OGH 15Os76/92 (15Os77/92)

OGH15Os76/92 (15Os77/92)12.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.November 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta, Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Schneider als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Carmen E***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und § 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 9.April 1992, GZ 17 Vr 6/92-25 sowie über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den mit dem Urteil ergangenen Beschluß gemäß § 494 a StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Jerabek, und des Verteidigers Dr.Slunsky, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben; es werden das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt,

1. Im Ausspruch zu Punkt I des Urteilsspruches, wonach der Wert der gestohlenen und zu stehlen versuchten Sachen 25.000 S nicht übersteigt, und demgemäß in der Nichtannahme der Diebstahlsqualifikation des § 128 Abs. 1 Z 4 StGB,

2. im Unterbleiben der rechtlichen Beurteilung der zu Punkt I C 4 des Urteilsspruches angeführten Tat auch als Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB,

3.) in seinem freisprechenden Teil sowie

4.) demzufolge auch im Strafausspruch einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung und des Ausspruchs über die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher, sowie der zugleich mit dem Urteil gemäß § 494 a StPO ergangene Beschluß aufgehoben.

Gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO wird in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Carmen E***** ist schuldig, sie hat am 23.November 1991 in L***** vorsätzlich fremde Sachen beschädigt, indem sie im gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Wolfgang S***** einen Fensterladen aufbrach und eine Fensterscheibe einschlug; sie hat hiedurch das Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB begangen.

Im weiteren Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

II. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

III. Mit ihrer Berufung und ihrer Beschwerde wird die Staatsanwaltschaft auf die zu I. getroffene Entscheidung verwiesen.

IV. Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche enthaltenden Urteil wurde Carmen E***** u.a. (zu I) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und § 15 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat sie fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt 25.000 S nicht übersteigenden Wert anderen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz

A) durch Einbruch weggenommen, und zwar

1. am 26.August 1991 in B***** 3.500 S Bargeld dem Arnold F***** nach Einsteigen in das Pfarrheim H*****,

2. am 25.November 1991 in B***** Gebrauchs- und Wertgegenstände im Wert von ca 5.800 S dem Martin B***** durch Eindringen in einen versperrten Raum unter Verwendung eines widerrechtlich erlangten Schlüssels,

3. am 11.Oktober 1991 in L***** einen Taschenrechner, sechzehn Stangen Zigaretten sowie mehrere Musikkassetten im Gesamtwert von ca 4.000 S der Brigitte S***** nach Einschlagen einer Fensterscheibe und Einsteigen in das Rathauskaffee;

B) durch Einbruch wegzunehmen versucht, nämlich

1. Anfang September 1991 in S***** Bargeld unbestimmten Wertes dem Verfügungsberechtigten des P***** nach versuchtem Aufbrechen eines Fensters,

2. am 25.Oktober 1991 in L***** Bargeld oder Gebrauchsgegenstände dem Johannes H***** nach versuchtem Aufbrechen eines Fensters:

C) weggenommen, nämlich

1. am 25.Oktober 1991 in L***** ein Hufeisen und ein Beil im Wert von ca 300 S dem Eugen P*****,

2. Mitte Oktober 1991 in D***** 90 Milligramm Flüssigvalium und eine Packung Spritzen im Gesamtwert von ca 150 S dem Amt der Stadt D*****,

3. zwischen dem 25. und 27.November 1991 in L***** verschiedene gebrauchte Kleidungsstücke unbekannten Wertes dem Mathias J*****,

4. am 23.November 1991 zusammen mit dem Mittäter Wolfgang S***** in L***** diverse Getränke, zwei Decken und eine Gaspistole unbekannten Wertes dem Egon P*****,

5. am 22.Oktober 1991 in B***** eine Geldtasche samt Bargeld im Gesamtwert von 1.100 S der Doris P*****.

Vom weiteren Anklagevorwurf, gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert nachgenannten Personen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz

1. durch Einbruch wegzunehmen versucht zu haben, nämlich am 11. Oktober 1991 in L***** der Brigitte S***** nach Einschlagen einer Fensterscheibe und Einsteigen in das Rathauscafe (auch) eine Stereoanlage im Wert von ca 8.000 S und

2. weggenommen zu haben, nämlich am 23.November 1991 in L***** dem Srboljub S***** ein Fahrrad im Wert von ca 4.000 S

wurde die Angeklagte gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Die auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft richtet sich gegen den freisprechenden Teil des Urteils, weiters dagegen, daß das Schöffengericht beim Diebstahl laut Schuldspruch zu Punkt I C 4 die Einbruchsqualifikation nach § 129 Z 1 StGB sowie bei sämtlichen vom Schuldspruch erfaßten Diebstählen eine gewerbsmäßige Zielsetzung der Angeklagten im Sinn des § 130 StGB verneinte.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt zum Teil Berechtigung zu.

Im Freispruchsfaktum 2 erachtete das Erstgericht die Verantwortung der Angeklagten in der Hauptverhandlung für unwiderlegbar, das Fahrrad ohne Zueignung- und Bereicherungsvorsatz lediglich (straflos) unbefugt in Gebrauch genommen zu haben (US 9). Dieser Urteilsannahme steht, wie die Staatsanwaltschaft unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO als Urteilsunvollständigkeit zu Recht rügt, die in der Hauptverhandlung verlesene (vgl ON 40), im Urteil aber unerörtert gebliebene Aussage der Angeklagten vor dem Untersuchungsrichter entgegen, wonach sie bei der Wegnahme des Fahrrades dachte, daß sie es behalten werde (S 105). Dazu kommt, was der Vollständigkeit halber erwähnt sei, daß auch der lange Zeitraum von etwa einem Monat (vgl S 105), in welchem die Angeklagte das Fahrrad benützt hatte (S 417), gegen einen bloß vorübergehenden und kurzzeitigen Gebrauch spricht.

Als mangelhaft erweist sich auch die Urteilsbegründung im Freispruchsfaktum 1: Die Annahme, die Angeklagte habe freiwillig vom Diebstahlsvorhaben abgelassen (US 7), läßt die in der Beschwerde zitierte und mit Bezugnahme auf den behaupteten freiwilligen Rücktritt vom Versuch jedenfalls erörterungsbedürftige Aussage der Angeklagten im Vorverfahren (S 29), welche gleichfalls in der Hauptverhandlung verlesen wurde (erneut ON 40), völlig außer acht, wonach sie die Stereoanlage bereits herausgeholt hatte, als plötzlich ein jüngerer Bursche nur wenige Meter von ihr entfernt stand, worauf sie flüchtete (S 29).

Diese dem freisprechenden Teil des angefochtenen Urteils anhaftende Unvollständigkeit (Z 5) macht die Aufhebung der Freispruchsfakten unvermeidbar.

Der weitere, sämtliche vom Schuldspruch erfaßten Diebstahlsfakten betreffende Vorwurf, die Begründung der vom Erstgericht verneinten gewerbsmäßigen Zielsetzung erschöpfe sich im pauschalen Hinweis auf die unwiderlegte Verantwortung der Angeklagten, geht fehl. Denn die Tatrichter haben die Nichtannahme gewerbsmäßiger Tatbegehung keineswegs damit begründet, sondern beweiswürdigend unter Berücksichtigung der Zahl der Begehungsweise der diebischen Angriffe sowie der Motivation der Angeklagten, in erster Linie Bargeld zur Beschaffung von Drogen zu erlangen, eine auf gewerbsmäßige Tatbegehung gerichtete Absicht der Angeklagten verneint (US 10). Damit liegt aber der von der Anklagebehörde allein geltendgemachte Anfechtungsgrund einer offenbar unzureichenden Begründung im Sinn der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO nicht vor.

Gleiches gilt für die Behauptung der Staatsanwaltschaft, das Erstgericht habe bezüglich des Faktums A 3 der Anklageschrift = I C 4 des Ersturteils für die Verneinung der Einbruchsqualifikation nach § 129 Z 1 StGB überhaupt keine Gründe angeführt. Denn mit dem Hinweis auf die als glaubwürdig beurteilte Verantwortung der Angeklagten in der Hauptverhandlung hat das Erstgericht begründet, warum es zur Überzeugung gelangt ist, daß die Angeklagte beim Eindringen in die Hütte des Egon P***** noch nicht vorhatte, dort irgend etwas zu stehlen, sondern nur die Nacht in der Hütte verbringen wollte (US 8). Auch hier macht die Beschwerde daher einen Anfechtungsgrund geltend, der dem bekämpften Urteil nicht anhaftet.

Berechtigung kommt in diesem Zusammenhang allerdings der dieses Faktum betreffenden (subsidiär erhobenen) Subsumtionsrüge der Staatsanwaltschaft (Z 10) zu. Die ausdrückliche Feststellung des (ersichtlich vorsätzlichen) Aufbrechens eines Fensterladens und Einschlagens einer Fensterscheibe (US 8 iVm S 185) hat im Hinblick auf die Verneinung eines schon in diesem Zeitpunkt gegebenen diebischen Vorsatzes der Angeklagten zur Folge, daß diese Tat als (mit dem - nachfolgenden - Diebstahl echt konkurrierendes) Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu beurteilen ist; diesbezüglich war gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO sogleich in der Sache selbst zu erkennen.

Die Aufhebung der Freispruchsfakten 1 und 2 zwingt auch zur Aufhebung des Ausspruches, wonach der Wert der Beute in den Diebstahlsfakten 25.000 S nicht übersteigt, weil im Falle eines Schuldspruches im neu durchzuführenden Verfahren auch wegen dieser Fakten die Überschreitung der Wertgrenze des im § 128 Abs. 1 Z 4 StGB genannten Betrages möglich ist.

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden, wobei die Aufhebung des Ausspruches über die Einweisung der Carmen E***** in eine Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher sowie des gemäß § 494 a StPO ergangenen Beschlusses eine Folge der Kassierung des Strafausspruches ist, weil diese Entscheidungen mit dem Strafausspruch in untrennbarem Zusammenhang stehen. Dabei wird im neu durchzuführenden Verfahren zu beachten sein, daß die Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher die Beiziehung eines psychiatrischen Sachverständigen zur Hauptverhandlung voraussetzt (§ 439 Abs. 2 StPO; vgl SSt 46/56, Mayerhofer-Rieder, StPO3, E 2 zu § 439).

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