S 3.819,24 Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die drei klagenden und gefährdeten Parteien (in der Folge: Kläger), deren Mutter bei einem Verkehrsunfall getötet wurde, begehren mit Klage, gestützt auf § 1327 ABGB, unter anderem eine monatliche Rente von je S 4.000 wegen entgangener Pflegeleistungen. Im Lauf des Verfahrens beantragten sie, die Beklagten und Gegner der gefährdeten Parteien (in der Folge: Beklagte) zu verpflichten, ihnen einen monatlichen Betrag von je S 4.686,33 zu bezahlen. Sie brachten vor, zur Sicherung ihrer Wohlfahrt und Existenz sei die Anstellung einer Kinderfrau unbedingt erforderlich, die Kosten einer solchen würden für drei Kinder monatlich S 14.059 betragen.
Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Es führte aus, die Kläger machten eine Geldforderung geltend, sodaß die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 379 EO zu prüfen seien. Eine Gefährdung nach dieser Bestimmung werde nicht einmal behauptet. § 381 EO sei nicht anwendbar, weil es sich nicht um einen "anderen Anspruch" handle. Auch von drohender Gewalt im Sinne des § 381 Z 2 EO könne keine Rede sein, ebensowenig von einem unwiederbringlichen Schaden.
Das Rekursgericht hob den Beschluß des Gerichtes erster Instanz auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt. Das Gericht zweiter Instanz stimmte dem Erstgericht zu, daß die Voraussetzungen des § 379 Abs 2 EO nicht gegeben seien und es sich bei den Forderungen nicht um "andere Ansprüche" im Sinne des § 381 EO handle. Zu prüfen sei aber, ob der geltend gemachte Anspruch dem § 382 Z 8 EO zu unterstellen sei. Dem würde nicht entgegenstehen, daß keine Direktansprüche gegen den Unterhaltsverpflichteten geltend gemacht würden, sondern daß die Kinder als mittelbar Geschädigte ihre Ansprüche auf § 1327 ABGB gründeten. Lehre und Rechtsprechung hätten diesen Anspruch wohl bei Beurteilung von Einzelfragen als Schadenersatzanspruch qualifiziert, dies jedoch immer nur dort, wo der ursprüngliche Unterhaltscharakter des Anspruches durch das Dazwischentreten des schädigenden Dritten verändert worden sei. So sei es in SZ 45/143 darum gegangen, daß der Anspruch nach § 1327 ABGB habe höher sein können als der gesetzliche Unterhalt, wenn auch eine freiwillige Unterhaltsgewährung zu berücksichtigen gewesen sei. Weitere Abweichungen von den unterhaltsrechtlichen Beurteilungskriterien hätten sich ergeben, wenn den Unterhaltspflichtigen ein Mitverschulden am Unfall getroffen habe (SZ 24/214), wenn es um Haftungsbegünstigungen gegangen sei, oder um die Leistungsfähigkeit, welche bei Unterhaltsansprüchen auf seiten des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen gewesen sei, nicht jedoch bei Schadenersatzansprüchen auf Seiten des Schädigers (SZ 44/54). Diese schadenersatzrechtlichen Besonderheiten änderten jedoch nichts daran, daß nach wie vor eine enge Verwandtschaft zum Unterhaltsanspruch gegeben sei, etwa dann, wenn auch im Schadenersatzprozeß auf die Bedürfnisse des Hinterbliebenen nach Unterhaltsgesichtspunkten Bedacht zu nehmen sei (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 13 zu § 1327). Dem stehe auch nicht die Regelung des § 14 EKHG entgegen, der zwar von Schadenersatzansprüchen einerseits spreche und in der Ziffer 3 die Unterhaltsansprüche Dritter erwähne, weil der Zweck dieser Bestimmung sei, die Leistung in Form einer Geldrente festzulegen, nicht jedoch eine Entscheidung über die Rechtsnatur des Ersatzanspruches zu fällen. Der Grundgedanke des § 382 Z 8 EO bestehe darin, besonders günstige Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß der Unterhalt des Kindes möglichst rasch und ausreichend gesichert werde. Diesem Gedanken habe der Gesetzgeber auch in der Bestimmung des § 382 a EO Rechnung getragen, der neben der Sicherung durch einstweilige Verfügung eine besondere Art der Unterhaltssicherung eingeführt habe, welche die vorläufige finanzielle Lebensgrundlage des Kindes gewährleisten solle. Habe aber der Gesetzgeber umfangreiche Maßnahmen dafür getroffen, die Existenzgrundlage des Kindes bei mangelnder Unterhaltsleistung sicherzustellen, so müßten diese Maßnahmen auch dann greifen, wenn der Unterhaltspflichtige getötet worden sei und die Kinder ihre Ansprüche auf dem Umweg des § 1327 ABGB geltend machen müssen, wobei auch der schadenersatzrechtliche Gedanke zum Tragen komme, daß der Geschädigte so zu stellen sei, wie er ohne das schädigende Ereignis gestellt gewesen wäre, sodaß im Hinblick auf die besondere Gefährdung der Unterhaltsberechtigten auch die Art der Sicherstellung ihrer Ansprüche von diesem Gedanken erfaßt sein müsse. Das Rekursgericht vertrete daher die Meinung, daß der vorliegende Anspruch der gefährdeten Parteien nach § 382 Z 8 EO zu beurteilen und einer Sicherung durch eine einstweilige Verfügung grundsätzlich zugänglich sei. Da das Erstgericht über die sonstigen Voraussetzungen des Anspruches weder Beweise aufgenommen noch Feststellungen getroffen habe, sei mit einer aufhebenden Entscheidung vorzugehen.
Die Beklagten bekämpfen den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs, in welchem sie die Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichtes anstreben.
Die Gleichschrift dieses Rechtsmittels wurde dem Vertreter der gefährdeten Parteien am 11.September 1992 zugestellt, der am 30. September 1992 - also erst nach Ablauf der Frist des § 402 Abs 1 letzter Satz EO - eine Revisonsrekursbeantwortung überreichte. Dieser Schriftsatz war als verspätet zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.
Die Ausführungen des Rekursgerichtes, Ansprüche nach § 1327 ABGB seien nur bei Beurteilung von Einzelfragen als Schadenersatzanspruch qualifiziert worden, entsprechen nicht der Lehre und Rechtsprechung. Nach einhelliger Ansicht ist der Anspruch auf das Entgangene im Sinne des § 1327 ABGB kein Unterhaltsanspruch sondern ein Schadenersatzanspruch (Wolff in Klang2 VI 151; Reischauer in Rummel2, Rz 13 zu § 1327; Harrer in Schwimann, Rz 12 zu § 1327; SZ 45/143; ZVR 1980/240; WBl 1981, 378 uva). Aus diesem Grund wurde etwa auch eine Zession derartiger Ansprüche als zulässig angesehen (8 Ob 130/80; WBl 1989, 378), es wurde auch ausgesprochen, daß es sich um keinen Unterhaltsanspruch im Sinne des § 1 Abs 3 KO handle (2 Ob 88, 89/71).
Die Kläger fordern somit nicht Unterhalt, sondern machen auf Geldleistungen gerichtete Schadenersatzansprüche geltend. Daß es sich hiebei um Geldforderungen handelt, kann nicht zweifelhaft sein, weshalb auf die vereinzelt vertretene Ansicht, Unterhaltsforderungen seien keine Geldforderungen, nicht eingegangen werden muß.
Daß die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 379 Abs 2 EO zur Sicherung von Geldforderungen nicht vorliegen, bedarf keiner weiteren Erörterung, auch die Kläger behaupten nicht, daß diese Vorschrift zur Rechtfertigung ihres Provisorialbegehrens herangezogen werden könnte. Nach § 381 EO können einstweilige Verfügungen nur zur Sicherung von Ansprüchen getroffen werden, die keine Geldforderungen sind (Heller-Berger-Stix III 2720). In der neueren Lehre wird zwar teilweise die Ansicht vertreten, § 381 Z 2 EO bilde eine Rechtsgrundlage für Geldleistungsverfügungen (Holzhammer, Zwangsvollstreckungsrecht3 341 f; Kininger, Einstweilige Verfügungen zur Sicherung von Rechtsverhältnissen 67 f), der erkennende Senat vermag sich dieser, mit dem Wortlaut des § 381 EO in Widerspruch stehenden Meinung nicht anzuschließen, und vertritt die Ansicht, daß zugunsten von Klagen auf Zahlung einer Geldrente einstweilige Verfügungen nicht nach § 381 Z 2 EO erlassen werden können (so auch Konecny, Der Anwendungsbereich der einstweiligen Verfügung 69 f).
Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes können Rentenansprüche nach § 1327 ABGB aber auch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß §§ 382 Z 8 lit a EO nicht rechtfertigen. Nach dieser Vorschrift kann mit einstweiliger Verfügung einstweiliger Unterhalt bestimmt werden. Da die Kläger aber keine Unterhaltsansprüche sondern Schadenersatzansprüche geltend machen, kommt eine Anwendung dieser Vorschrift nicht in Betracht. Nach ständiger Rechtsprechung können Unterhaltsansprüche, die in § 382 Z 8 lit a EO nicht angeführt sind, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach dieser Gesetzesstelle nicht rechtfertigen (SZ 52/121 ua), auch bei Leibrentenforderungen, selbst wenn sie dem Unterhalt des Berechtigten dienen, kann eine einstweilige Verfügung nur nach § 379 EO bewilligt werden (SZ 20/43). Ebensowenig ist es aber zulässig, Schadenersatzleistungen aufgrund der Vorschrift des § 382 Z 8 lit a EO einstweilen zuzuerkennen (Die gegenteilige Ansicht, die Kininger aaO 16 vertritt, kann nicht geteilt werden. Dies ergibt sich nicht nur aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes, sondern auch daraus, daß zwischen dem Schädiger und den Hinterbliebenen kein familienrechtliches Naheverhältnis besteht (vgl SZ 52/121). Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Auferlegung eines vorläufigen Unterhaltes im Sinne des § 382 Z 8 lit a EO begrifflich keine einstweilige Verfügung im Sinn der Exekutionsordnung dar, weil dadurch nicht ein Leistungsanspruch gesichert, sondern den Berechtigten ein einstweiliger Unterhalt zugebilligt wird (SZ 43/182; SZ 60/60 und 97 uva). Eine Möglichkeit, vorläufigen Schadenersatz zuzuerkennen, sieht das Gesetz aber nicht vor.
Daraus folgt, daß dem Antrag der gefährdeten Parteien als Erlassung einer einstweiligen Verfügung kein Erfolg beschieden sein kann, weshalb die vom Rekursgericht aufgetragene Verfahrensergänzung nicht erforderlich ist.
Dem Rekurs war daher dahin Folge zu geben, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 402 und 78 EO sowie den §§ 41 und 50 ZPO. Dabei war als Kostenbemessungsgrundlage gemäß § 9 Abs 1 RAT die dreifache Jahresleistung heranzuziehen, somit S 506.124. § 9 Abs 3 RAT war nicht anwendbar, weil es sich nicht um ein einstweiligen Unterhalt handelt.
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