OGH 2Ob88/71 (2Ob89/71)

OGH2Ob88/71 (2Ob89/71)22.4.1971

SZ 44/54

Normen

ABGB §1327
KO §1 Abs3
KO §15
KO §157
VersVG §157
ABGB §1327
KO §1 Abs3
KO §15
KO §157
VersVG §157

 

Spruch:

Die durch das nach § 157 VersVG erworbene Absonderungsrecht an der Haftpflichtsumme nicht gedeckten Ersatzansprüche nach § 1327 ABGB sind Konkursforderungen, auf die sich auch die Wirkungen eines Zwangsausgleiches erstrecken

OGH 22. 4. 1971, 2 Ob 88, 89/71 (OLG Graz 4b R 114, 115/70; LG Klagenfurt 18 Cg 526/69)

Text

Am 2. 12. 1966 verschuldete Matthias E als Lenker eines LKWs, dessen Halter der Beklagte war, einen Verkehrsunfall, bei dem Wilhelm R getötet wurde. Wilhelm R war zur Unfallszeit auf dem Wege zur Arbeit. Die Zweitklägerin anerkannte den Unfall als Arbeitsunfall. Die klagenden Parteien erbringen aus Anlaß dieses Unfalles an die Witwe und die beiden Kinder des tödlich Verunglückten Rentenleistungen. Der Haftpflichtversicherer des Beklagten hat die restliche Versicherungssumme zugunsten sämtlicher Anspruchsberechtigten bei Gericht erlegt. Der am 17. 9. 1968 über das Vermögen des Beklagten eröffnete Konkurs wurde nach Abschluß des mit Beschluß vom 29. 9. 1969 bestätigten Zwangsausgleiches vom 18. 9. 1969 am 6. 11. 1969 aufgehoben. Die Ausgleichsquote betrug 20%.

Die klagenden Parteien begehrten die Feststellung, daß Matthias E und der Beklagte als Solidarschuldner insoweit zum Ersatz ihrer künftigen Pflichtaufwendungen für die Hinterbliebenen des Wilhelm R verpflichtet seien, als im Ersatzanspruch der Hinterbliebenen gegen die Schädiger ein Deckungsfonds gegeben sei.

Das Begehren gegen den mitbeklagten Matthias F wurde durch Versäumungsurteil erledigt. Der Beklagte anerkannte das Alleinverschulden seines Fahrzeuglenkers, wendete jedoch ein, daß er auf Grund des durch den Zwangsausgleich gewährten Nachlasses nur für 1/5 der Ersatzansprüche unter den Beschränkungen des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes hafte.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es führte aus, daß der Beklagte als Fahrzeughalter gemäß §§ 5, 12 Abs 2 und 19 Abs 2 EKHG den Hinterbliebenen für den entgangenen Unterhalt hafte und dieser Ersatzanspruch gemäß § 332 ASVG auf die klagenden Parteien übergegangen sei. Der Konkurs wirke sich auf das Feststellungsbegehren nicht aus.

Infolge Berufung des Beklagten bestätigte das Berufungsgericht das Ersturteil und sprach aus, daß der Streitwert S 15.000.- übersteige. Es war im Gegensatz zum Erstgericht der Ansicht, daß ein durch Zwangsausgleich gewährter Nachlaß auch im Feststellungsprozeß berücksichtigt werden müsse, billigte aber die Entscheidung der ersten Instanz aus der Erwägung, daß der Anspruch der Hinterbliebenen auf Ersatz des entgangenen Unterhalts dem Gründe nach zwar schon im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses auf die Sozialversicherungsträger übergehe, sich aber erst während des gesamten künftigen Schadensverlaufes, zeitlich während der Dauer der Anspruchsberechtigung der Hinterbliebenen und der Höhe nach im Umfang des jeweiligen Ersatzanspruches und der von den Sozialversicherungsträgern erbrachten Leistungen konkretisiere. Die Regreßberechtigung der klagenden Parteien werde, da sich das Feststellungsbegehren lediglich auf die künftige, erst nach der Konkurseröffnung konkretisierte Regreßpflicht beziehe, von den Wirkungen des Zwangsausgleiches nicht berührt.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten teilweise Folge und änderte das Urteil des Berufungsgerichtes dahin ab, daß die Entscheidung zu lauten habe:

Es wird dem Beklagten gegenüber festgestellt, daß er zur ungeteilten Hand mit Matthias E verpflichtet ist, den klagenden Parteien die Leistungen, die sie aus Anlaß des tödlichen Unfalles des Wilhelm R vom 2. 12. 1966 dessen Witwe und Kindern künftig zu erbringen haben, insoweit zu ersetzen, als diese Leistungen in dem Schaden, dessen Ersatz die Hinterbliebenen ohne den Forderungsübergang des § 332 ASVG von den Schädigern beanspruchen könnten und nach Erschöpfung der Haftpflichtversicherungssumme in einem Fünftel des Schadens der oben bezeichneten Hinterbliebenen Deckung finden.

Das Mehrbegehren auf Feststellung der Haftung des Beklagten für die künftigen Pflichtaufwendungen der klagenden Parteien, soweit diese auch nach Erschöpfung der Haftpflichtversicherungssumme im ganzen Schaden der Hinterbliebenen Deckung fänden, wird abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision macht geltend, daß die Ersatzansprüche der klagenden Parteien als Forderungen auf wiederkehrende Leistungen nach den §§ 14 bis 16 KO zu kapitalisieren seien und daß der Beklagte auf Grund des Zwangsausgleiches den klagenden Parteien künftighin nur 20% ihrer Forderungen zu ersetzen habe. Der Revisionswerber geht also davon aus, daß auch die bei Konkurseröffnung noch nicht fälligen Ersatzansprüche Konkursforderungen dritter Klasse sind, denn nur diese werden von den Wirkungen eines Zwangsausgleiches erfaßt (§§ 150 Abs 1 und 2, 156 Abs 1 KO). Dem ist mit den noch zu erörternden Einschränkungen grundsätzlich beizupflichten.

Gegenstand des Prozesses sind die nach Maßgabe des § 332 Abs 1 ASVG auf die klagenden Parteien übergegangenen Ansprüche der Hinterbliebenen des Getöteten auf Ersatz entgangener tatsächlicher Unterhaltsleistungen für die Zeit nach der Konkurseröffnung. Es handelt sich dabei um ein Wiederkehrschuldverhältnis. Die Ersatzansprüche der klagenden Parteien unterliegen grundsätzlich den Wirkungen des Zwangsausgleiches. Der Ersatzanspruch nach § 1327 ABGB ist kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch und daher nicht wie dieser von der Teilnahme am Konkurs ausgeschlossen. Bestand und Umfang der auf einer unerlaubten Handlung beruhenden Ersatzpflicht nach § 1327 ABGB sind nicht von der jeweiligen Leistungsfähigkeit des Schädigers abhängig. Diese Ersatzansprüche entstehen nicht wie die familienrechtlichen Unterhaltsansprüche immer wieder von neuem, sodaß die Bestimmung des § 1 Abs 3 KO auf sie nicht anwendbar ist. Ansprüche aus widerrechtlichen Handlungen sind, wenn die unerlaubte Handlung vor der Konkurseröffnung begangen worden ist, für Vergangenheit und Zukunft Konkursforderungen (Lehmann, Komm zur Österr Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung, 37; Jaeger, Komm zur Konkursordnung[8], Anm 42 zu § 3). Diese Forderungen aus Delikten bilden einheitliche, also nicht fort und fort neu entstehende Ansprüche (Jaeger aaO). Die zur Zeit der Konkurseröffnung zwar geschuldeten, aber noch nicht fälligen Einzelansprüche (Renten) sind gemäß § 15 KO nach ihrem Wert zur Zeit der Verfahrenseröffnung nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung (Versicherungsmathematik) zu schätzen. Der Gesamtwert aller noch nicht verfallenen künftigen Einzelleistungen bildet eine durch die Konkurseröffnung fällig gewordene einheitliche Konkursforderung (Bartsch - Pollak II, 196). Die Wirkungen des Zwangsausgleiches erstrecken sich auf diese nach der Konkurseröffnung verfallenen Forderungen, und zwar in ihrer konkursmäßig veränderten Gestalt (§ 15 KO), gleichgültig ob diese Ansprüche im Konkurs angemeldet wurden oder nicht (Jaeger Anm 3 zu § 193). Der Streit über die Höhe der Gesamtforderung ist, wenn im Konkursverfahren eine Wertfestsetzung nach § 15 KO nicht erfolgt ist, im Prozeß auszutragen. Der im Zwangsausgleich gewährte Teilnachlaß ist bereits im Feststellungsprozeß zu berücksichtigen, weil durch ihn die Ersatzpflicht dem Gründe nach berührt, nämlich eingeschränkt wird. Der Berücksichtigung des Nachlasses steht nicht entgegen, daß jene künftigen Leistungen der klagenden Parteien, die in der Haftpflichtversicherungssumme Deckung finden, infolge des durch die Konkurseröffnung gemäß § 157 VersVG erworbenen Absonderungsrechtes von den Wirkungen des Konkurses und des Zwangsausgleiches nicht berührt werden, daher weder in ihrem Umfange noch hinsichtlich ihrer Fälligkeit eine Veränderung erfahren und daß daher derzeit noch nicht beurteilt werden kann, für welchen künftigen Zeitraum der Ersatz der Pflichtaufwendungen im vollen Umfang wird begehrt werden können. Diesem Umstande ist durch eine entsprechende Fassung des Urteilsspruches Rechnung zu tragen. Die tatsächlichen Voraussetzungen für das Wiederaufleben der vom Zwangsausgleich berührten Konkursforderungen wurden in erster Instanz nicht behauptet. Ein allfälliges Wiederaufleben kann somit im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden.

Die durch die Konkurseröffnung gemäß § 15 KO eingetretene Verwandlung der durch die Haftpflichtversicherungssumme nicht gedeckten Schadenersatzrenten in Abfindungsforderungen erlischt durch die Aufhebung des Konkurses nicht, wenn, wie im vorliegenden Falle, ein Zwangsausgleich geschlossen wird, durch den diese Forderungen einen Nachlaß erleiden (Bartsch - Pollak I, 317, 321). Der Revisionswerber hat daher den klagenden Parteien ihre künftigen, durch die Versicherungssumme nicht gedeckten Pflichtleistungen nur insoweit zu ersetzen, als sie in 1/5 der gemäß § 15 KO zu ermittelnden Abfindungsforderungen der Hinterbliebenen Deckung finden.

Mit den dargelegten Einschränkungen war der Revision Folge zu geben.

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